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- Der AFNB Business Navigator
Auf Basis von ChatGPT haben wir einen eigenes GPT mit der Bezeichnung "AFNB Business Navigator" erstellt. Dieses GPT unterstützt dich bei allen deinen Marketing- und Verkaufsstrategien Und so bekommst du den Navigator: Um den Navigator zu nutzen, benötigst du einen kostenlosen ChatGPT-Account bei Open.ai für die Version Chat4o. Hier kannst du dich registrieren: https://chatgpt.com/auth/login Danach kannst du den AFNB Business Navigator mit folgendem Link öffnen: https://www.afnb-mitglieder.com/business-navigator
- Der AFNB Education Navigator
Auf Basis von ChatGPT haben wir einen eigenes GPT mit der Bezeichnung "AFNB Education Navigator" erstellt. Dieses GPT unterstützt dich beim Durchsuchen der NeuroMedia24-Mediathek, bei der Planung und Erstellung von Trainings und Seminaren u.v.m. Und so bekommst du den Navigator: Um den Navigator zu nutzen, benötigst du einen kostenlosen ChatGPT-Account bei Open.ai für die Version Chat4o. Hier kannst du dich registrieren: https://chatgpt.com/auth/login Danach kannst du den AFNB Education Navigator mit folgendem Link öffnen: https://chatgpt.com/g/g-rrYY7CdCp-afnb-education-navigator Die Aufzeichnung unserer Präsentation: Hier findest du eine Aufzeichnung unseres Online-Specials, bei dem wir den Education Navigator vorgestellt und präsentiert haben. https://www.afnb-mitglieder.com/afnb-online-special Hier ein paar Beispiel-Prompts, mit denen du den Navigator testen kannst. Nachfolgend findest du unterschiedliche Beispiel-Prompts zum Ausprobieren und zum Inspirieren. Teste die Prompts und dann entwickle Ideen für deine eigenen, ganz individuellen Prompts. Beispiel-Promt Fachfragen beantworten Erzähle mir etwas zu folgender Frage: Wie beeinflussen Dopamin und Serotonin unser Wohlbefinden und unsere Stimmung und in welchen Themen der Mediathek finde ich hierzu Inhalte? Nenne mir auch alle Links (anklickbar) zu den Themen. Erzähle mir etwas zu folgender Frage: Welche Rolle spielt die Amygdala bei der Verarbeitung von Angst und Stress und in welchen Themen der Mediathek finde ich hierzu Inhalte? Nenne mir auch alle Links (anklickbar) zu den Themen. Beispiel-Promt Zusammenfassungen Schreibe mir eine Zusammenfassung des Themas 08-003 Wahrnehmung und Realität als Fließtext. Beispiel-Promt Kurzvortrag entwickeln Ich möchte einen spannenden und motivierenden Kurzvortrag zum Thema "Zeitmanagement aus Sicht der Gehirnforschung" halten. Bitte schreibe mir einen motivierenden und spannenden Text für diesen Vortrag und teile mir mit, wo ich die Inhalte finde, aus denen du den Text entworfen hast. Nenne mir auch alle Links (anklickbar) zu den Themen. Für 5-Jährige Ich möchte einen spannenden und motivierenden Kurzvortrag zum Thema "Achtsamkeit am Arbeitsplatz" halten. Bitte schreibe mir einen motivierenden und spannenden Text für diesen Vortrag und teile mir mit, wo ich die Inhalte finde, aus denen du den Text entworfen hast. Der Vortrag ist zwar für Erwachsene, aber schreibe den Vortrag so, dass ihn auch ein 5-jähriges Kind versteht. Nenne mir auch alle Links (anklickbar) zu den Themen. Für Neurowissenschaftler Ich möchte einen spannenden und motivierenden Kurzvortrag zum Thema "Die Wirkungsweise von Acethycholin" halten. Bitte schreibe mir einen motivierenden und spannenden Text für diesen Vortrag und teile mir mit, wo ich die Inhalte finde, aus denen du den Text entworfen hast. Der Vortrag richtet sich an Professoren der Neurowissenschaften. Nenne mir auch alle Links (anklickbar) zu den Themen. Im Stil von Charles Dickens Ich möchte einen spannenden und motivierenden Kurzvortrag zum Thema "Die Wirkungsweise von Acethycholin" halten. Bitte schreibe mir einen motivierenden und spannenden Text für diesen Vortrag und teile mir mit, wo ich die Inhalte finde, aus denen du den Text entworfen hast. Schreibe im Stil von Charles Dickens. Nenne mir auch alle Links (anklickbar) zu den Themen. Beispiel-Promt Tabellen erstellen Erstelle eine Tabelle mit 10 Neurotransmitter. Spalte 1: Name des Neurotransmitters. Spalte 2: Wissenschaftliche Funktion. Spalte 3: Wirkungsweise im Zusammenhang mit Motivation. Spalte 4: Downloadlink (anklickbar). Spalte 5: Titel und Titelnummer in der Mediathek. Erstelle eine Tabelle. Spalte 1: Welche Kompetenzen benötigt eine Führungskraft, um von den Mitarbeitenden anerkannt zu werden? Spalte 2: Eine ausführliche Antwort zur Frage "Wie erreiche ich diese Kompetenz?" Spalte 3: Downloadlinks (anklickbar). Ich benötige 10 Kompetenzen. Beispiel-Promt Übungen finden Ich suche eine Übung zum Thema Konfliktlösungen. Bitte mache mir 5 Vorschläge und teile mir mit, wo ich die jeweilige Übung finde. Nenne mir auch die Downloadlinks (anklickbar). Zu folgender Übung möchte ich gerne mehr wissen. Bitte nenne mir hierzu alle Details: Übung: Empathie und aktives Zuhören Titel: 01-002 Teamkommunikation und Teamkonfliktlösung. Kapitel: 01-002-03 Empathie und Verständnis im Team fördern. Beispiel-Promt Studien finden Ich suche eine wissenschaftliche Studie zum Thema „Achtsamkeit“. Mache mir hierzu 3 Vorschläge. Teile mir mit, wo ich die Studien finde und nenne mir die Links (anklickbar). Beispiel-Promt Feedbackbogen erstellen Schritt 1: Ich habe demnächst ein Seminar, das ich aus den Inhalten von "08-003 Wahrnehmung und Realität" entwickelt habe. Entwickle mir hierzu ein aussagekräftiges Feedbackformular. Zeige mir das Formular auf dem Monitor und erstelle es als Wordokument zum Download, inklusive Checkboxen zum Ankreuzen, Linien zum Schreiben etc. Schreibe in DU-Form. Schritte 2: Erstelle das Formular auch als HTML-Code, damit ich es in meine Website einfügen kann. Entwerfe ein Design, dass zu meiner Website "https://www.afnb-international.com/" gut passt. Wenn jemand das Formular ausfüllt und absendet, sollen die Angaben an info@afnb.de gesendet werden. Beispiel-Promt Arbeitsblätter und Prüfungsfragen erstellen Arbeitsblatt: Erstelle mir ein Arbeitsblatt für eine Hausaufgabe zum Thema „Konfliktmanagement im Team“. Zeige es mir auf dem Monitor und erstelle es als Worddokument zum Herunterladen. Prüfungsfragen: Erstelle mir zehn Prüfungsfragen als Multiple-Choice-Fragen mit jeweils vier möglichen Antworten, von denen maximal 2 Antworten richtig sind zu dem Titel 18-002 Aufbau und Pflege von Kundenbeziehungen. Nenne mir die richtigen Antworten. Beispiel-Promt Präsentationen vorbereiten Erstelle mir eine Gliederung für eine Präsentation zum Thema "Veränderungsprozesse, Konfliktlösungen und Entscheidungsfindung". Die Präsentation soll 60 Minuten dauern. Dazu benötige ich ca. 20 PPT-Folien. Schreibe mir zu jedem einzelnen Gliederungspunkt, wie lange er dauert, wie viele Folien ich benötige und wo ich Inhalte dazu finde. Beispiel-Promt Einzelcoaching Ich habe eine Führungskraft als Coachee. Diese Führungskraft tut sich sehr schwer damit, von seinen Mitarbeitenden angenommen und akzeptiert zu werden. Die Führungskraft hat 3 Coachingstunden zu je 60 Minuten bei mir gebucht. Bitte erstelle mir einen detaillierten Plan zum möglichen Ablauf und den möglichen Inhalten der 3 Coachingstunden. Beispiel-Promt Marketing, SocialMedia und Co. Schreibe einen Artikel zum Thema "Empathie" für meinen LinkedIn-Account. Nenne mir die Themen, aus denen du den Artikel erstellt hast. Erstelle mir eine Werbe-Email zu meinem neuen Seminar zum Thema "Transformationsprozesse". Schreibe in Du-Form. Beispiel-Promt Seminarplanung in Kombination mit neuromedia24 und eigenen Inhalten Ich möchte ein Seminar zum Thema "Neuroleading" entwickeln. Das Seminar soll 2 Tage dauern. Die Inhalte des Seminars sollen sich aus folgenden Quellen zusammensetzen: 1. Zu 50% aus der hier beigefügten Masterarbeit. Nenne mir bitte das Kapitel aus dem Dokument, wo du die Inhalte entnommen hast. Beispiel: 2.11 Organisationale Neuroleadingaspekte von Rock, SCARF-Modell. 2. Zu 50% aus den Inhalten der Mediathek neuromedia24. Nenne mir hierzu die jeweiligen Titel und Downloadlinks, wo ich die Inhalte dazu finde. Erstelle einen detaillierten Ablaufplan mit Uhrzeiten. Hinweis: Bei diesem Prompt musst du natürlich Anpassungen bezüglich des beigefügten Dokuments machen, damit er funktioniert. Beispiel-Promt Seminarplanung vom Feinsten Ein Kunde möchte, dass ich für ihn ein Seminar für 20 teilnehmende Führungskräfte erstellen. Das Seminar soll insgesamt 3 Tage dauern. Wir beginnen jeden Tag um 9:00 Uhr und enden um 17:00 Uhr. Von 13:00 Uhr bis 14:00 Uhr ist Mittagspause. Außerdem soll es alle 60 Minuten eine Kaffeepause von 15 Minuten geben. Der Kunde wünscht, dass das Seminar folgende Fragen beantwortet: Wie motiviere ich mich selbst und andere? Wie können Veränderungsprozesse erfolgreich gestaltet werden? Wie gehe ich mit Konflikten mit Mitarbeitenden um? Wie erfülle ich als Führungskraft meine Vorbildfunktion? Wie halte ich meinen Körper und mein Gehirn fit und gesund? Vor dem Seminar: Damit alle Teilnehmenden mit dem gleichen Vorwissen zu dem Seminar kommen, sollen Lerninhalte zu Grundlagenwissen in Form von Videos, Hörbuchdateien und Textdateien in einem Learning Management System (LMS) im Vorfeld zur Verfügung gestellt werden. Während des Seminars: Neben der Präsentation von PowerPoint-Folien möchte ich auch kurze Videosequenzen oder Hörbuchdateien einbauen, um für mehr Abwechslung zu sorgen. Ausserdem möchte ich Diskussionsrunden und Gruppenarbeiten durchführen, um für mehr Interaktivität zu sorgen. Die Inhalte, die du mir für das LMS im Vorfeld vorschlagen möchtest, setze bitte als bekannt voraus, sodass wir während des Seminars andere Inhalte verwenden können, die darauf aufbauen, was im LMS bereitgestellt wurde. Nach dem Seminar: Nach dem Seminar sollen alle Teilnehmenden weiterführendes Material zu Nachbereitung und Vertiefung in Form von eBooks, Videos und Hörbuchdateien erhalten. Der Kunde legt großen Wert auf folgendes: 1. Alle Inhalte müssen neurowissenschaftlich fundiert und durch wissenschaftliche Studien beweisbar sein. 2. An den 3 Tagen sollen die Teilnehmenden viele praktische Anwendungsmöglichkeiten kennenlernen, wodurch sie ihre Kompetenzen und Fähigkeiten verbessern können. 3. Um das Gelernte zu festigen, sollen Übungen zu allen Inhalten durchgeführt werden. Und hier deine Aufgaben: 1. Welche Inhalte empfiehlst du mir für das Learning Management System (LMS) aus der neuromedia24-Mediathek zur Vorbereitung? 2. Welche Inhalte empfiehlst du mir für das Seminar aus der neuromedia24-Mediathek für die 3 Präsenztage? 3. Welche Inhalte empfiehlst du mir für die Nachbereitung und Vertiefung aus der neuromedia24-Mediathek? 4. Erstelle mir einen kompletten Ablaufplan für die 3 Tage und nenne mir zu jedem Programmpunkt im Ablaufplans Titel und Kapitel für die Inhalte. 5. Mache mir zum Schluss eine Aufstellung mit allen Titeln und den dazugehörigen Downloadlinks, die ich für das Seminar benötige. Achte unbedingt darauf, dass alle Links, die du mir nennst, anklickbar sind!!! Danach: Und jetzt bringe das komplette Konzept in eine übersichtlich strukturierte Tabelle. Danach: Und jetzt mache aus der Tabelle eine Excel Tabelle zum Download. NeuroMedia24-Songs Wenn du Songs zu einem bestimmten Thema suchst, gebe einfach folgenden Prompt in den Navigator ein: „Welche Titel gibt es zum Thema Motivation? Nenne mir nur die Titel und die Downloadlinks. Ich benötige keine Untertitel“. Jetzt listet der Navigator alle Titel aus der Mediathek auf und du brauchst nur noch auf den Link klicken, der dich dann direkt auf unseren Cloudserver führt, wo du dann neben den gewohnten Ordnern einen zusätzlichen Ordner mit Songs findest. Hier noch ein paar technische Anwendungstipps Bitte gib dem Navigator möglichst oft ein Feedback auf seine Antworten. Lobe ihn, wenn er dir großartige Ergebnisse geliefert hat und kritisiere ihn, wenn du mit den Ergebnissen nicht zufrieden bist. Je mehr Feedback der Navigator von dir bekommt, desto schneller lernt er dazu und passt sich immer stärker an deine Bedürfnisse an. Sollte ein Prompt nicht das gewünschte Ergebnis liefern, starte den Prompt einfach noch einmal. Du wirst sehen, dass du jedes Mal andere Ergebnisse bekommst. Sollte ein Prompt nicht bis zum Ende durchlaufen und zwischendurch „hängen bleiben“, tippe einfach „mache weiter“ in die Befehlszeile ein. Manchmal kommt es vor, dass man Links nicht anklicken kann. Für diesen Fall gib einfach folgenden Prompt als Anweisung: „Die Links sind nicht anklickbar, bitte noch einmal“.
- NeuroNews
Dein neurowissenschaftlicher Service zur Kundenbindung und Kundengewinnung. Mit unseren NeuroNews bieten wir dir eine hervorragende Möglichkeit für deine eigene Weiterbildung, aber auch für deine Kundenbindung und Kundengewinnung. Jede Woche erhältst du von uns zwei Newsletter mit aktuellen Forschungserkenntnissen aus der Gehirnforschung per Email. Dieser Newsletter bietet dir nicht nur eine hervorragende Möglichkeit, um dein eigenes Wissen zu erweitern, sondern ist auch ein tolles Instrument für deine Kundenbindung und Kundengewinnung. So kannst du zum Beispiel den Newsletter an deine Bedürfnisse anpassen, indem du dein eigenes Logo einbaust, oder persönliche Inhalte hinzufügst und dann an deine Kunden und Interessenten verschickst. Auf diese Weise bietest du deinem Klientel einen spannenden Service und sorgst dafür, dass du in positiver Erinnerung bleibst. Kurzvideos zu den NeuroNews Zu allen NeuroNews, die wir seit dem 01.06.2024 in der neuen Layout-Version produziert haben findest du unter folgendem Link die Kurzvideos: https://web.tresorit.com/l/mwEjk#U_k8XbOW4E8AsLfsAU0Cbw Und so erhältst du die NeuroNews: Gehe auf unsere öffentliche AFNB-Webseite https://www.afnb-international.com/ . Nach ca. 3 Sekunden geht ein Pop-Up auf, wo du die NeuroNews abonnieren kannst. Registriere dich dort und bist zukünftig in unserem Verteiler.
- Conference & Dinner
Unsere Präsenzveranstaltung in der du Zukunft gestalten kannst. Sei bereit für einen Nachmittag voller Erkenntnisse und Inspirationen, gefolgt von einem Abend der Vernetzung und des Austauschs! Von 14:00 Uhr bis 18:00 Uhr erwartet dich ein Feuerwerk an spannenden Workshops, faszinierenden Highlights und Neuerungen, sowie interessanten Präsentationen. Nutze die Gelegenheit, deine eigenen Erfolge zu teilen und dich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Nach einem ereignisreichen Nachmittag laden wir dich herzlich ein, von 18:00 Uhr bis 20:00 Uhr an unserem gemeinsamen Abendessen teilzunehmen. Hier kannst du in entspannter Atmosphäre Kontakte knüpfen, Ideen austauschen und neue Freundschaften schließen. Genieße kulinarische Köstlichkeiten und lass den Tag in geselliger Runde ausklingen. Unsere "Conference & Dinner" Veranstaltung findet zweimal jährlich statt und bietet unseren Mitgliedern in Deutschland, Österreich und der Schweiz die Möglichkeit, an neun verschiedenen Standorten teilzunehmen. Ob du ein Experte auf deinem Gebiet bist oder einfach nur neugierig auf die Zukunft – diese Veranstaltung ist für jeden gemacht, der die Herausforderungen von morgen verstehen und gestalten möchte. Sei dabei und sei ein Teil einer Bewegung, die die Grenzen des Denkbaren neu definiert. Erforsche, diskutiere und vernetze dich – gemeinsam gestalten wir die Zukunft!. Und so kannst du an den "Conference & Dinner" Präsenzveranstaltungen teilnehmen: Logge dich in den Mitgliederbereich ein und wähle Events (https://www.afnb-mitglieder.com/regional-meeting-conference-dinner). Hier findest du alle Termine und kannst dich direkt anmelden.
- Aufbau und Struktur der Themen
Durch den einzigartigen Aufbau und die geniale Struktur der Mediathek, bist du mit einem Minimum an Zeit- und Arbeitsaufwand in der Lage, ein komplettes und individuelles Seminar oder Training zu erstellen. Dass dir die multimedialen Dateiformate der Themen in der Mediathek, perfekte Möglichkeiten bieten, um zukunftsorientierte Lernformate, wie zum Beispiel Micro-, Mobile-, Blended- oder Multimedia-Learning anbieten zu können, ist noch lange nicht alles. Wie wir gleich sehen werden, kannst du mit der Mediathek noch viel viel mehr erreichen. Trainings oder Seminare von der Stange sind out. Gefragt sind stattdessen Trainings und Seminare, die auf die individuellen Bedürfnisse und Anforderungen deiner Kunden zugeschnitten sind. Machen wir ein konkretes Beispiel: Für ein Führungskräfteseminar wünscht sich ein Kunde nicht nur Inhalte über moderne Führungsstile, sondern auch Inhalte aus den Bereichen Kommunikation, Motivation, Veränderungsprozesse und Gesundheit. Darüber hinaus legt der Kunde großen Wert auf praktische Anwendungstipps zur Kompetenzentwicklung, die durch konkrete Übungen gefestigt werden sollen. Ausserdem ist es für ihn wichtig, dass die Inhalte des Seminars neurowissenschaftlich abgesichert sind und durch Studien belegt werden können. Ein solches Seminar zu konzipieren, erfordert normaler Weise einen enormen Aufwand an Zeit und Arbeit für die Recherche und Aufbereitung der Lerninhalte. Durch den einzigartigen Aufbau und die geniale Struktur der Mediathek, kannst du solche oder ähnliche Anforderungen deiner Kunden mühelos, und mit einem Bruchteil des normal üblichen Aufwandes an Zeit und Arbeit erreichen. Jedes Thema in der Mediathek beginnt zunächst mit einem kurzen Themenüberblick. Anschließend folgen fünf Kapitel, in denen unterschiedliche Aspekte des jeweiligen Themas behandelt werden. Jedes einzelne Kapitel ist eine in sich abgeschlossene Lerneinheit. Du kannst somit ganz nach belieben aus unterschiedlichen Themen, unterschiedliche Kapitel, wie in einem Baukastensystem zu einem neuen Seminar zusammenstellen. Es kommt aber noch besser. Jedes einzelne Kapitel besteht aus fünf Abschnitten, in denen die Inhalte des jeweiligen Kapitels aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden. Nach einer kurzen Einführung in das jeweilige Kapitel, beginnt es mit dem Abschnitt Biochemische Prozesse. Hier werden die vier wichtigsten Neurotransmitter behandelt, die für den Inhalt des Kapitels eine wichtige Rolle spielen. Zu jedem der vier Neurotransmitter gibt es eine kurze wissenschaftliche Erklärung über seine Funktion, also dass zum Beispiel Dopamin eine wichtige Rolle in unserem Belohnungssystem spielt, oder Oxytocin eine wichtige Rolle bei Bindung und Sympathie spielt. Und es gibt zu jedem der vier Neurotransmitter eine Erklärung, wie er im Kontext dieses Kapitels wirkt. Hochgerechnet auf fünf Kapitel hast du somit zu jedem Thema insgesamt zwanzig praxisorientierte Erklärungen über die Funktions- und Wirkungsweise der beteiligten Neurotransmitter. Da auch diese in sich abgeschlossen sind, kannst du sie ebenfalls wie einzelne Bausteine ganz nach deinen Vorstellungen zusammenstellen und in deinen Trainings einsetzen. Nach dem Abschnitt biochemische Prozesse folgt der Abschnitt beteiligte Gehirnareale. Hier werden die vier wichtigsten Gehirnareale dargestellt, die mit dem Inhalt des Kapitels im Zusammenhang stehen. Zu jedem der vier Gehirnareale gibt es auch hier eine kurze Information über seine Funktion, also dass zum Beispiel die Amygdala eine wichtige Rolle bei der Emotionsverarbeitung spielt, oder der präfrontale Cortex der Sitz des Verstandes ist. Und es gibt zu jedem der vier Gehirnareale eine Erklärung, was das jeweilige Areal im Zusammenhang mit diesem Kapitel bewirkt. Hochgerechnet auf fünf Kapitel hast du somit zu jedem Thema insgesamt zwanzig praxisorientierte Erklärungen über die Funktions und Wirkungsweise der beteiligten Gehirnareale. Wenn es also für dich oder deine Kunden wichtig ist, neurowissenschaftliche Erkenntnisse in dein Seminar oder Training zu integrieren, bietet dir jedes Thema der Mediathek eine Fülle von Möglichkeiten. Vielleicht ist es dir oder deinen Kunden aber auch wichtig, wissenschaftliche Studien als Beweis für bestimmte Erkenntnisse zu präsentieren. Wenn ja, dann erwarten dich in dem nächsten Kapitelabschnitt drei Studien. Jede der drei Studien ist in zwei Frageblöcke unterteilt. Erstens: Was wurde untersucht? Und zweitens: Welche konkreten Ergebnisse wurden erzielt? Je Thema stehen dir somit 3 Studien mal fünf Kapitel, also insgesamt fünfzehn Studien zur Verfügung, aus denen du die für dich interessantesten auswählen kannst. Der nächste Kapitelabschnitt dürfte bei fast allen deinen Trainings oder Seminaren eine wichtige Rolle spielen. Nämlich, praktische Tipps zur Kompetenzentwicklung. Zu jedem Kapitel haben wir vier wertvolle Tipps ausgearbeitet und sie ebenfalls in zwei Frageblöcke aufgeteilt. Erstens: Was ist die Eigenschaft der geforderten Kompetenz oder Fähigkeit? Und zweitens: Was kann ich tun, um diese Kompetenz oder Fähigkeit zu entwickeln? Bei fünf Kapiteln je Thema stehen dir somit insgesamt zwanzig praktische Anwendungstipps zur Verfügung, die du für die Entwicklung von Kompetenzen und Fähigkeiten deiner Teilnehmer nutzen kannst. Und im letzten Abschnitt eines jeden Kapitels findest du zwei Übungen, die du wunderbar nutzen kannst, um zum Beispiel die zuvor genannten praktischen Anwendungstipps zu trainieren. Jede Übung besteht aus drei Frageblöcken. Erstens: Was ist das Ziel der Übung? Zweitens: Welche Utensilien benötigst du für die Übung? Und drittens: Was sind die einzelnen Schritte der Übung. Zu jedem Thema stehen dir somit insgesamt zehn Übungen und Tools zur Verfügung, aus denen du auswählen kannst. Mit diesem Aufbau und dieser Struktur der Mediathek verfügst du über ein Höchstmaß an Flexibilität und Individualität. Mit einem Minimum an Zeit und Arbeit bist du in der Lage ein komplettes Training oder Seminar nach deinen Wünschen oder den Vorgaben deiner Kunden zu erstellen. Nutze diese Möglichkeiten und spare zukünftig enorm viel Zeit und Arbeit für die Recherche und die Aufbereitung von Seminarinhalten. Und so findest du die Mediathek: Logge dich im Mitgliederbereich auf www.afnb-mitglieder.com ein und wähle den Menüpunkt "Mediathek (Themen ab 08/2023)".
- APP
Unsere APP mit vielen Leistungen direkt auf deinem Smartphone. Mit unserer App hast du viele unserer Leistungen auf deinem Smartphone stets griffbereit. So kannst du dir zum Beispiel von deinem Smartphone aus Videos aus der Mediathek oder Aufzeichnungen von Online-Veranstaltungen anschauen. Oder du kannst dich zu unseren Events anmelden. Das und vieles mehr kannst du mit unserer APP nutzen. Und so bekommst du die App auf dein Smartphone. Schau dir bitte unten die Beschreibung an. Dort erfährst du Schritt für Schritt, wie du die APP auf deinem iphone oder auf deinem Android-Smartphone installieren kannst. Mache es am besten jetzt gleich, damit du ab sofort mobil alles verfügbar hast. Und so bekommst du die APP auf dein Smartphone: Um unsere APP auf deinem Smartphone zu installieren gehe bitte wie folgt vor: Öffne unsere Adresse www.afnb-app.com Gebe als Benutzernamen (Login) deine bei uns gespeicherte Emailadresse ein. Als Passwort benutze bitte "123456" Nach deinem ersten Login ändere bitte dein Passwort für die APP, indem du in der APP "Mein Profil" wählst und auf den schwarzen Kreis mit dem Zahnrad klickst. Sollte dir dein Smartphone die Funktion "Auf dem Homescreen speichern" nicht automatisch anbieten, findest du hier eine kleine Hilfestellung zur Installation auf Android-Geräten und IOS-Geräten.
- eBook "Future Learning"
Gehirnforschung und die Revolution des Lernens und Lehrens in Trainings, Seminaren und im Coaching. Future Learning ist ein einzigartiges eBook, dass das Thema Gehirnforschung und die Revolution des Lernens und Lehrens in Trainings, Seminaren und im Coaching, spannend und leicht verständlich behandelt. Es ist ein Guide, ein Navigator und ein Wegweiser für alle Trainer, Berater und Coaches, die erkannt haben, wie wichtig neurowissenschaftlich fundierte und innovative Lern- und Lehrformate sind, um sich zukünftig im Aus- und Weiterbildungsmarkt mit hirngerechten Konzepten erfolgreich zu positionieren. Und es ist dein interaktiver Begleiter in einer Welt der zunehmenden Digitalisierung mit vielen Praxisbeispielen für eine direkte Umsetzung, Interaktiven Quizfragen (um dein Wissen zu prüfen) und vielen Audio- und Videodateien für ein multimediales Lernerlebnis. Es ist somit eine unerschöpfliche Fundgrube mit einem reichhaltigen Schatz an Ideen und Möglichkeiten. Besondere Aufmerksamkeit solltest du dem Kapitel Bonus-Package schenken, denn dort findest du in Form von Hörbuchdateien ein Feuerwerk an praktischen Beispielen. Ein Block beschäftigt sich damit, wie du die tollen Erkenntnisse der modernen Gehirnforschung in deine Trainings oder Seminare integrieren kannst. Und ein weiterer Block auf der nächsten Seite beschäftigt sich damit, wie du Schritt für Schritt die modernen Technologien für deine Trainings oder Seminare nutzen kannst. Das eBook, inklusive mehr als fünf Stunden Audio- und Videomaterial, findest du auf www.my-future-learning.com zum Preis von 49,00 Euro. Als Mitglied unserer Akademie, bekommst du es jedoch von uns geschenkt. Nutze diese Chance und mache dich fit für die Zukunft. Und so erhältst du das eBook kostenlos: Gehe auf https://www.my-future-learning.com/. Wähle den Münüpunkt "Shop" und lege das eBook in den Warenkorb. Gebe bei dem Bestellvorgang den Gutscheincode "FLMG" ein und der Preis reduziert sich von 49,00 € auf 0,00 €.
- Livestream Day of Science
Ein absolutes Highlight mit internationalen Wissenschaftlern. Ein absolutes Highlight, das du nicht verpassen darfst, sind unsere Livestream Days of Science. Bei diesem Online-Format, präsentieren wir dir international renommierte Wissenschaftler, mit aktuellen Forschungserkenntnissen, zu einem spannenden und interessanten Thema. Hierzu setzten wir Simultandolmetscher ein, so dass du selbst entscheiden kannst, ob du an diesem Event in deutscher Sprache oder in der Originalsprache teilnehmen möchtest. Ein bis zwei Tage nach dem Event, stellen wir dir eine Aufzeichnung des Livestream Days zur Verfügung. Diese Aufzeichnung kannst du nutzen, um die Lerninhalte daraus noch einmal zu wiederholen und zu vertiefen. Du kannst die Aufzeichnung aber auch nutzen, um zum Beispiel Ausschnitte daraus in deine Trainings, Seminare oder Workshops zu integrieren. Und so kannst du an den "Livestream Days of Science" teilnehmen: Logge dich im Mitgliederbereich auf https://www.afnb-mitglieder.com/ ein und klicke auf den Menüpunkt "Events" Dort findest du alle Veranstaltungen zu denen du dich anmelden kannst. Sobald die Aufzeichnung fertiggestellt ist, informieren wir dich per Email und sie steht dir im Mitgliederbereich unter dem Menüpunkt "Aufzeichnungen" und auch in der APP zur Verfügung.
- Brain Expansion Evening
Erweitere dein Gehirn mit spannenden und interessanten Erkenntnissen aus der Gehirnforschung. Unser Brain Expansion Evening ist ein Online-Format, bei dem wir dir ein spannendes neurowissenschaftliches Thema mit einem renommierten Wissenschaftler präsentieren. Das besondere daran ist, dass das Online-Meeting aus einer bunten Mischung aus Präsentation, Diskussionsrunden und interaktiven Quizfragen besteht. Ein bis zwei Tage nach dem Event, stellen wir dir eine Aufzeichnung des Brain Expansion Evening zur Verfügung. Diese Aufzeichnung kannst du nutzen, um die Lerninhalte daraus noch einmal zu wiederholen und zu vertiefen. Du kannst die Aufzeichnung aber auch nutzen, um zum Beispiel Ausschnitte daraus in deine Trainings, Seminare oder Workshops zu integrieren. Und so kannst du an den "Brain Expansion Evenings" teilnehmen un nutzen: Logge dich im Mitgliederbereich auf https://www.afnb-mitglieder.com/ ein und klicke auf den Menüpunkt "Events" Dort findest du alle Veranstaltungen zu denen du dich anmelden kannst. Sobald die Aufzeichnung fertiggestellt ist, informieren wir dich per Email und sie steht dir im Mitgliederbereich unter dem Menüpunkt "Aufzeichnungen" und auch in der APP zur Verfügung.
- EducationNews
So funktioniert zukunftsorientiertes Lernen und Lehren. Mit unseren EducationNews bieten wir dir eine weitere Möglichkeit für deine eigene Weiterbildung, aber auch für deine Kundenbindung und Kundengewinnung. In den EducationNews findest du viele praktische Informationen über die Zukunft des Lernens und Lehrens. Nutze diese Erkenntnisse, um zum Beispiel deine eigenen Trainings und Schulungskonzepte hirngerechter zu gestalten. Oder nutze die EducationNews als Service für deine Kunden und Interessenten, damit auch diese erfahren, wie hirngerechtes Lernen und Lehren funktioniert. Diesen wichtigen Input für zukunftsorientiertes Lernen und Lehren bekommst du von uns als Word-Dokumente und als Audio Hörbuchdateien. Nutze dieses Wissen für dich und deine Kunden und sichere dir deinen Vorsprung in einer Welt der zunehmenden Digitalisierung. Und so erhältst du die EducationNews: Logge dich im Mitgliederbereich ein. Klicke auf den Menüpunkt "Tools & Service" und wähle den Unterpunkt "EducationNews". aus.
- Expertensuche
Präsentiere dich werbewirksam mit deinem Profil auf unserer Website. Mit unserer Expertensuche bieten wir dir die Möglichkeit, dein Profil werbewirksam auf unserer Website neurobildung.com zu präsentieren. Mit der Website neurobildung.com sprechen wir Personen aus Unternehmen, Organisationen oder Bildungseinrichtungen an, die sich für die Erkenntnisse der Gehirnforschung interessieren. Diese Personen erhalten hier unter anderem wichtige Informationen darüber, warum die modernen Erkenntnisse der Gehirnforschung im Bereich der Aus und Weiterbildung und bei der Persönlichkeitsentwicklung von großer Bedeutung sind. Das Ziel hierbei ist, den Website-Besuchern Handlungsbedarf aufzuzeigen und das Interesse an einem Trainer, Berater oder Coach mit neurowissenschaftlich fundierten Konzepten zu wecken. Erwarte aber bitte nicht, das dadurch jetzt automatisch regelmäßig viele Anfragen bei dir eingehen. Das kann sein, ist aber eher die Ausnahme. Betrachte dein Profil daher in erster Linie als Möglichkeit für deine Aktive Werbung. Zeige zum Beispiel deinen Kunden und Interessenten, dass du in der Expertensuche gelistet bist und von namhaften Unternehmen, wie der AFNB oder der AON empfohlen wirst. Oder kopiere den Link zu deinem Profil und füge ihn zum Beispiel auf deiner eigenen Website, deinem Newsletter, deiner Emailsignatur oder auf deinen Social-Media-Accounts ein, um auf dich aufmerksam zu machen. Sende uns einfach deine Wunschangaben in unserem Onlineformular, das wir dir im Mitgliederbereich unter dem Menüpunkt "Tools & Service" bereitgestellt haben. Hier kannst du uns neben deinen persönlichen und beruflichen Angaben sogar Videos oder Bilder schicken, die wir in deinem Profil zeigen. Wir prüfen dann deine Angaben und veröffentlichen kurzfristig dein Profil auf Neuromedia dot com. Und so erhältst du deine persönliche Profilseite: Logge dich im Mitgliederbereich auf https://www.afnb-mitglieder.com/ ein. Wähle den Menüpunkt "Tools & Service" und dann den Unterpunkt "Expertensuche". Hier findest du ein Eingabeformular, in dem du uns alle deine Wunschangaben mitteilen kannst. Sende uns deine Daten über dieses Formular und wir erstellen kurzfristig dein persönliches Profil.
- Artificial intelligence
Nutze künstliche Intelligenz und moderne Zukunftstechnologien, wie z.B. lebensechte Lernassistenten für deinen Erfolg. Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz bietet dir die Mediathek fast grenzenlose Möglichkeiten für zukunftsorientiertes Lernen und Lehren. Die zuvor genannten Beispiele sind nur wenige Anwendungsmöglichkeiten, die dir die Inhalte der Mediathek bietet. Es gibt viele weitere Möglichkeiten, wie du die Mediathek für deinen persönlichen und beruflichen Erfolg als Trainer, Berater oder Coach nutzen kannst. Wähle einfach unter der Vielzahl der Möglichkeiten diejenigen aus, die zu dir und deinen Schulungs- und Trainingskonzepten am besten passen. Nutze die Chancen der künstlichen Intelligenz und anderer Zukunftstechnologien und überzeuge deine Auftraggeber durch einzigartige Tools und Methoden. Und so findest du die Mediathek: Logge dich im Mitgliederbereich auf www.afnb-mitglieder.com ein und wähle den Menüpunkt "Mediathek".
- Blended Learning
Kombiniere die Flexibilität des digitalen Lernens mit den interaktiven Vorteilen des Präsenzseminars, um ein effektives und ausgewogenes Bildungserlebnis zu gewährleisten. Blended Learning, also die Kombination aus Online und Präsenzveranstaltung, zählt zu den führenden Trends im Bereich des zukunftsorientierten Lernens und Lehrens. In Kombination mit dem Learning Management System bietet dir dieses Format hervorragende Möglichkeiten, um mehr Zeit für die Entwicklung von Fähigkeiten und Kompetenzen bei deinen Teilnehmer und Teilnehmerinnen zu gewinnen. Häufig bringen Seminarteilnehmer und Teilnehmerinnen unterschiedliche Vorkenntnisse mit. Manche verfügen bereits über sehr viel Vorwissen, und sind dann schnell gelangweilt. Andere hingegen verfügen nur über wenig oder gar kein Vorwissen, und sind dann oft überfordert. Nur für wenige ist der Ablauf wirklich ideal und zufriedenstellend. Diese Situation führt oft dazu, dass wir sehr viel Zeit in die Vermittlung von Grundlagenwissen und die Beantwortung von Standardfragen investieren müssen. Für das eigentlich Wichtige, nämlich die Entwicklung von Fähigkeiten und Kompetenzen, bleibt meist viel zu wenig Zeit. Mit dem Learning Management System hast du die Möglichkeit, Grundlagenwissen und Antworten auf Standardfragen bereits im Vorfeld deinen Teilnehmern und Teilnehmerinnen zur Verfügung zu stellen. Diejenigen, die bereits über viel Vorwissen verfügen, können die Lerninhalte sehr schnell bearbeiten. Und diejenigen, die nur wenig Vorwissen mitbringen, können die Lerninhalte so oft und so lange sie wollen wiederholen. Durch die Kombination aus Online Learning Management System und Präsenzveranstaltung ist sichergestellt, dass alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen zu Beginn deines Seminars auf dem gleichen Wissensstand sind und du dich somit voll und ganz auf die Entwicklung von Fähigkeiten und Kompetenzen konzentrieren kannst. Und so findest du das Learning Management System: Gehe auf https://academy.neuromedia24.com/. Wenn dies dein erster Besuch ist, klicke bitte auf registrieren. Wir werden dann deine Registrierung prüfen und dich per Email informieren, wenn du freigeschaltet bis. Bist du bereits registriert dann klicke auf "Anmelden" und logge dich mit deinen Zugangsdaten ein.
- Multimedia Learning
Nutze verschiedene Medienformate wie Videos, Hörbücher, Präsentationsfolien, eBooks und interaktive Elemente, um komplexe Konzepte leichter verständlich zu machen und das Lernengagement zu erhöhen. Um Lernprozesse erfolgreich zu gestalten, ist es erforderlich, dass die Lerninhalte hirngerecht zur Verfügung stehen. Ein wesentlicher Aspekt hierbei ist die Berücksichtigung von unterschiedlichen Lerntypen und Lernmethoden. Für manche ist es ausreichend wenn sie etwas lesen, um den Lerninhalt zu verstehen. Anderen hingegen fällt es leichter zu lernen, wenn sie sich den Lerninhalt in Form eines Hörbuches anhören, oder in Form eines Videos anschauen können. Um diesen Anforderungen für hirngerechtes Lernen gerecht zu werden, eignen sich die Inhalte der Mediathek hervorragend, da dir alle Lerninhalte in den fünf Dateiformaten Video, Audio, Powerpoint, eBook und Textdokumentation zur Verfügung stehen. Ein weiterer Vorteil der multimedial aufbereiteten Dateiformate ist, dass sie auch multisensorisches Lernen ermöglichen. So kannst du zum Beispiel den Text in einem eBook lesen und dir gleichzeitig die Audiodatei des gleichen Themas anhören, da die Inhalte perfekt aufeinander abgestimmt und eins zu eins identisch sind. Es gibt viele wissenschaftliche Studien, die belegen, dass durch multisensorisches Lernen der Lernerfolg enorm gesteigert wird. Mit den Inhalten der Mediathek bist du daher bestens aufgestellt, um unterschiedliche Lerntypen und Lernmethoden zu berücksichtigen und deinen Teilnehmern und Teilnehmerinnen auch multisensorisches Lernen zu ermöglichen. Und so findest du die Mediathek: Logge dich im Mitgliederbereich auf www.afnb-mitglieder.com ein und wähle den Menüpunkt "Mediathek".
- Das Learning Management System
Deine perfekte Lösung, um mehr Zeit zur Entwicklung der Kompetenzen und Fähigkeiten deiner Kunden zu gewinnen und die reine Wissensvermittlung dem LMS zu übertragen. Das integrierte Learning Management System und die multimediale Mediathek sind perfekt aufeinander abgestimmt. In der Kombination bist du bestens aufgestellt, um alle Anforderungen, die an zukunftsorientiertes Lernen und Lehren gestellt werden optimal zu erfüllen. Ein wesentlicher Vorteil besteht darin, dass du das Learning Management System ohne Zusatzkosten nutzen kannst. Alleine dadurch sparst du pro Jahr mehrere Tausend Euro. Du kannst deine eigenen Kurse anlegen und mit eigenen Lerninhalten oder den multimedialen Dateien aus der Mediathek bestücken. Du kannst deine Kursteilnehmer und Teilnehmerinnen anlegen und für jeden einzelnen individuelle Lernpfade einrichten. Du kannst Prüfungen, Tests oder Umfragen in deine Kurse integrieren. Oder viele Prozesse automatisieren, wie zum Beispiel Einladungen, Teilnahmebestätigungen oder das Erstellen von Zertifikaten. Diese und viele weitere Funktionen stehen dir mit dem Learning Management System zur Verfügung. Neben all den Vorteilen, die du bereits kennengelernt hast, gibt es noch einen weiteren, sehr wichtigen Aspekt. Du hast keinerlei Begrenzungen. Du hast keine Begrenzung bei der Anzahl der Kurse, die du anbieten möchtest. Du hast weiterhin keine Begrenzung bei der Anzahl der Teilnehmer und Teilnehmerinnen, die deine Kurse besuchen. Und du hast auch keine Begrenzung beim Speicherplatz für deine Lerninhalte. Diese und viele weitere Vorteile stehen dir mit dem Learning Management System zur Verfügung, mit dem du deinen Teilnehmern und Teilnehmerinnen auf Basis von künstlicher Intelligenz und modernsten Zukunftstechnologien ein einzigartiges und vor allem sehr effektives Lernerlebnis bieten kannst. Und in den folgenden Kurzvideos kannst du dir ausgewählte Anwendungen anschauen, die du mit dem Learning Management System durchführen kannst. Diese ausgewählten Anwendungen sind nur wenige Beispiele von vielen weiteren Möglichkeiten, die dir mit dem Learning Management System zur Verfügung stehen. Wir freuen uns darauf, dich dort wiederzusehen. Bis gleich. Und so findest du das Learning Management System: Gehe auf https://academy.neuromedia24.com/. Wenn dies dein erster Besuch ist, klicke bitte auf registrieren. Wir werden dann deine Registrierung prüfen und dich per Email informieren, wenn du freigeschaltet bis. Bist du bereits registriert dann klicke auf "Anmelden" und logge dich mit deinen Zugangsdaten ein.
- Flexible Learning
Ermögliche deinen Teilnehmern und Teilnehmerinnen, ihr Lernprogramm nach ihrem eigenen Tempo, Zeitplan, Ortswahl und Lernstil zu gestalten. Flexibilität auf allen Ebenen ist eine der wichtigsten Anforderungen an zukunftsorientiertes Lernen und trägt zu deinem Erfolg als Trainer, Berater oder Coach, maßgeblich bei. Mit dem Learning Management System in Verbindung mit der Mediathek verfügst du über nahezu grenzenlose Möglichkeiten, um bei deinen Teilnehmern und Teilnehmerinnen diesen Trend zu gewährleisten. Sei es die Flexibilität unabhängig von Zeit und Raum zu lernen. Oder sei es die Flexibilität das Lerntempo und die Lernintensität selbst zu bestimmen. Oder sei es die Flexibilität die individuellen Ziele und Bedürfnisse der Lernenden stärker zu berücksichtigen. Mit dem Learning Management System bist du für alle Anforderungen, die Teilnehmer und Teilnehmerinnen an zukunftsorientiertes Lernen stellen, bestens vorbereitet. Und so findest du das Learning Management System: Gehe auf https://academy.neuromedia24.com/. Wenn dies dein erster Besuch ist, klicke bitte auf registrieren. Wir werden dann deine Registrierung prüfen und dich per Email informieren, wenn du freigeschaltet bis. Bist du bereits registriert dann klicke auf "Anmelden" und logge dich mit deinen Zugangsdaten ein.
- Social Learning
Fördere die Kooperation und den Wissensaustausch zwischen deinen Teilnehmern und Teilnehmerinnen. Social Learning ist eine Methode, die in sozialen Kontexten stattfindet. Mit Hilfe des Learning Management Systems bietest du deinen Teilnehmern und Teilnehmerinnen die Möglichkeit miteinander zu diskutieren, zusammenzuarbeiten und voneinander zu lernen. So können zum Beispiel deine Teilnehmer und Teilnehmerinnen in Foren oder Diskussionsrunden Fragen stellen und gemeinsam an Problemlösungen arbeiten. Darüber hinaus bietet Social Learning in Verbindung mit dem Learning Management System die Möglichkeit, dass deine Teilnehmer und Teilnehmerinnen ihr Wissen und ihre Erfahrungen miteinander teilen. Außerdem können in einer sozialen Lernumgebung Soft Skills wie Kommunikation, Teamfähigkeit und Konfliktlösung gestärkt werden, was dazu beiträgt, dass deine Teilnehmer und Teilnehmerinnen wichtige Fähigkeiten entwickeln, die sie für den Erfolg in der Arbeitswelt benötigen. Alles in allem bietet dir das Learning Management System hervorragende Rahmenbedingungen, um soziales Lernen zu ermöglichen. Die zuvor genannten Beispiele waren nur wenige, ausgewählte Möglichkeiten und es gibt noch viele weitere Varianten des sozialen Lernens, die du mit dem Learning Management System realisieren kannst. Und so findest du das Learning Management System: Gehe auf https://academy.neuromedia24.com/. Wenn dies dein erster Besuch ist, klicke bitte auf registrieren. Wir werden dann deine Registrierung prüfen und dich per Email informieren, wenn du freigeschaltet bis. Bist du bereits registriert dann klicke auf "Anmelden" und logge dich mit deinen Zugangsdaten ein.
- Adaptive Learning
Ermögliche eine personalisierte Lernerfahrung, die sich dynamisch an die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Lernenden anpasst. Durch die Methode des adaptiven Lernens ermöglichst du deinen Teilnehmern und Teilnehmerinnen eine individuelle und personalisierte Lernerfahrung. Mit dem Learning Management System verfügst du über eine ideale Plattform, um auch diese Form des Lernens und Lehrens perfekt umzusetzen. Um die spezifischen Ziele und Bedürfnisse deiner Teilnehmer und Teilnehmerinnen zu berücksichtigen, kannst du im Learning Management System individuelle Lernpfade anlegen. Darüber hinaus sind Lernende durch adaptives Lernen oft motivierter und engagierter, da sie weder überfordert noch unterfordert sind. Außerdem fördert adaptives Lernen die Selbständigkeit. Da die Lernenden die Kontrolle über ihren Lernfortschritt haben, können Sie eine größere Eigenverantwortung für ihr eigenes Lernen entwickeln. Dies waren nur wenige Anwendungsbeispiele, wie du Adaptives Lernen mit Hilfe des Learning Management Systems erfolgreich umsetzen kannst. Es gibt noch viele weitere Möglichkeiten und zahlreiche Studien haben belegt, das adaptives Lernen die Lernergebnisse enorm verbessert, da es den Lernenden neue Wege eröffnet, um ein tieferes Verständnis für die Lerninhalte zu entwickeln. Und so findest du das Learning Management System: Gehe auf https://academy.neuromedia24.com/. Wenn dies dein erster Besuch ist, klicke bitte auf registrieren. Wir werden dann deine Registrierung prüfen und dich per Email informieren, wenn du freigeschaltet bis. Bist du bereits registriert dann klicke auf "Anmelden" und logge dich mit deinen Zugangsdaten ein.
- Micro Learning
Nutze kleine und leicht konsumierbare Lerneinheiten, die die Aufmerksamkeit aufrecht erhalten und leicht in den Arbeitsalltag integrierbar sind. Wissenschaftliche Studien belegen, dass die Aufmerksamkeit der meisten Menschen nach spätestens zwanzig Minuten stark abfällt. Um hirngerechtes Lernen zu gewährleisten ist es daher notwendig, dass die zu lernenden Inhalte in kleinen, kurzen Lerneinheiten zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund ist jedes Thema der Mediathek in kurze und in sich abgeschlossene Kapitel unterteilt. Du kannst somit aus jedem Thema x-beliebige Kapitel abrufen, und sie quasi wie Lernbausteine verwenden und zu deinem eigenen individuellen Seminar zusammenstellen. Darüber hinaus haben kurze Lerneinheiten den Vorteil, dass sie bei deinen Teilnehmern und Teilnehmerinnen auch gut in einen vollen Terminkalender integriert werden können. Mit den für Micro Learning optimierten Inhalten aus der Mediathek bietest du deinen Teilnehmern und Teilnehmerinnen ein außergewöhnliches und zukunftsorientiertes Lernerlebnis. Und so findest du die Mediathek: Logge dich im Mitgliederbereich auf www.afnb-mitglieder.com ein und wähle den Menüpunkt "Mediathek".
- Mobile Learning
Ermögliche deinen Teilnehmern und Teilnehmerinnen das Lernen wann und wo sie möchten - unabhängig von Raum und Zeit. Die traditionelle Form des Lernens, nämlich an bestimmten Orten zu festgelegten Zeiten zu lernen, verliert immer mehr an Bedeutung. Stattdessen gibt es einen eindeutigen Trend, dass Menschen Lernen möchten, wann und wo sie möchten - unabhängig von Zeit und Raum, wodurch sie wesentlich flexibler und unabhängiger sind. Um diesem Trend gerecht zu werden, eignen sich die multimedialen Dateiformate der Mediathek ebenfalls hervorragend. So kannst du zum Beispiel wenn du mit der Bahn unterwegs bist, dir die Lerninhalte auf deinem Laptop oder Tablet als Video anschauen. Wenn du mit dem Auto fährst, kannst du dir die Lerninhalte in Form von Audiodateien anhören. Und wenn du zum Beispiel gemütlich in einem Café sitzt, dann kannst du die Lerninhalte im eBook oder der Textdokumentation lesen. Durch die multimedialen Lerninhalte ermöglichst du deinen Teilnehmern und Teilnehmerinnen ein Zeit und Raumunabhängiges Lernen, und bietest ihnen somit ein Höchstmaß an Unabhängigkeit und Flexibilität. Und so findest du die Mediathek: Logge dich im Mitgliederbereich auf www.afnb-mitglieder.com ein und wähle den Menüpunkt "Mediathek".
- Können subjektive Gedanken objektive Realität werden?
Wünsche und motivationale Ziele beginnen als geistige Vorstellung eines erwünschten Zukunftszustandes im Bewusstsein eines Individuums. Können subjektive Gedanken objektive Realität werden? Einführung Wünsche und motivationale Ziele beginnen als geistige Vorstellung eines erwünschten Zukunftszustandes im Bewusstsein eines Individuums. Willentlich initiierte Handlungen transferieren diese geistige Vorstellung in eine materielle Manifestation. Es muss einen Mechanismus geben, der Willensimpuls genannt wird, der zwischen subjektiver und objektiver Realität vermittelt. Jedoch stoßen wir bei genauerer Betrachtung auf theoretische Hindernisse. Die Annahme von zwei exklusiven Realitätsarten, subjektiv und objektiv, lässt eigentlich keine Beeinflussung von subjektiven Impulsen auf objektive Gegebenheiten zu. Zudem ist das Verhältnis von Geist und Materie in aktuellen Theorien als zwei sich ausschließende Substanzen definiert. Diese Probleme deuten darauf hin, dass entweder keine willentliche Einflussnahme möglich ist oder unser Realitätsmodell bzw. Geist-Materie-Vorstellung unvollständig ist. Wenn wir von der Existenz und Wirksamkeit eines freien Willens ausgehen, müssen wir aktuelle Theorien modifizieren und erweitern. Die Neukonzeption muss die Existenz dualer Realitäten hinterfragen und die Geist-Materie-Unvereinbarkeit adressieren und erweitern, um den freien Willen integrieren zu können. Die Theorie der dualen Realitäten und ihr Widerspruch zur Existenz eines freien Willensimpulses wird als erstes betrachtet. Realitätsdualismus: Subjektive vs. objektive Realität Zwei Arten von Realitäten lassen sich beschreiben: die subjektive und die objektive Realität. Subjektive Realität existiert nur in der individuellen Vorstellung, während objektive Realität unabhängig vom Individuum und seinem Erleben existiert. Subjektive und objektive Realität unterscheiden sich durch ihre messtheoretischen Zugänge und das Ausmaß an Autonomie im Sinne von selbststeuerbar bzw. Determiniertheit durch Naturgesetze. Messtheoretischer Zugang zur subjektiven vs. objektiven Realität Eine Realität kann subjektiv oder objektiv gemessen werden. Subjektive Realität ist eine geistige Repräsentation der objektiven materiellen Welt und enthält individuelle Anteile, da Wahrnehmung konstruktiv-interpretativ ist. Objektive Realität wird durch motivfreies, passives Registrieren und Bestätigung durch andere Messungen definiert. Das Beispiel eines brennenden Hauses zeigt, dass objektive Fakten aus einer Dritten-Person-Perspektive gewonnen werden, während subjektive Erfahrungen aus der Ich-Perspektive stammen. Objektive Einschätzungen erfordern das Ausschalten von Motiven bei der Bestimmung der Faktenlage. Die Objektivität einer Situation basiert meist auf der Beobachtung mehrerer Individuen und dem Konsens ihrer möglichst motivfreien Wahrnehmungen. Die Personen innerhalb oder außerhalb des brennenden Hauses unterscheiden sich darin, dass letztere besser in der Lage sind, motivfrei die Situation zu betrachten. Im Alltag begegnen wir beiden Realitätsarten, wobei die objektive Realität als Repräsentant der Wirklichkeit angenommen wird, unter der Bedingung einer motivfreien Messung. Allerdings ist eine motivfreie Messung wahrscheinlich nur ein theoretischer Idealzustand und tatsächlich nicht vollständig erreichbar. Subjektive und objektive Realität sind durch die Art der Realitätsmessung voneinander zu unterscheiden: aktive, motivabhängige Konstruktion versus passives, motivloses Registrieren. Die Voraussetzung für wiederholte Messungen mit denselben Ergebnissen unter gleichen Bedingungen (direkte Replikation) ist die regelhafte Beschaffenheit der objektiven Welt. Dieses Prinzip der Determiniertheit wird im Folgenden erläutert. Determiniertheit der objektiven Realität Die objektive Realität ist durch deterministische Naturgesetze geprägt, die kausale und wahrscheinlichkeitsbedingte Regeln beinhalten. Klassische und relativistische Physik sowie Quantenphysik determinieren das Leben der Individuen in dieser Realität, wodurch keine Autonomie möglich ist. Genauigkeit von Vorhersagen in naturwissenschaftlichen Experimenten zeigt das Fehlen von Autonomie innerhalb der objektiven Realität. Technologische Innovationen in Energieerzeugung, Mobilität und Nachrichtentransfer basieren auf dieser regelhaften Struktur des Universums. Kausale Geschlossenheit gilt auch für Chemie, Biologie und Neurowissenschaften, die auf physikalischen Ursprüngen beruhen. Erklärungslücken werden auf unentdeckte Naturgesetze und Mängel in Datenerhebung und -verarbeitung zurückgeführt, gelten aber als prinzipiell beschreibbar und kausal determiniert. Menschen können in dieser Realität nicht autonom handeln oder Einfluss auf objektive Phänomene nehmen. Genuine Zufälligkeit in Quantentheorie durchbricht die Determiniertheit nicht, da es sich um echten, ontischen Zufall handelt, der nicht autonom beeinflusst werden kann. Autonome Handlungen basierend auf Willensimpulsen sind subjektive Phänomene ohne Einfluss auf objektive Realität. Erweiterung des Realitätsdualismus: Subjektiv, Objektiv und Sobjektiv Der strikte Dualismus zwischen subjektiver und objektiver Realität wird in Frage gestellt und eine Erweiterung in Form von "sobjektiven" Realitäten vorgeschlagen. Die Unvereinbarkeit der beiden Realitätsformen liegt in der Trennung aktiver, motivabhängiger, realitätskonstruierender Messungen (subjektiv) und passiver, motivunabhängiger, realitätsregistrierender Messungen (objektiv). Diese Dichotomie ist jedoch eine idealisierte Vereinfachung und beide Messarten sollten als Endpunkte eines Kontinuums betrachtet werden. Die Existenz einer objektiven Realität basiert auf der Annahme von passiv registrierenden Messungen. Naturwissenschaften streben danach, aktiv-konstruierende Einflüsse auszuschließen, um eine objektive Realitätsbeschreibung zu ermöglichen. Damit wird eine aktive, willentliche Einflussnahme auf die Realitätsgestaltung, die zentral ist für die motivationspsychologische Beschreibung der Wirkung von Intentionen theoretisch ausgeschlossen. Jedoch ist dieser Vorgang selbst aktiv realitätskonstruierend, da er eine passiv registrierende Messung etablieren will. Die Stabilität der naturwissenschaftlichen Realitätsbeschreibung beruht vermutlich daher weniger auf einer a priori objektiven Realität, sondern auf einer global geteilten und motivierten Vorstellung von Realität. Realitäten sind daher bedingt durch Überzeugungen und motivgeleitete Wahrnehmungen. Entlang dieser Annahme entsteht ein Realitätskontinuum, wobei subjektive und objektive Realität die extremen Endpunkte darstellen und unterschiedliche Mischungen dazwischen existieren. Sobjektive Realitäten ermöglichen Individuen, aktiv, spontan und autonom auf Realitätswerdung Einfluss zu nehmen und sind nicht nur deterministisch oder zufällig bestimmt. Die historische Entwicklung führte zu einer exklusiv dualistischen Realitätsbeschreibung, die jedoch hier durch die Einführung von sobjektiven Realitäten theoretisch und empirisch erweitert werden soll. Die Entstehung des Realitätsdualismus Die Idee eines Dualismus, der die Welt in geistige und materielle Realität teilt, geht auf Rene Descartes zurück, aber hat ihre Wurzeln in früheren philosophischen Ideen. Descartes' Dualismus trennt die geistige (res cogitans) von der materiellen Realität (res extensa), die nebeneinander existieren und über das Gehirn interagieren. Trotz dieser Annahme bleibt die Verbindungsstelle zwischen beiden Realitäten unklar. Die Entwicklung der Idee des Dualismus begann mit Francis Bacon, der die empirische Überprüfung von Realitätsannahmen einführte. Anschließend stellte Galileo fest, dass mathematische Regularitäten diese objektive Welt beschreiben. Newton baute auf dieser Idee auf, betonte jedoch, dass physikalische Gesetze nicht die letzten Ursachen für Naturphänomene sind. Diese neue Form der Naturbeschreibung führte zu einem Dualismus zwischen Geist und Materie, der eine unüberbrückbare Lücke zwischen beiden Bereichen offenbarte. Die meisten Vertreter der heutigen Naturwissenschaften reduzieren alle geistigen Operationen auf materielle Gehirnprozesse, was zu einem Weltbild führt, das kausale Geschlossenheit aller Phänomene suggeriert. Ein zentrales Argument gegen diesen Dualismus ist die Frage des freien Willens, der in einer deterministischen Realität nicht existieren kann. Um den freien Willen zu bewahren, könnte man die Annahme treffen, dass es eine Realität gibt, die den traditionellen Dualismus transzendiert – eine "sobjektive" Realität, in der geistige Überzeugungen von individuellen Wesen durch Wollen real werden können. Diese Realität kann jedoch nicht nach den klassischen Kriterien der Naturwissenschaft als objektiv bewiesen werden. Die Objektivierungshysterie der Naturwissenschaften könnte sich als dogmatische Vorgehensweise entpuppen, die uns eine objektive Realität vorgaukelt, die so real wie sie scheint, gar nicht ist. Es könnte genügen zu zeigen, dass etwas mehr als bloß subjektiv ist, um es als real zu definieren. Dies würde eine Neubewertung der axiomatischen Annahmen über Dualismus und Realität erfordern. Die Entstehung des Realitätsdualismus Der Realitätsdualismus geht auf René Descartes zurück, der geistige (res cogitans) von materieller Realität (res extensa) unterschied. Diese unvereinbaren Substanzen interagieren über das Gehirn. Francis Bacon entwickelte einige Jahrzehnte zuvor die Idee der empirischen Überprüfung von Realitätsannahmen, wodurch die objektive Realitätsbeschreibung und die naturwissenschaftlich-empirische Methode der Objektivierung begründet wurden. Galileo sah die Welt als wohlgeordnete Maschine, die mathematischen Gesetzen folgt. Newton verfeinerte diesen Ansatz, aber behauptete nicht, dass die physikalischen Gesetze die letzten Ursachen für Naturphänomene seien. Ab Galileo dominierte die Ansicht, dass die Natur mathematisch beschreibbaren mechanischen Regularitäten folgt und keine Intervention durch geistige Impulse benötigt. Dies führte zu einem Dualismus zwischen Geist und Materie. Die naturwissenschaftliche Sichtweise, die bis heute vorherrscht, reduziert geistige Operationen auf materielle Gehirnprozesse und schließt autonome, spontane und willentliche Einflussnahme auf physikalische Prozesse aus. Diese Ansicht ermöglichte große Fortschritte in Technik und Medizin, hat aber auch Kollateralschäden für das Leben des Individuums und die Umwelt verursacht. Ein solcher Kollateralschaden ist der freie Wille, der von Vertretern der Naturwissenschaften als subjektives Phänomen und objektiv nicht real angesehen wird. Der Dualismus geht von zwei Realitätsarten aus: einer subjektiven Realität der konstruierten Vorstellung und einer objektiven Realität der passiv registrierbaren Tatsachen. Eine alternative Annahme wäre die Existenz einer Realität, die den traditionellen Dualismus transzendiert und ein Zwischending zwischen subjektiver und objektiver Realität darstellt. Diese sogenannte sobjektive Realität würde es ermöglichen, dass bestimmte geistige Überzeugungen von Individuen durch Wollen real werden können. Allerdings kann diese Realität nicht nach den klassischen Kriterien der Naturwissenschaft als objektiv bewiesen werden. Man könnte argumentieren, dass absolute Objektivierung kein notwendiges Kriterium für eine echte Realität sein muss. Die Objektivierungshysterie der Naturwissenschaften könnte sich als dogmatische Vorgehensweise entpuppen, die eine pseudo-objektive Realität vorgaukelt. Die deterministische Form dieser Realität mit ihrer kausalen Geschlossenheit ist möglicherweise nur eine Folge einer axiomatischen Annahme, die auf dem Dualismus basiert. Freier Wille und Dualismus: Verbindungen erforschen Das "Problem des freien Willens" wird auf eine Dualität zurückgeführt, die als unvereinbar betrachtet wird. Das Argument der kausalen Geschlossenheit sowie die logische Unvereinbarkeit von Geist und Materie können gegen die Existenz des freien Willens angeführt werden: Wie kann ein Wille, der auf einer rein geistigen Ebene entsteht, eine davon unabhängige und unvereinbare materielle Realität beeinflussen? Geistige und materielle Substanzen sind unterschiedlich definiert und es fehlt ihnen ein verbindendes Element, das einen Transfer zwischen ihnen ermöglicht. In der Philosophie wurde diese Problematik intensiv diskutiert und als "Hard Problem of Consciousness" (Chalmers, 1995) und "Problem of Free Will" (Shariff et al, 2008) bekannt. Eine mögliche Lösung müsste eine Schnittstelle vorschlagen, die aus einer untrennbaren Verbindung von geistigen und materiellen Elementen besteht, um den Übergang zwischen beiden zu ermöglichen. Tatsächlich gibt es bereits solche Theorien, wie den dualen Aspekt-Monismus von Wolfgang Pauli und Carl Gustav Jung. Darüber hinaus geht der willentliche Impuls von einem autonomen Individuum spontan und nicht determiniert aus, beginnt in der Subjektivität der Person und überträgt sich dann auf die objektive Realität. Dieser Übergang vom Subjektiven zum Objektiven ist aus mess- und informationstheoretischer Sicht problematisch, da etwas Subjektives seinen Charakter verliert, sobald es sich objektiv manifestiert. Eine Lösung liegt in einer Zwischenrealität, die den dualistischen Gegensatz von Subjektivität und Objektivität überbrückt. Eine mess- und informationstheoretische Begründung wird im Folgenden näher erläutert und anschließend theoretisch auf die Vereinbarkeit von Geist und Materie angewendet. Subjektivität und Objektivität aus mess- und informationstheoretischer Perspektive Die bisherigen Argumente, mit denen versucht wurde, den unvereinbaren Gegensatz von freiem Willen und dualer Realitätsauffassung zu begründen, können überzeugend anhand mess- und informationstheoretischer Überlegungen formalisiert werden. Dazu müssen wir uns mit den Merkmalen der subjektiven und objektiven Realität auseinandersetzen und sie messtheoretisch erfassen. Objektivität setzt voraus, dass Messungen grundsätzlich passiv und motivfrei sein können. Diese Annahme wirkt sich auf die Möglichkeit einer willentlichen Einflussnahme und damit auf die Existenz des freien Willens aus. Die Zusammenhänge können formal abgeleitet werden, wobei mathematische Gleichungen verwendet werden. Durch genaue Analyse dieser Gleichungen lassen sich wertvolle Hinweise für die ebenfalls skizzierten Lösungsansätze ableiten. Merkmale der objektiven Realität Die objektive Realität bezieht sich auf die Dinge, die unabhängig von Erfahrungen existieren. Objektivität zeigt sich in der Möglichkeit, diese Realität durch Messungen zu bestätigen und zu kommunizieren. Der zentrale Aspekt der objektiven Realität ist die mess- oder beobachtungsunabhängige Existenz. Stabilität der Messergebnisse bei verschiedenen oder wiederholten Messungen ist ein Indikator für Objektivität. Der Königsweg zur Überprüfung einer objektiven Tatsache ist die direkte Replikation, also die unabhängige Wiederholung eines Messvorgangs unter gleichen Bedingungen. Bei Übereinstimmung mehrerer identischer Messungen und ihrer Ergebnisse spricht man von intersubjektiver Übereinstimmung. Die so erfasste Realität besitzt allerdings nur eine schwache Objektivität, da die wahre physikalische Grundlage durch das Prozedere der Übereinstimmung nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann. Objektive Realität ist durch ihre naturgesetzliche Ordnung und kausale Determiniertheit gekennzeichnet. Alle objektiven Dinge sind durch Naturgesetze miteinander verbunden, die ihre kausalen Wechselbeziehungen beschreiben. Die kausale Geschlossenheit verhindert, dass den Elementen und Vorgängen der objektiven Realität Bedeutung, Sinn oder Zielhaftigkeit zugeordnet werden können. Die Quantentheorie hat das klassisch-physikalische objektive Weltbild erweitert und ein Zufallsprinzip bei der Messung klassischer Zustände der objektiven Realität eingeführt. Die Vereinbarkeit der quantenmechanischen Erkenntnisse mit dem klassisch-physikalischen objektiven und deterministischen Weltbild bleibt jedoch weitgehend erhalten. Der Messvorgang erfolgt bei der objektiven Realität durch „Extraspektion“, bei der eine Messung von außen auf einem zu messenden System ausgeführt wird. Eine objektive Messung beeinflusst den Messgegenstand nicht und verzerrt das Ergebnis nicht. Die Trennung zwischen Messinstrument und Messgegenstand wird als "Non-Invasivität" einer Messung bezeichnet. Dies ermöglicht eine durch Wiederholung erreichbare Bestätigung und damit Objektivitätsüberprüfung. Messinstrumente registrieren passiv die unabhängig von ihnen existierende Realität und haben keinen eigenen Anteil am Messergebnis. Die Formel MI ≠ MO beschreibt die notwendige Separation von Messinstrument (MI) und Messobjekt (MO). Objektive Messungen ermöglichen eine passive Dokumentation von Gewichten, räumlichen Abständen und Geschwindigkeiten, wodurch unsere alltäglichen Messungen zuverlässige und objektive Ergebnisse liefern. Die Möglichkeit, passiv zu registrieren, ist eine Folge der erfahrungsunabhängigen Existenz einer Realität. Objektivität wird dadurch belegt, dass unterschiedliche, aber gleichartige Messungen unter gleichen Bedingungen immer das gleiche Resultat aufzeichnen. Die Merkmale der subjektiven Realität Subjektive Realität entsteht aus individuellen Erfahrungen und manifestiert sich in der Qualität des Erlebens. Diese Erlebensqualitäten, auch "Qualia" genannt, unterscheiden sich von quantitativen Messungen der objektiven Realität. Das Erleben hängt von den Motiven und Zielen des Individuums ab, die den Erfahrungen ihre individuelle Bedeutung verleihen. Subjektive Realität entwickelt sich entlang von Motivrelevanz und Zielabhängigkeit, die im Selbst begründet sind. Diese Realität besitzt eine maximale Einzigartigkeit und Individualität, die nicht direkt an andere Personen kommuniziert oder von Außenstehenden bestätigt werden kann. Die Nicht-Bestätigbarkeit führt dazu, dass man das subjektive Erleben nie in seiner Gültigkeit überprüfen kann. Subjektives Erleben ist immer eine konstruierte Form der Realität und daher durch einen aktiven Beitrag des jeweiligen Individuums bei der Wahrnehmung angereichert. Die Welt der subjektiven Erfahrungen entsteht aus dem Bezug zum eigenen Selbst, seinen Zielen und deren Sinn- und Bedeutungszuschreibungen bei der Wahrnehmung. Dies vollzieht sich messtheoretisch durch Introspektion. Bei einer rein subjektiven Messung verschmelzen das Messinstrument (MI) und das Messobjekt (MO) zu einer untrennbaren Einheit, sodass MI = MO gilt. Der Konstruktionscharakter des subjektiven Erlebens führt dazu, dass objektiv gleiche Gegebenheiten je nach Individuum unterschiedlich erlebt werden können. Diese Unterschiede sind in der Autonomie und der Nicht-Bestätigbarkeit der Qualia begründet. Kommunikation über subjektive Erfahrungen ist schwierig, daher werden objektive Messungen verwendet, um Konflikte und Widersprüche zu vermeiden. Um den motivationalen Impuls, der vom Individuum ausgeht und Einfluss auf die Umgebung ausübt, zu verstehen und formal beschreiben zu können, müssen Konzepte aus der Informationstheorie betrachtet werden. Die pragmatische Information Im Bereich der Informationstheorie gibt es unterschiedliche Definitionen für das Konstrukt "Information". Claude Shannon ist bekannt für die Quantifizierung der übertragenen Information bei einer Nachricht, wobei die kleinste Einheit das "Bit" ist. Allerdings erfasst diese Beschreibung nicht die Bedeutung und Wirkung von Informationen, die im Alltag relevant sind. Ernst von Weizsäcker führte daher eine Erweiterung des Informationsbegriffs ein, die die Wirkung (Pragmatik) von Informationen miteinschließt. In seiner Konzeption dienen Nachrichten in der Kommunikation dazu, beim Empfänger eine Veränderung zum Zwecke der Handlungsgenerierung zu erzielen. Die Definition der pragmatischen Information muss daher zwei Elemente enthalten: Eine Komponente, die das Absichtselement beschreibt (Erstmaligkeit, E), und eine weitere Komponente, die die Übertragung der Absicht vom Sender zum Empfänger formalisiert (Bestätigung, B). Erstmaligkeit umfasst den Teil einer Information, der vom Sender individuell und autonom erzeugt wird und für den Empfänger neuartig ist. Bestätigung hingegen ist der Informationsanteil, der von Sender und Empfänger im Vorhinein geteilt wird und die gemeinsame Basis ihrer Kommunikation bildet. B ist allgemeingültig, intersubjektiv übereinstimmend und zeitlich stabil. Bei der Kommunikation gibt es eine Wechselwirkung zwischen Erstmaligkeit und Bestätigung. Zu viel Erstmaligkeit kann zu Missverständnissen führen, während zu viel Bestätigung Redundanz erzeugt. Eine gelungene Kommunikation zeichnet sich durch ein ausgewogenes Verhältnis von E und B aus. Die subjektive Realität und die pragmatische Information in Beziehung zueinander Subjektive Realität und pragmatische Information sind eng miteinander verknüpft. Die subjektive Realität stellt den individuellen Erfahrungshintergrund und die Bedeutungszuschreibung bei der Interpretation von Informationen dar (= Erstmaligkeit). In der Kommunikation von Informationen ist es von zentraler Bedeutung, dass die subjektive Realität von Sender und Empfänger in ausreichendem Maße übereinstimmt. Die Bestätigung (B) stellt dabei die gemeinsame Basis dar, auf der Kommunikation erfolgreich verlaufen kann. Gleichzeitig ist es wichtig, Raum für Erstmaligkeit (E) zu lassen, um individuelle Perspektiven und Erfahrungen zu teilen und somit die eigene subjektive Realität und die der anderen zu erweitern. Pragmatische Information kann als Brücke zwischen subjektiver Realität und objektiver Realität betrachtet werden. Indem wir unsere subjektive Realität in Form von Information kommunizieren, tragen wir dazu bei, ein gemeinsames Verständnis der Welt und eine gemeinschaftliche Realität zu schaffen. Fazit Subjektive Realität und pragmatische Information sind zwei zentrale Konzepte, die uns dabei helfen, die Vielschichtigkeit unserer Erfahrungen und Kommunikationsprozesse besser zu verstehen. Die subjektive Realität bezieht sich auf die individuellen, qualitativen Aspekte unseres Erlebens, während pragmatische Information den Austausch von Bedeutungen und Absichten in der Kommunikation beschreibt. Ein ausgewogenes Verhältnis von Erstmaligkeit und Bestätigung ermöglicht eine erfolgreiche Kommunikation, die zur Erweiterung und Veränderung unserer subjektiven Realität beiträgt. In diesem Sinne ist das Verständnis der Zusammenhänge zwischen subjektiver Realität und pragmatischer Information von grundlegender Bedeutung für unser soziales Miteinander und unsere individuelle Entwicklung. Die Beziehung zwischen Erstmaligkeit und Bestätigung Die pragmatische Information, wie sie von von Weizsäcker beschrieben wird, beinhaltet zwei Schlüsselelemente, Erstmaligkeit (E) und Bestätigung (B), die multiplikativ und komplementär miteinander verknüpft sind. Dieses Konzept kann sowohl in der Kommunikation als auch in der Messung angewendet werden und bietet interessante Einblicke in die Unterschiede zwischen subjektiver und objektiver Realität. Diese Beziehung wird durch die folgende Formel zum Ausdruck gebracht: Ipragmatisch = E ○ B. Sie bedeutet, dass pragmatische Information sich aus dem multiplikativen und komplementären Produkt von Erstmaligkeit und Bestätigung zusammensetzt. In der Kommunikation ist die Erstmaligkeit das neue Element in einer Nachricht, während die Bestätigung das bekannte Element darstellt. Eine ideale Kommunikation enthält sowohl Neues als auch Bekanntes in einem ausgewogenen Verhältnis. Dies kann jedoch problematisch sein, wenn entweder die Erstmaligkeit oder die Bestätigung zu stark überwiegt oder extreme Werte annimmt, wodurch die pragmatische Information reduziert wird und weniger Wirkung beim Empfänger erzeugt. Dr. Walter von Lucadou hat das Konzept der pragmatischen Information auf die Messtheorie angewendet, indem er den Empfänger aus der Kommunikationssituation durch die materielle Umgebung ersetzt. Dieser Informationsaustausch zwischen Individuum und Umgebung wird als Messung bezeichnet. Willentliche Beeinflussung der materiellen Umgebung wäre demnach der Austausch von pragmatischer Information im Rahmen einer Messung. Subjektive Wahrnehmung entsteht, wenn das Selbst seine eigene Realität durch motivationale Faktoren konstruiert. Diese Konstruktion ist durch eine maximale Erstmaligkeit geprägt (E max) , die nicht bestätigt werden kann (B = 0). Objektive Messung hingegen ist durch passives Registrieren gekennzeichnet und erlaubt eine maximale Bestätigung (B max) ohne erstmalige, individuelle Beiträge (E = 0). Die Quantenphysik hat jedoch gezeigt, dass die Annahme einer messunabhängigen Realität nicht korrekt ist. Dies hat das objektive Weltbild der Physik erschüttert, aber nicht vollständig zerstört. Die Rolle der Messung bei der Realitätsentstehung und die Erhaltung der Objektivität sind weiterhin Gegenstand der wissenschaftlichen Untersuchung und Diskussion. Abbildung 1: Ausmaß der pragmatischen Information in Abhängigkeit von E und B Zusammenfassend kann man sagen, dass die pragmatische Information und ihre beiden Elemente, Erstmaligkeit und Bestätigung, sowohl in der Kommunikation als auch in der Messung eine wichtige Rolle spielen. Sie bieten ein Verständnis für die Unterschiede zwischen subjektiver und objektiver Realität und zeigen, wie Individuen sowohl ihre eigene Realität konstruieren als auch die objektive Realität wahrnehmen und beeinflussen können. Die Anwendung der pragmatischen Information auf die Messtheorie liefert ein interessantes Modell für das Verständnis von Realitätskonstruktionen und deren Beeinflussung durch individuelle Motivationen und Absichten. Messung als pragmatischer Informationsprozess Von Weizsäckers Konzept der pragmatischen Information beschreibt den Willensimpuls zwischen Sender und Empfänger in Kommunikationskontexten. Um den Einfluss von subjektivem Wollen auf objektive Realität ähnlich zu beschreiben, ersetzen wir den Empfänger durch die materielle Umgebung. Dieser Informationsaustausch zwischen Individuum und Umgebung ist als Messung bekannt. Dr. Walter von Lucadou erweiterte das Konzept der pragmatischen Information in seinem Modell der pragmatischen Information (MPI), um parapsychologische Phänomene wie Telepathie und Psychokinese zu erklären. Das MPI basiert auf einer erweiterten Quantentheorie und fokussiert makroskopische Verschränkungskorrelationen zwischen Geist und Materie bei bewussten Beobachtungen. Subjektive Messung, also aktive Realitätskonstruktion (MI = MO), und objektive Messung, also passives Registrieren (MI ≠ MO), wurden formalisiert. Subjektive Wahrnehmung kreiert eine individuelle Realität, die als pragmatische Information mit maximalem Erstmaligkeitsanteil beschrieben werden kann. Dies führt zu einer Nicht-Kommunizierbarkeit von Qualia, einem charakteristischen Merkmal von Subjektivität. Objektive Realität wird als messunabhängig angesehen, und ihre Erfassung erfolgt durch passives Registrieren (MI ≠ MO). Objektive Messungen sind durch maximale Bestätigbarkeit gekennzeichnet, die aufgrund der Annahme einer messunabhängigen Grundlage und regelhafter Naturgesetze erreicht wird. Quantenphysik zeigte im 20. Jahrhundert, dass die Annahme einer messunabhängigen Realität nicht korrekt ist, und erschütterte das objektive Weltbild der Physik. Dennoch wurde das objektive Weltbild nicht vollständig zerstört. Die Rolle der Messung bei der Realitätsentstehung und die Rettung der Objektivität sind wichtige Erkenntnisse der Quantenphysik. Messung in der Quantenphysik und (zufällige) Objektivität Die Quantenphysik entstand 1900 durch Max Plancks Entdeckung der Quantisierung von Strahlungsenergie. Sie beschreibt das Verhalten von Photonen, Elektronen und anderen Kleinstphänomenen. Die Kopenhagener Deutung, unterstützt von Bohr, Heisenberg und Jordan, besagt, dass erst der Akt der Messung Realität erzeugt. Realität beginnt, wenn das Messinstrument ein Ergebnis anzeigt. Ein Elektron befindet sich vor einer Messung in einer Superposition. Die Wellengleichung, entdeckt von Erwin Schrödinger, beschreibt alle möglichen Ortszustände eines Elektrons. Durch Messung findet man das Elektron an einem der potentiellen Orte. Vor der Messung gibt es laut Kopenhagener Deutung keine Realität, sie wird erst durch Messung etabliert. Daher ist Messung in der Quantenphysik keine passive Registrierung, sondern das Erzeugen einer Realität aus vorher unbestimmten Möglichkeiten. Das Doppelspaltexperiment zeigt die erstaunliche Tatsache der Superposition und des Welle-Teilchen-Dualismus. Elektronen erzeugen ein Interferenzmuster, das auf ihre Wellennatur hindeutet. Führt man eine Messung durch, verschwindet das Interferenzmuster und das Elektron wird an einem der Spalte entdeckt. Realität entsteht also erst durch den Akt der Messung. Dies kommt einer subjektiven Realitätskonstruktion durch Messung sehr nahe. Die Objektivität von Messungen bleibt jedoch trotz konstruierender Messung erhalten, da jedes Messergebnis im Quantenkontext rein zufällig entsteht. Die Wahrscheinlichkeit, das Elektron an Spalt 1 oder 2 zu entdecken, ist jeweils 50%. Die Wahrscheinlichkeiten können nach Max Born aus der Wellengleichung errechnet werden. Die Quantenphysik hat unsere Vorstellung von objektiver Realität erschüttert – es gibt keine a priori Realität vor der Messung. Objektivität bei der Messung wird folglich nicht durch Trennung von MI und MO erreicht, da sie nicht möglich ist, sondern durch ontischen Quantenzufall, der willentliche Konstruktion bei der Messung verhindert. Kausale Geschlossenheit bleibt erhalten, ergänzt durch Unbestimmtheit und Berechenbarkeit von Wahrscheinlichkeiten. Es gibt alternative Interpretationen wie die Viele-Welten-Theorie von Hugh Everett oder die Theorie der verborgenen Parameter von David Bohm und Louis de Broglie. Allerdings bleibt die ontische Zufallsabhängigkeit des Messergebnisses erhalten. Das Messproblem in der Quantenphysik bleibt ungelöst. Das aus den Quantenformalismen abgeleitete und empirisch gut dokumentierte ontische Zufallsprinzip ist die theoretische Begründung für die Objektivität der physikalischen Realität und den Erhalt von Bmax in der physikalischen Forschung. Alle Ereignisse innerhalb dieser objektiven Realität entfalten sich in der Zeit entlang von Naturgesetzen und echtem Zufall. Eine Erweiterung des Realitätsdualismus Subjektiv-Objektiv: Die sobjektive Realität Der Realitätsdualismus Subjektiv-Objektiv besagt, dass es eine objektive Realität und eine subjektive Realität gibt. In der objektiven Realität sind Phänomene kausal determiniert, während in der subjektiven Realität freie Willensimpulse entstehen können. Die pragmatische Information offenbart jedoch, dass in beiden Realitäten die Existenz eines freien Willens nicht zulässig ist, da in beiden die pragmatische Information Null ist. Um den freien Willen in unser Realitätsverständnis zu integrieren, müssten wir den Realitätsdualismus überwinden. Eine Realität, in der freie Willensimpulse Einfluss auf die materielle Umwelt nehmen können, benötigt eine pragmatische Information größer Null. Diese sogenannte "sobjektive Realität" liegt zwischen der subjektiven und objektiven Realität und kann autonome Wirkung entfalten sowie der Umwelt mitgeteilt werden. Sobjektive Realität kann nicht vollständig objektiv nachgewiesen werden, ist aber auch nicht vollständig subjektiv. Sie stellt eine Art Kontinuum dar, in dem Phänomene existieren, die auf willentlichen Impulsen basieren und gewollte Realitätskonstruktionen darstellen. Sobjektive Realitätsaspekte sind weder individuell noch allgemein gültig, sondern „weitestgehend“ gültig. Die Unus-Mundus-Theorie von Wolfgang Pauli und Carl Gustav Jung bietet ein Modell, in dem eine Vorrealität die Grundlage für subjektive und objektive Realität bildet. In diesem Modell kann das objektive Sein und dessen subjektives Erleben durch gewollte Realitätskonstruktionen erzeugt werden, deren realitätsbildende Wirkung aber nie vollständig bewiesen, jedoch teilweise bestätigt werden kann. Der ontische Zufall kann in Abwesenheit eines wollenden Impulses diese Rolle übernehmen. Das Unus Mundus Modell der Realität von Pauli und Jung Das Unus Mundus Modell der Realität wurde entwickelt, um die Wechselwirkung von Geist und Materie zu beschreiben. Es konzentriert sich auf den psychophysischen Parallelismus und erklärt, wie geistige Impulse die materielle Welt verändern können. Es gibt zwei Hauptprobleme, die ein reiner Realitätsdualismus nicht lösen kann: 1) Die Entstehung von bewussten Erlebnisinhalten (Qualia) aus der materiellen Substanz des Gehirns und 2) die Wirkungsrichtung von Geist auf das Gehirn oder Materie. Diese Probleme werden von Philosophen wie Thomas Nagel, Joseph Levine und David Chalmers betont. Wolfgang Pauli, ein Quantenphysiker, und Carl Gustav Jung, ein Arzt und Psychotherapeut, entwickelten ein Modell, das diese Erklärungslücken schließt. Sie nannten es das Unus Mundus Modell (UMM) der Realität. Im UMM gehen sie davon aus, dass bewusstes Erleben (Geist) und materielle Umwelt (Materie) beide aus einer gemeinsamen Ursache, der sogenannten Unus Mundus, hervorgehen. Die Unus Mundus ist eine Form von Realität, die vor dem bewussten Erleben und vor der klassischen materiellen Realität existiert und dieser zugrunde liegt. Die Unus Mundus beinhaltet Vorformen von bewussten Erlebnisinhalten und vormaterielle Zustände. Diese bilden Möglichkeitsräume, sogenannte Potentialitäten, und werden als Potentialraum oder Preality bezeichnet. Im UMM werden zwei Arten von Prozessen unterschieden, die die Wechselwirkung von subjektivem Erleben und objektiv-materieller Realität beschreiben: strukturelle und induzierte Korrelation. Strukturelle Korrelation bezieht sich auf das passiv registrierende Bewusstsein, bei dem der Quantenzufall entscheidet, welche potenziellen Realitäten real werden. Dies entspricht dem Realitätsdualismus und liefert eine objektive Realität, die kausal geschlossen ist. Induzierte Korrelation hingegen beschreibt einen wollenden Einfluss eines Individuums, der in seinem bewussten Geist seinen Ausgang nimmt und die Entstehung einer bestimmten objektiven Realität erzeugen möchte. Der subjektive Willensimpuls überträgt sich dabei über die Unus Mundus in die objektive Realität. Da die Unus Mundus aus kombinierten Elementen mit vorgeistigen und vormateriellen Anteilen besteht, kann der geistig induzierte Willensimpuls an diese anknüpfen und die materiellen Aspekte beeinflussen. Die induzierte Korrelation ist eine willentliche Realitätskonstruktion und erreicht nicht den vollen Umfang von Objektivität aufgrund der reduzierten Bestätigbarkeit. Diese Realitäten werden daher als sobjektive Realitäten bezeichnet. Nach Pauli und Jung sind die Resultate einer induzierten Korrelation volatil und verschwinden im Quantenzufallsrauschen, sobald der willentliche Einfluss nachlässt. Sie sind jedoch für das Individuum, das sie erzeugt hat, von Bedeutung und können unter bestimmten Umständen auch für andere wahrnehmbar sein. Diese sobjektiven Realitäten können sich manifestieren, wenn genügend Personen auf eine gemeinsame Potentialität ausgerichtet sind, wie es beispielsweise in Gruppenphänomenen oder kulturellen Trends zu beobachten ist. Das Unus Mundus Modell bietet einen erweiterten Rahmen für das Verständnis von Geist-Materie-Interaktionen. Es zeigt auf, dass die physische und mentale Welt nicht voneinander getrennt sind, sondern ineinander verwoben und aus einer gemeinsamen Quelle entspringen. Dieses Modell öffnet Möglichkeiten für eine integrative Forschung in den Bereichen Philosophie, Psychologie und Physik und erlaubt es, bisher unerklärte Phänomene wie Synchronizität, Intuition und Kreativität besser zu verstehen. Die Theorie hat allerdings auch ihre Kritiker, die argumentieren, dass die Unus Mundus schwer fassbar und schwer zu erforschen ist, da sie jenseits der konventionellen physikalischen und psychologischen Realitäten liegt. Trotz dieser Kritik bietet das Unus Mundus Modell einen fruchtbaren Boden für Diskussionen und weitere Forschung, die das Verständnis von Geist und Materie vertiefen und erweitern können. Abbildung 2: Die Unus Mundus Theorie Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Unus Mundus Modell der Realität von Pauli und Jung ein bedeutender Beitrag zur Debatte über das Verhältnis von Geist und Materie ist. Es bietet eine alternative Perspektive auf die klassischen Dualismen und ermöglicht neue Einblicke in die Natur der Realität, indem es zeigt, dass Geist und Materie untrennbar miteinander verbunden sind und aus einer gemeinsamen Quelle, der Unus Mundus, hervorgehen. Während das Modell weiterhin diskutiert und erforscht wird, bleibt es ein faszinierendes und vielversprechendes Konzept für die Erforschung der Geheimnisse des menschlichen Geistes und der materiellen Welt, in der wir leben. Induzierte Korrelation als selbsterfüllende Prophezeiung Induzierte Korrelation in Pauli und Jungs Unus Mundus Modell (UMM) zeigt Parallelen zur selbsterfüllenden Prophezeihung. Eine induzierte Korrelation entsteht, wenn eine motivgeleitete, bewusste Wahrnehmung eines Individuums auf eine mögliche zukünftige Realität gerichtet ist, wodurch die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, dass diese Realität eintritt. Emotionen und Überzeugungen spielen dabei eine zentrale Rolle bei der Realitätskonstruktion. Willentliche Impulse entstehen in Situationen, die für eine Person von Motivrelevanz gekennzeichnet sind. Diese Impulse sind motiv-geleitete Etablierungen von emotional repräsentierten Erwartungen bezüglich zukünftiger Realitäten. Die induzierte Korrelation beginnt mit einem willentlichen Impuls im Bewusstsein eines Individuums, der eine Aufforderung an den Potentialraum formuliert, eine bestimmte Realität wahrscheinlicher als der Zufall werden zu lassen. Emotionale Transgression bezeichnet den Kommunikationsprozess zwischen dem bewussten Selbst und dem unbewussten Potentialraum. Dabei ist die emotionale Überzeugung, die in einer sprachlichen Kodierung enthalten ist, das einzige Element, das die Grenze zum Unbewussten überschreiten kann. Diese emotionale Erwartung beeinflusst anschließend die Realitätskonstruktion. Es gibt zwei grundsätzliche emotionale Tendenzen bei Erwartungen über zukünftige Verläufe: Optimistische und pessimistische. Optimistische Erwartungen sind von Hoffnung geprägt, wohingegen pessimistische Erwartungen von Ängsten dominiert werden. Die in den Emotionen kodierten impliziten Überzeugungen aktivieren dann die entsprechenden Potentialitäten in der Unus Mundus und machen sie wahrscheinlicher. Das Unus Mundus Modell von Pauli und Jung legt nahe, dass bei willentlichen Impulsen verschiedene Aspekte zu beachten sind. Zum einen geht die Theorie davon aus, dass der Willensimpuls, der in der subjektiven Realität des Bewusstseins einer Person initiiert wird, sich nicht direkt in eine objektive Realisierung umsetzen lässt. Stattdessen kann sich der Willensimpuls nur über das Unbewusste materiell realisieren lassen. Das bedeutet, dass das Unbewusste in angemessener Form mit einbezogen werden muss. Diese Einbeziehung besteht in der Beachtung der emotionalen Transgression, die besagt, dass man die unbewussten Potentialitäten emotional adressieren muss. Dies geschieht bei motiv-relevanten Beobachtungen, in denen willentliche Impulse allein auftreten, automatisch. Daher ist es wichtig, genau zu analysieren, welche emotionale Überzeugung dem aktuellen Willensimpuls zugrunde liegt und diesen im Falle einer pessimistisch-ängstlichen Haltung zu korrigieren. Außerdem vollzieht sich der Transfer von der geistigen in die materielle Welt über die pragmatische Information, die besagt, dass willentlich induzierte Realitätskonstruktionen nur reduziert objektiv sind, also sogenannte sobjektive Realitäten darstellen. Die Komplementaritätsbeziehung von E und B in der Formel der pragmatischen Information zeigt, dass eine Objektivierung und Maximierung von B zu einem E von Null führt, wodurch der Einfluss des willentlichen Impulses verschwindet und der Quantenzufall dominiert. Daher sollte man Abstand davon nehmen, den Erfolg der eigenen Intention beim willentlichen Handeln zu dokumentieren, da dies die Effektivität zerstört und man seine Autonomie verliert, sich stattdessen vom Zufall abhängig macht. Die motivationspsychologischen Konsequenzen des Unus Mundus Modells von Pauli und Jung stimmen mit vielen Erkenntnissen aus der Praxis überein. Dennoch handelt es sich bisher nur um theoretische Darstellungen, die teilweise zirkulär wirkende Argumentationen enthalten. Um diese Theorien weiter zu untermauern, werden nun ausgewählte empirische Befunde vorgestellt und interpretiert. Empirische Belege für induzierte Korrelationen: Mikro-Psychokinese Induzierte Korrelationen im Unus Mundus Modell (UMM) betreffen die Veränderung von Quantenwahrscheinlichkeiten durch motivgeleitete, bewusste Beobachtungen. In der Parapsychologie wird dies als Mikro-Psychokinese (Mikro-Pk) bezeichnet. Untersuchungen dazu begannen mit Joseph Rhine in den 1940er Jahren und wurden in den 1970er Jahren von Helmut Schmidt durch quantenbasierte Zufallsgeneratoren (QRNGs) fortgesetzt. Ein typischer Versuchsaufbau nutzte QRNGs, um eine Zahlenkodierung zu erzeugen, die dann zu sensorischen Ereignissen führte, welche die Versuchsperson bewusst wahrnahm. Die Aufgabe bestand darin, die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten bestimmter Ereignisse intentionell zu beeinflussen. Frühe Befunde zeigten, dass Versuchspersonen die Wahrscheinlichkeit für intentionskongruente Ausgänge beeinflussen konnten. Weitere Forschungen bestätigten intentionale Einflüsse auf den Quantenzufall, jedoch zeigten sich bei direkten Replikationsversuchen auch Nullbefunde. Einige Forscher argumentieren, dass Mikro-Pk-Effekte einer Objektivierung durch direkte Replikation entzogen scheinen. In einer Arbeitsgruppe an der LMU München wurden empirische Befunde zu induzierten Korrelationen untersucht, wobei die Rolle des Unbewussten, die emotionale Transgression und die Möglichkeit indirekter Bestätigung betrachtet wurden. Die vorgeschlagene Lösung des Dilemmas der Nicht-Objektivierbarkeit besteht darin, eine kontinuierliche Auffassung von Subjektivität versus Objektivität anzunehmen. Induzierte Korrelationen könnten mit reduzierter Objektivität nachgewiesen werden, die zwar nicht den maximalen Standards des naturwissenschaftlichen Nachweises entspricht, aber immer noch einen ausreichend hohen Bestätigungsgrad besitzt. Induzierte Korrelation bei Rauchern In dieser Studie wurden Raucher und Nichtraucher mittels eines Mikro-Pk Experiments verglichen. Den Teilnehmern wurden über einen QRNG Bilder mit Zigaretten oder neutrale Bilder gezeigt, um zu untersuchen, ob das Wollen von Rauchern Einfluss auf die Realität hat. Es wurde festgestellt, dass Raucher weniger Raucherbilder als erwartet sahen, während bei Nichtrauchern ein reiner Quantenzufall beobachtet wurde. Dieses Ergebnis deutete darauf hin, dass das Wollen der Raucher eine Realitätskonstruktion aus den möglichen Quantenpotentialitäten bewirken kann. In einer Replikationsstudie zeigte sich jedoch bei den Rauchern ein Nullbefund, was darauf hindeutet, dass die Ergebnisse der ersten Studie nur per Zufall zustande kamen. Um diese widersprüchlichen Interpretationen gegeneinander zu prüfen, wurden 10.000 Simulationen durchgeführt, die mögliche Effektverläufe über die beiden Studien hinweg künstlich erzeugten. Es zeigte sich, dass ein so ungewöhnlicher Effektverlauf per Zufall in weniger als 5% der Fälle auftreten kann. Dies bedeutet, dass man einen durch direkte Replikation nicht objektivierbaren Effekt der induzierten Korrelation bei Rauchern durch eine reduzierte Objektivität belegen kann. Das Ergebnis des willentlichen Impulses von Rauchern auf eine mit ihren emotionalen Überzeugungen korrespondierende Realitätswerdung lässt auf eine Realitätsform schließen, die zwischen einer rein subjektiven und einer vollkommen objektiven Realität liegt und die man daher als sobjektiv-real bezeichnen kann. Mit dieser Erkenntnis wird der Realitätsdualismus erweitert, indem neben einer Realitätsentwicklung, die (quasi)-deterministisch seit dem Urknall unser Sein bestimmt, auch ein individuelles und autonomes Wollen Realität entstehen lassen kann. Induzierte Korrelationen und die Rolle der Objektivität bei der Datenerhebung Eine Studienreihe untersuchte die Möglichkeit, eine positive Realität mit Hilfe einer induzierten Korrelation zu erzeugen und die Auswirkungen des Objektivitätsgrads der Datenerhebung auf die Nachweisbarkeit eines solchen Effekts. Probanden wurden auf positive und negative Bilder unter subliminalen und neutralen Bedingungen geprimt, um eine induzierte Korrelation in der Priming-Bedingung zu erzeugen. Die Ergebnisse der ersten Studie zeigten vorläufige Evidenz für eine induzierte Korrelation in der Priming-Bedingung, jedoch nicht in der Kontrollbedingung. Die Teilnehmer sahen mehr positive Bilder als per Zufall erwartet. Zwei nachfolgende Studien ergaben jedoch keine Abweichung vom Zufall in allen Bedingungen. Was die Nicht-Objektivierbarkeit des Phänomens unterstreicht. Um den Einfluss der Bestätigungsmaximierung auf induzierte Korrelationen zu überprüfen, wurde eine weitere Studie durchgeführt. Hier wurden neben objektiven Daten auch subjektive Erinnerungsdaten verwendet, um die Anzahl der gesehenen positiven Bilder zu erfassen. Es zeigte sich, dass die Verfügbarkeit von objektiven Daten dazu führte, dass der Quantenzufall die Realitätsgestaltung determinierte und kein Einfluss des Willens der Teilnehmer auftrat. Interessanterweise zeigten die subjektiven Daten eine gute Schätzung für die objektive Anzahl der gesehenen positiven Bilder. In der Teilgruppe, in der nur subjektive Daten zur Verfügung standen, da die objektiven Daten gelöscht wurden, zeigte sich sehr starke Evidenz für den Effekt einer induzierten Korrelation. Die Ergebnisse dieser Studien machen deutlich, dass der Wunsch nach einer positiven Realität unterstützt durch unbewusste Aktivierungen eine solche Realität wahrscheinlicher macht. Das Unus Mundus Modell erklärt, dass eine kausale Einwirkung durch einen bewusst initiierten Willensimpuls in der subjektiven Realität auf eine objektive materielle Realität über einen unbewussten Potentialraum erfolgt. Willensakte werden daher als aktive Realitätskonstruktionen durch motiv-geleitete Beobachtung verstanden. Solche Impulse können aber nicht durch Objektivierung final bestätigt werden. Die empirischen Befunde und theoretischen Ausführungen haben motivationspsychologische Implikationen für absichtsvolles Handeln. Eine Absicht sollte vorab auf ihre zugrundeliegende emotionale Überzeugung hin analysiert werden, um das Unbewusste mit einzubeziehen. Sobald eine gewünschte Realität erzeugt wurde, sollte die Effektivität der Absicht nicht objektiviert werden, um deren Wirksamkeit nicht zu zerstören. Sollten unerwünschte Absichten vorherrschen, sollte der Erfolg dieser Absichten objektiviert werden, um die Wirksamkeit des motivationalen Impulses zu zerstören. Die Organisation der Unus Mundus ist eine kollektive Realitätsebene, auf der individuelle Einflüsse reduziert werden müssen, um eine realitätskonstruierende Wirksamkeit zu erreichen. Motivationspsychologische Konsequenzen des Unus Mundus Modells, des Willensimpulses (induzierte Korrelation) und ihrer reduzierten Objektivierbarkeit Die Motivationspsychologie untersucht, wie bewusste Absichten in Handlungen übergehen und Handlungsziele erreicht werden. Traditionelle Theorien implizieren einen kausalen Mechanismus zwischen geistigen und materiellen Phänomenen, was jedoch nicht logisch konsistent ist, da sie den Transfer von subjektiven in objektive Realitäten ignorieren. Das Unus Mundus Modell bietet eine alternative Perspektive, die die Verbindung zwischen subjektiver und objektiver Realität ermöglicht. Nach diesem Modell wirkt ein bewusst initiierter Willensimpuls in der subjektiven Realität eines Individuums auf eine objektive materielle Realität durch einen unbewussten Potentialraum, der mit Quantenrealitäten gefüllt ist. Motiv-geleitete Messung ersetzt absichtsvolles Handeln und ermöglicht die Realisierung von möglichen Realitäten im Potentialraum. Hier sind einige Empfehlungen für absichtsvolles Handeln basierend auf dem Unus Mundus Modell: Analysieren Sie Ihre Absicht im Hinblick auf die zugrundeliegende emotionale Überzeugung. Emotionale Erwartungen beeinflussen, welche unbewussten Potenziale angesprochen werden. Vermeiden Sie die Verifizierung der Effektivität Ihrer Absicht, um ihre Wirksamkeit zu erhalten. Glauben Sie an die Wirkung Ihrer Absicht, ohne sie objektiv zu quantifizieren. Objektivieren Sie den ungewünschten Erfolg einer unerwünschten Absicht, um deren Wirksamkeit zu zerstören. Nutzen Sie die kollektive Natur der Unus Mundus, indem Sie sich mit anderen Individuen verbinden, die ähnliche Absichten haben. Beachten Sie jedoch das Objektivierungsverbot und schützen Sie sich vor gegenläufigen Absichtsträgern. Beziehen Sie bei spirituellen oder religiösen Überzeugungen nichtmenschliche Entitäten in Ihren Willensimpuls mit ein. Das Verständnis dieser Empfehlungen setzt die Kenntnis der theoretischen Grundlagen und empirischen Befunde voraus. Durch deren Verinnerlichung kann das Unus Mundus Modell dazu beitragen, absichtsvolles Handeln effektiver zu gestalten. (Un)Vereinbarkeit von Spiritualität/Religion und Naturwissenschaften Die Vereinbarkeit von Spiritualität bzw. Religion mit dem naturwissenschaftlichen Weltbild ist ein interessanter metaphysischer Aspekt im Zusammenhang mit dem Unus Mundus Modell. Viele spirituelle und religiöse Strömungen gehen von wollenden Entitäten aus, die Realität erschaffen und mitgestalten. Dies steht im Gegensatz zur kausaldeterminierten, objektiven physikalischen Realität der Naturwissenschaften. In der naturwissenschaftlichen Beschreibung gibt es keinen Raum für autonome, willentliche Impulse. Naturgesetze, einschließlich der Quantenphysik, würden ihren Status verlieren, wenn solche willentlichen Einflüsse existierten. Somit sind spirituelle oder religiöse Auffassungen von permanent einflussnehmenden Entitäten unvereinbar mit dem naturwissenschaftlichen Realitätsbild. Die empirischen Befunde zum Unus Mundus Modell lassen jedoch eine alternative Interpretation der physikalischen Datenlage zu. Unsere Experimente zeigen, dass eine kausal geschlossene, objektive physikalische Realität eine Funktion der Objektivität der Messung ist. Bei einer reduziert objektiven und durch individuelle Überzeugungen verzerrten Messung zeigt sich Evidenz für ein realitätsgestaltendes Wollen. Es stellt sich die Frage, ob die kausale Geschlossenheit und der berechenbare Quantenzufall nicht durch eine passive Registrierung als objektiv real bestätigt werden, sondern die Fokussierung auf objektive Bestätigung diese als objektiv real suggeriert. Die Art der messtheoretischen Betrachtung erzeugt möglicherweise das Weltbild und seine empirischen Beweise. Bei weniger objektiver, aber empirisch überzeugender Betrachtung zeigen sich Einflüsse eines wollenden Geistes. Spiritualität/Religion und Naturwissenschaft beruhen möglicherweise auf unterschiedlichen Vorannahmen, die durch den angewandten Messvorgang gemacht werden und könnten somit miteinander vereinbar sein.
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- Denken für die Krise
In den letzten Jahren ist unser Leben durch große Krisen nachhaltig verändert worden. Wenn man 15 Jahre zurückblickt, hätten viele von uns weder die Kreditkrise, noch die Eurokrise, den Brexit, die Corona-Pandemie oder den Ukrainekrieg erwartet. Selbst wenn es deutlich Anzeichen gibt, erwarten wir oft, dass unser Leben weiter seinen gewohnten Gang geht. Wir sind dann von der Dynamik von Krisen oft völlig überrascht. Bei unserem Livestream Day Of Science fragen wir uns, wie unsere Gehirne mit solchen Herausforderungen umgehen. Wo sind unsere Schwachstellen? Und wo können wir lernen uns zu verbessern? Inhaltsverzeichnis 1. Warum wir so häufig auf Routinen angewiesen sind 2. Das menschliche Verhalten in Krisensituationen 3. Prognosen und Entscheidungen 4. Wahrscheinlichkeiten Denken an die Krise Stellen Sie sich einmal vor, Sie sind in einer fremden Stadt unterwegs. Plötzlich verspüren Sie Hunger, es wird Zeit etwas zu essen. Sie sehen ein Restaurant, gehen hinein und setzen sich an einen Tisch. Nach kurzer Zeit kommt eine Kellnerin und bringt Ihnen die Speisekarte. Die Gerichte sind Ihnen vielleicht nicht vertraut, aber Sie schaffen es trotzdem sich etwas Vielversprechendes auszusuchen. Sie halten nach der Kellnerin Ausschau, geben ihr ein Zeichen, sie kommt zurück und Sie bestellen Ihr Essen. Kurze Zeit später wird es an Ihren Tisch gebracht. Sie nehmen das Besteck, das bereitliegt, und essen den Teller leer. Dann kommt die Kellnerin zurück, räumt ab, Sie bestellen die Rechnung, bezahlen und gehen ihrer Wege. 1. Warum wir so häufig auf Routinen angewiesen sind Diese ganzen Details bei dem Restaurantbesuch folgen einem festen Skript, dabei ist es fast egal in welches Land Sie reisen. Auch in einem fremden Land bringt man nicht zuerst das Essen und dann die Speisekarte. Das Skript, dem wir alle in solchen Situationen folgen, haben wir von klein auf gelernt. Wenn wir in ein Restaurant gehen sind wir nicht etwa unsicher, was uns erwartet, sondern völlig routiniert. Wir müssen nicht wenn wir ins Restaurant kommen ganz intensiv darüber nachdenken, wie man mit so einer Situation umgeht. Wir haben eine Routine, und die hat sich seit unserer Kindheit immer mehr ausdifferenziert. Routinen helfen uns mit vielen Alltagsituationen, die immer wieder dem gleichen Schema folgen, sicher umzugehen, ohne unsere ganze Aufmerksamkeit zu absorbieren. Selbst für kompliziertere Situationen in Restaurants haben wir feste Routinen ausgebildet. Als wir das erste Mal zu einem Galadinner eingeladen waren, waren wir vielleicht überwältigt von dem vielen Besteck das vor uns lag, von den vielen Gläsern und Tellern. Inzwischen wissen wir, dass man das Besteck von außen nach innen benutzt und dass der Brotteller zur Linken der unsere ist und die Gläser zur Rechten. Wir haben für unzählige Alltagssituationen solche Routinen ausgebildet. Am eindrucksvollsten kann man dies beim Autofahren beobachten. Denken Sie an das erste Mal zurück als sie mit dem Fahrlehrer in ein Auto eingestiegen sind. Der Lehrer hat Ihnen alles erklärt, die Fußpedale, das Lenkrad, den Blinker, den Scheibenwischer, die Spiegel und die Handbremse. Trotz der wortreichen Erklärung des Fahrlehrers waren wir nicht gleich dazu in der Lage, seine Instruktionen in Handlungen umzusetzen. Es gab viel zu viele einzelne Dinge zu beachten. Wenn wir darüber nachgedacht haben welches Pedal welches ist, hatten wir schon wieder vergessen auf welcher Seite der Blinkhebel war. Der Grund für diese Überlastung ist, dass wir alle Details zunächst im Arbeitsgedächtnis behalten müssen, was aber nur eine eng begrenzte Speicherkapazität hat. Wenn wir die Details nicht sofort abrufen konnten, war unsere Aufmerksamkeit überlastet und wir mussten die einzelnen Schritte einzeln mühsam einstudieren. Mit ein wenig Erfahrung kehrte sich dies völlig um. Plötzlich fiel uns die Koordination und die Bedienung der ganzen Elemente sehr leicht. Als erfahrener Autofahrer können wir sogar ein angeregtes Gespräch mit dem Beifahrer haben, und trotzdem das Fahrzeug in Standardsituationen mühelos durch den Verkehr bewegen. Das Erlernen solcher neuen Routinen bis zu dem Punkt, wo sie keine Aufmerksamkeit mehr erfordern, nennt man auch „Automatisierung“. Die Automatisierung hat im Gehirn ihre Entsprechung. Wenn wir neue Handlungen zum ersten Mal ausführen sind vor allem Netzwerke des Neokortex daran beteiligt, die neuen Handlungsschritte zu koordinieren und umzusetzen. Mit der Zeit übernehmen aber Schleifen in den sogenannten Basalganglien, einer subkortikalen Hirnregion, mehr und mehr die Routinearbeiten, umso mehr je länger wir sie geübt haben. Wenn die Routinen erstmal automatisiert sind, können wir sie ganz mühelos abrufen. Allerdings funktionieren die Routinen nur in vergleichbaren Standardsituationen, wie die, in denen sie entstanden sind. Sobald im Straßenverkehr etwas Ungewöhnliches passiert, wenn uns etwa ein Geisterfahrer auf unserer Fahrbahnseite entgegenkommt, dann müssen wir das Gespräch mit dem Beifahrer abrupt unterbrechen und uns der Notsituation zuwenden. Wir haben keine Routinen, um diese Situation zu bewältigen. Wenn uns jeden Tag Geisterfahrer entgegenkommen würden, könnten wir auch mit dieser Situation mühelos umgehen. Wir können uns also auch auf Ausnahmesituationen vorbereiten, um im Notfall auch dafür schnell Routinen abrufen zu können. Solche Routinen haben viele Vorteile, aber es gibt auch ein paar Nachteile. Zum einen sind sie sehr starr. Wenn wir also unser Verhalten anpassen oder abändern müssen, dann müssen wir die entsprechenden Routinen erst mühsam umtrainieren. Besonders beeindruckend kann man dies in einem Video von Destin Sandlin, einem amerikanischen Wissenschaftsjournalisten vom Youtube Kanal „Smarter Every Day“, sehen (https://www.youtube.com/watch?v=MFzDaBzBlL0). Darin nimmt er sich der Fertigkeit des Radfahrens an. Wir alle können mühelos Fahrrad fahren und haben unsere Aufmerksamkeit dabei für andere Dinge frei, etwa uns mit Freunden zu unterhalten. Auf manchen Jahrmärkten gibt es jedoch umgebaute Fahrräder, die diese Routinen schnell umwerfen. Diese Umkehrfahrräder lenken nach rechts, wenn man den Lenker nach Links dreht, und umgekehrt. Auf dem Jahrmarkt gibt es Stände, wo man gegen eine kleine Teilnahmegebühr versuchen kann, mit so einem Fahrrad ein paar Meter zu fahren, um bei Erfolg einen Preis zu gewinnen. Die meisten Erwachsenen scheitern sehr schnell, als wären sie noch nie in ihrem Leben Fahrrad gefahren. Dabei ist alles offen erklärt, es gibt keine versteckten Geheimnisse. Alle Teilnehmer wissen, dass die Lenkrichtung umgedreht ist, und trotzdem können sie sich auch bei größter Konzentration nicht auf dem Fahrrad halten. Die alten, eingespielten Routinen sind im Weg. Destin Sandlin hatte sich in den Kopf gesetzt, dieses umgekehrte Fahrrad zu beherrschen und hat dafür hartnäckig trainiert. Er brauchte dafür 8 Monate regelmäßiges Training. Danach konnte er jedoch nur das Umkehrfahrrad fahren, und scheiterte bei normalen Rädern. Sein Sohn hingegen, der bereits Radfahren konnte, konnte innerhalb von zwei Wochen umlernen. Ein beeindruckender Beleg für die hohe Plastizität von kindlichen Gehirnen. Neben ihrer mangelnden Flexibilität haben Routinen noch einen weiteren Nachteil. Wir sollten nicht zu viel darüber nachdenken, wie wir etwas machen. Es ist nicht ratsam bei Tempo 200 auf der Autobahn sich plötzlich die Frage zu stellen, welches Pedal eigentlich genau was ist, oder wie man am besten einem Hindernis ausweicht. Denn wenn diese Routinen erstmal in den Basalganglien eingeschliffen sind, werden sie durch bewusste Aufmerksamkeit, also durch den Versuch darüber nachzudenken, gestört, und wir müssen den komplizierten Prozess wieder mit unseren überforderten neokortikalen Regionen abwickeln. Das ist übrigens die Grundlage für einen klassischen unfairen Trick beim Hochleistungssport. Fragen Sie ihren Gegner beim Tennis einmal, wie genau er seine fantastische Angabe macht. Diese ist im Verlauf des Trainings mühsam automatisiert worden. Wenn er jetzt darüber nachdenkt, stört er den Ablauf und die Angabe wird weit weniger beeindrucken. Dasselbe passiert auch virtuosen Profimusikern, wenn sie auf der Bühne mitten im Konzert darüber nachdenken, wie sie eigentlich genau die superschnellen Passagen spielen. Nachdenken ist in solchen Fällen also eher störend. Im Arbeitsleben begegnen uns solche Routinen an vielen Stellen. Nehmen wir das Beispiel eines Tischlers. Noch vor hundert Jahren begann jemand am Anfang seines Lebens als Lehrling dieses Handwerk Schritt für Schritt zu lernen. Er lernte die Funktion aller Werkzeuge und übte seine Handfertigkeit mühsam ein. Nachdem er einmal das Handwerk beherrschte, hat er für den Rest seines Berufslebens weitgehend dieselben Routinen und Fertigkeiten benutzt. Es gab natürlich kleine Änderungen, aber die Grundlage des Handwerks hat sich im Verlauf eines Berufslebens wenig geändert. Es gibt aber viele Berufe, die ganz anders gestaltet sind. Nehmen wir zum Beispiel die Notaufnahme eines Krankenhauses. Die Probleme jedes Patienten sind ganz unterschiedlich gestaltet. Erst ein Herzinfarkt, dann eine Vergiftung, als nächstes ein Unfall. Manchmal sind die Patienten jung und gesund, dann wieder alt und krank. Wie schafft man es in diesem schier unbeherrschbaren Durcheinander trotzdem allen zu helfen? Die Antwort sind wieder Routinen. Aber hier sind die Routinen komplexer. In der Notfallmedizin gibt es komplexe Schablonen, nach denen die Fälle behandelt werden. Und in einem OP hat jeder eine spezifische, genau definierte Aufgabe, und die anderen Kollegen können sich darauf verlassen, dass diese Aufgabe genau umgesetzt wird. Wenn bei einem Notfall der behandelnde Arzt erst anfangen müsste, sich aus seiner Kenntnis des menschlichen Körpers abzuleiten, was jetzt zu tun wäre, würden einige Patienten sicherlich sterben, bevor der erste Schritt getan wäre. Schablonen helfen uns in komplexen Situationen schnell und adäquat zu handeln. Allerdings muss man aufpassen. Die Handlungen können nur so gut sein, wie die Routinen. Wenn man sich also etwas Falsches angewöhnt, dann sind wir auch mit Routinen ineffizient. Es ist gut, wenn wir uns im Arbeitsleben auf Routinen verlassen können. Wir merken oft gar nicht, wie die Erfahrung und die Routinen uns den Arbeitsalltag erleichtern, denn wir werden uns der automatisierten Schritte ja nicht bewusst. Als wir das erste Mal etwa ein neues Projekt starten wollten, waren so viele Details zu berücksichtigen. Je häufiger man dies macht, desto routinierter werden die Abläufe, und umso mehr Zeit bleibt uns, unsere bewussten Gedanken den wichtigeren, strategischen Aufgaben zuzuwenden. Bisweilen müssen Routinen natürlich trotzdem geändert werden, das ist die Basis jeder Innovation bis hin zum Change-Management. Allerdings sollte man bei jeder Änderung vorsichtig damit umgehen, dass man die Mitarbeiter ihrer Routinen beraubt. Nehmen wir ein vertrautes Beispiel, Updates in unserer Office-Software. Wir kommen morgens zu Arbeit, wollen zunächst einen wichtigen Brief an den Chef schreiben und anschließend eine Abrechnung in einer Tabellenkalkulation durchführen. Die IT hat jedoch nachts eine neue Softwareversion eingespielt. Natürlich ist es wichtig bei der Software mit der Zeit zu gehen, und Innovationen zu nutzen. Rechtschreibkorrekturen und Diktierfunktionen haben sich im Laufe der Jahre erheblich verbessert. Allerdings werden bei vielen Updates nicht nur sinnvolle Änderungen eingeführt, sondern die gesamte Benutzeroberfläche wird neu gestaltet, für den frischen „Look“. Und bisweilen ist nichts mehr, wie es war. Man muss also, anstatt sich auf den Inhalt des Briefes an den Chef zu konzentrieren, darüber nachdenken, wie man etwas auf der Benutzeroberfläche findet, weil es an einer anderen Stelle als bisher im Menu auftaucht. Es ist wie beim Autofahren, als würde man die Position der einzelnen Fußpedale vertauschen. Dies ist nicht nur mühsam, sondern birgt auch erhebliches Fehlerpotenzial. Wenn auf der Arbeit unsere Aufmerksamkeit bei der Software liegt, steht sie für die wirklich wichtigen Fragen nicht mehr zu Verfügung. Die Folge: Der Brief an den Chef findet vielleicht nicht den richtigen Ton, und in der Tabellenkalkulation hat man sich bei der Formel vertippt, weil man gedanklich mit der Benutzeroberfläche beschäftigt war. Es empfiehlt sich also eine gewisse „Achtsamkeit“ auf Routinen, und man sollte vermeiden sie ohne Not zu verändern. So hilfreich und wertvoll Routinen auch sind, leider stehen sie uns nicht in allen Bereichen des Lebens zu Verfügung. Es stellt sich also die Frage: Wie gehen wir mit neuen Situationen um, für die wir keine vorgefertigten, eingespielten Handlungs-muster haben? Das Gehirn hat ein spezielles Netzwerk im sogenannten anterioren cingulären Kortex, das in solchen Situationen eingreift und unser Verhalten organisiert. Wir müssen dann in den Modus des Problemlösens fallen und nach einer Lösung für die neue Situation suchen. Das ist jedoch sehr mühsam und kann uns bisweilen überfordern. 2. Das menschliche Verhalten in Krisensituationen Nehmen wir zum Beispiel die großen internationalen Krisen der letzten 15 Jahre. Wir hatten seit ca. 2007 zunächst eine globale Kreditkrise, dann ab 2009 über eine lange Zeit die Eurokrise. Bald danach begann im Jahr 2015 infolge des Syrienkonfliktes die europäische Migrationskrise, 2016 dann das Brexit Referendum mit anschließendem Austritt Großbritanniens aus der EU. Das allein wäre schon viel zu verarbeiten, es folgten jedoch noch die COVID-19 Pandemie, die politischen Unruhen in den USA und dann 2022 der Ukraine Krieg. Was solche Krisen auszeichnet, ist dass wir für sie in den meisten Fällen keine vor-gefertigten Handlungsroutinen haben, denn jede Situation ist hochkomplex und immer wieder neu. Die Menschheit hat natürlich schon vorher Wirtschaftskrisen, Währungskrisen, Pandemien und Kriege überstanden. Und doch ist jede Krise wieder anders, und heute haben wir auch andere Bewältigungsmethoden als früher. Bei der weltweiten Grippe von 1918 gab es noch keine Impfstoffe, keine Computer und keine Videokonferenzen. Jede Krise ist also auch ein Einzelfall. Aufgrund der vielen jüngsten Krisen könnte man den Eindruck bekommen, dass sich die Welt immer schneller verändert, und inzwischen sogar so sehr, dass es uns gar nicht möglich ist, kognitiv mitzuhalten. In einem faszinierenden Buch namens „Future Shock“ schilderte der US-Amerikaner Alvin Toffler diese zunehmende Geschwindigkeit, die uns überfordert. Wir leiden unter einem „Information Overload“, einer Überlastung durch zu viele Informationen. Im Informationszeitalter würden die Menschen laut Toffler vor allem von zuhause arbeiten, alte Industriezweige mit ungeschulten Arbeitern würden überflüssig, und das Wissen, das wir im Rahmen unserer Ausbildung erlernt haben ist schnell überholt. Das ist eine treffende Darstellung unserer modernen Welt. Allerdings gibt es einen Haken. Das Buch erschien bereits 1970. Also, vor über 50 Jahren fühlten sich Menschen durch die Dynamik der Veränderungen in der Welt bereits überfordert. Vielleicht ist unsere derzeitige Hochgeschwindigkeits-Welt also historisch gesehen gar nicht so einmalig? Trotzdem kann man viel daraus lernen, wie wir Menschen mit Krisen umgehen. Nehmen wir das Beispiel der COVID-19 Pandemie. Warum hat es so lange gedauert, bis die westlichen Industrieländer auf die Entwicklung reagiert haben, selbst als in Norditalien, quasi vor unserer eigenen Haustür, bedrohlich vorgeführt wurde, welche Gefahren damit verbunden waren? Eine gängige Erklärung ist, dass wir schon häufiger Warnsignale erlebt haben, ohne dass eine Bedrohung sich dann später für uns als relevant herausgestellt hat. Nehmen wir zum Beispiel die Krankheit Ebola, wo eine Ansteckung wesentlich gefährlicher ist als mit dem Coronavirus. Es gab in der Vergangenheit zahlreiche Ausbrüche, die es in den internationalen Medien auf die Schlagzeilen geschafft haben, die allerdings immer wieder eingedämmt wurden und meistens auf Zentralafrika beschränkt blieben. Auch bei den Coronaviren gab es in der Vergangenheit mit SARS und MERS-Erkrankungswellen in Asien, die uns trotz ihrer Ausbreitungsgeschwindigkeit nicht erreicht haben. Warum sollte es also dieses Mal anders sein? Hier sehen wir ein Phänomen, das man aus der Medizin von Intensivstationen kennt, die sogenannte „Alarmblindheit“. Wenn Patienten mit vielen lebenserhaltenden Geräten versorgt werden, die alle ihre eigenen Warntöne haben, dann besteht der Stationsalltag im Reagieren auf diese Alarme. Wenn jedoch der ganze Arbeitstag immer wieder mit solchen Signalen gefüllt ist, verlieren sie ihre Dringlichkeit, das Personal „habituiert“, es gewöhnt sich an die Ausnahmesituation. Habituation ist ein ganz grundlegender biologischer Lernprozess, eine abnehmende Reaktionsbereitschaft auf wiederholt erlebte Reize, vor allem wenn sie sich im Nachhinein als bedeutungslos herausgestellt haben. Ähnlich könnte es also auch mit den Pandemien sein, wenn über Jahre hinweg immer wieder bedrohliche Nachrichten in den Medien zu hören waren, über Ebola, SARS und MERS, diese Erkrankungen uns in unserem Alltag dann aber doch nicht erreicht haben. Interessanterweise scheint diese Habituation viele Menschen betroffen zu haben. Die Warnsignale wurden auch von vielen Ministerien nicht wahrgenommen, die eine langjährige Erfahrung haben sollten. Wir stehen also vor einem Dilemma. Wenn wir uns bei jedem Zeitungsbericht über Ebola, SARS oder MERS gleich in Isolation begeben hätten, wäre dies sicherlich eine Überreaktion gewesen. Andererseits wissen wir, dass Menschen bei Katastrophen auch oft zu spät reagieren und ihr Leben dabei ernsthaft in Gefahr bringen. Dies ist vielfach untersucht worden, und zwar am Beispiel von realen Katastrophensituationen. Es scheint zwei, entgegengesetzte Handlungs-tendenzen zu geben, wenn Menschen sich plötzlich einer Bedrohung ausgesetzt sehen. Die einen tun nichts, sie sind wie versteinert, sie leugnen die Situation vielleicht, man sagt auch sie „frieren ein“. Dies geht etwa aus Berichten zum Einschlag der Flugzeuge im World Trade Center in New York hervor. Viele Menschen sind einfach an ihren Schreibtischen sitzen geblieben und waren tatenlos, vermutlich weil sie schockiert waren oder über ihre Einschätzung der unerwarteten Katastrophe nachgedacht haben. Andere hingegen, haben gleich die Flucht ergriffen und sich auf den Weg aus dem Gebäude gemacht. In diesem Fall war das sicherlich eine sinnvolle Strategie. Auch wenn eine Tsunamiwelle auf einen zurollt, oder im Flugzeug Rauch aufsteigt, kann die schnelle Flucht eine sinnvolle Handlung sein. In diesem Fall führt die wahrgenommene Gefahr zu einer schnellen Auslösung einer Handlungsroutine, typischerweise der Flucht. In vielen Fällen ist jedoch dieser Handlungsimpuls sehr schädlich. Man denke an das tödliche Gedränge bei der Loveparade 2010 in Duisburg. Wären alle Menschen ruhig an ihren Plätzen geblieben, wäre es hierzu gar nicht gekommen. Ähnliches konnte man auch zu Beginn der COVID-19 Pandemie beobachten, als Menschen massenweise Waren horteten. Ein australischer Mann kaufte in einem Supermarkt für 10.000 Dollar Waren ein, wie etwa Toilettenpapier, und wollte diese dann nach ein paar Tagen zurückgeben. Sicherlich war das keine angepasste Reaktion. Wir scheinen also in einem Dilemma gefangen zu sein, zwischen den Optionen „zu viel nachdenken, zu wenig handeln“ und „zu wenig nachdenken, zu viel handeln“. Wenn Menschen eine Bedrohung ignorieren und weiter wie gewohnt ihrem Alltag nachgehen, spricht man auch von einer Normalitätstendenz, engl. „Normalcy Bias“. Wir können gar nicht glauben, dass in unserem Leben fundamentale Änderungen anstehen, etwa wenn Krieg unsere Existenz bedroht. 3. Prognosen und Entscheidungen Wir sehen also, dass unser Umgang mit Krisen auch immer etwas damit zu tun hat, welche Einschätzungen wir von komplexen Vorgängen in unserer Welt haben. Denn ein gutes Weltverständnis ist die Basis für die Vorhersage krisenhafter Ereignisse. Gerade bei komplexen Problemen ist die Klärung des „Richtig“ und „Falsch“ aber besonders schwierig. Die meisten Experten hatten zum Beispiel für den Sommer 2020 eine dramatische Fortsetzung der Pandemie vorhergesagt, allerdings waren die Fallzahlen in dem Zeitraum eher moderat und stiegen erst zum Herbst wieder dramatisch an. Auch der Krieg in der Ukraine kam für viele Menschen, auch für Politiker, überraschend, und das trotz der vielfältigen Warnsignale und öffentlichen Ankündigungen seitens des russischen Präsidenten. Man hielt die Drohungen nur für Rhetorik und Bluff, glaubte aber nicht, dass er die über 70-jährige Nachkriegsordnung stören würde. Wir sehen solche Prognosen sind auch für Profis schwierig, wie soll dann erst ein Laie eine gute Prognose abgeben? Man sieht hier, dass die meisten Modelle, die wir von komplexen Weltgeschehen haben, extrem vereinfacht und unterspezifiziert sind. Das hält Menschen trotzdem nicht davon ab, starke Meinungen dazu zu haben, ob „das mit dem Virus bald vorbei ist“, oder „Putin nur blufft“. Woher will man das so genau wissen, wenn schon die Experten keine zuverlässigen Prognosen geben können? Wir Menschen tun uns sehr schwer damit, komplexe Systeme und Prozesse zu verstehen und vorherzusagen. Im Fall sogenannter „chaotischer“ Prozesse weisen Mathematiker schon lange darauf hin, dass eine Vorhersage prinzipiell unmöglich ist. Aber auch in einfacheren Systemen, die nicht chaotisch sind, sind Verständnis und Vorhersagen sehr schwierig. Darauf hat unter anderem der deutsche Psychologe Dietrich Dörner in seinem Buch „Die Logik des Misslingens“ eindrucksvoll hingewiesen. Bereits in den 1970er und 1980er Jahren gab es ein breites Verständnis für die Grenzen unseres Denkens, wenn wir es mit realen komplexen Systemen zu tun haben. Vor allem der deutsche Kybernetiker Frederic Vester wies in seinen Vorträgen und Büchern auf die Notwendigkeit von „vernetztem Denken“ hin. Aber was bedeutet das genau? Das Gegenteil dazu ist „lineares Denken“. Damit meint man, dass man, wenn man eine Handlung plant das Denken meistens auf einen einzelnen Ursache-Wirkungszusammenhang fokussiert. Andere Nebeneffekte der Situation werden dabei ignoriert. Ein klassisches Beispiel findet sich in der Entwicklungshilfe. Wenn in einer Wüstenregion Wassermangel herrscht, ist der erste Impuls dem zu begegnen, indem man vor Ort Brunnen bohrt, womit die lokale Versorgung zunächst verbessert wird. Wenn dies jedoch im Umfeld bekannt wird, kann es zu Wanderbewegungen führen, so dass noch mehr Menschen zu versorgen sind. Es kann also die Versorgung hinterher, trotz der neuen Brunnen, schlechter sein als vorher. Das Problem hier ist das Denken in einfachen, linearen Ursache-Wirkungszusammenhängen. Dabei werden Nebenwirkungen und Fernwirkungen ignoriert. Daraus sollte natürlich nicht folgen, dass wir keine Entwicklungshilfe betreiben, sondern dass wir die komplexeren Auswirkungen unserer Handlungen mit berücksichtigen sollten. Doch gerade das ist sehr schwierig, wenn Vorhersagen in komplexen Systemen bisweilen nur begrenzt möglich sind. Besonders problematisch ist, dass wir oft blind sein können für wichtige Faktoren, die ein Geschehen beeinflussen. Der amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld kommentierte in einer etwas kryptischen Aussage die unerwarteten Schwierigkeiten seiner Kriegsführung: „[…]wir wissen alle, es gibt die known knowns, also Dinge, wo wir wissen, dass wir sie wissen. Es gibt auch die known unknowns, das heißt also Dinge von denen wir wissen, dass wir sie nicht wissen. Aber es gibt auch unknown unknowns – das sind die, wo wir nicht wissen, dass wir sie nicht wissen. Und wenn man sich die Geschichte unseres Landes und anderer freier Staaten anschaut, ist es diese letzte Kategorie, die am schwierigsten ist.“ Was Rumsfeld mit den kryptisch klingenden unknown unknowns meint sind Fakten, die für unsere Handlungen relevant wären, die wir aber nicht wissen und die wir auch gar nicht im Blick hatten. Rumsfelds Aussagen wurden im Zusammenhang mit der US-amerikanischen Kriegsführung nach den Angriffen auf das World Trade Center getätigt. Damals gab es eine amerikanische Doktrin, eine Variante der Dominosteintheorie. Demnach war die Einschätzung, dass wenn es einem gelänge im mittleren Osten einem einzelnen Staat die Demokratie zu bringen, die anderen Staaten alle folgen würden. Das waren die erwarteten Wirkungen der Kriege. Allerdings stellte sich heraus, dass man viele Aspekte falsch eingeschätzt hatte. Besonders im Irak kämpften zahlreiche Splittergruppen um die Macht, und die Zeit nach dem Irakkrieg war von schweren Unruhen und Plünderungen geprägt. Und auch in Afghanistan sind die Demokratisierungsversuche erfolglos geblieben. Kein Wunder also, dass Donald Rumsfeld auf die unknown unknowns hinwies. Es gibt aber einen Haken. Die obige Rede erfolgte am 12. Februar 2002, das war also nach dem Afghanistankrieg, aber bereits vor dem Irakkrieg, der erst 2003 begann. Rumsfelds Wissen um die unknown unknowns, hat ihn also nicht davon abgehalten, bei einem weiteren Krieg in viele unerwartete und komplexe Nebenwirkungen zu geraten. Wir sehen, dass die Wissens-Handlungslücke sehr groß sein kann. Die oben beschriebenen unknown unknowns beziehen sich vor allem auf die Auswirkungen unserer Handlungen, wenn sich also Konsequenzen einstellen, die wir gar nicht erwartet haben. Es gibt aber auch in der anderen Richtung eine Blindheit, die auf zu einfaches, lineares Denken zurückgeht, wenn wir versuchen retrospektiv die Ursachen für bestimmte Ereignisse zu analysieren. Wenn wir zum obigen Beispiel der COVID-19 Pandemie zurückkehren, kann man im Nachhinein viele frühe Hinweise finden, die eine globale Ausweitung für wahrscheinlich machen. Schließlich verbreitet sich der Virus mit der Atemluft und ist hochgradig ansteckend. Warum hat man dann nicht früher reagiert? Hier zeigt sich eine wichtige kognitive Verzerrung, der sogenannte „hindsight bias“, auch Rückschaufehler genannt. Dabei wird im Rückblick nach einem Ereignis die Vorhersagbarkeit dieses Ereignisses überschätzt. Dabei kann uns im Nachhinein auch das Gedächtnis einen Streich spielen, indem es uns glauben lässt, wir hätten den Ausgang bereits vorher klar prognostiziert. Ein klassischer Anwendungsfall, wo der hindsight bias untersucht wird, sind Wahlen. So kann man Studienteilnehmer vor einer Wahl bitten, vorherzusagen, welchen Stimmenanteil eine bestimmte Partei bekommen wird. Eine Weile nach der Wahl fragt man die Probanden, sich an ihre damalige Prognose zu erinnern. Es stellt sich heraus, dass die erinnerte Vorhersage in der Regel in Richtung des tatsächlichen Outcomes verzerrt ist. Hatte jemand vor der Wahl 20% vorhergesagt, es waren dann aber 40%, gibt er an 30% vorhergesagt zu haben. Diese Differenz von 10% ist der Rückschaufehler. Einen ähnlichen Effekt kann man auch bei der COVID-19 Pandemie finden. Wenn wir also heute, im Nachhinein auf die Frühphase der Pandemie schauen, tun wir dies vor dem Hintergrund unseres heutigen Wissens über den Virus. Anfang 2020 hingegen, also zu Beginn der Pandemie, war hingegen noch nicht sehr viel bekannt und man hatte keine Erfahrung mit dem Ausbreitungsrisiko. Wir ignorieren in solchen Fällen auch oft, dass es viele vergleichbare Situationen und Hinweise gegeben hat, ohne, dass sie uns direkt betroffen haben. Wir haben oben bereits über Ebola, SARS und MERS gesprochen, die sich in Europa dann nicht ausgebreitet haben. Wir sehen hier wieder, wie schwierig es ist, bereits vor den Ereignissen, klare Prognosen abzugeben. Es kommt bei unserer Ursachensuche noch ein weiterer Effekt hinzu, und der hat wieder mit linearem Denken zu tun. Wir machen in der Regel auch bei komplexen Konstellationen für die Wirkungen einzelne Ursachen verantwortlich. In realen komplexen Systemen sind es jedoch meistens Bedingungsgefüge, die einen Effekt herbeiführen. Nehmen wir das Beispiel eines Waldbrandes. Ein Mann hat aus einem fahrenden Auto eine brennende Zigarette in einen Wald geworfen, wodurch ein Waldbrand entfacht wurde. Wir denken dann vermutlich, die klare Ursache für den Brand sei die verantwortungslose Handlung des Autofahrers. Allerdings ignorieren wir damit den Rest des Bedingungsgefüges. Denn eine brennende Zigarette wird nur einen trockenen, aber keinen feuchten, Waldboden entfachen. Die Handlung löste also nur im Zusammenhang mit einer Trockenperiode einen Brand aus. Es gibt jetzt also schon zwei Ursachen, die Zigarette und den trockenen Wald, und beide für sich allein genommen führen nicht zum Brand. In der Kausaltheorie gibt es eine Denkschablone mit Hilfe derer man solche komplexen Bedingungsgefüge untersuchen kann, die sogenannte „INUS-Bedingung“ des australischen Philosophen John Mackie. Auf den ersten Blick erscheint diese INUS-Analyse etwas kompliziert, aber man kann es schnell erfassen. Nehmen wir zunächst den „IN“ Teil der Analyse, es steht für insufficient but necessary, nicht hinreichend, aber notwendig auf Deutsch. Das klingt kompliziert, aber wenn wir es auf den Waldbrand übertragen wird es deutlich. Der trockene Waldboden und die brennende Zigarette ergeben nur zusammen die Wirkung des Waldbrandes, sie sind also einzeln beide nicht hinreichend, um den Brand auszulösen. Sie sind aber in diesem speziellen Wirkungsgefüge notwendig, weder ohne Zigarette noch ohne Trockenheit wäre der Brand entstanden. „IN“ sagt uns quasi: Beide Aspekte sind notwendig, damit eine Wirkung zustande kommt. Wenden wir uns dem zweiten Teil der INUS-Analyse, dem „US“ zu. Das steht für unnecessary but sufficient, also nicht notwendig aber hinreichend. Was Mackie damit berücksichtigen will, ist dass der Waldbrand ja auch anders als durch die Zigarette und den trockenen Waldboden hätte zustande kommen können. Es hätte ja auch ein Brandstifter mit Kerosin den Wald anstecken können, auch wenn der Boden weniger trocken gewesen wäre. Wir haben also bereits zwei Bedingungsgefüge, entweder Zigarette plus Trockenheit oder Brandstifter plus Kerosin. Jede einzelne dieser Bedingungen ist hinreichend, um den Brand auszulösen. Aber keine einzelne ist notwendig, denn es könnte ja entweder auf die eine oder die andere Weise zustande kommen. Kurz gesagt lehrt uns die INUS-Analyse, dass Wirkungen auf völlig verschiedene Weise zustande kommen können, aber dass in jedem Fall mehrere spezifische Bedingungen erfüllt sein müssen. Die INUS-Analyse zwingt uns zum systemischen Denken, indem sie uns klar macht, dass an einer Wirkung immer mehrere Faktoren beteiligt sind. Sie gibt einen Rahmen für ein Verständnis von „Multikausalität“. 4. Wahrscheinlichkeiten Ein verwandter Aspekt, der uns den Umgang mit Krisen erschwert, ist dass es Menschen sehr schwer fällt in Wahrscheinlichkeiten zu denken. Wir haben bereits gesehen, dass Vorhersagen in komplexen Systemen oft schwierig oder unmöglich sind. Oft ist das Beste, was wir bekommen können, eine Wahrscheinlichkeitsaussage. Prinzipiell sind solche Wahrscheinlichkeiten allerdings immer mit Vorsicht zu genießen. Denn eine Wahrscheinlichkeit ist eine mathematisch-statistische Größe, die wir nur erhalten können, wenn wir entweder ein gutes probabilistisches Modell eines Systems haben (wie etwa in der physikalischen Chemie) oder wenn wir über viele vergleichbare Fälle eine Statistik geführt haben. Im Konzept der Wahrscheinlichkeit ist enthalten, dass wir etwas in der Regel nicht mit absoluter Sicherheit sagen können. Die Gründe für diese Unsicherheiten sind vielfältig. So kann etwa ein Physiker nicht genau vorhersagen, wann ein einzelnes Uran-238 Atom zerfallen wird, er kann nur eine Wahrscheinlichkeit in Form einer Halbwertszeit angeben. Diese Art von Unsicherheit ist möglicherweise in der Natur fest verankert, denn man kann auch mit noch so viel Kenntnis über ein einzelnes Atom die letzte Unsicherheit nicht beseitigen. Mit solchen Unsicherheiten haben wir es jedoch in unserem Alltag eher selten zu tun. Viel häufiger spiegelt eine Wahrscheinlichkeit wieder, dass wir über ein System nicht genug wissen. Wir können sagen, dass ein 55 bis 59-jähriger Mann eine ca. 0.1% Wahrscheinlichkeit hat an Darmkrebs zu erkranken. Allerdings wenn jemand zu einer Vorsorgeuntersuchung geht, und diese negativ ist, reduziert sich dieses Risiko erheblich. Denn durch die Untersuchung erfahren wir etwas über den Körper des Mannes und dadurch können wir die Wahrscheinlichkeiten ganz anders einschätzen. Wir sehen, Wahrscheinlichkeiten haben auch etwas mit unserem Unwissen zu tun. Menschen tun sich im Umgang mit solchen Wahrscheinlichkeiten sehr schwer. Dies belegten Daniel Kahneman und Amos Tversky bereits in den 1970er Jahren durch zahlreiche Studien. So halten wir Ereignisse für viel wahrscheinlicher, wenn wir sie uns gut vorstellen können (die sogenannte „Verfügbarkeitsheuristik“). Wenn also jemand in den Medien viele Filmsequenzen von COVID-19 Intensivstationen gesehen hat, sollte er danach eine Erkrankung für wahrscheinlicher halten, als hätte er die Aufnahmen nicht gesehen. Es gibt zahlreiche Denkfehler im Umgang mit Wahrscheinlichkeiten. Nehmen wir ein Beispiel, dass sich eines Klischees bedient. Häufig stellt man sich Heavy-Metal Fans als langhaarig vor, auch wenn es natürlich viele Ausnahmen gibt. Ist es jetzt wahrscheinlicher, dass ein Mensch Heavy-Metal Fan ist, egal welcher Haarlänge, oder dass er ein Heavy-Metal Fan mit langen Haaren ist? Der erste Impuls ist hier oft zu sagen, dass der Prototyp, den man sich vorstellt, wahrscheinlicher ist, das ist jedoch falsch. Es gibt ja auch Heavy-Metal Fans mit kurzen Haaren, und deshalb ist die Wahrscheinlichkeit eines langhaarigen Fans kleiner, als die eines Fans egal welcher Haarlänge. Diese und ähnliche statistische Denkfehler sind ausführlich auch in der populärwissenschaftlichen Literatur beschrieben worden. Im Zusammenhang mit Wahrscheinlichkeiten stellt sich jedoch nicht nur die Frage: Wie wahrscheinlich ist etwas? Sondern auch: Was sollen wir tun? Nehmen wir an, jemand habe die Entwicklung der Pandemie mathematisch modelliert, und gefunden, dass es zu 80% wahrscheinlich ist, dass die Infektionszahlen immer weiter zurückgehen werden und dass der Virus immer weniger gefährlich wird. Was ist aber mit der umgekehrten Wahrscheinlichkeit von 20%, dass die Infektionszahlen steigen oder dass der Virus gefährlicher wird (oder beides)? Wir neigen in solchen Situationen dazu, uns allein auf das wahrscheinlichste Szenario zu fokussieren, obwohl wir wissen sollten, dass wir auch einen „Plan B“ brauchen, falls dann doch der unwahrscheinlichere Verlauf eintritt. Beim Katastrophenschutz haben wir uns ja längst daran gewöhnt, dass wir auch für unwahrscheinliche Fälle Vorkehrungen treffen müssen. An der Hochwasserkatastrophe 2021 an der Ahr kann man viele dieser Faktoren am Werk sehen. Es gab zwar in den Tagen vor der Flut deutliche Prognosen, allerdings waren diese wie immer Wahrscheinlichkeitsaussagen, die mit großen Unsicherheiten behaftet waren. Hinterher wird natürlich klar, dass ein Aufruf zur Evakuierung der Ortschaften viele Todesfälle hätte verhindern können. Allerdings ist es im Nachhinein immer leicht zu behaupten, man habe den Ausgang im Vorfeld bereits wissen können, da greift der oben beschriebene Rückschaufehler zu. Wenn so viel Unsicherheit besteht, könnte die sehr drastische Maßnahme einer Räumung der Ortschaft sich im Nachhinein als falscher Alarm herausstellen. In vielen Fällen gab es ähnliche Vorhersagen im Vorfeld und es kam nicht zur Katastrophe. Es bedarf also immer einer Risikoabwägung. Der Wetterexperte Bernhard Mühr erklärte Anfang 2022 gegenüber der Welt: „Wir haben eine Warnflut, in der die eigentlichen extremen Warnungen leider untergehen können“. Niemand im Krisenstab scheint die Dringlichkeit erkannt zu haben, weder der Landrat, der mit seinem Hund noch Gassi ging. Ein Mitglied des Krisenstabes meinte das Ausmaß der Schäden erst erkannt zu haben, als er nach Hause ging. Die dringlichen Informationen aus dem Gebiet liefen bei den Betreffenden nicht zusammen. Mit mehr Vorbereitung und Vorplanung, hätte das sicherlich verbessert werden können. Dabei spielt aber auch die Schwierigkeit der Prognose eine Rolle, denn vorherzusagen ob bei dieser Wetterlage eine ganz bestimmte Brücke durch fortgespülten Schutt blockiert wird, ist sehr schwierig. Genau deshalb muss man also auch dann für eine Katastrophe gewappnet sein, wenn man sich nicht 100% sicher ist, dass sie eintreten wird. Die hier genannten kognitiven Faktoren betreffen aber nicht nur unseren Umgang mit Katastrophen. Wir können viele dieser Phänomene auch in unserem Arbeitsalltag beobachten. Wir sehen die Alarmblindheit, wenn die IT-Abteilung den Mitarbeitern immer wieder Hinweise auf mögliche Hackerangriffe verschickt, ohne dass diese bisher in ernster Form eingetreten sind. Die Folge: Man überliest die ständigen Emails, nimmt die Sicherheitsvorschriften nicht mehr so ernst, und setzt sich somit erst recht der Gefahr aus. Wir sehen lineares Denken, wenn wir eine jüngst eingestellte Führungskraft für die unbefriedigende Performance ihrer Abteilung verantwortlich machen, wobei jedoch in Wahrheit das von einer anderen Abteilung entwickelte Produkt am Markt nicht attraktiv ist und jede andere Führungskraft noch schlechte performt hätte. Wir sehen den nachlässigen Umgang mit dem nützlichen Routinewissen der Mitarbeiter, wenn die IT eine neue Softwareversion einführt, durch die alle Gewohnheiten erstmal neu gelernt werden müssen, und die Fehlerrate in der Lernphase sprunghaft ansteigt. Man sieht die Verfügbarkeitsheuristik, wenn man es sich selbst so gut in seiner Vorstellung ausmalen kann, dass die Kunden demnächst alle Roboter zuhause haben wollen oder ihren Kühlschrank ins Internet anschließen möchten. Wir sehen die Normalitätstendenz, wenn trotz deutlicher Signale, dass die Kunden Flachbildschirme wollen, man weiter vermeintlich hochwertige, aber eigentlich veraltete Röhrenbildschirme im Angebot hat. Und auch bei der deutschen Automobilindustrie hat man aus der Ferne den Eindruck, dass sie angesichts der Entwicklung am Automarkt in Richtung Elektromobilität und autonomes Fahren „einfriere“ und business as usual mache. Daraus leitet man eine gefühlte Wahrscheinlichkeit ab, dass es mit der deutschen Autoindustrie sicherlich bergab gehe. Aber vielleicht greift hier auch das Problem des mangelnden Wissens über diesen komplexen Industriezweig, denn deutsche Autobauer sind bei einigen dieser Zukunftstechniken weltweit führend. Ob so oder so, es lohnt sich auf jeden Fall auf die nächste Krise gut vorbereitet zu sein.
- Neurosystemische Ansätze in Beratung und Coaching
Handelt Neurobiologie von „Tatsachen“? Oder handelt sie nicht eher von Interpretationen von Tatsachen, die wiederum von theoretischen Konstrukten abhängen, d.h. von metaphysischen Vorentscheidungen, Vorannahmen, die z.T. gerade auch von Psychotherapeuten stammen, wenn es um den Bereich des Seelischen geht? Dies führt zu der hier notwendig werdenden Frage: Welche Art von Neurobiologie ist überhaupt geeignet, als Herausforderung für Psychotherapie zu fungieren? Inhaltsverzeichnis 1. System-Neurobiologie und das Bio-Psycho-Soziale Modell 2. Systemtheoretische Grundlagen sowie trainings- bzw. beratungsrelevante Theorien sozialer Systeme 3. Neurosystemische Modelle in der Praxis: Das Neurosystemische Panorama Literatur- & Quellenverzeichnis Neurosystemische Ansätze in Beratung und Coaching Aber: handelt Neurobiologie denn überhaupt von „Tatsachen“? Oder handelt sie nicht eher von Interpretationen von Tatsachen, die wiederum von theoretischen Konstrukten abhängen, d.h. von metaphysischen Vorentscheidungen, Vorannahmen, die z.T. gerade auch von Psychotherapeuten stammen, wenn es um den Bereich des Seelischen geht? Dies führt zu der hier notwendig werdenden Frage: Welche Art von Neurobiologie ist überhaupt geeignet, als Herausforderung für Psychotherapie zu fungieren? [...] es handelt sich bei der Art von Neurobiologie, die hier als Partner auftreten kann - dies sei hier im Vorgriff gesagt - um nicht-reduktionistische System-Neurobiologie; d.h. eine rein molekulare Neurobiologie scheidet als Dialogpartner von vorne herein aus, da es wohl nicht möglich ist, mit der Betrachtung von GABA- und Acetylcholin-Molekülen allein die „Geheimnisse der Seele“ zu ergründen. Prof. Dr. med. Dr. phil. Hinderk M. Emrich: Neurowissenschaften als Herausforderung für die Psychotherapie. Vortrag am 23. April 2001, im Rahmen der 51. Lindauer Psychotherapiewochen 2001 1. System-Neurobiologie und das Bio-Psycho-Soziale Modell Mit dem Postulat einer nicht-reduktionistischen System-Neurobiologie und der gleichzeitigen Zurückweisung einer rein biologischen oder biologistischen Neurobiologie als möglichen Partner der Psychotherapien, formuliert Emrich programmatisch, was auch für die Übertragung neurowissenschaftliche Erkenntnisse ins Coaching, in die Beratung und ins Training Gültigkeit haben muss. Dies hat mehrere Gründe: Erstens streben wir fundierten Praxistransfer an, was auch eine hinlängliche wissenschaftstheoretische Redlichkeit beinhaltet. So müssen wir anerkennen, dass seit jeher psychologische Konstrukte mit neurobiologischen Konstrukten sich mischen, wenn wir von so etwas wie dem "Motivationssystem" sprechen. Schließlich ist Motivation keine biologische, sondern eine psychologische Kategorie, während die Ebene des neuronalen Korrelats der Domäne der Biologie zugehört. In ganz ähnlicher Weise überschreiten wir die Grenze vom biologischen ins soziale System, wenn wir etwa von einem „Bindungshormon Oxytocin“ sprechen und seine zentralnervösen Wirkungen auf Situationen in der Familie, im Arbeitsleben oder in anderen gesellschaftlichen Bezügen übertragen. Da wir bei diesem Unterfangen ständig im Grenzbereich zum Kategorienfehler operieren, decouvriert sich erkenntnistheoretische Naivität allzu leicht selbst, wenn diese Grenzüberschreitungen beim Praxistransfer nicht mitreflektiert und als epistemologisches Caveat an der sprachlichen Oberfläche markiert werden. Beispiele gibt es zuhauf. In der Summe tragen Sie dazu bei, dass Transferansätze wie Neurodidaktik oder Neuroleadership oft als "alter Wein in neuen Schläuchen "wahrgenommen werden. So erzeugt die Ersetzung von "Motivation" durch "Dopaminproduktion" keinen Mehrwert, der zu neuen Erkenntnissen oder gar neuen Handlungsoptionen führt. Ebenso unzulässig ist die Generalisierung von einzelnen Studienergebnissen – wie etwa den Befund, dass das subkortikale, mesolimbische Motivationssystem insbesondere auf Erwartungswert-Abweichungen, also auf positive oder negative Überraschungen reagiert, auf komplexe soziale Zusammenhänge wie das Entlohnungs- und Anreizsystem eines Unternehmens (Hütter & Marsch, 2014). Hier ist die reale menschliche Motivation multikausal überdeterminiert, so dass nicht nur völlig gegenteilige Aspekte wie das Bedürfnis nach Transparenz, Fairness, Vorhersagbarkeit mit einer Rolle spielen, sondern, dass jeweils auf Sicht entschieden werden muss: Man stellt Hypothesen auf, handelt vorläufig, beobachtet sorgsam, wie das soziale System eines Teams, einer Abteilung, oder des Gesamtunternehmens reagiert und passt dann nach guter systemischer, man könnte auch sagen: „agiler“ Manier das Anreizsystem wieder an. Wer dagegen aus wissenschaftlichen Befunden, die ja immer, da sie kontrolliert sein müssen, bestimmte Einzelaspekte herausgreifen und unter künstlichen Laborbedingungen gewonnen werden, direkte Handlungsempfehlungen für die Praxis ableitet, handelt meist nicht nur naiv, sondern produziert im besten Fall unhaltbare, im schlimmsten Fall schädliche Pseudoevidenzen (Hütter & van Kempen 2014, Hütter 2015). Nicht ohne Grund stoßen alle, die sich darum bemühen, agile Vorgehensmodelle in Unternehmen zum Leben zu erwecken, auf ähnliche Probleme. Ganz prominent rangieren dabei da Hang zu einer unzulässigen Komplexitätsreduktion, zum Schwarz-Weiß-Denken in Kategorien von “richtig und falsch”, “gut und schlecht” und zu monokausalen Wenn-Dann-Konstrukten an den vordersten Stellen. Hier kann eine systemtheoretisch fundierte Herangehensweise an den Praxistransfer aus den Neurowissenschaften nicht nur das eigene Renommee als Profi schützen, sondern auch die Verträglichkeit und Nützlichkeit unserer Arbeit in Training, Beratung und Coaching deutlich erhöhen. Zweitens, und das ist noch wichtiger als der eigene Ruf: neurowissenschaftliche Erkenntnisse werden erst dann so richtig nützlich, wenn wir uns daran gewöhnen, grundsätzlich an alle drei Systemebenen zu denken: die biologische, die psychische und die soziale Ebene. Eine Monokultur der Biologie führt leicht in plumpen Biologismus und redet dem "Mythos Determinismus" (Falkenburg 2012) nicht selten das Wort. Eine Monokultur des psychischen fördert den bei Mitarbeitenden und Führungskräften oft gleichermaßen unbeliebten "Psychokram", der durch mangelnde Anknüpfung an die hard facts der biologischen und sozialen (z.B. der rechtlichen, ökonomischen und gesellschaftlichen) Ebene gefühlig bis esoterisch wirken kann. Schließlich führt eine Monokultur des Systemischen leicht in eine Überbewertung organisationaler Veränderungen. So herrscht in Teilen der Beraterszene die Illusion, es müsse z.B. nur die veraltete Kulturtechnik des Managements durch neue, holokratische Strukturen ersetzt werden, um Unternehmungen zukunftsfähig zu machen. Diese Perspektive blendet die Gewordenheit psychischer Dispositionen – z.B. eine hohe Risikoaversion und eine geringe Unsicherheitstoleranz vieler Mitarbeiter:innen – weitgehend aus. Einige Protagonisten der Szene gehen sogar so weit, Konzepte wie "Personalentwicklung" oder “Mindset” als anmaßend und unanständig zu betrachten, da sie suggerieren, dass Menschen verändert müssten bzw. dass es an ihren Einstellungen liege, wenn Veränderung im Unternehmen nicht gelingt. Ein Mindestmaß an Realitätskontakt lässt es indes hinlänglich plausibel erscheinen, dass Veränderung – von der individuellen Weiterentwicklung bis hin zur digitalen Transformation von Unternehmen – am besten dann gelingt, wenn neben der Ebene der organisationalen Struktur auch die psychologische und die biologische Ebene gleichermaßen Berücksichtigung finden. Die folgenden Kapitel dieses Skripts wollen eine solche integrative Sichtweise vermitteln, die alle drei Systemebenen berücksichtigt: das biologische System, das psychische System und die sozialen Systeme. Eine wesentliche theoretische Grundlage bildet dabei das biopsychosoziale Modell Des amerikanischen Internisten, Psychiaters und Psychoanalytikers G.L. Engel. Das biopsychosoziale Modell Engel entwickelte sein biopsychosoziales Modell in der zweiten Hälfte des 20 Jahrhunderts als eine Alternative zu den klassischen medizinischen Krankheitsmodellen. Die damalige Zeit war geprägt von einer sich verschärfenden Kontroverse zwischen einem psychologisch, insbesondere behavioristisch ausgerichteten Lager, welches psychische Erkrankungen als Resultate von Lernprozessen betrachtete und einer biomedizinischen Strömung, die genetische und biochemische Faktoren in der Ätiopathogenese und Behandlung von Störungen in den Vordergrund stellte. Engel wurde bewusst, dass beide Schulen die möglichen Behandlungspotenziale durch einseitig verkürzte Blickwinkel nicht zur Gänze auszuschöpfen in der Lage waren. Das von ihm postulierte biopsychosoziale Modell betonte demgegenüber insbesondere die Interdependenz und das Fließgleichgewicht der Wechselwirkungen zwischen den drei Ebenen, welche ständig die jeweils andere Ebene positiv oder negativ beeinflussen können. In diesem Sinne ist das biopsychosoziale Modell an unser heutiges Systemverständnis gut anschlussfähig. Wir haben drei voneinander abgegrenzte Systeme, die jeweils ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten aufweisen, die sich aber gegenseitig beeinflussen. Diese Überlegungen lassen sich nahtlos aus dem medizinischen Bereich ins Coaching, in die Beratung und in die Organisationsentwicklung übertragen. Wie stark die drei Systeme aufeinander einwirken, sollen einige Befunde aus der Forschung verdeutlichen (einen guten Überblick geben Egle et al. (2020). Die Schnittstelle zwischen Biologie und Psychologie ist inzwischen gerade im Bereich der Psychoneuroimmunologie sehr gut erforscht. Insbesondere entzündliche Prozesse führen, z.B. über das sogenannte Zytokin-induzierte Sickness Behavior mit Unwohlsein Fatigue, amotivationalen Zuständen etc. zu depressiven Zuständen. Für einen Teil der manifesten Depressionen geht man heute von einer Verursachung durch unterschwellige inflammatorische Prozesse im Gehirn aus. Die Schnittstelle zwischen Psychologie und Biologie beschreibt zahlreiche gut dokumentierte Auswirkungen psychologischer Faktoren auf die körperliche Gesundheit. Prominent wird dabei das Stresslevel von Menschen, insbesondere über längere Zeiträume untersucht. Insbesondere der „allostatic load“, also die kumulative Last der Lebenszeiten, in denen ein Organismus aus der Homöostase zwischen Anspannung und Entspannung ausgelenkt war, ist zu einem wichtigen prädiktiven Faktor nicht nur der seelischen, sondern auch der körperlichen Gesundheit avanciert. So prädiziert in einer Metaanalyse von sechs prospektiven Längsschnittstudien (mittlere Verlaufsbeobachtung ca. 14 Jahre, annähernd 120.000 Proband:innen) ein um 27% erhöhtes relatives Risiko für das erstmalige Auftreten einer koronaren Herzkrankheit bei hohem im Vergleich zu niedrigem subjektiven Stresserleben (Richardson et al. 2012). Bei Personen mit vorbestehenden arteriosklerotischen Veränderungen erhöht starker Ärger das Risiko eines Myokardinfaktes in der folgenden Stunde um das Fünffache (Mostofsky et al. 2014). Langfristiger wirkt sich die allostatische Last beispielsweise über die Verkürzung der leukozytären Telomerlänge auf das biologische Alter aus (Mathur et al. 2016). Die Schnittstelle zwischen Biologie und der sozialen Sphäre betrifft beispielsweise die Auswirkungen von Erkrankungen auf das soziales Funktionsniveau in der Familie und im beruflichen Leben. So führen körperliche und seelische Erkrankungen oft in die Arbeitslosigkeit, Schmerzerkrankungen führen bisweilen durch die Immobilisierung zur Reduktion sozialer Kontakte und Krebserkrankungen führen bei 26 und 53% Betroffenen zu einem mindestens vorübergehenden Verlust der Arbeitsstelle (Mehnert 2011). Die Schnittstelle zwischen der sozialen Sphäre und der Biologie nimmt die Rückwirkungen der sozioökonomischen Lebensbedingungen von Menschen auf Körper und Gesundheit in den Blick. So ist beispielsweise Arbeitslosigkeit mit einem 63% erhöhten relativen Sterblichkeitsrisiko verbunden (Roelfs et al. 2011). Tragfähige Bindungsbeziehungen und gute soziale Unterstützung wirken bei diversen Erkrankungen protektiv (Garcy & Vagerö 2012) und im Krankheitsfall um bis zu 50% lebensverlängernd (Holt-Lunstad et al. 2010), während schlechte soziale Bindung die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Herzinfarktes und das Versterben an einer kardiovaskulären Ursache erhöht (Barth et al. 2010). Die Schnittstelle zwischen Psychologie und dem sozialen Umfeld verweist unter anderem auf die gravierenden Auswirkungen des psychischen Wohlergehens bzw. psychischer Störungen auf das soziale Funktionsniveau und die Möglichkeit zur Teilhabe an sozioökonomischen Prozessen. So führen psychische Erkrankungen häufig zur Isolation, Abbrüchen in der Schullaufbahn und Einbrüchen in der beruflichen Leistungsfähigkeit. Die Schnittstelle zwischen sozialem Umfeld und psychischem Wohlergehen ist für uns als Trainer:innen, Berater:innen und Coaches besonders oft relevant. Gerade in Krisenzeiten und angesichts einer drohenden Rezession nehmen die Existenzängste zu. Besonders ein subjektiv empfundener niedriger sozioökonomischer Status geht mit chronischem Stresserleben einher (Baum et al 1999). Dieses erhöht die Vulnerabilität für eine Reihe von psychischen und somatischen Erkrankungen. Stress im Arbeitsumfeld erhöht, wie eine Metaanalyse zeigte (Madsen et al. 2017), in den veröffentlichten Studien das relative Risiko für eine Erstmanifestation einer klinischen Depression um 77%. Angesichts der jüngsten Kriegsereignisse in Europa seit zudem darauf verwiesen, dass Fluchtschicksale das Risiko für psychische Störungen bis hin zum Suizid deutlich steigern können (Patel et al 2017). Angesichts der hochgradigen Verwobenheit dieser drei Ebenen, in einem ständig in Bewegung befindlichen Mobile gegenseitiger Beeinflussungen erscheint es geradezu naiv, wie isoliert, man möchte sagen wie “un-systemisch”, wohlgemeinte Maßnahmen zur Steigerung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit in Unternehmen oft konzipiert sind. So steht etwa die Rückenschule (biologisches System, das in Unternehmen in den Zuständigkeitsbereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements fällt) beziehungslos neben dem Seminar zur Stressbewältigung, zur Persönlichkeitsentwicklung oder zur Verbesserung der Kommunikation, und diese alle wiederum bleiben ohne jegliche Querverbindungen zur Prozessorganisation im Unternehmen, etwa zur SCRUM-Einführung im Projektbereich. So als würde beispielsweise das völlig veränderte Anforderungsprofil und die Notwendigkeit zur Übernahme von mehr Verantwortung in agilen Frameworks nicht zurückwirken auf die psychische Befindlichkeit und das körperliche Belastungsniveau – so als würde der Bewegungsmangel im Homeoffice, zumindest das Wegfallen einer täglichen Ortsveränderung nicht über den Hippocampus auf kognitive und psychische Funktionen zurückwirken und die gerade im agilen Umfeld erforderliche Flexibilität im Denken und Handeln beeinflussen. All diese hier nur angedeuteten Zusammenhänge sind freilich nicht als monokausale Notwendigkeiten, sondern immer nur als Möglichkeiten in einem filigranen systemischen Bedingungsgefüge zu verstehen. Wir müssen jedoch auf dieser Grundlage Hypothesen bilden und diese beobachtend und explorativ auf dem Schirm haben, um wirklich wirksam Lern- und Veränderungsprozesse in Unternehmen begleiten zu können. Dazu braucht es eine gewisse intellektuelle Tiefe und auch einen einigermaßen umfassend ausgebildeten systemtheoretischen Horizont. Dieser soll im folgenden Kapitel skizziert werden, um darauf aufbauend im letzten großen Abschnitt des Skripts ein neurosystemisches Model vorzustellen, das im Coaching, im Training und im Changemanagement zum Einsatz kommt. 2. Systemtheoretische Grundlagen sowie trainings- bzw. beratungsrelevante Theorien sozialer Systeme Achtung! Dieses Kapitel enthält immer wieder Bezüge zu den Neurowissenschaften, aber auch Grundlagen der Systemtheorie, die für alle möglichen Arten von Systemen - einschließlich der sozialen Systeme wie Familie, Team, Unternehmen, Gesellschaft gelten. Mit der Systemtheorie auf “Du und Du” zu stehen, hat sich nicht nur für die Beratungspraxis als wichtig erwiesen - es steigert vor allem auch Nutzen und Niveau bei der Anwendung neurowissenschaftlicher Befunde ganz erheblich! Unter dem Titel "Weiterbildungsszene Deutschland" veröffentlicht der managerSeminare Verlag fast jährlich Honorarentwicklungen, Stimmungsbilder und auch Methodenstudien zu den in unserer Branche häufig zur Anwendung kommenden praktischen Tools, aber auch den zugrundeliegenden Theorien. Dabei zeigt sich schon im Jahr 2014 (Quelle) ein Kopf-an-Kopf-Rennen neurowissenschaftlicher Erkenntnisse mit den in Train the Trainer und Train the Coach Ausbildungen weitaus länger etablierten konstruktivistisch- systemtheoretischen Inhalten und Methoden. Dennoch hat das Gros der Kolleg:innen nur einen schemenhaften Überblick über systemtheoretische Fundamente. Dies ist gerade für Anwenderinnen und Anwender der Neurowissenschaften in unserer Branche besonders bedauerlich. Denn seit den Macy Konferenzen (1946-1953), denen wir, salopp gesprochen, von der Digitalisierung bis hin zu heutigen Biotech-Anwendungen die Hälfte der heutigen Welt verdanken, sind die Neurowissenschaften, die Kybernetik und die verschiedenen Systemtheorien auf’s Engste miteinander verwoben. Diese Verbindung wurde umso stärker, als die Neurobiologen Francisco Varela & Umberto Maturana 1980 mit ihrem Buch "Der Baum der Erkenntnis" den neurobiologischen Konstruktivismus und ihr Konzept der autopoietischen Systeme zum prägenden Einflussfaktor der Systemtheorie machten. Da in der systemtheoretischen Szene Deutschlands eine gewisse Luhmann-Monokultur vorherrscht, die in deutlichem Gegensatz zur Luhmann-Rezeption in anderen Teilen der Welt und auch in den aktuellen Gesellschaftswissenschaften steht, soll hier ein breites Spektrum an praxisrelevanten systemtheoretischen Konzepten dargestellt werden. So ergeben sich übertragbare Ideen, die bei einer Blickfeldverengung auf Luhmann nicht entstünden. Vor allem aber werden so Zusammenhänge deutlich, die die Anverwandlung systemtheoretischer Konzepte für die eigene Arbeit und auch ihre Integration in die eigenen neurowissenschaftlichen Reflexionen deutlich erleichtern können. Geschichte und Köpfe der Systemtheorie Ursprünge eines systemischen Denkens lassen sich in der Geschichte weit zurückverfolgen und vermutlich - mit etwas gutem Willen – schon bei antiken Philosophen auffinden. Zu den unmittelbareren Vorläufern sind die Feldtheorie von Kurt Lewin (1890-1947) und die Gestaltpsychologie Jean Piagets (1896-1980) zu rechnen. Konstitutive Beiträge lieferten die beiden Begründer des Strukturfunktionalismus, der polnische Mathematiker und Anthropologe Bronislaw Malinowski (* 1884 in Krakau, Polen, + 1942 in New Haven, USA) und der britische Psychologe, Ökonom und Sozialanthropologie Alfred Radcliffe-Brown (* 1881 in Birmingham, + 1955 in London). Malinowski, bekannt geworden durch sein 1922 erschienenes Hauptwerk „Argonauts of the Western Pacific“. An Account of Native Enterprise and Adventure in the Archipelagoes of Melanesian New Guinea gilt er als Vater der Feldforschung. Er entwickelte das Konzept der teilnehmenden Beobachtung und ist insofern ein Vorläufer des Ethnologen Clifford Geertz (1926-2006). Schon Malinowski unterscheidet zwischen einem Beobachter erster und zweiter Ordnung, also, angewandt auf unsere Welt, einem Coach, der das Verhalten eines Klienten beobachtet und einem Supervisor, der den Beobachter beobachtet. Mit Alfred Radcliffe-Brown (The Andaman Islanders, 1922) rücken wir bereits sehr nahe an unseren neurobiologischen Interessenschwerpunkt heran. Schließlich war er es, der selbstregulierende biologische Systeme wie den menschlichen Körper mit seinen Organen als Vorlage für Funktionsmechanismen einer Gesellschaft heranzog. In seiner strukturfunktionalistischen Theorie wurden insbesondere gesellschaftliche Strukturen wie Rituale, Institutionen und "Entscheidungsorgane” als konstitutiv für die Funktionsfähigkeit und Stabilität Organisationen und Gesellschaften angesehen. In seinem Fokus auf Institutionen und "Organe" weist der Strukturfunktionalismus einen deutlichen Unterschied zur Denkungsart heutiger Systemtheorien auf, die weniger in dinglichen Elementen als in Prozessen denken. Während also Malinowski und Radcliffe-Browns Gedankenwelt das Augenmerk noch verstärkt auf die Beziehungen zwischen dem Ganzen und seinen Teilen legt und noch optimal mit den “Organigrammen” als “Anordnungsschema” der “Organe” einer “Organisation” kompatibel ist, verweist die Weiterentwicklung des Strukturfunktionalismus in Richtung Systemfunktionalismus, schon auf den heute weitaus gängigeren (aber in der Praxis immer noch sehr unzulänglich nachvollzogenen) Prozessblick. An der Schwelle zwischen den beiden Paradigmen steht ein großer Name: Der US-amerikanische Soziologe und Ökonom Talcott Parsons (* 1902 in Colorado Springs, + 1979 in München). Mit seinem in den 50er Jahren des 20 Jahrhunderts entwickelten AGIL-Schema legte er die Grundlagen für einen das Zeitalter der Digitalisierung prägenden Zugang zur Arbeitsorganisation, nämlich den unterschiedlichen agilen Frameworks wie sie am prominentesten (aber bei weitem nicht erschöpfend) im SCRUM-Modell ihren Niederschlag finden. Im AGIL Schema ist bezeichnenderweise eben nicht mehr von Institutionen und “Organen”, sondern von Funktionen die Rede, die ein System erfüllen muss, um überlebensfähig zu sein. Damit ist das AGIL-Modell ein Meilenstein auf dem Weg zur modernen Theorie sozialer Systeme. Nicht auszudenken, welche Erfolge möglich wären, wenn Beratende sich dessen bewusst wären und das Instrumentarium des systemischen Denkens auf die Entwicklung agilitätsfreundlicher Ökosysteme zur Anwendung brächten! Schon vor der Definition des AGIL-Schemas (The Social System, 1951) wurde Parsons mit seiner voluntaristischen Handlungstheorie bekannt (The Structure of Social Action: A Study in Social Theory with Special Reference to a Group of Recent European Writers. 1937), deren Grundzüge im AGILen Bezugsrahmen noch deutlich erkennbar sind. Im Gegensatz zu Malinowski und Radcliffe-Brown sind nicht die Institutionen (“Organe”), sondern Handlungen Elemente des sozialen Systems. Damit ist - wie später noch radikaler bei Luhmann, Schon bei Talcott Parsons der Schwerpunkt von den Entitäten auf die Operationen eines Systems verschoben. Man kann sich vielleicht aus heutiger Perspektive überhaupt nicht mehr vorstellen, welche revolutionäre Sprengkraft hinter diesen Perspektivenwechsel steckt. Wer nicht mehr primär an Individuen oder Institutionen, sondern an Operationen denkt, ist in der Lage, Abläufe sozusagen ohne Ansicht der Person bzw. ohne Schuldzuweisung an versagende Individuen oder dysfunktionale Abteilungen zu denken. Der Blick wird frei auf die Prozesse, die im Zwischenraum zwischen den Stühlen stattfinden und oft die ungeschriebenen, aber nicht minder ergebniswirksamen Abläufe ausmachen. Daher rührt es, das auch heute noch die Einführung agiler Frameworks einen radikalen Shift in althergebrachten Denkgewohnheiten erfordert und dass das Scheitern vieler Transformationsprozesse durch das Fehlen genau dieses erfolgsentscheidenden Perspektivenwechsels gut erklärbar ist. Man benutzt das Vokabular aus dem agilen Begriffsraum die Zauberworte, deren Bedeutung man nicht versteht und wundert sich, dass der Zauber allzu schnell wieder verpufft. Das AGIL-Schema nach Talcott Parsons Das AGIL-Schema beschreibt vier Untersysteme eines übergeordneten Handlungssystems. Sie müssen die folgenden Funktionen erfüllen, damit das System überlebensfähig bleibt: · Adaptation (Anpassung): meint die Fähigkeit eines Systems, auf sich verändernde Umweltbedingungen - also beispielsweise auf neue Marktanforderungen, die Situation steigender Energiepreise etc - zu reagieren und sich entsprechend anzupassen. Es ist ein Verhaltenssystem und beruht auf Bedürfnissen, die befriedigt bzw. in Ausgleich gebraucht werden müssen. Ein makrostrukturelles Adaptation-System ist das Wirtschaftssystem. · Goal-Attainment (Zielverfolgung): meint die Fähigkeit eines Systems, sich immer wieder Ziele zu setzen, die Zielerreichung zu monitoren und wichtige Ziele zu erreichen oder anzupassen. Es handelt sich um ein persönliches System, das auf Motiven beruht. Ein makroskopisches Goal-Attainment-System ist das politische System. · Integration (Inklusion): meint die Fähigkeit eines Systems Zusammenhalt (Kohäsion) herzustellen und Integration zu ermöglichen. Die Integrationsfunktion konstituiert ein soziales System, das sich auf sozialen Rollen gründet. Ein makroskopisches Integrations-System ist das Gemeinwesen. · Latency / Latent Pattern Maintenance (Aufrechterhaltung): meint die Fähigkeit eines Systems, konstitutive Strukturen, Wertschöpfungsmuster etc. aufrecht zu erhalten. Latency bezieht sich auf ein kulturelles System, das auf Wertvorstellungen, Symbolen und Normen beruht. Ein makroskopisches Latency-System ist die Kultur einer Gesellschaft (oder - eine Größenordnung kleiner: einer Organisation). Entlang der Kette A-G-I-L nehmen die Neues ermöglichenden Kräfte ab und die Ordnung stiftenden Kräfte zu. Im übergeordneten Handlungssystem bilden die einzelnen Buchstaben Subsysteme mit jeweils eigenen Funktionen: Das AGIL-Schmema ist anhand der Dimensionen aktiv-passiv sowie instrumental-konsumatorisch untergliedert. Aktive Handlungstreiber sind die Funktionen der Anpassung und Zielerreichung (AG). Eher passiv-bewahrende Funktionen sind die Integration und die Latenz gegenüber Veränderungen (IL). Instrumental, also kein Selbstzweck, sondern Hilfsmittel zur Erfüllung anderer Zwecke sind die gegensätzlichen Funktionen der Anpassung und der (gegenüber der Anpassung zögerlichen) Latenz (AL). Konsumatorisch, also direkt Nutzen und Mehrwert stiftend, sind die Funktionen der Zielerreichung und der Integration (GI). Parsons hat damit Fundamente gebaut, ohne die nicht nur das agile Gedankengut undenkbar wäre, sondern auf denen auch unsere moderne Theorie sozialer Systeme in ganz wesentlichen Teilen aufbaut. Dabei nahm er insbesondere auch online bei der allgemeinen Systemtheorie des österreichischen Biologen Ludwig von Bertalanffy (* 1909 in Atzgersdorf, Österreich, + 1972 in Buffalo, USA, General System Theory. In Biologia Generalis 1/1949. S. 114 -129) teil. Als Pionier der allgemeinen Systemtheorie ist es seine geistige Leistung, Analogien in der grundsätzlichen Funktionsweise physikalischer, biologischer und soziale Systeme erkannt und diese in einem umfassenden Theoriegebäude vereint zu haben. Als Prinzipien, die von einer Klasse von Systemen auf andere übertragbar sind, identifizierte er Komplexität, Gleichgewicht, Rückkopplung und Selbstorganisation. Der humanistische Ansatz in der Systemtheorie. Selbstorganisation gehört freilich zu einem jener bis heute noch meist unverstandenen Schlagworte, die bisweilen – zum Schaden von Menschen und Projekten – mit "Selbstläufer "verwechselt werden. Was Selbstorganisation genauer bedeutet, erfahren wir von dem britischen Psychiater und Kybernetiker William Ross Ashby (* 1903 in London, + 1972 in Westons). In seiner berühmten Publikation „Design for a Brain. The Origin of Adaptive Behavior“ aus dem Jahr 1952 legt Ashby Grundzüge seiner Theorie nieder. Er entwickelt die wissenschaftlichen Grundlagen für das Prinzip der Homöostase als Aufrechterhaltung eines Gleichgewichtszustandes in einem dynamischen System durch einen internen Regelungsprozess, der der Selbstorganisation des Systems nach den Prinzipien der Komplexität, Selbstreferenz, Redundanz und Autonomie zugrunde liegt. Dabei besagt Ashby’s Law (Law of Requisite Variety), für das er einer breiten Öffentlichkeit auch heute noch bekannt ist, dass die Fähigkeit eines Systems, Störungen auszugleichen mit der Handlungsvarietät des Systems zunimmt. In anderen Worten: je mehr Wahlmöglichkeiten sich ein System (zum Beispiel ein Unternehmen) schafft, umso besser kann es mit Störungen (zum Beispiel der Rezession) umgehen und desto eher hat es Einfluss auf angrenzenden Systeme (zum Beispiel den Markt und den Wettbewerb). Ashby's Ableitung des Selbstorganisationsprinzips aus der Sphäre der Biologie (“Design for a Brain”) zeigt, wie wichtig die Analyse lebender Systeme für die Entwicklung einer allgemeinen Systemtheorie war und welchen zentralen Beitrag zum Verstehen von Systemen unsere Beschäftigung mit den Neurowissenschaften leisten kann. Dieser Zusammenhang tritt noch deutlicher anhand des Beitrags der chilenischen Neurobiologen Francisco Varela (* 1946 in Santiago de Chile, + 2001 in Paris) und Umberto Maturana (* 14. September 1928 in Santiago de Chile; † 6. Mai 2021 in Santiago de Chile) zutage. In ihrem 1980 erschienenen Buch "Der Baum der Erkenntnis" treiben sie das Selbstorganisationsprinzip mit ihrem Autopoiesis-Konzept sozusagen auf die Spitze. Das griechische Wort Auto-Poiesis bedeutet wörtlich übersetzt Selbsterzeugung und bezeichnet die Fähigkeit von Systemen, sich durch eine geringe Anzahl von wiederholten Operationen selbst hervorzubringen und in ihrer Funktionsfähigkeit aufrechtzuerhalten. “Die Erfahrung von jedem Ding ‚da draußen‘ wird auf eine spezifische Weise durch die menschliche Struktur konfiguriert, welche ‚das Ding‘, das in der Beschreibung entsteht, erst möglich macht. Diese Zirkularität (…) sagt uns, dass jeder Akt des Erkennens eine Welt hervorbringt.“ Niklas Luhmann hat diesen Gedanken dahingehend weiter radikalisiert, dass er allen Gebilden, die nicht in der Lage sind, sich dergestalt selbst zu erzeugen und aufrechtzuerhalten den Systemcharakter abspricht. Demnach fallen nach Luhmann menschengemachte "Computersysteme" oder andere technische Systeme nicht unter den eigentlichen Systembegriff. Varela und Maturana sind zudem die Begründer des neurobiologischen Konstruktivismus, der für einen zentralen Aspekt dessen, was wir heute unter systemisch-konstruktivistischem Denken verstehen. Insbesondere mit Verweis auf die wenigen Millionen sensorischen Neuronen, die unser Gehirn mit der Außenwelt verbinden und auf die noch geringere Anzahl an motorischen Neuronen, mit der wir handelnd in die Welt hineinwirken, zeigen sie auf den riesigen “Wulst an Interneuronen”, die um den Faktor 100.000 überwiegen und letztlich eine Art von neuronalen Selbstgesprächen führen. Die Rede ist von der Selbstreferentialität des neuronalen Systems, das alle äußere Weltwahrnehmung letztlich als kontingente Konstruktion aufscheinen lässt. Dabei gerät auch der epistemologische Status des forschenden Beobachters als Ausgangspunkt der empirischen Forschung in Zweifel. Schließlich müssen blinde Flecken entstehen, wenn Gehirne zu beobachten vermeinen und damit - ganz im Sinne von George Spencer Brown’s (* 1923 in Grimsby, UK, + 2016 in Market Lavington, UK) Re-entry - die Interpunktionen, die sich aus dem Beobachtungssystem ins beobachtete System hineinkopieren (Brown’s Beobachterdilemma, das aus dem Prinzip der Unterscheidung hervorgeht, Laws of Form, 1969). Systemgrenzen spielen von der Biologie (Zellmembran) bis hin zum Großkonzern (Coroprate Identity) eine entscheidende, systemkonstituierende Rolle. Ganz im Sinne eines radikalen Konstruktivismus wird so auch der wissenschaftliche Diskurs von einer objektiven Tatsachenfeststellung zu einer Konstruktion, die immer auch anders hätte erfolgen können. Dementsprechend zurückhaltend verhalten sich die Vertreter der konstruktivistischen Richtung auch gegenüber den direkten Einwirkungsmöglichkeiten auf die Welt. Systeme sind nach dieser Auffassung eben nicht “manageable”, keinem “Engineering” zugänglich, sondern verhalten sich eben autopoietisch, das heißt: operational geschlossen nach eigenen inneren Gesetzen. Veränderung ist dabei allenfalls im Modus des Setzens von Störimpulsen möglich. Es sind diese von den System-Umwelten ausgehenden Störungen (“Perturbation”), die die innere Stabilität des Systems auslenken, möglicherweise sklerotisierte Strukturen wieder gängig machen und somit eine autonome Neuroganisation des Systems anregen können. Weitere wichtige Vertreter des radikalen Konstruktivismus sind Ernst von Glasersfeld (* 1917 in München, + 2010 in Leverett, USA, “Der radikale Konstruktivismus. Ideen, Ergebnisse, Probleme, 1996”) Heinz von Foerster (* 1911 in Wien, + 2002 in Pescadero, USA, “Observing Systems”, 1981) und natürlich Paul Watzlawick (* 1921 in Villach, Österreich, + 2007 in Palo Alto, USA 1976, “Wie wirklich ist die Wirklichkeit?“). Von Glasersfeld führt das auch heute noch für die Beratung extrem wichtige Konzept der Viabilität, also der “Gangbarkeit”, “Brauchbarkeit”, man könnte auch sagen, der “Lebensdienlichkeit” in die systemische Welt ein. Sie ersetzt den Anspruch auf einen ontologischen Wahrheitsanspruch, wendet sich jedoch nicht gegen die Möglichkeit einer Falsifikation im Sinne des bedeutenden Wissenschaftstheoretikers Karl Popper (*1902 in Wien, 1994 in London, “Falsifikationismus”). Das Konzept der Viabilität findet sich - angewandt auf die Lebensfähigkeit von Organisationen - auch in Stafford Beer’s (*1926 in London, +2002 in Toronto) Viable System Model, mit dem er die Managementkybernetik begründete und damit unter anderem eine theoretische Grundlage für das heute einflussreiche St. Galler Modell Fredmund Maliks (*1944, Lustenau, Österreich) legte. Heinz von Foerster, von dem der berühmte Satz stammt, “Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners”, gilt als Sokrates des kybernetischen Denkens. Während die klassische Kybernetik nach Norbert Wiener (* 1894 in Columbia, USA, + 1964 in Stockholm, Schweden) als Erforschung der Mechanismen von Steuerung und Regelung in technischen, aber auch in biologischen Systemen Beobachtung erster Ordnung ist, führt von Förster in seiner Übertragung der Kybernetik in die sozialen Systeme den Beobachter 2. Ordnung ein, der wiederum den Beobachter und den Akt des Beobachtens beobachtet. Diese “Kybernetik 2. Ordnung” ist eine wesentliche Voraussetzung für die Luhmann’sche Systemtheorie. Paul Watzlawick schließlich ist der wohl bekannteste Vertreter der Palo-Alto-Gruppe, die am dortigen Mental Resarch Institute (MRI) forschten und - über die Psychotherapie großen Einfluss auf die systemische Beratungsszene auch in Europa nahm. Dazu trugen neben fachwissenschaftlichen Publikationen (z.B. Pragmatics of human communication. A study of international patterns, pathologies, and paradoxes, mit J. Beavin Bavelas, D. D. Jackson, 1967) in besonderem Maße populäre Bücher wie die berühmte Anleitung zum Unglücklichsein, 1983 bei. Inspiriert durch die Arbeiten des Anthropologen Gregory Bateson (*1904 in Grantchester, UK, + 1980 in San Francisco) forschte die Palo Alto Gruppe zunächst an Schizophrenie und schließlich - über die systemische Familientherapie - an Kommunikation im allgemeinen. Dabei kann der fortwirkende Einfluss von Bateson nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ihm verdanken wir viele Konzepte, die heute aus der Kommunikationspsychologie nicht mehr wegzudenken sind: von den (ursprünglich als schizophrenogen gedachten) Doppelbindungen (double bind communication) über das Konzept der Metakommunikation bis hin zu der an Bertrand Russel und Alfred North Whiteheads angelehnten logischen Stufen des Lernens. Die Palo-Alto Gruppe hat das, was wir heute unter systemischem Coaching und systemischer Beratung verstehen, ganz wesentlich beeinflusst. Durch den engen Kontakt Paul Watzlawicks prägte die Arbeit am MRI ganz wesentlich das Mailänder Modell der systemischen Familientherapie von Mara Selvini Palazzoli (1916 - 1999). Palazzoli war unter anderem bekannt für ihre Arbeit mit paradoxen Interventionen, zum Beispiel in Form von Problemverschreibungen. In Mailand entstand auch, in Weiterentwicklung der Idee des Beobachters höherer Ordnung die Zwei-Kammer-Methode, in der Therapeut:in und Patient:in von Co-Therapierenden durch eine Einwegscheibe oder per Videoübertragung beobachtet werden, so dass das Therapieteam dann nach einer präfinalen Abstimmung eine möglichst passende Abschlussintervention entwickeln kann. Dank einer Weiterentwicklung durch den norwegischen Sozialpsychiater Tom Andersen entstand die heute in Seminaren weit verbreitete Methode des Reflecting Team, in der Coach und Klient:in / Fallgeber:in am Ende den Reflexionen der “Co’s” lauschen und dann ihre Reaktionen in einen weiteren Reflexionsprozess einfließen lassen. Ebenso einflussreich wie die Mailänder Schule wirkte die US-amerikanische systemische Familientherapie über Virginia Satir (*1916 in Neillsville, Wisconsin, + 1988 in Kalifornien) auf das Geschehen in Europa ein. So gelten Satir’s Familienskulpturen und Familienkonstruktionen als Vorläufer der systemischen Aufstellungsarbeit und Satir’s Parts Party als Vorläufer der Teilearbeit, wie sie beispielsweise mit dem Konzept des „Inneren Teams“ durch den Hamburger Psychologen Friedemann Schulz von Thun aufgegriffen wurde. Da die in der Öffentlichkeit sehr bekannte “systemische Familienaufstellung” nach Bert Hellinger aufgrund ihrer phänomenologischen Orientierung und ihres direktiven Habitus inkompatibel mit dem konstruktivistischen Grundverständnis der heutigen Systemtheorie ist, wird die systemische Aufstellugnsarbeit in Deutschland insbesondere mit den Namen Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd verbunden. Weitere Einflüsse auf die deutsche “systemische Szene” gehen von der Schule von Milwaukee in Form der lösungsfokussierten Kurzzeittherapie nach Insoo Kim Berg und Steve de Shazer aus. Sie sind inspiriert vom Gedanken des Sprachphilosophen Ludwig Wittgenstein, dass Problem und Lösung zwei unterschiedlichen Welten angehören. Ferner nutzen sie die vom Hypnotherapeuten Milton H. Erickson stammende Konzeption der Therapie als Lösungsprozess vom Problem (“Die Lösung ist die Lösung”). Als prominente Methoden der lösungsfokussierten Kurzzeittherapie haben auch die Skalenfragen und die Wunderfrage aus Milwaukee unsere Seminarräume erreicht. Einen, wenn nicht den wichtigsten Brückenkopf der systemischen Szene in Deutschland bildet die Heidelberger Schule um den erst unlängst verstorbenen Helm Stierlin (*1926 in Mannheim, + 2021). In enger Zusammenarbeit mit der Palo Alto Gruppe und der Mailänder Schule verbreitete und entwickelten sie systemisch-konstruktivistische, hypnosystemisch-lösungsorientierte und narrativ- dekonstruktionistische Arbeitsweisen (Michel Foucault, *1926-1984) weiter und verbreiteten sie über den therapeutischen Kontext hinaus im systemischen Coaching und in der systemischen Organisationsberatung. Bekannte Vertreter der Heidelberger Schule sind neben Helm Stierlin Gunthard Weber, Fritz B. Simon, Gunther Schmidt, Jochen Schweitzer, Arnold Retzer und Hans Rudi Fischer. Einflussreiche Gründungen aus dem Heidelberger Systemiker-Kreis sind die Internationale Gesellschaft für systemische Therapie (IGST), der Carl Auer Verlag, Simon, Weber and Friends und das Wittener Institut für Familienunternehmen der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Witten/Herdecke. Während die Heidelberger Schule insgesamt stärker auf die praktischen systemischen Methoden und Modelle im systemischen Coaching und in der systemischen Organisationsberatung einwirkt, sind zwei weitere Denkschulen als Metatheorien und als Folie für das Verständnis einer künftig sich fortentwickelnden Neurosystemik unabdingbar: 1. Die Theorie sozialer Systeme nach Niklas Luhmann 2. Die Synergetik von Hermann Haken in deren Tradition auch 3. die personenzentrierte Systemtheorie nach Jürgen Kriz anzusiedeln ist. 1. Die Theorie sozialer Systeme nach Niklas Luhmann Über Luhman (*1927 in Lüneburg, + 1998 in Oerlinghausen) ist viel gesagt und geschrieben worden. Die meisten Leser:innen dieses Skripts werden in ihren Trainer- und Coach-Ausbildungen intensiv mit dem Luhmann’schen Gedankengut in Kontakt gekommen sein. Deshalb hier nur ein kurzer Abriss wesentlicher Landmarken seiner sperrigen und oft doch so nützlichen Theorie. Wer Luhmann-Lücken hat oder auf vergnügliche Weise tiefer in die Thematik einsteigen will, dem sei das Buch “Luhmann leicht gemacht” von Margot Berghaus empfohlen. Hier die wichtigsten Kernpunkte: Nach Luhmann hat jedes System eine konstitutive Operationsform: 1. Biologische Systeme operieren durch Leben 2. Psychische Systeme operieren durch Bewusstseinsprozesse (Wahrnehmen, Denken, Fühlen, Wollen, Aufmerksamkeit) 3. Soziale Systeme: operieren durch Kommunikation Bewusstsein und Leben sind nicht Teil sozialer Systeme, sondern ermöglichende Umwelt. Auch Menschen kommen in den sozialen Systemen Luhmanns nicht - beziehungsweise nur in der nachträglichen Beobachtung, vor. Die radikale Position Luhmanns lautet also: Menschen kommunizieren nicht, nur Kommunikation kommuniziert. Auch sind Menschen selbst keine Systeme – sie haben an den oben genannten Systemen Anteil. So besteht Kommunikation auch nicht aus Handlungen von Personen, sondern lässt sich nur aus der Beobachterperspektive nachträglich dergestalt beschreiben. Hierin unterscheidet sich Luhmann radikal von Talcott Parsons’ intentionaler Handlungstheorie, die Luhmanns Theorie sozialer Systeme den Weg bereitet hatte: Ein soziales System kommt zustande, wenn immer ein autopoietischer Kommunikationszusammenhang entsteht und sich durch Einschränkung der geeigneten Kommunikation gegen eine Umwelt abgrenzt. Soziale Systeme bestehen demnach nicht aus Menschen, auch nicht aus Handlungen, sondern aus Kommunikationen. Während die drei Makrosysteme ebenso wie die gesellschaftlichen Untersysteme sich jeweils in operativer Geschlossenheit autopoietisch selbst organisieren, bilden Sie füreinander Umwelten, die sich gegenseitig anregen und in einen Prozess der Co-Evolution eintreten können. Systeme bringen, wie schon von Foerster feststellte, emergente Eigenschaften hervor, die sich nicht als einfache Summenwirkung der Teile erklären lassen. Besonders bedeutsam für Coaching und Organisationsberatung ist das Luhmann’sche Kommunikationsmodell. In scharfer Abgrenzung zum allseits bekannten informationstheoretischen Sender-Empfänger-Modell der Kommunikation (Claude Elwood Shannon, * 1916 in Petoskey, USA, + 2001 in Medford, USA und Warren Weaver, * 1894 in Reedsburg, USA, + 1978 in New Milford, USA; The Mathematical Theory of Communication, 1949) findet Kommunikation nicht als Übermittlung einer Nachricht über einen Kanal statt. Vielmehr beruht Kommunikation auf einer dreifachen Selektion: · Die Selektion der Information verweist auf die Tatsache, dass nur ein geringer Teil dessen, was potenziell Information sein könnte, auch als Information selektiert wird. Alles, woran der Autor dieses Skripts gerade nicht denkt, tritt nicht einmal als mögliche Information auf den Plan. · Die Selektion der Mitteilung bezeichnet den Selektionsschritt, in dem aus den vorhandenen Informationen etwas für die Mitteilung ausgewählt werden muss. Nicht alles, was der Autor gerade im Kopf hat, kann und will er sagen. Doch selbst wenn: noch ist keine Kommunikation zustande gekommen, auch wenn noch so viel gesagt oder geschrieben wurde. Nach Luhmann käme Kommunikation also zum Beispiel nur im Akt des Lesens dieses Skripts oder des Anhörens des zugehörigen Vertrages zustande, und auch nur dann, wenn der Inhalt als Kommunikationsangebot angenommen wird. Das nennt Luhmann · die Selektion des Verstehens. Dabei meint Verstehen noch nicht einmal das Verstehen des Inhaltes, sondern einfach das Verstehen und Annehmen der Tatsache, dass jemand etwas kommunizieren will. Luhmann denkt Kommunikation also vom Ergebnis her. Kommunikation ist nach Luhmann nicht dann erfolgreich, wenn jemand überzeugt ist, sondern einfach, wenn sie Anschlusskommunikation erzeugt. Erfolg entsteht, wenn aus der Kommunikation etwas erfolgt. Denn Kommunikation ist im sozialen System das, was Leben im biologischen und Liquidität im wirtschaftlichen System ist. Ohne Anschlusskommunikation stirbt die Kommunikation und mit ihr das soziale System. Insgesamt ist der Erfolg von Kommunikation unwahrscheinlich, da jeder Selektionsschritt auch anders hätte ausfallen können. Woher weiß ich, dass jemand die relevante Information ausgewählt oder mitgeteilt hat? Keiner der Beteiligten weiß es. Das erscheint suboptimal, doch genau diese “doppelte Kontingenz” bewirkt auch, dass alle Beteiligten im gleichen Boot sitzen. Wir können einander also entweder alle vertrauen oder alle misstrauen. Vertrauen aber, so Luhmann reduziert die Komplexität und damit auch die Transaktionskosten. Gerade durch ihre konsequente Hinlenkung des Augenmerks auf die Kommunikationsprozesse und die Kommunikationsmedien, ist die Luhmann’sche Theorie sozialer Systeme im Coaching und in der Organisationsberatung nach wie vor von hohem praktischen Nutzwert. Dennoch ist zu bedenken, dass sie Trainer Trainings und Coach Trainings leider oft bei Luhmann stehenbleiben und die Weiterentwicklung in der Systemtheorie kaum mitvollziehen. Eine wesentliche Weiterentwicklung ist die Synergetik und ihre Übertragung auf die Analyse komplexer, dynamischer Sozialsysteme. 2. Die Synergetik von Hermann Haken und die Personenzentrierte Systemtheorie nach Jürgen Kriz Die Synergetik wurde von Hermann Haken (*1927 in Leipzig) ursprünglich im Zusammenhang mit dem Laserlicht als Beispiel für Wechselwirkungen in einem komplexen, dynamischen Nichtgleichgewichtssystem entwickelt. Inzwischen wird sie auf Selbstorganisationsphänomene in so unterschiedlichen Disziplinen wie der Physik, Chemie, Biologie, Psychologie und Soziologie angewandt. Wichtige und heute in der Beratungspraxis gängige Konzepte, die der Synergetik entstammen, ist die Komplexitätsreduktion durch einige wenige Ordnungsparameter, das Versklavungsprinzip, und die Theorie der Phasenübergänge zwischen zwei Ordnungsmustern. Wer den Praxiswert dieser Begriffswelt erleben möchte, sei auf das sehr lesenswerte next practice-Buch von Peter Kruse (1955-2015) verwiesen. Von zunehmender Wichtigkeit wird - gerade angesichts der stagnationsfördernden Luhmann-Fixierung in der systemischen Beratungsszene - die auf der Synergetik fußende Personenzentrierte Systemtheorie von Jürgen Kriz (*1944 in Ehrhorn, Subjekt und Lebenswelt, 2017). Neben vielen praxisrelevanten und erfrischend neuen Aspekten, deren Darstellung hier den Rahmen sprengen würde, hat dieser Ansatz zwei Vorzüge, die ihn für die Praxis besonders vielversprechend machen: 1. Die Wiedereinführung des Menschen als Agenten systemischer Prozesse. Nach einer langen Luhmann’schen Winterpause kann Beratung wieder näher an die Lebenswelt unserer Klient:innen rücken. 2. Der Ansatz integriert ganzheitlich die nicht-linearen Interaktionen, nicht nur der üblicherweise berücksichtigten psychischen und interpersonellen Prozesse, sondern explizit auch der somatischen und kulturellen Einflüsse. 3. Außerdem berücksichtigt er systematisch die Komplementarität subjektiver und objektiver Befunde. Schließlich sind die sprachlichen Selbstbeschreibungen von Klient:innen durch die kulturelle Gewordenheit der Sprache geprägt, wodurch Denken und Selbstoffenbarung immer ein Stück weit durch kulturgeprägte Stereotypen (“wie spricht man über Gefühle”) verfälscht werden. Damit ist die Personenzentrierte Systemtheorie nicht nur mit dem eingangs als grundlegend beschriebenen Bio-Psycho-Sozialen Modell kompatibel, sie ist eine beratungstaugliche Weiterentwicklung dieses Denkens, die es um eine subjektive und objektive Perspektive sowie um das Konzept vielfacher Wechselwirkungen mit hohen Emergenzpotenzialen erweitert. 3. Neurosystemische Modelle in der Praxis: Das Neurosystemische Panorama Anhand des Neurosystemischen Panoramas® erfahren Sie in diesem Kapitel, wie Neurowissenschaften und Systemtheorie im Coaching, in der Beratung und Supervision oder in der Begleitung von Transformationsprozessen genutzt werden können. Die Beispiele stammen aus unserem Buch Klinkhammer, M., Hütter, F., Stoess, D., Wuest, L. (2018). Change happens - Veränderungen gehirngerecht gestalten - inkl. Arbeitshilfen online. 2., Auflage. Freiburg im Breisgau: Haufe-Lexware. Grafiken, Tabellen und Teile des Texts sind wörtlich aus dem publizierten Text übernommen und mit Seitenangaben zitiert. Verwendung der Grafiken mit freundlicher Genehmigung des Verlages. Das Neurosystemische Panorama® Mit dem Neurosystemischen Panorama® stellen wir Ihnen ein Beobachtungs- und Analysewerkzeug zur Verfügung. Mit seiner Hilfe können Sie mit einer einheitlichen Struktur auf nicht-triviale biologische, psychische und soziale Systeme und deren Gesamtkonzept einer „Überlebenseinheit“ schauen. Sie können deren wechselseitiges Zusammenwirken herausarbeiten, das die jeweiligen Freiheitsgrade der anderen Systeme einschränkt, aber auch gleichzeitig ihr Weiterbestehen erst möglich macht. Denn ein System und seine Umwelten bilden eine „Überlebenseinheit“. Das Modell dient der Exploration des „Ist“ mit dem Ziel, auf Basis einer intensiven Beobachtung sowie der gelungenen Umwandlung von Irritationen in Informationen sukzessive wieder ein Gefühl der Kohärenz sowie das notwendige Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit und denkbare Schritte für das weitere Vorgehen zu entwickeln (S.398 f.). Ziel des Modells ist es, gemeinsam mit den Kunden Informationen über das von ihm definierte System und dessen Umwelten zu erheben und diese anders als bisher einzuordnen. „Verstehen“ findet immer erst mal nur vor dem Hintergrund der eigenen, in der Vergangenheit subjektiv realitätsnah gezeichneten Landkarte der Kunden statt. Durch den strukturierten Beratungsprozess werden genau diese inneren Abbilder der Kundenrealität gemeinsam unter die Lupe genommen. Wir fragen, irritieren, überraschen, stören und verstören sogar manchmal. Wir prüfen die Antifragilität des Gesamtsystems. Aufmerksam und behutsam, denn wir wissen, dass manche Teile der „System-Umwelt-Überlebenseinheit“, insbesondere psychische Systeme, sehr fragil sein können (vgl. Taleb, 2013) (S.398). Ein System und seine relevanten Umwelten, an die es sich selbst anzubinden sucht, schränken wechselseitig ihre jeweiligen Freiheitsgrade ein. Das ist der Preis, den ein System für die Irritationen zahlt, die es als Feedback oder Feedforward von den für sie relevanten Umwelten erhält. Auf diese Irritationen, Störungen, Überraschungen oder „Challenges“ ist es zur Sicherung des eigenen Überlebens angewiesen. Einige Systeme scheuen Irritationen, schotten sich ab, beobachten weder sich selbst noch ihre Umwelten. Andere Systeme, sogenannte antifragile Systeme (Taleb, 2013) suchen nach Irritationen, um von ihnen zu profitieren. Selbstreguliert, also nach seinen eigenen Bewertungs- und Verarbeitungsmechanismen, wandelt ein System diese Irritationen in Informationen um. Informationen, die – wie Bateson ausführt – zu einem späteren Zeitpunkt einen Unterschied machen: entweder einen Unterschied in der sinnstiftenden Selbstkonstruktion der eigenen Systemidentität oder einen Unterschied in der sinnmachenden internen Selbstorganisation oder der Anbindung des Systems – oder aber auch in allen dreien. Durch wechselseitig vor- und rückwärts aufeinander wirkende, zeitgleich stattfindende Selbstkonstruktion, Selbstanbindung, Selbstorganisation und Selbstregulation sucht ein System sein Überleben zu sichern. Das alles haben wir im Neurosystemischen Panorama® zur Analyse biologischer, psychischer und sozialer Systeme nachzubilden versucht (S. 401). Die vier Dimensionen des Basismodells sind - wie unschwer erkennbar ist - vom der vier psychischen Grundbedürfnisse nach Seymour Epstein (Grawe 2004, S. 189) inspiriert. Das Neurosystemische Panorama® fokussiert vier Dimensionen der Entstehung und Aufrechterhaltung von Systemen: · Selbstkonstruktion: Wie und wozu konstruiert sich das System im Unterschied zu anderen System-Umweltdifferenzen? Wie hält es grenzbewahrend Unterschiede aufrecht? · Selbstanbindung: Welche inneren und äußeren Umwelten wählt es für die Aufrechterhaltung seiner Existenz? Was sind die passenden Beziehungsformen und Beziehungsqualitäten? · Selbstorganisation: Wie organisiert es sich im Innern, um basierend auf einer ihm eigenen Struktur automatisiert und energieeffizient Aktivität an Aktivität anschließen zu können? · Selbstregulation: Was sind die impliziten oder expliziten Voraussetzungen, die die Impulsgeber ursprünglich bei der Initiierung des Systems als Maß gebend für seine Tauglichkeit erachtet haben? Impulsgeber für ein lebendes (Kommunikations-)System können z.B. sein: Unternehmensgründer, Eltern, Projektsponsoren oder Stichwortgeber für eine zeitlich befristete, lebhafte Diskussion über „demokratische Unternehmen“ im Bahnabteil. Darüber hinaus gilt es zu erforschen, wie das System gegenwärtig auf Irritationen aus dem eigenen Innern bzw. aus den inneren und äußeren Umwelten achtet. Und anhand welcher gegenwärtigen Maßstäbe es diese Irritationen bewertet und zu systemintern relevanten Informationen verarbeitet, dabei berücksichtigend, dass die gegenwärtige Situation als Teil eines übergreifenden Musters, beginnend mit der Systeminitiierung und in die Zukunft verweisend, zu verstehen ist (Baumeister, Tierney, 2014)? Systeme erzeugen einerseits Systemstabilität durch eine ihnen eigene Operation der Aufrechterhaltung von Grenzen und Beziehungen, sowie durch selbst entwickelte Regeln und Programme. Genauso aber erzeugen sie andererseits Systemdynamik durch prinzipielle Systemoffenheit dank der systemeigenen Selbstregulationskompetenz, sich irritieren, verstören und stressen zu lassen. Neurosystemische Modelle neigen dazu, fraktale Strukturen zu entwickelt. Einige wenige Ordnungsparameter - wie hier die vier Dimensionen der Selbstkonstruktion (entsprechend dem Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung und Selbstwertschutz bei Grawe), der Selbstanbindung (entsprechend dem Bindungsbedürfnis), der Selbstorganisation (entsprechend dem Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle) und der Selbstregulation (entsprechend dem Bedürfnis nach Lustgewinnung und Unlustvermeidung) reduzieren Komplexität und schaffen Ordnungsmuster in der Beobachtung von Systemen. Setzen wir diese Ordnungsmuster auf unterschiedlichen Systemebenen ein - zum Beispiel auf der Ebene der (Neuro-)Biologie (z.B. mit Bezug auf die gesundheitlichen Auswirkungen von Veränderungen), auf der Ebene der individuellen psychischen Folgen (psychisches System), auf der Ebene von Teams und Projekten (Interaktionssysteme im Sinne von Parsons) oder der gesamten Organisation (soziale Systeme im Sinne von Luhmann), so ergeben sich über die Ebenen hinweg jeweils selbstähnliche Muster. Der rekursive Prozess der wiederholten Anwendung der vier Ordnungsparameter lässt zudem Beziehungen zwischen den Ebenen erkennen (“Wie spiegeln sich neuronale Prozesse im ‘social brain’ der Gesamtorganisation”...). In den folgenden Abschnitten finden Sie für die oben erläuterten Grundprinzipien jeweils die Ausprägung auf den beschriebenen Ebenen. Wir haben hierzu Fragenkataloge entwickelt, die Sie bei der Anwendung unterstützen sollen. Der biologische Systemaspekt Anwendungsperspektiven dieses Rasters ergeben sich aus den folgenden Fragen: Reflexionsfragen zum biodynamischen Aspekt Wesentliche Fragen zu Körper- und Ich-Repräsentationen: · Wie stark spüre ich meine Grenzen? / Spüre ich in meinem Körper eine Tendenz zur „Abgrenzung“ (Überlastungszeichen) – oder zur „Grenzöffnung “ (Stimulanz)? · Wie stark greift die Veränderung auf meinen Körper durch? / Wo will ich mich schützen? / Wo mir ganz bewusst etwas zumuten? · Wie schaffe ich es, den Durchlässigkeitsgrad meiner Grenzen situationsflexibel einzustellen? Wesentliche Fragen zum Social Brain: · Wie stark bin ich, wie stark sind wir, im Change-Prozess auf Resonanz von Kollegen, Führungskräften, Mitarbeitern angewiesen? · Wie schütze ich mich vor den Fallen des Social Brains (Denkfehler wie z.B. in-group bias, Ähnlichkeitspräferenz etc.)? · Wo möchte ich, wo möchten wir „reifer“ werden, um zu einer ausgewogenen Balance zwischen „Verantwortung “ und „Selbstverantwortung “ zu gelangen? Wesentliche Fragen zu den exekutiven Funktionen: · Für welche Aufgaben verfüge ich über mir bereits bekannte ggf. automatisierte Lösungsstrategien, für welche nicht? (Identifikation unbewusster Kompetenz) Für welche Aufgaben, zu denen ich bisher keine Vorerfahrungen habe, kann ich mir Lösungsstrategien aus anderen bewältigten Projekten ableiten (Ressourcen- transfer)? / Was kann ich von anderen Personen lernen (Wissenstransfer)? · Wo versuche ich Einfluss auf Unbeeinflussbares zu nehmen? / Wo unterschätze ich eigene Einflussmöglichkeiten? · Wie achte ich während des Change auf mich und sorge immer wieder für · Ruhepausen, um Stress abzubauen und geistige Kraft wiederzugewinnen? Wesentliche Fragen zu den Bewertungsfunktionen und körperlichen Intuitionssignalen: Wie bewerte ich die Veränderung in meinem emotionalen Gedächtnis und in meinem Körpergedächtnis? · Auf Basis meiner Vergangenheit: Welche ggf. mir bislang unbewussten positiven und negativen Erfahrungen beeinflussen meine Reaktionen auf das aktuelle Thema? · Im Hier und Jetzt: Was spüre ich angenehm/unangenehm in meinem Körper als Resonanzboden, wenn ich mir den Ablauf der anstehenden Veränderungen vorstelle? · Mit Blick auf die Zukunft: Welche aus der Vergangenheit verkörperten Bewertungen (somatische Marker) möchte ich in die Zukunft mitnehmen? / Welche möchte ich verabschieden? Der psychische Systemaspekt Die Anwendung der vier Systemaspekte im psychischen System ergibt das folgende Muster: Die folgenden Fragen zeigen, wie die Aspekte dabei helfen können, die individuelle psychische Verarbeitung von Veränderung oder eines im Coaching angestrebten Vorhabens zu explorieren und dabei die Landkarten der Beteiligten um neue Möglichkeiten zu erweitern. Reflexionsfragen zum psychodynamischen Aspekt Fragen zum psychischen Selbst-Konstrukt: · Wer bin ich heute? Wer will ich mit dem Change-Prozess werden? Wie will ich in Zukunft meine „Einzigartigkeit“ pflegen, ohne überheblich zu wirken? Wie will ich in Zukunft meine „Zugehörigkeit “ (Profession, Identität, etc.) betonen, ohne mich in der Masse zu verlieren? · Wo trage ich im Change-Prozess aktiv Risiken durch Übernahme von Rollen und Funktionen und wo lasse ich Dinge auch einfach mal ohne mich geschehen? Fragen zur Bindung: · Zu wem (Personen, Teams, Organisationen) baue ich Beziehungen auf, wo ab? · Wie „nah“ will ich im Change-Prozess zu wem gehen, ohne mich zu verlieren? · Wie „distanziert“ will ich im Change-Prozess bleiben, ohne kontaktlos zu wirken? Welche Bindung habe ich zu Andersartigen, um ein ausreichendes Maß an Diversität in Netzwerken und Kooperationen zu haben? · Was ist zukünftig die für die Beziehungspflege passende Mischung zwischen persönlichem und virtuellem Kontakt? Fragen zur Selbstwirksamkeitserwartung: · Welches Maß an Orientierung von außen und welches Maß an Eigenregie brauche ich in diesem Veränderungsprozess? · Wieviel „Sicherheit und Berechenbarkeit “ ist mir wichtig, ohne „stur und starr“ zu wirken? Wie „frei und flexibel“ will ich sein, ohne „unzuverlässig und willkürlich“ zu wirken? · Wie gewinne und erhalte ich die innere Stabilität und Flexibilität über: o fest stehende und sich entwickelnde Werte und Prinzipien, o gleiche oder beständig sich verändernde Denk-, Gefühls- und Verhaltensmuster, • mein „inneres Team“ und seine Entwicklung, o meine Rückbindung an oder Emanzipation von meinem kulturellen, gesellschaftlichen, natürlichen und technischen Umfeld? · Wo im Veränderungsprozess nutzen mir meine bisherigen Selbstwirksamkeitsstrategien für wirkungsvolle Einflussnahme? Wo stehe ich mir damit selbst im Weg? Fragen zur Selbststeuerung: · Was spricht mich an, was irritiert mich am und im Veränderungsprozess bezüglich meiner Kriterien für Gelingen oder Misslingen, wie immer ich beides für mich definiere? · Wie steuere ich mich selbst im Prozess? o mit Blick auf die Vergangenheit: Wo will ich zum Gelingen aktiv beitragen und bereits erworbene Fähigkeiten nutzen? Was will ich aufgrund meiner Vorerfahrungen vermeiden bzw. vorsichtig angehen? Wo möchte ich an meiner Impulskontrolle arbeiten, um der Anziehungskraft automatisierter Aktionen zu widerstehen? o im Hier und Jetzt: Wie „Lust suchend“ will ich sein, ohne wählerisch zu wirken? Wie „Unlust vermeidend“ will ich mich zeigen, ohne desinteressiert zu wirken? o mit Blick auf die Zukunft: Was bin ich bereit für zukünftiges Gelingen zu investieren oder zu riskieren? Und worauf bin ich bereit, in weiser Vorausschau zu verzichten, um anschlussfähig zu bleiben? Wie gehe ich mit Unsicherheit und Ambivalenzen um. Der teamdynamische Systemaspekt Die nächste hochgradig praxisrelevante Systemebene ist die Ebene des Interaktionssystems in Teams, Projekten etc. Praxisrelevante Fragen für die Teamanalyse und zur Anregung zu Entwicklungsprozessen finden Sie in den folgenden Fragen: Reflexionsfragen für den teamdynamischen Aspekt Wesentliche Fragen zur Teamidentität: · Über welche gemeinsamen Ziele und Aufgaben im und nach dem Change definieren wir unsere Identität als Team? / Was macht uns dabei einzigartig in und zugehörig zur Organisation? · Zu welchem Beitrag verpflichtet sich jeder (zugehörig), auch wenn er bei der Veränderung droht zu verlieren statt zu gewinnen (einzigartig)? Wesentliche Fragen zur Anbindung des Teams: · Wer sind die für unseren co-kreativen Entwicklungsprozess relevanten Umwelten (Teammitglieder, interne und externe Kunden etc.)? · Welchen Wert legen wir bei der Auswahl unserer Teammitglieder und Schnittstellen- partner auf Ähnlichkeit bzw. auf Diversität? · Wie gestalten wir situations- und kontextbezogen unsere Beziehungen vor dem Hintergrund der neuen Rahmenbedingungen (Reorganisation, Ein-/Austritt von Teammitgliedern etc.)? Wesentliche Fragen zur selbstorganisierten Teamstruktur: · Welches Maß an innerer Komplexität ist historisch gewachsen? Wo müssen wir im Hin- blick auf den Change bewusst mehr Komplexität zulassen, wo Komplexität reduzieren? Wie organisieren wir uns selbst im Inneren über: o Rollen: Was erwarten wir von wem inhaltlich und teambezogen? Was heißt das für unsere Werte und Normen im Team? o Regeln: Welche geschriebenen und ungeschriebenen Richtlinien sehen wir für uns und unser Umfeld als handlungsweisend an? o Personen: Wem von uns schreiben wir angesichts von Kontext & Situation für uns passende Kommunikations- und Handlungskompetenz zu? o Teamkultur: Wie halten wir uns gegenseitig für ein gelingendes Miteinander ver- antwortlich, lassen uns in unserem System Raum und Zeit zur persönlichen Bedürf- nisbefriedigung, darauf vertrauend, dass dies auch förderlich für das Team ist? · Wie bleiben wir flexibel? Wesentliche Fragen zur Selbststeuerung des Teams: · Wovon lassen wir uns als Team irritieren, z.B. von Bedürfnisäußerungen einzelner Teammitglieder, Anforderungen der Organisation, von Kunden, Markt und Gesetz? Wie entwickeln wir eine „kollektive Achtsamkeit“ im Team, um das, was an uns heran- getragen wird oder sich als „window of opportunity “ auftut, aufmerksam zu bearbeiten? Wie steuern wir uns als Team und im Team im Veränderungsprozess? o mit Blick auf die Vergangenheit: Was nehmen wir dazu aus der Vergangenheit als Kompetenz mit? o im Hier und Jetzt: Was gibt uns im Hier und Jetzt Halt? o mit Blick auf die Zukunft: Welche unterschiedlichen Szenarien sind für uns denkbar? / An welchen Signalen erkennen wir Veränderungen, wie machen wir uns als Team zukunftssicher? · Wie ermöglichen wir uns und anderen Lernen? Organisatorische Systemaspekt Unsere Wanderung durch die für Coaching, Beratung und Transformation entscheidenden Systemebenen endet mit der organisationalen Perspektive. Die folgenden Fragen können Sie hierzu stellen, wenn Sie die Organisationsebene analysieren: Reflexionsfragen für den organisatorischen Aspekt Fragen zur Organisationsidentität: · Wozu sind wir da? (primäre Aufgabe) / Worin drückt sich Scheitern aus? (primäres Risiko) / Worin sehen wir unser „Alleinstellungsmerkmal “? / Was teilen wir mit anderen als Überlappungen? / Wo grenzen wir uns klar ab? · Welche Konfliktmanagementsysteme und Entscheidungsarchitekturen geben wir uns? Fragen zur Anbindung: · Wer sind die für unsere Organisation relevanten Kunden, Share- und Stakeholder etc.? / Wie „fest“ wollen wir unsere Beziehungen zu ihnen knüpfen, ohne „vereinnahmt“ zu werden? / Wie „lose“ wollen wir unsere Beziehungen gestalten, ohne „austauschbar “ zu werden? · Wie handeln wir unsere Beziehungen aus vor dem Hintergrund der eventuell neuen Rahmenbedingungen (Kultur, Gesetze, Markt etc.)? · Wie bleiben wir auch dauerhaft attraktiv für diese und weitere Umwelt Wesentliche Fragen zur Selbstorganisation: · Welches Maß an innerer Komplexität brauchen wir? / Was können wir verkraften? / Wie „geregelt und bestandssichernd “ wollen wir arbeiten, ohne „rigide und innovationsfeindlich “ zu werden? / Wie „regellos und Alternativen suchend“ wollen wir arbeiten, ohne „beliebig und chaotisch “ zu werden? · Wie organisieren wir uns selbst im Innern in Bezug auf unsere: o Kommunikationswege: Welche Verantwortungen und Befugnisse verorten wir an welchem Platz in unserer Organisation? o Programme: Welche impliziten und expliziten Richtlinien sehen wir für uns und unser Umfeld als handlungsweisend an? o Personen: Wem schreiben wir die für unsere Organisation geeignete Kommunikations- und Handlungskompetenz zu? o Kultur: Wie reflektieren und kommentieren wir unser Tun im Veränderungsprozess? · Wie ermöglichen wir individuelles und organisationales Lernen? Wesentliche Fragen zur Selbststeuerung: · Wovon lassen wir uns als Organisation irritieren? Wovon nicht? · Wie bauen wir Selbststeuerungsfähigkeit im System auf, um die Veränderung, das Problem, die Krise oder die Katastrophe erfolgreich zu bewältigen? o mit Blick auf die Vergangenheit: Was nehmen wir bezüglich unserer Risikobewer- tungen aus der Vergangenheit als Kompetenz mit? / Wovon verabschieden wir uns? o im Hier und Jetzt: Was üben wir im Hier und Jetzt neu ein, um die für uns passende Mischung zwischen Sensibilität, Anpassungsfähigkeit und Standhaftigkeit zu finden? o mit Blick auf die Zukunft: Welche Szenarien, welche Chancen und Risiken sind möglich? / Woran würden wir sie frühzeitig erkennen? / Wie stellen wir uns bereits heute voraus- schauend auf sie ein? / Wie gehen wir mit dem grundsätzlich Unvorhersehbaren um? Sicher ist Ihnen nicht entgangen, dass alle Aspekte auf allen Systemebenen jeweils polar angelegt sind. So ist es etwas im psychischen System weder gut noch schlecht, das Selbstkonstrukt eher nach Einzigartigkeit („Meine USP’s, meine Leistungen“) oder nach Zugehörigkeit („Mein Team, meine Familie“) zu organisieren. Die aktuelle Positionierung zwischen den Polen ist jedoch in unterschiedlichen Situationen gegebenenfalls unterschiedlich nützlich oder problemerzeugend. Daher lohnen sie der Reflexion, da sich so neue Handlungsmöglichkeiten auftun. Das COR-ESSENTIALS® Modell: Dimensionen • In Kontakt sein und wahrnehmen • Sinn geben und vertrauen • Abgrenzen und entscheiden • Experimentieren und anpassen • Struktur geben und Routinen entwickeln • Bilanzieren und reflektieren • Bewusst werden und kommunizieren Schließlich ist das auch das große WHY und der befreiende Aspekt der Beschäftigung mit der Systemtheorie: Sie schützt uns, dort wo wir aus einer rein biologischen Perspektive leicht in einen Determinismus zu rutschen drohen, vor der Problemhypnose durch die normative Kraft des Faktischen und erlaubt es uns, unsere Welt und unseren Möglichkeitsraum multiperspektivisch zu denken und so neu konzipieren zu lernen. Dafür – und wegen ihres hohen praktischen Nutzwertes - lohnt sich die neurosystemische Perspektive allemal. Literatur- und Quellenverzeichnis Egle, Ulrich Tiber; Heim, Christine; Strauß, Bernhard; Känel, Roland von (Hg.) (2020): Psychosomatik - neurobiologisch fundiert und evidenzbasiert. Ein Lehr- und Handbuch. W. Kohlhammer GmbH. 1. Auflage. Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer (Medizin). Online verfügbar unter https://eref.thieme.de/ebooks/cs_13534154 Hütter, F., Marsch V. (2014). Mythos Hirnforschung. Training aktuell (06/14), 29–31. Hütter, F., van Kempen, A. (2014). Aber bitte mit System. Training aktuell (10/14), 18-21. Hütter, F. (2015). Wir Als-Ob-Philosophen. Praxis Kommunikation (01/15), 74–75. Hütter, F. (2015). Vom Teil zum Ganzen. Praxis Kommunikation (02/15), 73–74. Falkenburg, Brigitte (2012): Mythos Determinismus. Wieviel erklärt uns die Hirnforschung? Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg. Egle, Ulrich Tiber; Heim, Christine; Strauß, Bernhard; Känel, Roland von (Hg.) (2020): Psychosomatik - neurobiologisch fundiert und evidenzbasiert. Ein Lehr- und Handbuch. W. Kohlhammer GmbH. 1. Auflage. Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer (Medizin). Der Klassiker: Engel GL (1977) The need for a new medical model: a challenge for biomedicine. Science 196: 129–136. Maturana, Humberto R.; Varela, Francisco J. (2018): Der Baum der Erkenntnis. Die biologischen Wurzeln des menschlichen Erkennens. 7. Auflage. Frankfurt am Main, Fischer Taschenbuch (Fischer-Taschenbuch, 17855). Berghaus, Margot (2022): Luhmann leicht gemacht. Eine Einführung in die Systemtheorie. 4., überarbeitete und ergänzte Auflage. Köln, Wien: Böhlau Verlag (utb-studi-e-book Sozialwissenschaften, 2360). Luhmann: Ökologische Kommunikation. 1. Auflage. Westdeutscher Verlag: Opladen 1986, S. 269. Kruse, Peter (2020): next practice. Erfolgreiches Management von Instabilität. Veränderung durch Vernetzung. 1. Aufl. Offenbach: Gabal Verlag GmbH (Dein Business). Klinkhammer, M., Hütter, F., Stoess, D., Wuest, L. (2018). Change happens - Veränderungen gehirngerecht gestalten - inkl. Arbeitshilfen online. 2., Auflage. Freiburg im Breisgau: Haufe-Lexware.
- Lernen im Schlaf - Traum oder Wirklichkeit?
Das Erlernen neuer Informationen im Schlaf war bis vor wenigen Jahren ausschließlich Charakteren in Science-Fiction Romanen vorbehalten. Neueste Befunde aus der Schlafforschung zeigen nun auf, dass, unter bestimmten Voraussetzungen, tatsächlich komplett neue Gedächtnisspuren im Schlaf experimentell aufgebaut werden können. Inhaltsverzeichnis 1. Vorwort 2. Definition von Schlaf 3. Schlaf messen und klassifizieren 4. Warum schlafen wir? 5. Gedächtniskonsolidierung 6. Manipulation der Gedächtniskonsolidierung im Schlaf 7. Hypnopädie - Traum oder Wirklichkeit Literatur- und Quellenverzeichnis Lernen im Schlaf Traum oder Wirklichkeit 1. Vorwort Es ist seit langem bekannt, dass Schlaf einen positiven Effekt auf unser Gedächtnis hat. Während wir schlafen werden neue Gedächtnisinhalte vor interferierenden Einflüssen geschützt und mittels einer Kaskade an schlafspezifischen Prozessen konsolidiert. Nach mittlerweile mehr als zwei Jahrzehnten intensiver Bemühungen im Bereich der Schlaf und Gedächtnisforschung, hat man heute eine relativ konkrete Vorstellung wie Gedächtniskonsolidierung im Schlaf stattfindet. Laut einer gängigen Hypothese werden im Schlaf neu eingespeicherte Informationen immer und immer wieder reaktiviert um in der Folge sukzessive in bereits bestehende und stabile Gedächtnisnetzwerke transferiert und integriert zu werden. Seit einigen Jahren ist zudem bekannt, dass man eben diesen Kernprozess der Gedächtnisreaktivierung und somit schlafassoziierte Gedächtniskonsolidierung mittels der experimentellen Darbietung von sog. Kontextreizen im Tiefschlaf experimentell anstoßen kann. Eine Methodik die unter dem Begriff der gezielten Gedächtnisreaktivierung (Target Memory Reactivation, TMR) bekannt und mittlerweile oftmals repliziert worden ist. Mittels TMR lassen sich demnach Gedächtniseinträge fördern, welche zuvor tagsüber eingespeichert wurden. Diese Befunde haben den in vielen Romanen und Filmen skizzierten Traum der Hypnopädie, dem Erlernen komplett neuer Information im Schlaf neu befeuert. Bis vor wenigen Jahren schien Hypnopädie jedoch nur in Science-Fiction Romanen und wissenschaftlich nicht validierten Werbeangeboten möglich zu ein. Kürzlich erschienene Befunde, welche die hochdynamische Veränderung corticaler Aktivität im Schlaf bei der Einspeisung neuer Informationen berücksichtigen, haben nun erste konkrete Hinweise darauf gegeben, dass Lernen im Schlaf keine bloße Science-Fiction ist, sondern unter gewissen Rahmenbedingungen tatsächlich möglich ist. 2. Definition von Schlaf Was eigentlich ist Schlaf ? Welche Merkmale unterscheiden Schlaf von anderen Bewusstseinszuständen wie z.B. Wachheit oder gar einem komatösen Zustand? Veränderung von Bewusstsein und Wahrnehmung Während wir schlafen erfahren wir eine Veränderung bis hin zu einem kompletten Verlust unseres Bewusstseins. Je nach Schlaftiefe, sind wir uns selbst nicht bewusst darüber, dass wir momentan schlafen. Zudem kommt es zu einer erheblichen Reduktion der bewussten Wahrnehmung von Dingen, die um uns herum passieren sowie zu einer Verminderung der Antwortbereitschaft unseres Gehirns auf Umgebungsreize. Dennoch schaltet unser Gehirn im Schlaf nicht komplett ab. Vielmehr zeichnet unser Gehirn auch während wir schlummern periodisch Umgebungsinformationen mit auf. So können wir beispielsweise selbst in tieferen Schlafstadien noch zwischen einer uns bekannten und einer uns unbekannten Stimme differenzieren. Reduktion des Muskeltonus Ein weiteres, wesentliches Merkmal von Schlaf ist ein stark herabgesetzter Muskeltonus und daraus resultierende körperlicher Inaktivität. Im Schlaf, insbesondere im sogenannten REM Schlaf, erschlaffen große Teile unserer Willkürmuskulatur nahezu vollständig. Wir sind also zeitweise wie gelähmt. Unwillkürliche Muskeln wie der Herzmuskel oder die Atemmuskulatur sind von der Lähmung selbstredend unbetroffen. Die Atonie im REM Schlaf verhindert, dass wir geträumte Bewegungen nicht ausagieren. Üblicherweise bleibt die Muskellähmung komplett unbemerkt, da diese erst nach dem Einschlafen eintritt und beim Erwachen unmittelbar aufgehoben ist. Ab und an kann es jedoch zu einer sog. Schlafparalyse kommen. Dabei tritt die Lähmung bereits während des Einschlafens auf oder hält nach dem Erwachen für einige Zeit an. Dies ist für den Betroffenen in der Regel eine äußerst unangenehme Erfahrung. In sehr seltenen Fällen kann die Lähmung der willkürlichen Muskulatur im Schlaf aussetzen. Je nach Ausprägung spricht man hierbei von einer REM-Schlaf Verhaltensstörung. Schlaf ist schnell reversibel und wiederkehrend Schlaf kann auf natürliche Weise quasi unmittelbar unterbrochen werden. Die meisten von uns nutzen diese Eigenschaft jeden Morgen, um sich mittels eines Weckers aus ihrem Schlaf reißen zu lassen. Die Lautstärke eines akustischen Reizes, welche mindestens benötigt wird, um eine schlafende Person aufzuwecken, verändert sich über die Nacht hinweg mehrmals. Sie ist abhängig vom Schlafstadium, bzw. der Schlaftiefe, in der sich eine Person derzeit befindet. Schlaf ist zudem wiederkehrend. Wir Menschen sind tagsüber wach und schlafen in der Nacht. Unser Wach- / Schlafverhalten folgt einem zirkadianen Rhythmus (24-Stunden Rhythmus). Der Taktgeber unseres Aktivitäts- / Inaktivitätszyklus liegt im Nucleus suprachiasmaticus im Hypothalamus. Tatsächlich ist die Periodendauer unseres zirkadianen Rhythmus nicht exakt (also wie der Name sagt, eben nur in etwa) 24 Stunden lang, sondern etwas länger. Unter absolut konstanten Bedingungen (dauerhafte Dunkelheit, gleichbleibende Temperatur, …) wiederholt sich unser Wach- / Schlafverhalten in etwa alle 24.25 Stunden. Unter Realbedingungen erfährt unser innerer Rhythmus allerdings täglich eine Art Feinabstimmung, so dass er genau 24 Stunden beträgt. Einer der stärksten und zuverlässigsten Zeitgeber für diese Adjustierung ist das Tageslicht (bzw. die Sonne). 3. Schlaf messen und klassifizieren Polysomnographie Schlaf lässt sich objektiv mittels verschiedener physiologischer Parameter sowie subjektiv mittels Selbstbeurteilung erfassen. Der Goldstandard in wissenschaftlichen und klinischen Schlaflaboren zur Quantifizierung von Schlaf ist die sogenannte Polysomnographie. Bei einer Polysomnographie werden parallel verschiedene physiologischer Parameter erfasst. Fester Bestandteil einer jeden Polysomnographie ist die Elektroenzephalographie (EEG, Messung der elektrischen Aktivität des Gehirns), die Elektromyographie (EMG, Messung des Muskeltonus) sowie die Elektrookulographie (EOG, Messung der horizontalen und vertikalen Augenbewegung). Ferner werden, insbesondere zur diagnostischen Abklärung verschiedener Schlafstörungen, oftmals der Atemfluss und die Atemanstrengung, der Puls und die Sauerstoffsättigung im Blut sowie die Körperlage während des Schlafes aufgezeichnet. Schlafstadien Bis ins 19.Jahrhundert haben sich Ärzte, Physiologen, Psychologen, Biologen und andere Naturwissenschaftler hauptsächlich auf die äußere Beobachtung des Schlafverhaltens einer Person beschränkt. So hat beispielsweise bereits Ernst Kohlschütter 1863 feststellen können, dass über die Nacht hinweg unterschiedliche Schalldruckpegel nötig sind, um eine Person zu erwecken. Seit der Verfügbarkeit der ersten EEG-Systeme in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, konnte Schlaf auf eine ganze andere, neue Art untersucht werden. Loomis und Kollegen konnten bereits 1935 feststellen, dass sich elektrische Potentiale im Gehirn während des Schlafes immer wieder verändern und dass bestimmte „Muster“ immer wieder auftreten. Dies bestätigte die Ergebnisse von Kohlschütter, dass Schlaf kein gleichbleibender physiologischer Zustand, sondern vielmehr in unterschiedliche Stadien unterteilbar ist. Im Jahr 1953 gelang den beiden Forschern Eugene Aserinsky und Nathaniel Kleitman die bahnbrechende Entdeckung zweier völlig unterschiedlicher Arten von Augenbewegungen im Schlaf. Phasen mit sehr schnellen Augenbewegungen, sog. “rapid eye movements” (REM) und Phasen ohne solche Augenbewegungen, genannt “non-rapid eye movement“ (NREM). Dies grobe Unterteilung des Schlafs in NREM und REM-Phasen hat bis heute bestand, wobei NREM Schlaf heute in weitere Substadien unterteilt wird. Seit 2007 wird Schlaf international nach dem “AASM Manual for the Scoring of Sleep and Associated Events” der Amerikanischen Akademie für Schlafmedizin (AASM) klassifiziert. Gemäß dieses Regelwerks wird Schlaf in die Stadien Wach, N1, N2, N3 (“Tiefschlaf ”) und REM unterteilt, wobei diese Einteilung in 30 Sekunden Einheiten vorgenommen wird und im Wesentlichen auf der spektralen Zusammensetzung des EEG-Signals beruht. So wird für Stadium N2 beispielsweise gefordert, dass sog. Schlafspindeln vorliegen müssen und für Stadium N3, dass mehr als 20% einer 30s-Epoche von sogenannter slow‑wave activity (SWA) dominiert ist. Schlafspindeln und deren zeitliche Interaktion mit langsamen Tiefschlafwellen, den Grundbausteinen der SWA, scheinen eine wesentliche Rolle bei der Konsolidierung neuer Gedächtnisspuren im Schlaf zu spielen. 4. Warum schlafen wir? Jeder Mensch verbringt ein Drittel seines Lebens im Schlaf. Ein Zustand, in welchem er unbewusst und wie oben erwähnt teilweise nahezu vollständig paralysiert ist. Augenscheinlich stellen wir im Land der Träume ein leichtes Opfer dar, verdienen kein Geld, pflanzen uns nicht fort und kümmern uns nicht um unseren Nachwuchs oder unser soziales Umfeld. Warum also hat ein solcher Zustand die Evolution überlebt? Warum also schlafen wir überhaupt? „It is against the logic of natural selection to sacrifice such important activities unless sleep serves equally or more important functions”. Tatsächlich scheint Schlaf universell zu sein. Alle Lebewesen, die seit jeher hinsichtlich der Frage ob und wie sie schlafen untersucht wurden, weisen irgendeine Form von Schlaf auf. Ferner gibt es unzählige Berichte, dass chronischer Schlafmangel mit negativen gesundheitlichen Konsequenzen assoziiert ist. So gibt es Berichte, dass zu wenig Schlaf u.a. kognitive Fähigkeiten beeinträchtigt, unsere Stimmung trübt sowie unsere Immunantwort schwächt. In einer bis heute sehr einflussreichen Serie an Studien, hat die Gruppe um Allan Rechtschaffen zudem in Tierversuchen zeigen können, dass eine bestimmte Art der totalen Schlafdeprivation über mehrere Wochen bei Ratten sogar zum Tode führen kann. Geht man davon aus, dass Schlaf eine Art universales Verhaltensmuster darstellt und dass man nicht auf Schlaf ohne gesundheitsschädliche Konsequenzen verzichten kann, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass Schlaf eine essenzielle Funktionen bedienen muss. Obwohl sich Wissenschaftler verschiedenster Forschungsrichtungen bis heute uneins über die Frage nach der Kernfunktion von Schlaf sind, gibt es mittlerweile gute Hinweise darauf, dass im Schlaf eine ganze Reihe an Prozessen ablaufen, welche äußerst positive (evtl. sogar wesentliche) Auswirkungen auf das Funktionieren unseres Organismus haben. Ein solcher Prozess, welcher im Folgenden genauer beleuchtet werden soll, ist die Transformation neuer, labiler Gedächtnisspuren in stabile Gedächtniseinträge. 5. Gedächtniskonsolidierung Unser Gedächtnis erlaubt es uns neue Informationen aufzunehmen und abgespeicherte Erinnerungen abzurufen. Unser Gedächtnis bestimmt somit maßgeblich unser Verhalten sowie unsere Identität. Ohne Gedächtnis könnten wir uns nicht an Veränderungen der Umwelt anpassen und wären ohne jeglichen Bezug zur (eigenen) Vergangenheit, d.h. wir wären stets im Dasein gefangen. Entsprechend der Bedeutung des Gedächtnissystems auf unser Ich, gibt es wenig überraschend unzählige Lehrbücher, welche detailliert verschiedene psychologische, elektrophysiologische, molekulare und strukturelle Aspekte der Gedächtnisbildung beleuchten. Wir wollen uns hier einem spezifischen, aber sehr wesentlichen Teilaspekt für ein funktionierendes und plastisches Gedächtnissystem widmen: dem Konzept der Gedächtniskonsolidierung (auf Systemebene). Gedächtnissysteme Ähnlich wie Schlaf stellt auch unser Gedächtnissystem keine Entität dar, sondern besteht aus einer Reihe an Subsystemen, welche wiederum prozessorientiert bestimmten Gehirnstrukturen zugeordnet werden können. Nach einer gängigen Taxonomie wird das Gedächtnissystem in zwei übergeordnete Systeme untergliedert. Das deklarative Gedächtnissystem und das nicht-deklarative Gedächtnissystem, wobei diese Unterscheidung hauptsächlich darauf basiert, ob der mediale Temporallappen (im Speziellen der Hippocampus) am Gedächtnisprozess beteiligt ist. Das deklarative Subsystem basiert auf einem intakten Hippocampus und wird daher auch als hippocampus-abhängiges Gedächtnissystem bezeichnet. Es umfasst semantische (Faktenwissen) und episodische Inhalte (inkludiert z.B. die zeitliche Abfolge von Ereignissen). Solche Inhalte können in der Regel relativ schnell eingespeichert und bewusst abgerufen werden. Das non-deklarative System umfasst verschiedene, unbewusste Lernkapazitäten, wie z.B. prozedurale Fähigkeiten (Fahrrad fahren, Tennis spielen etc.), Priming, konditionierte Reaktionen und Reflexe. Solche Inhalte werden oftmals sukzessive über Zeit / Wiederholungen erlernt und galten lange Zeit als komplett unabhängig von Strukturen im medialen Temporallappen. Neuere Befunde deuten allerdings darauf hin, dass, zumindest während früher Phasen des Erlernens neuer Fähigkeiten, hippocampale Bereiche involviert sein können. Schlaf scheint im Besonderen für deklarative, also für hippocampus-abhängige Gedächtnisinhalte eine wichtige Rolle zu spielen. Nichtsdestotrotz gibt es durchaus auch eine Vielzahl von Studien, die aufzeigen, dass auch prozedurale Fähigkeiten von Schlaf profitieren können. Und zwar Insbesondere dann, wenn der Hippocampus bei den ersten Trainings involviert ist. Dieses Manuskript fokussiert vornehmlich auf die Rolle von Schlaf in der Förderung deklarativer Inhalte. Gedächtnisprozesse Ein vollständiger Gedächtnisprozess besteht aus den drei Teilprozessen Enkodieren (das Erlernen neuer Informationen), Konsolidieren (das Festigen neuer Informationen) und letztlich dem Gedächtnisabruf. Die Enkodierung neuer Informationen basiert auf einer komplexen Kaskade molekularer, biochemischer, zellulärer und systemischer Veränderungen von Neuronen(-gruppen). Ein Teilmechanismus von Lernen ist die aktivitätsabhängige synaptische Veränderung durch Langzeitpotenzierung. Der Abruf einer Gedächtnisspur basiert u.a. auf der Aktivierung der abzurufenden Gedächtnisspur (Erinnerung). Kann diese ausreichend spezifisch aktiviert werden, kann auf die Erinnerung zugegriffen werden. Eine Aktivierung kann z.B. durch (un-)bewusste Hinweisreize ausgelöst werden. Unter Konsolidierung werden eine Reihe an Prozessen verstanden, welche der Enkodierung nachfolgen, um frische Gedächtnisspuren in stabile und langfristig abrufbare Gedächtniseinträge zu überführen. Konsolidierung - Wie alles begann Der Begriff der Konsolidierung geht auf den Göttinger Professor Georg Müller und seinen Student Alfons Pilzecker, welche im Jahr 1900 im Beitrag “Lehre vom Gedächtnis” die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeiten zwischen 1892 und 1900 beschrieben. Müller und Pilzecker stellten über mehrere Versuchsreihen fest, dass die Abrufleistung einer zuvor erlernten Wortpaarliste A durch nachfolgendes Lernen einer weiteren, neuen Wortpaarliste B beeinträchtigt wird, obwohl der eigentliche Lernvorgang von Liste A äußerlich komplett abgeschlossen schien. Diese Ergebnisse waren für die damalige Zeit relativ verblüffend. Das Erlernen von Liste B hat die Erinnerungsleistung von einer zuvor erlernten Liste A durch eine Art rückwirkende Hemmung geschwächt. In einer weiteren Versuchsreihe konnten Müller und Pilzecker nachweisen, dass diese rückwirkende Hemmung umso stärker ist je kürzer das Lernen von Liste B dem Lernvorgang von Liste A folgt. Oder umgekehrt, der Einfluss von nachfolgendem Lernen nimmt mit der Zeit, die zwischen Lernen von Liste A und dem Erlernen von Liste B liegt, ab. Müller und Pilzecker schlussfolgerten, dass “Vorgänge, welche zur Herstellung von Assoziationen einer gelesenen Silbenreihe dienen, auch noch nach dem Lesen der Silbenreihe eine gewisse Zeit hindurch andauerten, ..”. Demnach ist die Formierung einer neuen Gedächtnisspur nicht unmittelbar mit dem Lernprozess abgeschlossen. Müller und Pilzecker beobachteten in vielen ihrer insgesamt 40 Versuchsreihen, dass unmittelbar nach dem Lernen, für etwa 10 Minuten, sog. Perseverationstendenzen verstärkt auftreten. Als Perseverationstendenzen beschrieben sie den Effekt, dass kürzlich eingespeicherte Informationen automatisch immer wieder nach dem Lernen ins Bewusstsein kommen (“nachklingen”) und somit andere fortlaufende Gedankenströme unterbrechen. Müller & Pilzecker argumentierten daher, dass “… diese Perseverationstendenzen im Sinne einer “Konsolidierung” der Silbenassoziationen wirken.”. Das Konzept der Konsolidierung hat bis heute bestand. Tatsächlich wurde der von Müller und Pilzecker geprägte Begriff auch ins Englische (consolidation) übernommen. Heute weiß man, dass eine neu eingespeicherte Gedächtnisspur zunächst sehr fragil ist, d.h. sie ist anfällig durch weitere Informationen “überschrieben” zu werden. Im Umkehrschluss ist eine konsolidierte Gedächtnisspur stabil (nicht so leicht zu zerstören) und existiert über einen längeren Zeitraum (“Langzeitgedächtnis”). Arten der Konsolidierung Heute geht man davon aus, dass Gedächtniskonsolidierung auf mehreren Ebenen und in verschiedenen zeitlichen Dimensionen abläuft. Es werden prinzipiell zwei Arten der Konsolidierung unterschieden: Synaptische Konsolidierung und Systemische Konsolidierung. Synaptische Konsolidierung ist eine vergleichsweise schnelle, auf Zell-Ebene stattfindende Konsolidierung. Hierbei kommt es zu lokalen plastischen Veränderungen. Die synaptischen Verbindungen der an der Speicherung einer Gedächtnisspur beteiligten Neuronengruppen (man spricht hier auch von einem Engramm) werden gestärkt und/oder umstrukturiert (z.B. durch einen Anstieg der synaptischen Verbindungen). Synaptische Konsolidierung resultiert demnach in einer ersten Stabilisierung und führt somit zu einer effizienteren Kommunikation der am Gedächtnisprozess beteiligten Zellen. Diese Prozesse starten mit oder unmittelbar nach dem Enkodieren und benötigen vermutlich nur einige Minuten bis wenige Stunden, bis sie abgeschlossen sind. Durch diese schnelle Art der Konsolidierung werden neue Gedächtnisspuren kurze Zeit nach dem Einspeichern resistent gegenüber Prozesse, welche die Gedächtnisstabilisierung (sowie weitere Konsolidierungsprozesse) schädigen können. Aufbauend auf dieser ersten, schnell stattfindenden synaptischen Konsolidierung, findet eine weitaus langsamere Art der Konsolidierung statt. Eine Konsolidierung auf Systemebene. Hierbei werden neue Gedächtniseinträge sukzessive reorganisiert. Dabei werden neue Gedächtniseinträge von temporären Speicherregionen in einen Langzeitspeicher transferiert und dort in bereits bestehende Gedächtnissysteme integriert. Systemische Konsolidierung dauert vermutlich Tage bis Wochen oder gar Monate/Jahre. Tatsächlich wird heute vermutet, dass die Konsolidierung auf Systemebene eventuell niemals komplett abgeschlossen ist. Dieses Manuskript fokussiert in der Folge vornehmlich auf die Gedächtniskonsolidierung auf Systemebene. Das Stabilitäts-Plastizitäts-Dilemma Wie bereits angemerkt, wird eine frisch eingespeicherte Gedächtnisspur mittels Gedächtniskonsolidierung von einem anfänglich labilen in einen stabilen Zustand überführt. Bis eine neue Spur allerdings konsolidiert wurde, ist diese allerdings sehr anfällig insbesondere durch interferierende Informationen überschrieben zu werden. Daher stellt sich die Frage wie wir uns kontinuierlich neues Wissen angeeignet können, ohne dabei gleichzeitig bestehende Erinnerung zu überschreiben. Unser Gehirn ist ein stark vernetztes und parallel arbeitendes System. Arbeiten im Bereich der künstlichen neuronalen Netze haben aufgezeigt, dass solche Systeme zum einen plastische Veränderungen zulassen müssen, zum anderen aber ein gewisses Ausmaß an Stabilität benötigen, um Wissen erhalten zu können. Dies führt zu einem Stabilitäts-Plastizitäts-Dilemma. Ein zu stabiles System verhindert, dass neue Informationen aufgenommen und in bereits bestehendes Wissen integriert werden können. Zu viel Plastizität hingegen führt sehr rasch zu massivem Vergessen. Ein Ansatz wie unser Gehirn dieses Dilemma zu lösen vermag ist die Idee, dass Gedächtnisbildung in einem 2-Stufen Prozess mittels zweier komplementärer Gedächtnissysteme realisiert wird. Dieser Ansatz wird gemeinhin unter dem Begriff des 2-Prozess Modells der Gedächtniskonsolidierung beschrieben. Das 2-Prozess Modell der Gedächtnisbildung Die Grundidee des 2-Prozess Modells ist folgende. Unser Gedächtnis besteht aus zwei komplementären Gedächtnissystemen. Dem Hippocampus, einem sehr schnell lernenden System, welches Informationen nur temporär speichern kann und dem Neocortex, einem langsam lernenden System, welches Wissen langfristig abspeichern kann. Der Hippocampus stellt demnach eine Art Gedächtnisbuffer dar, der Neocortex den Speicherort unseres langzeitlich abrufbaren Wissens. Beim Enkodieren speichern wir neue Inhalte parallel in beide Systeme ein. Im langsam lernenden neocorticalen System werden zunächst lediglich die einzelnen Module eines Engramms (Module, die den Gedächtniseintrag im Verbund speichern) aktiviert. Die einzelnen Module sind dabei allerdings aufgrund der langsamen Lernrate noch nicht (fest) miteinander verbunden. Im schnell lernenden Hippocampus wird hingegen unmittelbar eine komplette komprimierte Version, der noch unfertigen corticalen Repräsentation kodiert. Der Hippocampus speichert demnach eine Art Abbild der noch nicht miteinander verknüpften corticalen Module der Gedächtnisspur ab. Da die Gedächtnisspur im Neocortex noch nicht komplettiert ist, bzw. die einzelnen Teile nur lose miteinander verknüpft sind, ist die Gedächtnisspur anfänglich stark abhängig von der hippocampalen Repräsentation derselben. Sobald der Lernvorgang abgeschlossen ist wird die komprimierte Gedächtniseintragung im Hippocampus spontan reaktiviert. D.h., jene Neuronengruppen, welche das corticale Abbild abgespeichert haben, werden im Kollektiv immer wieder aktiv. Dieses sog. neuronale Replay führt dazu, dass bei jeder dieser Reaktivierungen auch gleichzeitig die entsprechenden corticalen Module aktiviert werden was wiederum dazu führt, dass die Gedächtnisspur im langsam lernenden Langzeitspeicher sukzessive gestärkt wird (hier kommen dann Prozesse der synaptischen Konsolidierung zum Tragen). Der Hippocampus fungiert also als eine Art Trainer für das langsam lernende System. Über die Zeit hinweg werden die Verbindungen der corticalen Module des Engramms zunehmend gestärkt bis sie letztlich komplett verbunden sind und keinen weiteren Anstoß durch die hippocampalen Reaktivierungen benötigen. Der neocorticale Gedächtniseintrag ist nun unabhängig von der hippocampalen Spur geworden. Wird nun die nur kurzlebige hippocampale Spur überschrieben, kann die Erinnerung aus dem Langzeitgedächtnis abgerufen werden. Ebendiese Reorganisation der Spur von der anfänglichen hippocampalen Abhängigkeit hin zu einer unabhängigen, stabilen und langfristig abrufbaren corticalen Spur wird als Systemkonsolidierung bezeichnet. Aktive Systemkonsolidierung im Schlaf Die Kernmechanismen der Systemkonsolidierung nach dem 2-Prozessmodell sind i) die Reaktivierung hippocampaler Neuronengruppen, welche beim Lernen beteiligt waren und auf diese Weise das langsam-lernende System sukzessive aufbauen und ii) eine sich daraus ergebende, graduelle Transformation der anfänglich hippocampus-abhängigen Spur hin zu einer hippocampus-unabhängigen Gedächtnisrepräsentation. Spannenderweise gibt es mittlerweile viele Studien, welche nahezulegen, dass eben genau diese zwei Prozesse sehr effizient im Schlaf in Form einer aktiven Systemkonsolidierung stattfinden können. Im Gegensatz zu den Gedächtnisprozessen Enkodierung und Abruf, welche hauptsächlich während der Wachheit stattfinden, scheint der Prozess der Konsolidierung, zumindest für bestimmte Gedächtnisspuren, also hauptsächlich, während wir vor uns hin schlummern stattzufinden. Hauptsächlich heißt allerdings nicht exklusiv. Ziemlich sicher finden auch Konsolidierungsprozesse nach dem Lernen während der Wachheit statt. Allerdings gibt es eine Reihe an Rahmenbedingungen, welche Schlaf besonders maßgeschneidert für die Gedächtniskonsolidierung machen. Dazu später mehr. Belege für hippocampale Reaktivierungsprozesse im Schlaf aus Tierstudien Replay Prozesse von hippocampalen Neuronengruppen im Schlaf sind einer der propagierten Kernmechanismen der Hypothese einer aktiv im Schlaf stattfindenden Gedächtniskonsolidierung. Die meisten Studien zu Reaktivierungsphänomenen im Hippocampus basieren auf Tierstudien (zumeist an Ratten und Mäusen), welche Feuerraten von sog. hippocampalen Platzzellen untersucht haben. Hippocampale Platz- oder Ortszellen sind bestimmte Zellen im Hippocampus (oftmals in der CA1 / CA3 Region), welche immer dann vermehrt feuern, wenn sich das Tier an einer bestimmten Stelle in seiner Umgebung befindet. Diese Zellen dienen also als eine Art Orientierungs- oder Navigationssystem . John O’Keefe (zusammen mit dem Ehepaar Moser) 5 hat für seine langjährige Forschungsarbeit zu diesen Zellen 2014 den Nobelpreis für Medizin / Physiologie erhalten. Platzzellen wurden mittlerweile in einer Vielzahl an Spezies, u.a. auch bei Menschen gefunden. 1994 haben Wilson und McNaughton in einer bis heute sehr einflussreichen Studie Spike-Kreuzkorrelationen (ein Maß für die Co-Aktivität von Neuronen) von mehreren Dutzend Zellen aus der CA1 Region des Hippocampus in insgesamt drei Bedingungen untersucht. Während Ratten eine visuell räumliche Aufgabe erlernten sowie im Schlaf vor (Kontrollbedingung) als auch nach dem Lernvorgang. Dabei hat sich gezeigt, dass beim Erlernen der Aufgabe bestimmte Zellkombinationen eine erhöhte Co-Aktivität aufweisen und dass auch ebendiese Zellkombinationen im anschließenden, nicht aber im vorangegangen Schlaf, wiederum in sehr ähnlicher Weise zusammen aktiv sind. Es kommt also im Schlaf, und zwar im speziellen Tiefschlaf, nach dem Erlernen neuer Informationen zu einer Reaktivierung von hippocampalen Entladungsmustern, welche spezifisch am Lernvorgang beteiligt waren. Tatsächlich kommt es nicht nur zu einer Reaktivierung gleichzeitig aktiver Neuronen, vielmehr wird die genaue zeitliche Abfolge der Aktivierungsmuster im Schlaf nachgebildet. Feuern beispielsweise die Neurone A, B, C, D in eben dieser Reihenfolge, wenn eine Ratte einen Gang durchläuft an dessen Ende eine Futterbelohnung wartet, kommt es im anschließenden Schlaf zum Replay genau dieser Aktivitätssequenz (A-B-C-D-A-B-C-D, …). Interessanter Weise wird die Sequenz im Schlaf jedoch um ca. das 20- fache zeitlich komprimiert wiedergespielt. Ein Lernvorgang, der während der Wachheit 20 Minuten dauert, wird im Schlaf in derselben Zeit also 20-mal durchlaufen. Reaktivierungserscheinungen treten im Schlaf bevorzugt während sog. hippocampaler Sharp-Wave ripple Komplexe (SPWRs) auf. SPWRs sind transiente, schnelle Feldpotentiale, welche durch Zellen in der CA3 Region des Hippocampus initiiert werden. Sie bestehen aus einer negativen "sharp wave" Komponente (CA1 stratum radiatum) und kurzen, schnellen bursts von "ripple oscillations" mit einer Frequenz zwischen 150-250Hz. SPWRs treten insbesondere im NREM Schlaf (bzw. zumeist im SWS) sowie in ruhigen Wachphasen auf. SPWRs konnten mittlerweile in verschiedenen Spezies, u.a. auch beim Menschen, nachgewiesen werden und gelten heute als elektrophysiologisches Korrelat für Replay-Phänomene. Girardeau und Kollegen konnten 2009 zeigen, dass SPWRs (und somit hippocampale Reaktivierungen) eine kausale Rolle in der Schlaf-assoziierten Gedächtniskonsolidierung spielen. In ihrer Studie durften Ratten nach dem Erlernen einer visuell-räumlichen Gedächtnisaufgabe schlafen. Während des Schlafs nach dem Lernen wurden SPWRs in Echtzeit detektiert und mittels einer spezifischen Elektrostimulation selektiv unterdrückt. Diese SPWRs Suppression hatte zur Folge, dass im Vergleich zu entsprechenden Kontrollbedingungen, die Konsolidierung gestört wurde und somit die Abrufleistung der Tiere deutlich schlechter war als bei ungestört ablaufender Konsolidierung (keine SPWRs Suppression). Belege für hippocampale Reaktivierungsprozesse im Schlaf aus Studien am Menschen Nebst den angeführten Tierstudien, die es erlauben hippocampale Platzzellaktivität direkt mittels implantierter Tiefenelektroden aufzuzeichnen, werden hippocampale Reaktivierungserscheinungen bei Menschen üblicherweise auf einem höheren Abstraktionsniveau und weitaus weniger invasiv mittels bildgebender Verfahren ((M)EEG, fMRT, PET) erfasst. Exemplarisch sei hier eine wegweisende Studie von Peigneux et al. zu nennen. In dieser Studie wurde die regionale zerebrale Durchblutung als Schätzmaß für neuronale Aktivität mittels Positronen-Emissions-Tomographie (PET) erfasst während Probanden lernten durch eine virtuelle Stadt zu navigieren sowie während die Probanden im Anschluss an die Aufgabe schliefen. Es hat sich gezeigt, dass bei der Durchführung dieser Lernaufgabe während der Wachheit der Hippocampus aktiviert wurde und dass ebenjene Regionen im nachfolgenden Schlaf erneut verstärkt aktiv waren. Ferner konnten Peigneux et al. zeigen, dass die Stärke der hippocampalen Reaktivität im Schlaf positiv mit dem Ausmaß der Leistungsveränderung in der Gedächtnisaufgabe von vor zu nach dem Schlaf korrelierte. Probanden, welche eine besonders deutliche hippocampale Reaktivierung aufzeigten, zeigten auch die stärksten Leistungszuwächse. Gedächtnisreorganisation Der zweite Kernmechanismus der Hypothese einer aktiv im Schlaf stattfindenden Gedächtniskonsolidierung ist, dass neue Gedächtniseinträge im Schlaf einer strukturellen Reorganisation unterzogen werden. Hierbei wird angenommen, dass neue Erinnerungen durch einen hippocampalen-corticalen Informationstransfer graduell vom hippocampalen Gedächtnisbuffersystem in corticale Langzeitgedächtnissysteme transferiert werden. Die Erkenntnis, dass der Hippocampus eine wesentliche Gehirnstruktur für die initiale aber nur temporäre Speicherung einer neuen Gedächtnisspur spielt, stammt insbesondere aus Läsionsstudien. Schädigungen / Resektionen des Hippocampus führen oftmals zu einer graduell verlaufenden retrograden Amnesie. Das heißt, Ereignisse, welche lange vor der Schädigung / Entfernung des Hippocampus stattgefunden haben, können i.d.R. besser erinnert werden als sehr neue Gedächtniseinträge. Dies wird auch als Ribot’s Gesetz bezeichnet. Im Gegenzug konnte gezeigt werden, dass eine Störung des Informationstransfers vom Hippocampus zu extra-hippocampalen (z.B. corticalen) Regionen, bzw. Läsionen im medialen präfrontalen Cortex (mPFC), den langzeitlichen Gedächtnisaufbau verhindern oder gar bereits konsolidierte Gedächtniseinträge zerstören kann. Laut einem Modell von Frankland & Bontempi (2005) übernimmt der mPFC im Verlauf des Konsolidierungsprozesses die Aufgabe des Hippocampus hinsichtlich der Integration der verschiedenen an der Gedächtnisspur beteiligten corticalen Module. Demnach fungiert der mPFC als eine Art Hub, der die mittlerweile untereinander gut verknüpften corticalen Module ansteuern und über reziproke Verbindungen mit sensorischen, motorischen und limbischen Systemen verbinden kann. Der hippocampale-corticale Informationsaustausch während des Schlafs Man nimmt generell an, dass der Informationsfluss zwischen Cortex und Hippocampus während der Wachheit insbesondere in top-down Richtung stattfindet. Das heißt sensorische Eingangsinformationen werden primär von corticalen Arealen in Richtung (CA3-Region) Hippocampus verschaltet. Während der Wachheit liegt ein vergleichsweise hoher Acetylcholin Spiegel (ACh) im Hippocampus vor, welcher den Transfer vom Hippocampus zu extra-hippocampalen Regionen stark inhibiert. Auf diese Weise werden Feedbackschleifen temporär unterdrückt und das (hippocampale) Enkodieren neuer Information kann ohne interferierender Einflüsse bereits gespeicherter (corticaler) Informationen geschehen. Im (Tief-)schlaf ist der ACh-Spiegel dagegen auf ein Minimum reduziert und erlaubt somit einen hippocampalen-corticalen Informationstransfer von der CA3 Region (mittels dort ausgelöster Reaktivierungen) zu anderen Regionen und somit eine Systemkonsolidierung via eines hippocampalen-neocorticalen Dialoges. Sharp-Wave Ripples, Schlafspindeln und Langsame Oszillationen - Konzert der drei Tenöre Derzeit nimmt man an, dass der hippocampale-corticale Informationsaustausch im Schlaf mittels einer zeitlich sehr genau ausgerichteten Interaktion verschiedener elektrophysiologischer Muster realisiert wird. Nebst den bereits beschriebenen hippocampalen SPWRs, scheinen insbesondere Schlafspindeln und langsame Tiefschlafwellen hierbei eine Schlüsselrolle zu spielen. Schlafspindeln sind transiente (0.5-3s) Aktivitätsbursts mit einer Frequenz von ca. 11-16Hz, welche charakteristisch für Schlafstadium N2 sind, durchaus aber auch im Tiefschlaf auftreten. Generiert werden diese Feldpotentiale durch intrinsische Eigenschaften und Interaktionen von GABAergen Neuronen im Nukleus Reticularis des Thalamus und exzitatorischen thalamo-cortikalen Relaiszellen. Schlafspindeln kommt eine Schlüsselrolle in der schlafabhängigen Gedächtniskonsolidierung zu, da sie Langzeitpotenzierung und somit plastische Veränderungen in kortikalen Pyramidalzellen auslösen können. Spannender Weise konnte wiederholt gezeigt werden, dass Schlafspindeln und hippocampale SPWRs in einer sehr hohen zeitlichen Abstimmung auftreten. So treten Schlafspindeln nicht nur zeitlich überlagert mit SPWRs auf, vielmehr gruppieren Schlafspindeln SPWRs in ihre (vermutlich) exzitatorischen Phasen. Man nimmt derzeit somit an, dass Schlafspindeln das Auftreten, bzw. die Stärke von SPWRs (und somit hippocampaler Reaktivierungsprozesse) so takten, dass diese genau dann auftreten, wenn Schlafspindeln plastische Veränderungen in corticalen Neuronen auslösen können. Neben diesen eher mechanistischen / physiologischen Hinweisen, gibt es noch eine große Vielzahl an Studien, welche einen korrelativen Zusammenhang zwischen Schlafspindeln und der Konsolidierung frischer Gedächtnisinhalte im Schlaf nahelegen. So steigt beispielsweise die Auftretenshäufigkeit sowie die Intensität von Schlafspindeln in der Nacht nach dem Lernen von deklarativen Inhalten an, wobei dieser Anstieg positiv mit dem Ausmaß der Gedächtnisverbesserung über Nacht korreliert. Spindel-SPWR-Verschachtelungen scheinen demnach der elektrophysiologische Behälter zu sein, in welchen hippocampale Informationen in corticale Bereiche transferiert werden. Neben Schlafspindeln und hippocampalen SPWRs kommt den sog. langsamen Oszillationen oder Tiefschlafwellen, welche charakteristisch für Schlafstadium N3 sind, eine Kernrolle in der aktiven Systemkonsolidierung zu. Tiefschlafwellen haben beim Menschen eine durchschnittliche Frequenz von 0.8Hz und werden rein cortical generiert. Tiefschlafwellen sind sog. Wanderwellen, die sich von ihrem corticalen Ursprungsort in Richtung anderer Regionen, u.a. bis hin zum Hippocampus, ausbreiten können. Jede langsamen Oszillation besteht aus zwei Phasen. Einer Phase der Hyperpolarisation (“down-state”), in welcher corticale Neurone großteils inaktiv sind und einer Phase der Depolarisation (“up-state”), in welcher eine hohe Rate an corticaler Aktivität vorliegt. Langsamen Oszillationen beeinflussen nicht nur die Aktivität verschiedenster Frequenzbänder im Cortex, vielmehr üben sie über efferente Pfade (z.B. vom Neocortex über den enthorinalen Cortex zum Hippocampus) auch eine top-down Kontrolle auf thalamo-cortikale Schlafspindeln und hippocampale SPWRs aus. So ist die Aktivität von Schlafspindeln und SPWRs während der Hyperpolarisationsphase langsamer Oszillationen stark unterdrückt und während des corticalen “up-states" deutlich erhöht. Tiefschlafwellen dirigieren im Sinne eines Chorleiters den hippocampalen-corticalen Informationsaustausch demnach so, dass dieser genau dann stattfindet, wenn corticale Neurone (insbesondere jene, die am corticalen Engramm beteiligt sind) depolarisiert sind und folglich einen niedriger Schwellenwert für plastische Veränderungen vorliegt. Ähnlich wie die Aktivität von Schlafspindeln steigt auch die Amplitude der langsamen Oszillationen nach dem Lernen einer deklarativen Gedächtnisaufgabe im Vergleich zu einer Kontrollaufgabe an. In einer eigenen Studie konnten wir diese Befunde erweitern und zeigen, dass ein solcher Anstieg positiv mit der Gedächtnisveränderung über Nacht assoziiert ist. Versuchspersonen, welche die stärksten Zuwachsraten in der Amplitude von Tiefschlafwellen von einer Kontrollnacht zur Nacht nach dem Lernen einer Wortpaaraufgabe aufzeigten, zeigten auch den stärksten Leistungszuwachs über Nacht auf. Während dieser Zusammenhang sowohl für die Amplitude des up-states wie auch für jene des down-states gefunden wurde, zeigte sich, dass nur die Länge des up-states, nicht aber jene des down-states positiv mit der Leistungsveränderungen über Nacht korreliert. Das heißt, je länger das Zeitfenster für den hippocampalen-corticalen Informationstransfer geöffnet ist, desto effektiver kann der Konsolidierungsprozess ablaufen. Grafik Neben diesen korrelativen Befunden wurde zudem ein kausaler Effekt von Tiefschlafwellen auf die Gedächtniskonsolidierung im Schlaf berichtet. Zuerst waren es Marshall und Kollegen, die gezeigt haben, dass sich Tiefschlafwellen mittels transkranieller Elektrostimulation experimentell induzieren lassen. Die Elektrostimulation hat dabei nicht nur die Aktivität in den fokussierten langsamen Frequenzbändern erhöht, sondern auch die Aktivität im Frequenzband der Schlafspindeln. Hypothesenkonform hat die Stimulation auf Verhaltensebene eine verbesserte schlafabhängige Gedächtniskonsolidierung herbeigeführt. Ganz ähnliche Befunde konnte Ngo et al. (2013) mittels sog. auditorischer closed-loop Stimulation erzeugen. Dabei wird das EEG der Probanden in Echtzeit analysiert und sobald eine Hyperpolarisationsphase erkannt wird, wird von der Software etwa 0.5s später (und somit während des Vorliegen eines corticalen up-states) ein kurzes Klickgeräusch dargeboten. Auch auf diese Weise lassen sich Tiefschlafwellen (und parallel dazu Schlafspindeln) anstoßen und dadurch die positiven Effekte von Schlaf auf unser Gedächtnis steigern. 6. Manipulation der Gedächtniskonsolidierung im Schlaf Die berichteten Erkenntnisse über die Kernrolle von spontanen Gedächtnisreaktivierungsprozessen im Schlaf für die schlaf-assoziierte Gedächtniskonsolidierung haben vor einigen Jahren die Idee zum Vorschein gebracht, gezielt experimentell Gedächtnisreaktivierungen im Schlaf anzustoßen, um auf diese Weise die Konsolidierung der reaktivierten Inhalte zu fördern. In der Fachliteratur wird diese Manipulation als Target Memory Reactivation (TMR) bezeichnet. Grundlage dieser Idee sind Befunde u.a. aus unserem Labor in welchen gezeigt werden konnte, dass unser Gehirn selbst in tieferen Schlafstadien sensorische Information aufzeichnet und diese detailliert verarbeiten kann. Realisiert wird die experimentelle Induktion von Gedächtnisreaktivierungen im Schlaf mittels sog. Kontextreize. Kontextinformationen Godden und Baddeley konnten 1975 zeigen, dass Versuchspersonen eine bessere Abrufleistung in einer Gedächtnisaufgabe aufweisen, wenn Enkodieren und Abruf im selben Kontext stattgefunden hat. In ihrer Studie lernte eine Gruppe eine Gedächtnisaufgabe an Land, die andere mit Taucherausrüstung unter Wasser. Erfolgte der Abruf der Landgruppe an Land war ihre Abrufleistung besser, als wenn der Gedächtnisabruf unter Wasser stattfand. Bei der Tauchgruppe war genau das Gegenteil der Fall. Erfolgte der Abruf unter Wasser war die Leistung besser, als wenn der Gedächtnistest an Land durchgeführt wurde. Diese Befunde deuten darauf hin, dass wir neben der eigentlich zu enkodierenden Information implizit auch Informationen über den Kontext der Lernsituation mit abspeichern. Ist diese Kontextinformation beim Abruf zugänglich, scheint auch der Zugriff auf die damit verbundene Information erleichtert zu sein. Target Memory Reactivation TMR nutzt den skizzierten Umstand des kontextuellen Gedächtnis aus. Dabei wird bei TMR Protokollen die eigentlich zu erlernende Information gemeinsam mit einem bestimmten Kontextreiz dargeboten. Beispielsweise wird während des Lernens ein bestimmter Duft im Hintergrund präsentiert oder die einzelnen Informationen werden mit Tönen gepaart einstudiert. Im Schlaf nach dem Lernvorgang wird dann der gesetzte Kontextreiz erneut dargeboten. Durch die Darbietung der Kontextinformation soll die damit verknüpfte Gedächtnisspur im Schlaf dann reaktiviert und somit die Konsolidierung derselben verbessert werden. Mittlerweile gibt es tatsächlich eine gute Befundlage, dass TMR prinzipiell funktioniert. Begonnen hat alles mit einer Studie von Rasch und Kollegen aus dem Jahr 2007. In dieser Studie lernten Versuchspersonen vor dem Zubettgehen eine Art Memory-Spiel auswendig. Während des Lernens wurde ihnen gleichzeitig (als Kontextreiz) der Duft einer Rose über einen Olfaktometer dargeboten. Wurde dieser Duft im anschließenden SWS (Tiefschlaf) wieder dargeboten, führte dies zu einer deutlichen Steigerung der Gedächtnisleistung. Interessanter Weise zeigte sich in einer Reihe an Kontrollexperimenten, dass dieser Leistungszuwachs ausschließlich dann beobachtet werden konnte, wenn der Rosenduft, während dem Lernen & während des Tiefschlafs dargeboten wurde. Eine Darbietung des Rosendufts im Tiefschlaf allein, also ohne Darbietung des Dufts während des Lernens war hingegen nicht effektiv. Ebenso war der Effekt spezifisch für eine Darbietung im Tiefschlaf. Eine Darbietung während der Wachheit oder in anderen Schlafstadien hatte keinen Einfluss auf die Gedächtnisleistung der Probanden. Die Verwendung von Gerüchen als Kontextreiz hat den Vorteil, dass olfaktorische Reize im Schlaf kaum Weckreaktionen hervorrufen. Olfaktorische Reize werden nicht über den Thalamus (wie andere sensorische Informationen), sondern direkt an die entsprechenden Zielregionen (u.a. den Hippocampus) geleitet. Allerdings haben Gerüche auch einen entscheidenden Nachteil. Sie sind verhältnismäßig langsam / träge. So kann man in der Regel nur, ein ganzes Set an neu erlernten Informationen mit demselben Kontextreiz verbinden, nicht aber einzelne Gedächtnisspuren. Um der spannenden Frage nachzugehen, ob sich mittels TMR auch tatsächlich die Konsolidierung spezifischer (einzelner) Gedächtniseinträge beeinflussen lassen, haben Rudoy et al. (2009) transiente, akustische Reize mit dem zu lernenden Material gepaart. Dabei lernten Probanden Objekt-Lokationsassoziationen (50 Bilder sind einer bestimmtem Lokation auf einem Schachbrett zugeordnet). Bei der Präsentation eines jeden Bildes über der dazugehörigen Lokation wurde gleichzeitig ein dazugehöriges Geräusch dargeboten. Bei dem Bild einer Katze beispielsweise ein “Miau“- Ton, bei der Darbietung einer Teekanne hingegen ein Pfeifgeräusch etc. In einem anschließenden Mittagsschlaf wurden den Probanden die Geräusche von jeweils der Hälfte dieser Bilder im Schlaf wieder dargeboten um auf diese Weise die Reaktivierung / Konsolidierung dieser Items zu begünstigen. Die Probanden wachten durch die Präsentation der akustischen Reize nicht auf (wurde im EEG kontrolliert). Des Weiteren berichteten die Probanden auf Nachfrage nach dem Schlaf, dass sie die Stimulation nicht bemerkt haben. Wie vorhergesagt, zeigte sich, dass die Stimulation die Gedächtnisleistung für eben jene, im Schlaf wieder dargebotenen Reize, verbessert hat. Diese Befunde haben TMR natürlich schlagartig nicht nur innerhalb der Schlaf- und Gedächtnisforschung, sondern auch in populärwissenschaftlichen Medien zu einem “hot topic” katapultiert hat. Die Möglichkeit in eigentlich im verborgenen stattfindende Prozesse eingreifen zu können hat selbstverständlich den Traum nach der Möglichkeit neue Fähigkeiten im Schlaf zu erlernen befeuert. Bis dato wurde TMR allerdings für eher alltagsfremde Bereiche (wie dem oben erwähnten Memory-Spiel) verwendet. Schreiner und Rasch haben dann schließlich 2015 aufgezeigt, dass TMR sehr wohl auch dafür verwendet werden kann das Erlernen einer neuen Sprache zu fördern. Anstelle des zuvor verwendeten Memory-Spiels haben Schreiner’s Probanden vor dem Zubettgehen Dänisch-Deutsch Vokabeln einstudiert. Alle Teilnehmer waren der deutschen Sprache mächtig, hatten aber keine Dänisch Kenntnisse. Um Kontextreize zu kreieren, welche für die spätere TMR im Schlaf eingesetzt werden konnten, wurden den Teilnehmern die deutschen Wörter visuell dargeboten, die dänische Übersetzung hingegen via Lautsprecher präsentiert. Ähnlich wie bei den zuvor berichteten Studien wurden den Teilnehmern in der Nacht nach dem Lernen, genauer in den NREM Schlafphasen, die zuvor erlernten dänischen Wörter erneut vorgespielt. In Einklang mit vorherigen Studien konnten dadurch die Dänisch Kenntnisse der Probanden, im Vergleich zu einer Nacht ohne TMR, signifikant gesteigert werden. Löst TMR wirklich hippocampales Replay im Schlaf aus? Trotz der mehrfach replizierten Verhaltenseffekte ist es natürlich wichtig festzustellen, ob der TMR-Effekt tatsächlich auf einer Induktion von Gedächtnisreaktivierungen basiert. Und genau dies legen eine Reihe an Befunden nahe. Beispielsweise konnte man in Kernspin Studien zeigen, dass die Darbietung von Kontextreizen im Tiefschlaf eine hippocampale Aktivierung sowie eine erhöhte hippocampale-corticale Konnektivität hervorruft. In EEG-Studien konnte man zudem zeigen, dass die Präsentation von Kontextreizen genau jene elektrophysiologischen Muster aktiviert, welche wir im oberen Teil im Rahmen der Systemkonsolidierung besprochen haben. So konnte u.a. eine Zunahme der Aktivität langsamer Tiefschlafwellen und Schlafspindeln festgestellt werden. Zu guter Letzt konnten Fuentemilla et al. (2013) zeigen, dass TMR nur funktioniert so lange zumindest ein unilateral intakter Hippocampus vorliegt. Patienten mit bilateral geschädigten Hippocampi zeigen keinen TMR-Effekt. Diese Ergebnisse deuten demnach stark darauf hin, dass die erneute Darbietung eines zuvor enkodierten Kontextreizes im Schlaf hippocampale Strukturen (re-) aktiviert und auf diese Weise die Konsolidierung der getriggerten Einträge anstößt. 7. Hypnopädie - Traum oder Wirklichkeit? TMR kommt dem Traum des Lernens im Schlaf sicherlich schon sehr nahe, allerdings lassen sich auf diese Weise nur Gedächtnisinhalte beeinflussen, welche bereits zuvor während der Wachheit erfolgreich enkodiert wurden. “Once upon a time, […] there was a little boy called Reuben […]. [O]ne evening, by an oversight, his father [...] happened to leave the radio turned on […]. While the child was asleep, a broadcast program from London suddenly started to come through; and the next morning, [...] [l]ittle Reuben woke up repeating word for word a long lecture by that curious old writer, […]. The principle of sleep-teaching, or hypnopaedia, had been discovered.” (Huxley, 1932, p.19, ff.) Das Erlernen komplett neuer, komplexer Informationen im Schlaf ist seit je her der Traum vieler Menschen (insbesondere aller Schüler und Studenten). Gibt man die Begriffe “sleep learning” oder “hypnopedia” bei einer Suchmaschine wie Google ein, wird man unzählige Videos und andere Angebote finden, die einem suggerieren, dass es kaum etwas einfacheres gibt als von heute auf morgen z.B. Arabisch zu erlernen. Leider gab es bis vor wenigen Jahren keine wissenschaftlich haltbaren Befunde, dass Hypnopädie in irgendeiner Form möglich ist. Einen ersten fundierten Hinweis darauf, dass zumindest einfache konditionierte Reaktionen im Schlaf erlernt werden können, dass also tatsächlich komplett neue Gedächtnisspuren im Schlaf experimentell aufgebaut werden können, stammt von Arzi und Kollegen aus dem Jahr 2012. Hierbei wurde den teilnehmenden Probanden im Schlaf über einen Olfaktometer zwei verschiedene Gerüche präsentiert. Ein angenehmer Geruch (Shampoo) oder ein sehr unangenehmer Geruch (verrotteter Fisch). Gemessen wurde jeweils, wie tief ein Proband während der Geruchsdarbietung eingeatmet hat (“Sniff-Antwort”). Nicht sehr überraschend weiß man aus Vorstudien, dass man bei einer Geruchsdarbietung eine Sniff-Antwort zeigt und dass diese bei angenehmen Gerüchen stärker ausfällt als bei unangenehmen Gerüchen. Arzi und Kollegen haben die beiden Gerüche dann den Teilnehmern im Rahmen eines Konditionierungsparadigmas während der Nacht dargeboten. Dabei wurde jeweils vor der Geruchsdarbietung ein kurzer Ton abgespielt. Für den angenehmen Geruch Ton A, für den unangenehmen Geruch Ton B. In der Wachheit führt ein solches Protokoll dazu, dass man nach einigen Wiederholungen eine konditionierte Reaktion aufbaut. Ab diesem Zeitpunkt atmet man automatisch bei Darbietung des konditionierten Tones ein, auch wenn in Folge gar kein Geruch dargeboten wird. Es hat sich also eine Gedächtnisspur aufgebaut. Die Hypothese der Autoren war folgende. Wenn neue Informationen im Schlaf erlernt werden können, dann lässt sich eine differenzielle Sniff-Antwort auf angenehme und unangenehme Gerüche im Schlaf konditionieren. Tatsächlich zeigten die Teilnehmer auch im Schlaf eine stärkere Sniff-Antwort auf die angenehmen Gerüche. Weiters und das ist das eigentlich faszinierende, konnten die Teilnehmer im NREM und REM Schlaf erfolgreich konditioniert werden. Nach einigen Wiederholungen zeigten die Probanden im Schlaf auf die alleinige Darbietung von Ton A (ohne Geruchspräsentation) eine stärkere Sniff-Antwort als auf Ton B. Damit haben Arzi und Kollegen den Beweis dafür geliefert, dass Menschen im Schlaf Umgebungsinformationen aufnehmen und daraus komplett neue Gedächtnisspuren formen können. In einer weiteren Studie haben Arzi und Kollegen untersucht, ob die im Schlaf neu aufgebauten Erinnerungen nachfolgendes Verhalten während der Wachheit beeinflussen können. Hierfür haben sie Raucher, welche allesamt gewillt waren, sich das Rauchen zu entwöhnen, mit einem ähnlichen Konditionierungsprotokoll wie in der vorherigen Studie stimuliert. Dieses Mal wurde der Geruch von Zigarettenrauch mit unangenehmen Gerüchen wie verrottetem Fisch oder einer Ammoniumsulfidlösung gepaart. Eine Gruppe erfuhr die Konditionierung während der Wachheit, eine andere Gruppe durchlief das Protokoll, während sie schliefen. Verglichen die Autoren den durchschnittlichen Zigarettenkonsum sieben Tage vor im Vergleich zu nach der Konditionierung, stellte sich heraus, dass Probanden, welche im Schlaf konditioniert wurden eine fast doppelt so starke Reduktion ihres Zigarettenkonsum aufzeigten als Probanden der wachen Kontrollgruppe. Die Ergebnisse von Arzi und Kollegen sind zweifellos beeindruckend. Allerdings ist das Erlernen einer konditionierten Reaktion natürlich nicht mit der Komplexität des Erlernens einer neuen Sprache o.ä. zu vergleichen. Seit einer Studie von Züst und Kollegen aus dem Jahr 2019 kann allerdings neue Hoffnung geschöpft werden, dass auch komplexe Informationen wie Wortpaarassoziationen im Schlaf enkodiert werden können. Züst et al. hatten folgende Hypothese. Wenn die Wortdarbietungen im Schlaf zeitlich genauso getaktet dargeboten werden, dass jeweils das zweite Wort eines Wortpaares auf eine Depolarisationsphase einer langsamen Tiefschlafwelle trifft, in welcher wie beschrieben große Teile des Cortex aktiv sind und das Niveau für plastische Veränderungen vergleichsweise niedrig ist, könnte der Aufbau einer Wortpaar-Assoziation potenziell gelingen. Die Autoren kreierten 40 Wortpaare, welche jeweils aus einem Pseudowort und einer dazugehörigen deutschen “Übersetzung” bestanden, z.B. tofer-Haus. Die deutschen Wörter waren jeweils so gewählt, dass sie entweder deutlich kleiner als ein Schuhkarton waren (wie Euromünze) oder aber deutlich größer (wie Haus). Die einzelnen Wortpaare wurden dann im NREM Schlaf so präsentiert, dass das zweite Wort 1.075s nach dem ersten Wort präsentiert wurde. Die Idee dahinter ist, dass ein akustischer Reiz, hier das erste Wort eines Paares, oftmals eine isolierte langsame Tiefschlafwelle evoziiert, einen sog. K-Komplex. Ein K-Komplex startet wenige 100ms nach der akustischen Stimulation mit einer Hyperpolarisationsphase, welche von einer etwas längeren Depolarisationsphase gefolgt wird. Wartet man beispielsweise 1.075s nach Präsentation des ersten Wortes ab bevor das zweite Wort eines Paares präsentiert wird, hat man demnach eine erhöhte Wahrscheinlichkeit das zweite Wort während einer corticalen Depolarisationsphase darzubieten. Um zu überprüfen ob neue Wortpaarassoziationen im Schlaf aufgebaut werden konnten, wurde den Probanden nach dem Aufstehen jeweils das Pseudowort (z.B. tofer) dargeboten und sie hatten zu entscheiden, ob das dazugehörige deutsche Wort (hier Haus) größer oder kleiner als ein Schuhkarton ist. Können die Probanden diese Entscheidung signifikant besser als Zufallsniveau (50%) treffen, ist dies ein Nachweis dafür, dass implizit im Schlaf neue semantische Assoziationen gebildet wurden. Tatsächlich bestätigten die Studienergebnisse die Hypothesen der Autoren. Insgesamt waren die Studienteilnehmer nach dem Aufstehen in der Lage überzufällig viele Pseudowörter richtigerweise gemäß ihrer zugewiesenen Größe einordnen zu können. Ferner konnten die Autoren aufzeigen, dass richtig eingestufte Wortassoziationen öfter während eines corticalen up-state präsentiert wurden als falsch eingestufte Items. Ob und inwieweit diese Ergebnisse repliziert oder erweitert werden können bleibt abzuwarten. Ebenso bleibt offen, ob die Ausbildung erster Gedächtnisspuren im Schlaf einen Vorteil für nachgeschaltete Lernvorgänge während der Wachheit mit sich bringt. Wir sind gespannt auf die Zukunft! Literatur- und Quellenverzeichnis Kohlschütter, E., Messungen der Festigkeit des Schlafes. 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- Gelingende soziale Interaktionen
Das Potenzial neuronaler Plastizität gezielt nutzen, um effektiver zusammenzuarbeiten. Inhaltsverzeichnis 1. Wieso gelingende soziale Beziehungen wichtig sind 2. Die Macht der Empathie 3. Handeln wir rational? 4. Was passiert im Gehirn, wenn man unter Stress steht? 5. Unsere traumatisierte und resiliente Gesellschaft 6. Der konstruktive Umgang mit Konflikten 7. Fazit Literatur- & Quellenverzeichnis Gelingende soziale Interaktionen Das Potenzial neuronaler Plastizität gezielt nutzen, um effektiver zusammenzuarbeiten Gelingende soziale Interaktionen sind die Basis für produktive Zusammenarbeit. Welche Faktoren tragen zum Gelingen von soziale Interaktionen bei, welche Risiken sollte man kennen? Welche Interventionen kann man nutzen, um Stress zu reduzieren und Konflikte effektiv zu lösen? Erkenntnisse aus psychologischer und neurowissenschaftlicher Forschung bieten hier nützliche Einsichten. Sie zeigen, wie man das Potenzial neuronaler Plastizität gezielt nutzen kann, um harmonische und produktive Zusammenarbeit zu fördern. 1. Wieso gelingende soziale Beziehungen wichtig sind Was macht ein glückliches und gesundes Leben aus? Zu dieser Frage gibt es unzählige Antworten. Vielleicht ist es ein schöner Sonnenuntergang, ein gutes Essen oder ein gemütliches zu Hause. Auf diese Frage gibt es nicht die eine richtige Antwort. Und doch zeigt sich in der Forschung immer wieder, dass ein zentraler Faktor für Glück und Gesundheit gelingende soziale Beziehungen sind. Seit den Anfängen der Menschheit waren Menschen in Gruppen, Gemeinschaften und Gesellschaften organisiert. Durch Kooperation und gemeinsam errungene Fortschritte in Technik, Medizin und Wissenschaft gelingt es der Menschheit, sich erfolgreich an verschiedene Umgebungen anzupassen. Zahlreiche Forscher gehen davon aus, dass moderne Gesellschaften auf Kooperationen und gelingenden sozialen Beziehungen aufbauen. Aus der psychologischen Forschung wissen wir, dass das Gefühl von sozialer Verbundenheit glücklich macht, Stress reguliert und einen wesentlichen Beitrag zur mentalen und physischen Gesundheit leistet. Die positiven Effekte von gelingenden Beziehungen sind nicht nur im privaten Umfeld relevant, sie sind auch am Arbeitsplatz zentral. So zeigen Studien immer wieder, dass Menschen, die sich in ihrem Arbeitsumfeld wohl fühlen, produktiver und gesünder sind (Bogacz und Klimecki, 2017). Der Beitrag von gelingenden sozialen Beziehungen für ein gesundes Leben wird besonders deutlich, wenn man sich eine Metaanalyse von Holt-Lunstad und Kollegen aus dem Jahr 2010 ansieht. Eine Metaanalyse ist eine Analyse, bei der Forscher die Daten aus vielen Studien zusammenfassen, um zu testen, ob Effekte robust sind. Diese Metaanalyse fasste 148 Studien zu den Risikofaktoren für Sterblichkeit zusammen. Sie zeigt, dass gelingende Beziehungen einer der wichtigsten Prädiktoren für ein langes Leben sind. Umgekehrt kann man auch sagen, dass Einsamkeit einer der wichtigsten Risikofaktoren für einen früheren Tod ist. Damit liegt Einsamkeit zusammen mit anderen Risikofaktoren, wie Rauchen und exzessivem Alkoholkonsum ganz vorne und noch vor anderen Risikofaktoren, wie Bewegungsmangel oder Übergewicht. Bedeutsame soziale Beziehungen tragen also nicht nur zu Glück bei, sondern auch zu Gesundheit und damit zu einem längeren Leben. 2. Die Macht der Empathie „Empathie bringt uns zusammen, und zwar in einem ruhigen und friedlichen Zustand.“ Stephen Hawking Eine wesentliche Fähigkeit, die dazu beiträgt, dass Beziehungen zwischen Menschen gelingen, ist Empathie. Empathie ist die Fähigkeit, die Gefühle anderer Personen zu erkennen, ähnliche Gefühle zu empfinden und unsere Handlungen basierend auf dieser Information auszurichten. Diese Fähigkeit, die Gefühle anderer zu verstehen und zu teilen, wird ergänzt durch die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme. Perspektivenübernahme geschieht dann, wenn wir die Gedanken, Absichten und Vorlieben anderer Personen kognitiv verstehen. Aus der neurowissenschaftlichen Forschung wissen wir, dass bei Empathie und Perspektivenübernahme unterschiedliche Gehirnregionen aktiv sind (Klimecki & Singer, 2013). Aus der neurowissenschaftlichen Forschung wissen wir auch, dass bei Empathie zu einem Großteil die gleichen Gehirnregionen aktiviert werden, die auch beim eigenen Erleben dieser Gefühle aktiv sind (Klimecki und Singer, 2013). Konkret sind zum Beispiel sowohl beim direkten Empfinden von Schmerz, als auch bei Empathie für Schmerz, die anteriore Insula und der anteriore mittlere cinguläre Cortex aktiv. Die Insula ist ein Bereich des Gehirns, in dem nicht nur Schmerzsignale, sondern auch Körpersignale, wie zum Beispiel Hitze, Kälte, oder "Bauchgefühle", verarbeitet werden. Bei Empathie werden also die Gehirnareale reaktiviert, in denen körperliche Empfindungen abgespeichert sind - das Gefühl anderer wird quasi durch Simulation nachempfunden. Bei der Perspektivenübernahme hingegen sind kognitive Areale des Gehirns im Bereich der temporalen und frontalen Regionen beteiligt. Diese Regionen sind zentral dafür, dass die Gedanken anderer verstanden werden. Es handelt sich also bei Empathie (emotional) und Perspektivenübernahme (kognitiv) um zwei unterschiedliche Prozesse. Ein Beispiel kann das illustrieren: Ich bin in einem Café mit einer Freundin verabredet. Während ich warte, bekomme ich auf meinem Handy eine sehr witzige Nachricht geschickt. Ich beschließe, diese Nachricht unbedingt sofort mit meiner Freundin zu teilen, denn das wird sie sicher auch lustig finden. Das kann ich aufgrund von Perspektivenübernahme schließen, denn ich kenne ihren Sinn für (schwarzen) Humor. Als meine Freundin das Café betritt, sieht sie traurig aus. Bei ihrem Anblick nimmt auch mein Gesicht unmittelbar einen traurigen Ausdruck an. Parallel dazu werden in meinem Gehirn die Areale aktiv, die aktiv sind, wenn ich selbst traurig bin. Mein Gehirn simuliert bzw. reaktiviert also das Gefühl der Trauer. Das Gefühl der Trauer kann ich in meinem Körper spüren. Es schnürt mir fast die Kehle zu. Diese empathische Reaktion geschieht ganz schnell und automatisch. Natürlich werde ich jetzt nicht zur lustigen Nachricht auf dem Handy greifen und heiter rufen: “Schau mal, was ich eben für eine Nachricht bekommen habe. Ist das nicht irre lustig?“. Stattdessen drücke ich meine Freundin erst mal und frage: “Was ist passiert?“ Empathie ist also das Teilen von Gefühlen anderer Menschen. Empathie kann man für positive und negative Emotionen empfinden. Man kann sich mitfreuen, mittrauern und mitleiden. Wenn man empathisch auf das Leid anderer Menschen reagiert, kann das zu zwei Reaktionen führen: entweder zu empathischem Stress oder zu Mitgefühl (Klimecki und Singer, 2012). Wenn man zu stark mit anderen mitleidet, kann das empathischen Stress auslösen. Empathischer Stress geht einher mit negativen Gefühlen und dem Wunsch, sich aus der Situation zurückzuziehen. Dies ist auch sinnvoll, denn zu viel empathischer Stress kann regelrecht krank machen und zu Burnout führen (Klimecki und Singer, 2013). Dies ist für viele Berufe relevant. Gerade die aktuelle Pandemie hat aufgezeigt, wie sehr emotionale Belastungen an den Kräften des medizinischen Personals zehren. Auch in anderen Berufen gibt es viele Stressoren, die durch empathisches Mitleiden zu Burnout führen können. Vor allem zwischenmenschliche Konflikte lösen Stress aus. Das kann langfristig krank und unglücklich machen. Auf die Effekte von Stress und Konflikten gehe ich später näher ein. Lange Zeit galt die Maxime (und mancherorts gilt sie noch immer), dass man Stress abblocken soll, also das Leid anderer (und auch sein eigenes) am besten gar nicht erst an sich heranlassen sollte. Aus der Forschung weiß man mittlerweile allerdings, dass diese Methode genau das Gegenteil bewirkt. Menschen, die versuchen, Stressoren zu unterdrücken, haben stärkere körperliche Anzeichen von Stress, als Menschen, die Stress akzeptieren. In diesem Sinne ist Mitgefühl eine durchaus vielversprechende Alternative zu herkömmlichen Methoden der Stressregulation. Mitgefühl erlaubt es, mit dem Leid anderer in Kontakt zu sein, es nachzuspüren und auch zu einem gewissen Grad mitzuleiden. Zusätzlich zeichnet sich Mitgefühl (Englisch: "compassion") durch ein Gefühl von Fürsorge und Wohlwollen der leidenden Person gegenüber aus und durch den Wunsch, der leidenden Person zu helfen. Mitgefühl ist nicht unbedingt die erste, automatische Reaktion auf Leid. Es kann allerdings sinnvoll sein, Mitgefühl zu kultivieren, denn es fördert die Ressourcen der mitfühlenden Person und das Hilfeverhalten. Gerade weil Mitgefühl nicht unbedingt die erste spontane Reaktion auf das Leid anderer ist, ist es wichtig zu wissen, dass dieses Gefühl trainierbar ist - auch im Erwachsenenalter. Die Plastizität von Mitgefühl und Mitleid In meinen Studien habe ich gezeigt, dass meditationsbasierte Mitgefühlstrainings von wenigen Tagen zu einem Anstieg an positiven Gefühlen, wie Wärme und Wohlwollen, führen (Klimecki et al., 2013). Diese Effekte sind sogar bei einer Konfrontation mit stressigen Situationen präsent. Mitgefühlstraining führt darüber hinaus auch zu einer Veränderung von Gehirnfunktionen. Konkret kann Mitgefühlstraining die Aktivität von Gehirnarealen stärken, die für positive Gefühle, soziale Bindungen und das Erlernen neuer Fähigkeiten wichtig sind, wie das Striatum und der mittlere orbitofrontale Cortex. Diese Gehirnaktivität ist anders als die Aktivität, die Forscher normalerweise bei empathischem Mitleid beobachten – die anteriore Insula und der anteriore mittlere cinguläre Cortex. Emotionale Reaktionen auf Leid und die damit verbundenen Gehirnaktivitäten sind übrigens nicht nur in eine Richtung veränderbar. So habe ich in einer weiteren Studie gezeigt (Klimecki et al., 2014), dass schon eine Woche Training im empathischen Mitleiden dazu führt, dass Menschen mehr negative Gefühle empfinden, wenn sie mit dem Leid anderer konfrontiert sind. Darüber hinaus zeigt sich auch eine Verallgemeinerung dieser negativen Gefühle auf Alltagssituationen – das Mitleid führt also zu einem allgemeinen Anstieg negativer Gefühle, unabhängig von der Situation. Dies spiegelt sich auch darin wider, dass schon nach einem kurzen Mitleidstraining die Aktivität in Gehirnregionen ansteigt, die charakteristisch für empathisches Mitleid sind – also die Insula und der anteriore cinguläre Cortex. Die starken negativen Gefühle nach dem Mitleidstraining können übrigens durch ein anschließendes Mitgefühlstraining wieder auf das Ausgangsniveau gebracht werden. Wie erwartet erhöht auch hier das Mitgefühlstraining positive Emotionen und damit verbundene Aktivierungen im Striatum und im mittleren orbitofrontalen Cortex. Diese beiden Gehirnregionen sind wichtig für positive Emotionen und ein Gefühl der Verbundenheit. Die wichtigsten Botschaften aus dieser Forschung sind: Erstens, man kann sich auch als Erwachsener verändern. Das gilt sowohl für die Reaktion auf das Leid anderer, als auch für andere Aspekte, wie zum Beispiel die Persönlichkeit (ja, sogar Persönlichkeit lässt sich verändern). Zweitens macht es einen Unterschied, wie man auf das Leid anderer reagiert. Man kann empathisch mitleiden, was mit starken negativen Emotionen einhergeht und mittelfristig das Risiko für Burnout erhöht. Man kann auch Mitgefühl empfinden. Hierbei spürt man mit dem Leid anderer mit und hat zusätzlich Gefühle von Wohlwollen und Fürsorge. Mit den erhöhten Gefühlen von Wohlwollen steigt auch die Aktivität in den dafür relevanten Gehirnregionen. Diese Form von Empathie für Leid stärkt die Resilienz, also die Fähigkeit unbeschadet durch Krisen zu kommen. Mitgefühl hilft aber nicht nur der mitfühlenden Person - es hat auch einen Einfluss auf das Hilfeverhalten. Die Effekte von Mitgefühlstraining auf soziales Verhalten Empathie und Mitgefühl spielen eine zentrale Rolle bei sozialem Verhalten (Klimecki, 2019). So weiß man aus der psychologischen Forschung mittlerweile ganz gut, dass Empathie und Mitgefühl mit Hilfeverhalten zusammenhängen. Wenn man Empathie auslöst, zum Beispiel durch kurze Filme, steigert das altruistisches Verhalten (Klimecki et al., 2016a). Je mehr Empathie ausgelöst wird, desto höher ist übrigens das Hilfeverhalten. Kein Wunder also, dass Organisationen, die auf Spenden angewiesen sind, Werbematerial verwenden, das Empathie auslöst. Auch empathisches Mitleid regt manchmal Hilfeverhalten an (nämlich, dann, wenn man damit sein eigenes Leid lindern kann). Ob man durch ein gezieltes Trainieren von Mitgefühl altruistisches Verhalten steigern kann, haben wir vor einigen Jahren mit einem Computerspiel getestet, bei dem Spieler einer unbekannten Person helfen können (Leiberg et al., 2011). Die Hälfte der Teilnehmer dieser Studie nahm an einem Meditationstraining zu Mitgefühl teil, die andere Hälfte der Teilnehmer an einem Gedächtnistraining. Wir testeten vor und nach dem Training das altruistische Verhalten im Computerspiel. Die Ergebnisse zeigen, dass Mitgefühlstraining, nicht aber Gedächtnistraining, zu einem Anstieg des Hilfeverhaltens führt. Zudem zeigen die Daten, dass das altruistische Verhalten umso mehr ansteigt, je mehr Teilnehmer Mitgefühlsmeditation üben. Diese erste Studie zu den Effekten von Mitgefühlstraining auf Hilfeverhalten wurde mehrfach in anderen Laboren und mit anderen Methoden repliziert. Mittlerweile zeigen Metaanalysen, dass Meditationstraining zu mehr Hilfeverhalten und zu weniger aggressivem Verhalten führt (z.B. Donald et al., 2019). Das ist vielversprechend. Parallel zu den Studien zu Meditationseffekten auf zwischenmenschliches Verhalten gibt es zunehmend Studien, die testen, wie sich Meditationstraining auf Beziehungen zwischen Gruppen auswirkt. Darauf gehe ich später näher ein. Zusammenfassend kann man festhalten, dass verschiedene Reaktionen auf Leid – also Mitgefühl oder Mitleid – starke Auswirkungen auf das eigene Wohlbefinden und das Verhalten gegenüber anderen haben. Um handlungsfähig zu bleiben ist es wichtig, zunächst einmal die eigenen Ressourcen zu stärken. Es ist mit dem Mitgefühl ein wenig so wie mit dem Sauerstoff bei einem Notfall im Flugzeug: um anderen helfen zu können, ist es wichtig, dass man zuerst dafür sorgt, dass die eigene Sauerstoffzufuhr gesichert ist. In diesem Fall ist der Sauerstoff Mitgefühl, da es hilft, Ressourcen zu stärken und Resilienz aufzubauen. Erst im nächsten Schritt kümmert man sich um die Sauerstoffzufuhr anderer (= Hilfeverhalten). Mitleid und Mitgefühl sind also zwei Gefühle, die Handlungen beeinflussen. Sie bilden hierbei allerdings keine Ausnahme. Emotionen sind fast immer ein wesentlicher Motor für Handlungen. 3. Handeln wir rational? “Probleme, bei denen viel auf dem Spiel steht, gehen höchstwahrscheinlich mit starken Emotionen und starken Handlungsimpulsen einher.“ (Daniel Kahneman, 2011) Auch wenn man sich vielleicht wünschen würde, bei wichtigen Entscheidungen rational zu handeln – die Wahrscheinlichkeit hierfür ist gering. Laut Daniel Kahneman (2011) hat das menschliche Gehirn zwei Gangarten, in denen es operiert: zum einen schnell und intuitiv und zum anderen langsam und reflektiert. Das ist auch gut so, denn der schnelle Mechanismus kann in Sekundenschnelle vor Gefahren schützen. Vielleicht ist Ihnen das auch schon passiert: Sie gehen im Wald spazieren und plötzlich schrecken Sie vor etwas zurück. Ihr Körper reagiert mit einer deutlichen schutzsuchenden Bewegung, bevor Sie überhaupt bewusst wahrnehmen können, um was es sich handelt. Erst nachdem Sie sich wegbewegt haben, nehmen Sie wahr, dass dort wo Sie eben noch gestanden haben, eine Schlange ist. Was ist passiert? Der Anblick dessen, was sich später als Schlange herausstellt, ist durch ihren Thalamus geleitet worden. Der Thalamus ist eine Region die tief im Gehirn liegt und die wir Menschen evolutionsbiologisch mit sehr vielen andere Lebewesen teilen. Vom Thalamus wird die Information aus Ihren Augen zum einen an den visuellen Cortex weitergeleitet, also den hinteren Teil des Gehirns, der ganz genau verarbeitet, was die Augen wahrnehmen. Von dort wird die Information zu den frontalen (vorderen) Teilen des Gehirns weitergeleitet. Dort wird das Gesehene bewusst wahrgenommen und interpretiert. Parallel, und viel schneller, ist das Signal, dass es sich hierbei um etwas Gefährliches handeln könnte, vom Thalamus an die benachbarte Amygdala geleitet worden, und von dort aus an Ihre Muskeln und Ihre inneren Organe. Dieses schnelle Signal führt dazu, dass das Stresshormon Cortisol ausgeschüttet wird. Energie wird aus dem Verdauungstrakt abgezogen und in die Muskeln gelenkt (zum Wegrennen). Die Pupillen werden erweitert (für besseres Sehen) und die Atmung wird schneller (für eine bessere Sauerstoffzufuhr). Bevor also die bewusste Wahrnehmung der Schlange überhaupt in den vorderen Teilen des Gehirns stattfinden konnte, hat Ihr Körper Sie in Sicherheit gebracht. Das Gehirn ist also optimiert darauf, relevante Ereignisse mithilfe des Thalamus und der Amygdala schnell und effizient zu verarbeiten. Ist das nicht wunderbar? Übrigens verarbeitet die Amygdala nicht nur unangenehme und potenziell gefährliche Ereignisse mit hoher Priorität, sondern auch Ereignisse, die angenehm sind (Sander et al., 2003). Vielleicht kennen Sie solche oder so ähnliche schnelle Reaktionen Ihres Körpers auch beim Autofahren, oder wenn Sie sich vor herabfallenden Gegenständen (bei mir oft aus dem Küchenschrank) wegducken. Diese schnellen, emotionalen Reaktionen sind nicht nur bei physischen Gefahren präsent, dieses System ist fester Bestandteil des menschlichen Gehirns. Das bedeutet, dass das Warnsystem des Gehirns auch in sozialen Situationen aktiviert werden kann. Es kann also sein, dass Sie ein Meeting betreten und instinktiv (d.h. basierend auf dem schnellen Verarbeitungsweg) eine Abwehr- oder Angriffshaltung einnehmen. Dieser instinktive Weg ist nicht immer falsch. Er basiert auf den gespeicherten Erfahrungen und der schnellen Integration von körperlichen Signalen. Manchmal ist es jedoch wichtig, die erste, instinktive Handlung zu korrigieren. Nicht immer wird es sich im Wald oder im Meeting um eine Schlange handeln und nicht immer ist Angriff oder Abwehr in sozialen Situationen die beste Wahl. 4. Was passiert im Gehirn, wenn man unter Stress steht? Aus neurowissenschaftlicher Forschung weiß man also, dass Stress nützlich ist, um schnelle körperliche Reaktionen in Gang zu setzten. Problematisch wird es jedoch, wenn das Stresssystem auf Dauer aktiviert ist, oder in den falschen (sozialen) Situationen zu starken Reaktionen von Angriff, Flucht, oder Abwehr führt. Unter den täglichen Stressoren sind zwischenmenschliche Probleme das häufigste Problem. Was ja auch Sinn ergibt, denn gelingende Beziehungen zu anderen Menschen sind zentral für ein glückliches, gesundes und langes Leben. Die Arbeitswelt bildet im Bezug auf Stress keine Ausnahme: Der größte Stressor am Arbeitsplatz sind zwischenmenschliche Konflikte. Solche Konflikte führen nicht nur zu einer schlechteren Arbeitsleistung, sie sind oft die Ursache für psychische und körperliche Krankheiten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit fallen Ihnen Beispiele in der Arbeitswelt ein, bei denen es zu (eigentlich unnötigen) Konflikten kommt. Ich möchte Sie bitten, sich einen dieser zwischenmenschlichen Konflikte am Arbeitsplatz kurz konkret vorzustellen. Wer sind die beteiligten Personen? Was für Gefühle sind vorhanden? Welches Verhalten ist präsent? Taucht dieser Stressor immer wieder auf? Kehren wir zurück zur Wissenschaft. Was passiert im Gehirn, wenn man dauerhaft gestresst ist? Ein 2009 erschienener Übersichtsartikel der US-amerikanischen Neurowissenschaftlerin Amy Arnsten von der Yale Universität gibt hier wertvolle Einblicke. Arnsten beschreibt hierin, wie selbst milder chronischer Stress zu einem schnellen und dramatischen Rückgang an kognitiven Fähigkeiten im präfrontalen Cortex führt. Der präfrontale Cortex ist so wichtig, weil er zentrale Funktionen der Handlungssteuerung hat. Konkret sind unter Stress präfrontale Gehirnfunktionen eingeschränkt, die Emotionen regulieren, unangemessene Handlungen unterdrücken, und die Aufmerksamkeit lenken. Anstelle kontrollierter, bedachter Handlungen, springt nun das von der Amygdala gesteuerte schnelle System für Angriff, Abwehr und Flucht an. Dieses System beruht auf emotionalen Gewohnheiten und erlernten Assoziationen. Nicht nur im privaten Umfeld, auch am Arbeitsplatz kann sich das zum Beispiel in unkontrollierten Wutausbrüchen mit Schreien und Heulen äußern, in abfälligen Kommentaren („Du bist nicht gut genug.“) oder in Burnout, Rückzug oder Kündigungen. Habe ich alles schon erlebt (und Sie vielleicht auch?). Die Auswirkung des präfrontalen Cortex auf Racheverhalten Arnstens Übersichtsartikel basiert größtenteils auf Einsichten aus Tierstudien. Vor ein paar Jahren habe ich Studien durchgeführt, um besser zu verstehen, wie Gehirnfunktionen und Sozialverhalten bei Menschen zusammen hängen (Klimecki et al., 2016b; 2018). Dieses Mal wollte ich im Labor jedoch nicht Hilfeverhalten testen, sondern untersuchen, wie sich die Provokation von Wut auf das (anti)soziale Verhalten von Menschen auswirkt. Ich wollte im Labor Einsichten über Konfliktverhalten und deren neuronale Grundlagen gewinnen. Um die Gehirnaktivität von Probanden zu messen, arbeite ich mit funktioneller Magnetresonanztomografie. Während dieser Messung liegen Probanden in einem engen Scanner. Da ist es schwierig, Alltagskonflikte am Arbeitsplatz zu verwenden. Also konzipierte ich ein Computerspiel, bei dem es um die Verteilung von Geld zwischen Mitspielern geht. In einer Runde des Spiels werden alle Probanden mit einem fairen und einem unfairen Spieler konfrontiert. Der faire Spieler wählt stets Verteilungen, bei denen der Gewinn aller Mitspieler (also auch des Probanden) maximiert wird. Der unfaire Spieler wählt immer Verteilungen, bei denen der Proband möglichst wenig oder gar nichts bekommt. Zudem sendet der faire Spieler dem Probanden nette Botschaften, während der unfaire Spieler unfreundliche Botschaften sendet. Diese Manipulation löst bei den Probanden zuverlässig Wut aus. Sie führt auch dazu, dass Probanden sich in der nächsten Runde des Spiels am unfairen Spieler rächen, indem sie unfaire Geldverteilungen und fiese Botschaften wählen. Zwei Resultate aus diesen Studien sind wichtig. Erstens zeigt sich, dass Probanden, die im Alltag mehr Mitgefühl und Perspektivenübernahme praktizieren und weniger empathischen Stress durch Mitleid empfinden, den unfairen Spieler weniger bestrafen. Zweitens zeigt sich auf der Ebene der Gehirnaktivität, dass die Probanden, die während der Provokation durch den unfairen Spieler eine höhere Aktivität im dorsolateralen präfrontalen Cortex haben, den unfairen Spieler später weniger bestrafen. Mit anderen Worten: wenn die Region im präfrontalen Cortex, die für Emotionsregulation relevant ist, während der Provokationsphase aktiver ist, rächen sich Menschen später weniger. Es lohnt sich also, die Aktivität der präfrontalen Cortex durch Stressreduktion so gut wie möglich zu erhalten. Wie beeinflusst Stress das Sozialverhalten? Mich hat auch interessiert, wie sich Stress auf das (un)soziale Verhalten von Menschen auswirkt. Um dies zu testen, habe ich mit meinem Team Probanden in das Labor eingeladen und sie das oben beschriebene Spiel mit dem fairen und unfairen anderen Mitspieler spielen lassen (Deza-Araujo et al., 2021). Vor dem Spiel wurde die Hälfte der Probanden von uns kurz gestresst, die andere Hälfte nicht. Konkret sah das so aus, dass die gestressten Probanden eine Hand in kaltes Wasser tauchten, während wir sie filmten und ein streng drein schauender Experimentator sie beobachtete. Wir sagten den Probanden, dass wir den Film später einem Evaluationskomitee vorlegen würden. (Erst nach dem Experiment haben wir die Probanden darüber aufgeklärt, dass wir die Filmaufnahme natürlich umgehend gelöscht hatten.) Diese Prozedur mit kaltem Wasser, Filmaufnahme und strengem Experimentator dauert drei Minuten, wobei Probanden die Hand aus dem Wasser nehmen können, wann sie wollen. Aus der Forschung weiß man nämlich, dass allein schon von anderen beobachtet zu werden, ein sehr starker sozialer Stressor ist. Wie Sie vielleicht schon gehört haben, haben die meisten Menschen mehr Angst davor, einen öffentlichen Vortrag zu geben, als zu sterben. Doch zurück zum Experiment: die nicht gestressten Probanden wurden gebeten, ihre Hand drei Minuten lang in lauwarmes Wasser zu halten. Sie wurden nicht gefilmt und niemand war während dieser drei Minuten im Raum anwesend. Um den Effekt der Stressmanipulation zu messen, haben wir anhand von regelmäßigen Speichelproben die Cortisolwerte der Probanden erhoben. Cortisol ist das Stresshormon, das wesentlich für die schnellen körperlichen Reaktionen bei Flucht und Angriff verantwortlich ist. Wie erwartet zeigen Probanden in der Stressbedingung erhöhte Cortisolwerte im Vergleich zu den nicht gestressten Probanden. Im Anschluss an diese Manipulation spielten alle Probanden das oben beschriebene Computerspiel, bei dem es um die Verteilung von Geld mit fairen und unfairen Mitspielern geht. Wie erwartet, bestraften die gestressten Probanden den unfairen Spieler im Vergleich zu den nicht gestressten Probanden viel stärker. Dabei sagte der durch den Stressor hervorgerufene Anstieg an Cortisolwerten im Speichel vorher, wie stark Probanden später den unfairen Spieler bestraften. Je mehr Cortisol durch den Stressor ausgeschüttet wurde, desto stärker fiel die Bestrafung aus! Bezogen auf soziale Interaktionen außerhalb des Labors bedeuten diese Ergebnisse, dass auch Stressoren, die nichts mit einer konkreten sozialen Interaktion zu tun haben, das spätere Sozialverhalten beeinflussen können. Es kann also sein, dass ein Mitarbeiter, der nach einem Vortrag gestresst ist, anschließend einem ungeliebten Kollegen so richtig eins reinwürgt. Umgekehrt wird ein Mitarbeiter, der den Vortrag gelassen nimmt, das schwierige Verhalten seiner Kollegen wahrscheinlich milde weglächeln. Schlafentzug ist auch Stress Ein möglichst stressfreies Umfeld zu gestalten, kann sich also für Firmen lohnen. Nicht zuletzt in dem Wissen, dass Menschen für gewöhnlich ohnehin (zu) vielen Stressoren ausgesetzt sind. Nehmen wir einmal das Beispiel von jungen Eltern. Eine Freundin von mir hat als Mantra eine Postkarte, auf der steht: “Kleinkinder haben ist wie ein Festival: Lärm, Schlafentzug und ständig kotzt einer.“ Weil ich diese Form von massivem Schlafentzug als junge Mutter aus erster Hand kenne, haben wir getestet, welche Effekte Schlafentzug auf das Cortisollevel von Paaren hat, wenn diese sich streiten (Cernadas Curotto et al., 2021). Paare, die an unserer Studie teilgenommen haben, wurden zufällig einer von zwei Gruppen zugeteilt: entweder der Gruppe mit einer Nacht komplettem Schlafentzug, oder der Gruppe, die ganz normal eine Nacht zu Hause schlafen durfte. Am nächsten Morgen gaben wir den Paaren ein Frühstück, nahmen regelmäßig Speichelproben, um die Cortisolwerte zu messen, erfassten die Stimmung, und ließen die Paare im Labor streiten. Aus früheren Forschungsarbeiten weiß man nämlich, dass Streiten im Labor fast so gut wie zu Hause funktioniert. Auch in unseren Studien scheinen Paare nach ein paar Minuten zu vergessen, dass sie im Labor sind und streiten sich recht ungehemmt über sehr persönliche Themen. In diesem Experiment fanden wir heraus, dass die Paare, die unter Schlafentzug litten, eine höhere Cortisolreaktion auf den Streit zeigen, als die Paare, die normal geschlafen hatten. Je größer dieser Cortisolanstieg war, desto unzufriedener waren Paare mit Schlafentzug tendenziell mit dem Streitgespräch. Zudem berichteten Paare, die nicht geschlafen hatten, weniger positive Emotionen als Paare, die normal geschlafen hatten. Positive Emotionen sind für soziale Interaktionen, aber auch für Gesundheit und Kreativität ganz zentral. Dazu folgt später mehr. Zusammengefasst zeigt sich, dass auch nur eine schlaflose Nacht dazu führt, dass Stressreaktionen ansteigen, die Zufriedenheit mit Streitgesprächen sinkt und positive Emotionen abnehmen. Aus praktischen und vor allem ethischen Gründen haben wir in dieser Studie mit nur einer Nacht komplettem Schlafentzug gearbeitet. Junge Eltern wissen aus eigener Erfahrung, wie viel heftiger die Folgen von realem Schlafentzug über Wochen, Monate, oder gar Jahre sein können. Stress lass nach… Wenn man also optimale Grundlagen dafür schaffen möchte, dass soziale Interaktionen, sei es Verhandlungen, oder auch Partnerschaften, so richtig in die Hose gehen, scheint es durchaus sinnvoll sein, andere maximal zu stressen und dem anderen so wenig Schlaf wie möglich zu gönnen. Ich habe sogar Manager getroffen, die solche Maßnahmen gezielt vor Verhandlungen einsetzten, um andere zu zermürben. Aber mal im Ernst: würden Sie mit jemandem, der Sie absichtlich stresst, gerne dauerhaft zusammen arbeiten oder gar zusammen leben wollen? Ich jedenfalls nicht. Umgekehrt haben Sie vielleicht auch schon einmal das Potenzial dessen erlebt, was möglich ist, wenn Stress abgebaut wird und andere Ihren Schlaf achten. Ein guter Freund von mir, der ein international angesehener Mediator ist, macht es sich zur obersten Priorität, dass die Parteien nach Möglichkeit ausgeschlafen zur ersten Sitzung kommen. Er wählt die Orte für die Mediationen so aus, dass ein möglichst stressfreies äußeres Umfeld geschaffen wird, zum Beispiel durch ein ruhiges Hotel inmitten der Natur. Zusätzlich nutzt er seine freundliche und ruhige Präsenz, um eine Atmosphäre des Vertrauens und der Zuversicht zu schaffen. Denn was für die äußere Umgebung gilt, gilt auch für die Kommunikation. Aus der Forschung wissen wir, dass „blaming and shaming“ (also Schuldzuweisungen und die Beschämung anderer) dazu beitragen, dass Konflikte eskalieren (Halperin, 2016). Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn Schuldzuweisungen und die Botschaft, dass jemand ein schlechter Mensch ist, führen im Gehirn zu Stress, was wiederum den Reflex für Angriff oder Flucht auslöst. Wie viel produktiver ist es da, wenn man Gefühle von Zusammenhalt, Optimismus, und Hoffnung verbreitet? Zum Beispiel in dem man vermittelt, wie sehr man das Gegenüber im Grundsatz und wegen konkreter Stärken schätzt und dann konkrete eigene Bedürfnisse anspricht. Laut psychologischer Forschung sind Botschaften, die Hoffnung, positive Emotionen und Gefühle von Zugehörigkeit stärken, beste Voraussetzungen für gelingende soziale Interaktionen. Stressoren gibt es nämlich schon genug in der Welt. 5. Unsere traumatisierte und resiliente Gesellschaft Mein Blick auf die Welt (und damit meine ich vor allem auf andere Menschen, die ich nicht kenne, zum Beispiel die Teilnehmer meiner Kurse) hat sich vor ein paar Jahren grundlegend gewandelt. Nämlich als ich verstanden habe, dass wir in einer durch und durch traumatisierten Gesellschaft leben. Trauma wird definiert als Erfahrung, die so belastend ist, dass sich Betroffene hilflos, verängstigt, überwältigt oder zutiefst unsicher fühlen. Trauma ist keine exotische Erfahrung, die nur wenige Menschen machen, es ist weit verbreitet. Ein Übersichtsartikel aus den USA zeigt, dass ca. 90 % der US-Bevölkerung traumatisiert sind (Kilpatrick et al., 2013). Manche Forscher (und dazu gehöre ich auch) gehen sogar davon aus, dass eigentlich alle Menschen traumatisiert sind und die meisten sogar mehrfach. Nehmen wir als Beispiel für traumatische Erfahrungen die Covid-19 Pandemie. Diese Pandemie stellt jeden Menschen auf diesem Planeten ständig vor neue Herausforderungen. Diese Herausforderungen zeigen sich zum Beispiel als Einsamkeit oder Krankheit, als Verlust von geliebten Menschen, als Spaltung der Gesellschaft, als Einschränkungen im sozialen und öffentlichen Leben, oder in der Bedrohung von wirtschaftlichen Existenzen. Nicht bei allen Menschen, die von einem Ereignis überwältigt (d.h. traumatisiert) sind, hat dies spürbare Auswirkungen auf den Alltag. Das ist eigentlich ein erstaunlich gutes Zeichen und deutet darauf hin, dass Menschen ziemlich robust sind. Es wird davon ausgegangen, dass ca. 8-20 % der traumatisierten Menschen posttraumatische Belastungsstörung entwickeln (Kilpatrick et al., 2013). Posttraumatische Belastungsstörungen zeichnen sich durch wiederkehrende Erinnerungen und Angstträume, durch vermeidendes Verhalten und eine emotionale Stumpfheit gegenüber der anderen Menschen und der Umgebung aus. Besonders häufige Zeichen von posttraumatischen Belastungsstörungen sind Schlafstörungen, Reizbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, erhöhte Wachsamkeit oder ausgeprägte Schreckhaftigkeit. Dies alles sind Symptome von zu viel Stress im Körper (und zu wenig Aktivität des präfrontalen Cortex). Die Auslöser von traumatischen Erfahrungen können vielfältig sein. Es muss sich dabei nicht unbedingt um Naturkatastrophen, schwere Unfälle, Pandemien, oder ernsthafte physische, sexuelle, oder psychische Gewalt handeln. Auch Formen der Diskriminierung und der strukturellen Unterdrückung können traumatisch sein. Konkret bedeutet das, dass auch Diskriminierungen, fehlende Integration und noch so “kleine“ unangemessene Kommentare traumatisch sein können. Die kanadische Psychotherapeutin und Professorin Monnica Williams zeigte in ihren Studien, dass die Anhäufung von diskriminierenden Stressfaktoren (dazu gehören z.B. intergenerationelle Traumata und Mikroaggressionen) zur Entwicklung von post-traumatischen Belastungsstörungen führen können (Williams et al., 2021). Im Englischen gibt es dafür einen Ausdruck “Death by a thousand paper cuts“. Ein einzelner Papierschnitt mag nicht schlimm sein, aber wenn die Papierschnitte sich häufen, kann dies bedrohlich werden. Beziehen wir die Erkenntnis, dass wir wahrscheinlich alle mehrfach traumatisiert sind (ich zähle jedenfalls dazu), auf Konflikte am Arbeitsplatz. Der Traumaexperte Thomas Hübl sagte neulich sinngemäß: wenn am Arbeitsplatz Konflikte aufbrechen, dann sind das nicht einfach nur Konflikte am Arbeitsplatz. Man kann sich das vielmehr so vorstellen, dass jeder seine Lunchbox an Traumata mitbringt und dann haben alle zusammen Lunch (also Konflikte). Trotz des theoretischen Wissens um die enorme Verbreitung von Traumata, geht es mir jedes Mal unter die Haut, wenn ich ganz konkret erfahre, wie traumatisiert Menschen sind, denen ich begegne. Die Statistiken zu kennen und die konkrete Verletztheit meines Gegenübers zu spüren, haben mich tief bewegt. Das hat bei mir dazu geführt, dass ich mir bei jeder Person und Gruppe, mit der ich arbeite, vergegenwärtige, dass dort wahrscheinlich ganz viele (unbewusste) Traumata sind. Das motiviert mich, besonders achtsam und sorgfältig mit meinem Gegenüber umzugehen und nach bester Möglichkeit, eine Atmosphäre der Sicherheit zu schaffen. Zu einer solchen Atmosphäre gehört die Reduktion von Stressoren, sowie das gezielte Fördern von Empathie, Mitgefühl und positiven Emotionen, wie Freude, Zugehörigkeit und Zufriedenheit. 6. Der konstruktive Umgang mit Konflikten “Frieden ist nicht die Abwesenheit von Konflikten, sondern die Fähigkeit, Konflikte mit friedlichen Mitteln zu bewältigen“ Ronald Reagan(1982) Wenn es darum geht, gelingende soziale Interaktionen zu fördern, stehen zahlreiche Interventionen zur Verfügung. Ratgeber zu dem Thema gibt es jedenfalls viele. Die wenigsten der empfohlenen Interventionen sind allerdings wissenschaftlich getestet. Selbst bei den getesteten Interventionen ist die Datenlage oft erschreckend dünn. Meist beruhen die Strategien, die zur Lösung von Konflikten zur Anwendung kommen, auf Erfahrungen. Das ist im Kontext von internationalen Konflikten, bei denen die Vereinten Nationen einschreiten, nicht anders, als bei Streitigkeiten in der Geschäftswelt. Erfahrungen sind unglaublich wertvoll. Gleichzeitig zeigt sich in der Praxis, dass die Empfehlungen nicht immer so funktionieren, wie man sich das erhoffen würde. Was nötig ist, sind rigorose wissenschaftliche Studien, die testen, wann welche Interventionen sinnvoll sind. Um dazu beizutragen, diese Lücke zu schließen, untersuche ich mit meinem Team seit 2015 den kausalen Einfluss von Interventionen auf soziale Interaktionen. Um Aussagen über die Wirkung und die Wirkmechanismen zu treffen, nutzen wir die gleichen strengen Versuchsanordnungen, die in der medizinischen Forschung beim Testen und Zulassen von Medikamenten zur Anwendung kommen. Schließlich können - auch unbewaffnete - Konflikte verheerende Auswirkungen auf die psychische und körperliche Gesundheit und Unversehrtheit haben. Wieso es sich lohnt, sich (gemeinsam) eine rosige Zukunft auszumalen Eine der ersten Interventionen, die wir getestet haben, ist das Denken an die Zukunft. Die historische Grundlage hierfür geht zurück auf die Vereinbarungen von Camp-David, die unter Präsident Jimmy Carter zwischen dem ägyptischen Präsidenten Sadat und dem israelischen Ministerpräsidenten Begin im Jahr 1978 geschlossen wurden. Die Tatsache, dass Camp-David ein recht informeller Ort in der Natur ist, hat wahrscheinlich auch einen wesentlichen Beitrag zur Stressreduktion geleistet. Berichte besagen jedenfalls, dass Jimmy Carter nach mehrtägigen Verhandlungen ohne Einigung dazu überging, Enkelkinder in die Diskussion einzuführen. Gemeinsam überlegten die drei Präsidenten also, was für eine Welt sie sich für ihre Enkelkinder wünschen. Dies gilt als Wendepunkt in den Verhandlungen. Später an diesem Tag unterzeichneten Begin, Sadat und Carter das Abkommen von Camp-David, in dem der seit 1948 andauernde Kriegszustand zwischen Ägypten und Israel für beendet erklärt wurde. Für diese historische Einigung erhielten Sadat und Begin später den Friedensnobelpreis. Was war passiert? Es scheint, dass Jimmy Carter durch die Erwähnung von Enkelkindern den Fokus von der Gegenwart auf die Zukunft verschoben hat... Mein Team und ich wollten wissen, ob das Denken an die Zukunft tatsächlich eine einfache und wirkungsvolle Maßnahme sein kann, um prosoziales Verhalten zu fördern. Um das zu testen, führten wir ein Experiment durch, bei dem die Teilnehmer zufällig einer von zwei Bedingungen zugeordnet wurden (Cernadas Curotto et al., 2022). Die Hälfte der Teilnehmer wurde darum gebeten, eine Minute lang an die Zukunft zu denken. Die andere Hälfte der Teilnehmer wurde darum gebeten, eine Minute lang Tiere aufzuzählen. Anschließend spielten alle Teilnehmer ein Computerspiel mit Schatzsuche. Uns Forscher interessierte jedoch weniger, wie viele Schätze die Teilnehmer in der knappen Zeit erreichten. Wir erfassten, wie oft Teilnehmer anderen, unbekannten Spielern halfen. Tatsächlich zeigte dieses Experiment, dass Teilnehmer, die vorher für nur eine Minute an die Zukunft gedacht hatten, anderen mehr halfen, als Teilnehmer, die zuvor an Tiere gedacht hatten. An die Zukunft zu denken, um prosoziales Verhalten zu steigern, bewährt sich also auch im Labor. Dies ist eine einfache und wirkungsvolle Methode, die man einsetzen kann, um den Fokus von Stressoren abzuziehen und auf die Zukunft zu richten. Dabei empfiehlt es sich, die Gedanken möglichst auf positive Aspekte in der Zukunft zu legen – laden Sie andere ruhig ein, sich die bestmögliche Zukunft auszumalen. Unsere Forschung zeigt nämlich auch, dass gerade positive zukunftsorientierte Gedanken mit prosozialem Verhalten zusammen hängen (Cernadas Curotto et al., 2022). Überhaupt erweist es sich als sinnvoll, positive Emotionen so stark wie möglich zu fördern. Positive Emotionen fördern die Resilienz, Kreativität, Zusammenhalt, Problemlösung, Gesundheit, Erfolg und, und, und. Meine US-amerikanische Kollegin Barbara Fredrickson drückte es bei einer Konferenz in Kalifornien neulich so aus: Alle Emotionen sind wichtig, aber positive Emotionen sind besonders wichtig. Kann Meditationstraining dazu beitragen, unsere sozialen Beziehungen zu stärken? Wie oben erwähnt, gibt es mittlerweile Meta-Analysen, die belegen, dass Meditationstraining prosoziales Verhalten fördert, aggressives Verhalten senkt, und Resilienz stärkt. Darüber hinaus belegen Studien, dass Meditationstraining Stress senkt – nicht umsonst heißt eines der bekanntesten Meditationsprogramme "Mindfulness Based Stress Reduction", kurz MBSR. Meine Forschung hat belegt, dass selbst kurzes Meditationstraining positive Emotionen und damit einhergehende Aktivitäten im Gehirn fördert und das sogar bei stressigen Ereignissen. Die positiven Effekte von Meditation auf Resilienz sind mittlerweile auch durch eine Metaanalyse nachgewiesen worden. Wie aber sieht es mit den Effekten von Meditation bei zwischenmenschlichen Konflikten oder gar Gruppenkonflikten aus? In diesem Bereich ist die Datenlage tatsächlich noch recht dünn. Erste Studien sind allerdings vielversprechend. Sie zeigen, dass Meditationstraining dazu beitragen kann, das Verhältnis zwischen Israelis und Palästinensern zu verbessern und implizite Vorurteile gegenüber anderen Gruppen abzubauen. Lange Zeit fehlte es allerdings an streng kontrollierten Studien, die kausale Aussagen erlauben. Um diese Lücke zu füllen, habe ich zusammen mit meiner Doktorandin Patricia Cernadas Curotto die Auswirkungen von Meditationstraining auf verschiedene Konflikte untersucht. Wir haben getestet, wie sich Meditationstraining auf zwischenmenschliche Konflikte (vor allem am Arbeitsplatz) auswirkt, wie sich Meditationstraining auf Paarbeziehungen auswirkt und wie sich Meditationstraining auf den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern auswirkt. Unsere Ergebnisse zeigen, dass einige Wochen Mitgefühlstraining mithilfe von Meditation sowohl im zwischenmenschlichen Bereich, als auch bei Gruppenkonflikten dazu beitragen, die Beziehungen zu anderen zu verbessern. Und das, obwohl es in keinem unserer Trainings um die Konflikte ging. Die Effekte des Meditationstrainings auf schwierige Beziehungen beruhen allein auf dem Transfer des Gelernten. Dies unterstreicht das Potenzial von Meditationstrainings, unsere Gesellschaft nachhaltig zu verändern. Meditationstraining ist allerdings nicht jedermanns Sache und auch keine Lösung für alle Probleme. Deswegen haben wir auch andere Interventionen, wie zum Beispiel Mediation, untersucht. Welchen Effekt hat Mediation? Obwohl Mediation seit geraumer Zeit genutzt wird, gab es bis vor kurzem noch keine Studien zum kausalen Einfluss von Mediation auf Konflikte, oder gar auf Veränderungen in neuronaler Aktivität. Um auch diese wichtige Lücke in der Forschung zu schließen, untersuchten mein Doktorand François Bogacz, der selbst ein erfahrener Mediator ist, und ich, den Einfluss von Mediation auf Konflikte (Bogacz et al., 2020). Wir wollten mit unserer Forschung zum ersten Mal die kausalen Effekte dieser Intervention bei echten zwischenmenschlichen Konflikten testen. Wir überlegten zunächst, Konflikte im Arbeitsumfeld zu testen. Schnell sahen wir hiervon jedoch aus ethischen Gründen ab (wegen der Abhängigkeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern). Aus der Literatur wussten wir, dass Paarkonflikte auch im Labor funktionierten. Also luden wir Paare ein, sich im Labor über einen ungelösten Konflikt zu streiten. Und wieder schienen die Paare, die an unseren Studien teilnahmen, nach einigen Minuten völlig zu vergessen, dass sie im Labor waren und stritten sich zum Teil heftig über sehr private Themen. Die teilnehmenden Paare wurden zufällig einer von zwei Bedingungen zugeordnet: einem Streit mit Mediator und einem Streit ohne Mediator. Beim Streit ohne Mediator hatten wir noch eine stumme dritte Person im Raum. So kontrollierten wir nicht nur für die Anzahl von anwesenden Personen (das Paar plus eine weitere Person), sondern konnten auch bei einer heftigen Eskalation eingreifen. Dies war auch einmal nötig (wie erwartet in der Bedingung ohne Mediation). Was also waren die Effekte von Mediation? Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass Mediation im Vergleich zur Kontrollbedingung zu mehr Einigungen führte. Zudem führte Mediation zu einer höheren Zufriedenheit mit dem Inhalt und dem Verlauf des Streitgesprächs. Als Nächstes stellten wir uns die Frage, ob Mediation darüber hinaus auch einen Einfluss auf Gehirnfunktionen haben kann. Kann es sein, dass Paare, die sich mit Mediator streiten, nach dem Streit beim Anblick ihres Partners mehr Aktivität in Gehirnarealen zeigen, die mit positiven Emotionen, wie Liebe zusammenhängen? Dieser Frage gingen meine Studenten Halima Rafi, François Bogacz und ich nach, indem wir abermals Paare zum Streiten mit oder ohne Mediator ins Labor einluden (Rafi et al., 2020). Dieses Mal erfassten wir mittels funktioneller Magnetresonanztomografie vor und nach dem Streit die Aktivität des Gehirns, während Versuchspersonen Fotos vom ihrem Partner sahen. Auch in dieser Studie zeigte sich, dass Mediation die Lösung von Konflikten verbessert und die Zufriedenheit mit dem Inhalt und dem Verlauf des Konfliktgesprächs im Vergleich zur Kontrollgruppe erhöht. Bezogen auf die Gehirnaktivität bestätigt unsere Studie, dass beim Sehen des romantischen Partners vor dem Streit erhöhte Aktivierungen in einem Netzwerk beobachtet werden, das schon aus früheren Studien zu romantischer Liebe bekannt ist. Dieses Netzwerk umfasst unter anderem das Striatum, den orbitofrontalen Cortex, die Insula, den Thalamus und die Amygdala. Über beide Bedingungen hinweg (also mit und ohne Mediator) führte der Konflikt dazu, dass neuronale Aktivierungen in diesem Netzwerk zurückgingen. Dies war vor allem im Striatum, der Insula, und dem Thalamus der Fall. Über beide Gruppen hinweg zeigte sich zudem, dass Studienteilnehmer, die zufriedener mit der Konfliktlösung waren, beim Betrachten des Partners auch nach dem Konflikt noch eine erhöhte Aktivität im nucleus accumbens zeigten. Der nucleus accumbens ist eine Region des Striatums (das kennen wir schon aus den Studien zu Mitgefühlsmeditation), die für positive Emotionen und Belohnung zentral ist. Zudem hatten Teilnehmer in der Mediationsbedingung bei der Betrachtung ihres Partners eine tendenziell höhere Aktivität im nucleus accumbens als Teilnehmer, die sich ohne Mediator gestritten hatten. Diese Studie liefert einen ersten Hinweis darauf, dass Mediation dadurch wirken kann, dass sie die Aktivität in Gehirnarealen stärkt, die mit positiven Emotionen zusammenhängen. Es sind noch viele weitere Studien nötig, um die kausalen Effekte von Interventionen besser zu verstehen. Die oben beschriebenen Studien geben erste wertvolle Hinweise darauf, dass ein gezieltes Stärken von positiven Emotionen (und der damit verbundenen neuronalen Aktivität) ein effizienter Weg sein kann, um Konflikte konstruktiver zu lösen. Dies kann durch Denken an die Zukunft, Mediation, oder Meditation geschehen. Kooperation und Inklusion gezielt zu fördern, ist in der heutigen Gesellschaft besonders wichtig. Denn wir leben in einer Welt, die nicht nur von Stress und Konflikten geprägt ist, sondern auch von Vielfalt und sozialem Fortschritt. Um in der Praxis umzusetzen, was wissenschaftliche Studien zeigen, gebe ich Trainings für Führungskräfte und Teams. In diesen Trainings erlebe ich immer wieder das enorme Potenzial, die Kraft, die Freude und die Energie, die in Menschen und in sozialen Beziehungen stecken. Wenn diese Energie freigesetzt wird, trägt das wesentlich dazu bei, dass Systeme inklusiver, kreativer und produktiver werden. 7. Fazit Fassen wir also noch einmal die wichtigsten Punkte zusammen. Soziale Beziehungen sind nicht nur wichtig, sie sind überlebenswichtig. Wenn sie gelingen, tragen soziale Beziehungen zu einem gesunden, langen, und glücklichen Leben bei. Am Arbeitsplatz trägt ein sicheres, positives soziales Umfeld dazu bei, die Zufriedenheit, Gesundheit und Produktivität von Mitarbeitern zu fördern. Die Fähigkeit, die Gefühle und Gedanken anderer zu verstehen (Empathie und Perspektivenübernahme) trägt entscheidend zum Gelingen von sozialen Beziehungen bei. Bei der Konfrontation mit schwierigen Situationen fördert Mitgefühl Hilfeverhalten, Resilienz, wohlwollende Emotionen und die damit verbundene Gehirnaktivität. Das Stärken von einem Gefühl der Sicherheit und von positiven Gefühlen ist wichtig, weil wir in einer gestressten und traumatisierten Gesellschaft leben. Stress und Traumata bewirken einen Rückgang in Funktionen, die vom präfrontalen Cortex gesteuert werden, wie Emotionsregulation. Präfrontale Funktionen sind wichtig zur Regulation von Sozialverhalten, auch zur Kontrolle von aggressivem Verhalten. Das Schaffen von sicheren, positiven Umgebungen trägt zu einer Förderung von gelingenden sozialen Beziehungen bei. Einige Interventionen können nachweislich dabei helfen: - Kurzfristig kann man an eine (rosige) Zukunft denken - Mittelfristig kann man mithilfe von Meditationstrainings Mitgefühl kultivieren. Diese Trainings können soziale Beziehungen selbst bei bestehenden zwischenmenschlichen Beziehungen und Gruppenkonflikten verbessern. Alternativ kann man sich einen Mediator zur Hilfe holen – das fördert nicht nur produktive Lösungen von Streit, sondern auch Gehirnaktivitäten, die mit positiven Gefühlen zusammen hängen. Literatur- und Quellenverzeichnis Arnsten (2009). Stress signalling pathways that impair prefrontal cortex structure and function. Nature reviews neuroscience. Bogacz & Klimecki (2017). How do emotions impact conflicts? A neuroscientific perspective. In: Approaches to Conflict: Theoretical, Interpersonal, and Discursive Dynamics. Bogacz et al. (2020). Mediators have a beneficial impact on conflict resolution in romantic couples. Humanities & Social Sciences Communications. Cernadas Curotto et al. (2021). Quarreling after a sleepless night: preliminary evidence of the impact of sleep deprivation on interpersonal conflict. Affective Science. Cernadas Curotto et al. (2022). Back to the future: a way to increase prosocial behaviour. Under consideration. Deza-Araujo et al. 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- Emotionen: der Schlüssel zum Unbewussten
Wie wir mit unseren Emotionen unseren unbewussten Potentialraum nutzen können. Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 2. Emotionen an der Schnittstelle zwischen Unbewusstem und Bewusstsein 3. Intuition und Emotion 4. Der Potentialraum - Jenseits von Raum und Zeit 5. Fazit Literatur- & Quellenverzeichnis Emotionen der Schlüssel zum Unbewussten Wie wir mit unseren Emotionen unseren unbewusstsen Potentialraum nutzen können 1. Einführung Die zunehmende Komplexität unserer technischen und sozialen Umwelt stellt an unsere bewusste, rationale Informationsverarbeitung immer höhere Anforderungen. Komplexe Situationen, die durch eine Vielzahl von sich bedingenden und gegenseitig beeinflussenden und untereinander vernetzten Faktoren gekennzeichnet sind, die sich häufig auch noch dynamisch und unvorhersehbar verändern, überfordern unsere auf begrenzten Ressourcen basierenden bewussten, rational-kognitive Prozesse. Stellen Sie sich vor, wie kompliziert mittlerweile ein Computerkauf geworden ist oder manche soziale Interaktion im beruflichen und privaten Kontext. Um unter komplexen Bedingungen richtige Entscheidungen treffen zu können, benötigen wir eine möglichst umfassende und valide Informationsgrundlage. Diese liefert uns nicht unser bewusstes Informationsverarbeitungssystem, sondern unser Unbewusstes. In der vorliegenden Arbeit werden wir argumentieren, dass in uns ein Informationsreservoir schlummert, das aufgrund von früheren Erfahrungen eine enorme Expertise zur Verfügung stellen kann, welche wir oft ungenutzt lassen. Diese Informationsquelle kann man durch Zugang zu seinen Emotionen erschließen und mit angemessener Emotionsregulation auch für seine Zwecke steuern. Die Emotionen bilden das Bindeglied zwischen diesem unbewussten Potentialraum, der uns zielführende Möglichkeiten aufzeigt, und den bewussten Entscheidungsprozessen in unserem Selbst. Darüber hinaus werden wir sehen, dass der unbewusste Potentialraum möglicherweise auch Informationen enthält, die nicht nur auf unseren vergangenen Erfahrungen beruhen, sondern auch auf Erfahrungen über zukünftige Ereignisse, die noch gar nicht eingetreten sind, uns aber betreffen. Außerdem erscheint der unbewusste Potentialraum transindividuell oder kollektiv und enthält somit auch Informationen über die Erfahrungen anderer in unserer sozialen Umgebung, die wir für uns nutzbar machen können. Im ersten Teil dieser Arbeit wird das Konzept der „Emotion“ genauer erläutert und ihre Verortung an der Schnittstelle zwischen unseren unbewussten und dem bewussten Informationsverarbeitungsprozessen dargestellt.Im zweiten Teil werden wir anhand klassischer Theorien zur Intuition beschreiben, welche Rolle die Emotionen darin spielen und wie man sie gewinnbringend einsetzen kann, um gute intuitive Entscheidungen treffen zu können, und wie man förderliche Realitäten mit diesen erzeugen kann. Im dritten Teil werden wir zeigen, dass mit Hilfe der Emotionen auch zukünftige, völlig zufällige Ereignisse vorhergesehen werden können und dadurch auch negative Konsequenzen vermieden werden können. Außerdem können wir mit den Emotionen auch zufällige Ereignisse beeinflussen und Realitäten entstehen lassen, die unserer inneren emotionalen Haltung entsprechen. 2. Emotionen an der Schnittstelle zwischen Unbewusstem und Bewusstsein Um Emotionen als Bindeglied zwischen dem unbewussten Potentialraum und den bewussten Entscheidungsinstanzen unserer Psyche verstehen zu können, muss im Folgenden der psychologische Begriff der Emotion ausführlich dargestellt werden. Wir beginnen zuerst mit einer Beschreibung des Phänomens „Emotion“ und erläutern danach ihre spezifische Funktion an der Grenze zum Unbewussten zusammen mit ihren Auslösemechanismen. Phänomenologische Beschreibung der Emotionen In der Emotionspsychologie gibt es eine Vielzahl von teils sehr unterschiedlichen Definitionen für das psychologische Konzept der Emotion (vgl. Kleinginna & Kleinginna, 1981). Es lassen sich über die verschiedenen Autoren aber einige wesentliche phänomenologische Gemeinsamkeiten in Bezug auf die Emotionen identifizieren. Emotionen können demnach anhand mehrerer Charakteristika beschrieben werden: Emotionen sind, phänomenologisch betrachtet, spezifische, qualitative und disjunkte Zustände wie z.B. Freude, Trauer, Ärger, Angst, Überraschung, Ekel und weiteren ähnlichen Zuständen. Disjunkt bedeutet, dass verschiedene solcher Zustände nicht zeitgleich auftreten können, sondern bestenfalls im schnellen Wechsel, der eine Mischung im Erleben suggeriert. Emotionen sind aktuelle Zustände von zeitlich kurzer Dauer (meist wenige Sekunden) und sie unterscheiden sich darin von emotionalen Dispositionen. Letztere sind dauerhafte Wesensmerkmale von Personen, die jemanden dazu prädisponieren, mit einer bestimmten emotionalen Reaktion über Situationen hinweg zu reagieren (z.B. Ängstlichkeit, Aggressivität). Emotionen sind „objektgerichtet“. Das bedeutet jede Emotion hat ein bestimmtes Thema. Bei Angst ist dies das Vorhandsein einer Bedrohung. Man hat Angst vor etwas. Bei Ärger ist dies die Blockade einer Zielhandlung. Man ärgert sich über ein Hindernis bei der Zielerreichung. Dieses Merkmal ist das bedeutendste, da Emotionen Hinweise darauf liefern mit welchem aktuellen Thema sich das Individuum gerade auseinandersetzt. Deshalb interessieren sich Psycholog:innen so sehr für Emotionen, weil sie Indizien liefern für die motivationalen Ursachen, die eine Person beschäftigen. Emotionen unterscheiden sich nach Qualität und Intensität. Angst und Langeweile sind beide qualitativ betrachtet negative Emotionen mit hoher bzw. niedriger Intensität. Außerdem zeichnen sich Personen in einem emotionalen Zustand durch ein charakteristisches Erleben, eine bestimmte physiologische Veränderung und eine emotionsspezifische Verhaltenstendenz aus. In der Emotionspsychologie wurde versucht, diese Definitionskriterien auf einige wenige Dimensionen zu reduzieren. In einem sehr frühen dimensionalen Ansatz postulierte Wundt (1910) drei Dimensionen anhand derer sich alle Emotionen in einer Art dreidimensionalen Raum einordnen lassen. Ähnliche Versuche stammen von Osgood et al. (1957) und Traxel und Heide (1961). Die aktuell am häufigsten verwendeten Dimensionen, auf die man sich in der Emotionspsychologie geeinigt hat, sind die Valenzdimension mit den Endpolen angenehm/positiv und unangenehm/negativ und die Arousaldimension (auch Erregungsdimension genannt) mit den Endpolen hoch erregend/hoch intensiv und gering erregend/gering intensiv. Jede Emotion kann anhand von Valenz und Arousal charakterisiert werden. Angst wäre demnach in diesem Schema extrem negativ und hoch erregend. Freude hingegen wäre extrem positiv und hoch erregend. Beide Dimensionen geben einen bestimmten Erlebensaspekt einer Emotion wieder. Die Valenzdimension ist bei der Kommunikation zwischen unbewussten Inhalten und bewusster Informationsverarbeitung und damit für intuitives Handeln und Realitätsgestaltung entscheidend. Ein weiteres Klassifikationsschema, welches auch die Grundlage für unser Verstehen der Funktionen von Emotionen bildet und von zentraler Bedeutung für alle weiteren Ausführungen ist, ist der Reaktionstrias von Lazarus (1991) (siehe Abb. 1). Lazarus hat in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Beschreibung der Emotionen anhand von drei Reaktionsformen vorgestellt. Demnach lassen sich drei reaktive Komponenten bei Emotionen unterscheiden: Die subjektive Komponente umfasst das Erleben der jeweiligen Emotion und kann auch als Gefühl bezeichnet werden. Die Art wie sich z.B. Angst subjektiv anfühlt, manifestiert sich in dieser Reaktionskomponente. Es ist die bewusste Wahrnehmung der zugrundliegenden emotionalen Reaktion. Die behaviorale Komponente beschreibt die Verhaltenstendenz, die mit einer bestimmten Emotion einhergeht. Bei Angst z. B. ist es die Fluchttendenz, also die behaviorale Vermeidung einer Bedrohung. Zu dieser Komponente gehört auch die Mimik, die eine im Gesichtsausdruck erkennbare und anderen signalisierte emotional-behaviorale Tendenz umfasst. Die physiologische Komponente schließlich beschreibt die körperlichen Reaktionen, die mit einer bestimmten Emotion auftreten. Sie manifestiert sich u.a. in einer Veränderung der Herzrate, des Blutdrucks und der Atemfrequenz. Anhand der physiologischen Parameter kann man Rückschlüsse auf die Intensität der zugrundeliegenden Emotion ziehen, während die Valenz sich in erster Linie im subjektiven Erleben und evtl. auch in der Verhaltenstendenz erkennen lässt. Emotionen äußern sich immer in diesen drei Reaktionskomponenten, allerdings bisweilen in unterschiedlicher Stärke. Es kann sein, dass eine Emotion sich deutlich im Verhalten manifestiert bei nur minimaler Beteiligung eines subjektiven Erlebens. In diesem Falle würde ein Individuum behavioral auf Grund einer Emotion reagieren (bei Angst z.B. fliehen), obwohl es sich seiner Angst kaum im Erleben bewusst ist. Es würde sich hier um eine primär unbewusste emotionale Reaktion handeln. Abbildung 1. Reaktionstrias von Lazarus Wir haben gesehen, dass Emotionen sich in unterschiedlichen Reaktionsformen ausdrücken. Es stellt sich nun die Frage, welche Funktionen diese einzelnen Komponenten des Reaktionstrias von Lazarus (1991) aus evolutionsbiologischer Sicht haben? Für die behaviorale und die physiologische Komponente ist die evolutionäre Funktion relativ leicht erkennbar. Der subjektiven Komponente eine biologische Funktion zuzuschreiben, fällt dabei ungleich schwerer. Wie wir später sehen werden ist die Fähigkeit zur Intuition eine mögliche Erklärung dafür, warum es das subjektive Erleben überhaupt gibt. Aber zuerst wollen wir uns umfassend dem Thema der Funktionalität von Emotionen zuwenden, bevor wir auf den letztgenannten Aspekt ausführlicher eingehen werden. Emotionen aus funktionalistischer Perspektive Die Frage nach der Funktion von Emotionen hat viele Autoren beschäftigt. Oft wirken emotionale Zustände chaotisch und irrational und scheinen daher keinen individuellen Nutzen zu haben oder eher schädlich zu sein. Wieso also hat die Evolution zur Herausbildung von emotionalen Reaktionen geführt? Die kurze Antwort auf diese Frage lautet: Ohne Emotionen würden Sie jetzt nicht diesen Artikel lesen, sondern wären bereits tot. Sie wären über die nächste rote Ampel gelaufen oder hätten versucht im Tierpark in den Löwenkäfig zu klettern, um mit den Tieren dort zu spielen. In diesen Fällen hat Sie die Emotion „Angst“ davor abgehalten, solchen Unsinn zu machen, in dem sie Ihnen die potenzielle Bedrohung durch affektive Signale vor Augen geführt (oder sogar übertrieben hat) und bei Ihnen die geeigneten Verhaltenstendenzen zur Vermeidung der Bedrohung aktiviert hat. Evolutionspsychologisch betrachtet, stellen Emotionen nach Plutchik (1984) genetisch verankerte Stellungnahmen zur Situation eines Lebewesens in einer aktuellen Situation dar. Sie liefern damit eine schnelle, oft auch unbewusste Einschätzung einer Situation, die sich in der affektiven Qualität des Erlebens auch im Bewusstsein manifestiert, mit dem Ziel Verhaltensweisen zu initiieren, die eine phylogenetisch adäquate Antwort auf die situative Bewertung darstellen. Angst ist das Resultat einer Bedrohungseinschätzung mit der Folge, dass Fluchttendenzen aktiviert werden. Im Falle der roten Ampel ist das eine sinnvolle Strategie und führt zum automatischen Stehenbleiben an der Ampel. In anderen Situationen kann diese phylogenetische Strategie allerdings kontraproduktiv sein. Bei Prüfungsangst wird die Prüfung als Bedrohung erlebt und eine Vermeidungstendenz ausgelöst. Diese führt dazu, dass sich die Person nicht adäquat mit der Aufgabenbearbeitung auseinandersetzen kann, da sie ständig mit der Fluchttendenz kämpfen muss. Emotionen liefern damit Verhaltenstendenzen, die phylogenetisch angemessen sind, aber manchmal in aktuellen Situationen zu Komplikationen führen. Solche Verhaltensdilemmata sind die Ursache dafür, dass gerade negative Emotionen einen so schlechten Ruf haben. Tatsächlich sind sie aber nur ein wenig „old school“ und ihre hilfreichen Signale werden oft gar nicht oder falsch genutzt, aber dazu später mehr. Abbildung 2.: Verhaltenssysteme Emotionen lassen sich nach der funktionalistischen Perspektive in eine Hierarchie von verhaltenssteuernden Systemen einbetten, über die wir verfügen, um Verhalten zu initiieren und zu steuern. Allgemein geht man davon aus, dass Verhalten durch unbewusste, automatische oder bewusste, kontrollierbare psychische Mechanismen gesteuert werden können (siehe Abb. 2). Die am meisten unbewusste und automatische Form der Verhaltensregulation sind die Reflexe, wie z.B. der Patellarsehnenreflex oder auch Stolperreflex genannt. Hier führt eine spezifische Reizkonfiguration (Überdehnung der Patellarsehne) zu einem starren, automatischen Reaktionsmuster (nach vorne Schnellen des Fußes), das sich sehr schnell vollzieht. Der Totstellreflex bei Bedrohung wäre eine emotionsnahe Reflexreaktion. Der Vorteil dieser extrem unbewussten und automatischen Ebene der Verhaltenssteuerung ist, die Schnelligkeit der Reaktion. Ihr Nachteil besteht in der mangelnden Flexibilität, weil nur ein bestimmtes, starres Verhalten gezeigt werden kann unabhängig von evtl. Anforderung der Umwelt. Auf der bewussten Seite verfügen wir über die rationale, kontrollierte Verhaltenssteuerung (System 2). Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Reihe von kognitiven Prozessen bei der Analyse der Situation und der Verhaltensauswahl beteiligt sind. Diese Prozesse sind kontrollierbar und auch flexibel veränderbar. Das Verhalten ist in diesem Falle gut analytisch durchdacht und kann auch angepasst werden, bei Entdeckung weiterer relevanter Informationen. Es ist aber sehr langsam. Bei einer emotionsnahen, rationalen Verhaltenssteuerung würde man erst genau die Auslösesituation analysieren, und diese monitoren und damit das Verhalten steuern. Man kann jederzeit die Analyseprozesse verändern und neu adjustieren und damit auch das Verhalten abbrechen und verändern. Der Vorteil dieses Systems bei der Verhaltensteuerung besteht also in der enormen Flexibilität. Es hat allerdings den Nachteil der Langsamkeit. Die Evolution hat uns nun mit der emotionalen Verhaltenssteuerung ein System zur Verfügung gestellt, das sich zwischen der komplett unbewussten, automatischen und der bewusst, kontrollierten Verhaltenssteuerung an der Nahtstelle zwischen dem Unbewussten (System 1) und dem Bewusstsein (System 2) befindet und die Vorteile der beiden alternativen Systeme in sich vereinigt. Emotionen liefern eine schnelle, komprimierte Analyse der Situation (z.B. die Bewertung einer Bedrohung) und auf dessen Grundlage einen Verhaltensimpuls (z.B. die Tendenz Davonzulaufen), der eine Antwort auf die Situationsbewertung darstellt. Der Impuls legt kein starres Verhalten fest (z.B. legt er nicht die genaue Art des Fluchtverhaltens fest), sondern aktiviert nur eine Verhaltensklasse, die sich dann je nach Situation ausgestalten kann. Die Emotionen vereinigen damit die Schnelligkeit der Reflexe mit der weitgehenden Flexibilität des rationalen Systems und stellen daher eine optimale Ergänzung in Bezug auf Geschwindigkeit und Anpassungsfähigkeit bei der Verhaltensteuerung dar. Emotionen erlauben uns schnell, z.T. auch unbewusst, und (teilweise) flexibel auf Umweltreize zu reagieren und fördern so unser Überleben. Ohne Emotionen könnten wir nur entweder schnell und unflexibel oder langsam und flexibel reagieren. Unterschiedliche neurobiologische Wege der Emotionsentstehung Emotionen sind also Bewertungsmechanismen von Situationen, die eine schnelle, flexible Verhaltensantwort hervorrufen und sie befinden sich an der Grenze von unbewussten und bewussten Prozessen. Sie stellen damit den Übergang von unbewusster zu bewusster Informationsverarbeitung bei der Verhaltensteuerung dar. Dieser Grenzbereich ist aber nicht klar umrissen, sondern stellt auch wiederum ein Kontinuum dar. Innerhalb der Emotionen gibt es bewusstere und unbewusstere Wege der Verhaltenssteuerung. Diese wurden von LeDoux (2001) auf neurobiologischer Ebene identifiziert. Bei der „high road“ der Emotionsentstehung wird ein emotionsauslösender Stimulus durch unseren Wahrnehmungsapparat identifiziert und die Aktivitätsmuster werden über den Thalamus, einer zentralen Schaltstelle zur Weiterleitung sensorischer Informationen im Gehirn, in den Cortex zur bewussten Verarbeitung der Situation projiziert. Von dort werden über den Hippocampus, einer Verbindungstelle zu subkortikalen Bereichen, die Amygdala und ähnliche Areale zur Auslösung von behavioralen, endokrinen und physiologischen emotionalen Reaktionen aktiviert. Die so erfolgte Emotionsauslösung ist also über bewusste Prozesse vermittelt. Ein Beispiel für eine Emotionsauslösung über die high road wäre die Entstehung von Angst bei Betrachtung des Symbols für Radioaktivität. Dieses Symbol muss in seiner Bedeutung erst in den kortikalen, assoziativen Arealen identifiziert werden, bevor es die Angstreaktionen über die Amygdala auslösen kann. Es ist immer noch ein schneller und z.T. automatischer Prozess, allerdings mit erheblicher Beteiligung bewusst, kognitiver Prozesse. Bei der „low road“ der Emotionsentstehung wird der Wahrnehmungsinhalt direkt vom Thalamus unter Ausschluss einer kortikalen Beteiligung in die Amygdala projiziert. Es handelt sich hier um eine vollständig unbewusste, emotionale Reaktionsauslösung, die innerhalb der ersten 40 m/sec, als einem minimalen Bruchteil einer Sekunde, entsteht. Öhman und Soares (1994) konnten die low road experimentell nachweisen. Sie zeigten Phobikern (Spinnen- und Schlangen Phobikern) Bilder am Computerbildschirm, in einer Bedingung aber so schnell (30 m/sec) und durch Maskierungsstimuli verdeckt, dass diese nicht bewusst wahrgenommen werden konnten. Diese subliminale Darbietung führte bei den Phobikern zu physiologischen Reaktionen, die nicht bei nicht-phobischen Kontrollpersonen oder auch nicht bei neutralen Bildern auftraten. Diese und andere Studien machen deutlich, dass auch unbewusst wahrgenommene Reize völlig ohne Bewusstseinsbeteiligung, starke emotionale, phobische Reaktionen auslösen können und wir durch emotionale Stimuli teilweise auch fremdgesteuert werden können, ohne dass wir uns der Gründe für unser emotionales Verhalten bewusst sind. Emotionen aus evolutionärer Perspektive In den vorangegangenen Abschnitten wurde deutlich, dass Emotionen aus drei Verhaltensreaktionen bestehen, dem subjektiven Erleben, den behavioralen Tendenzen und den physiologischen Veränderungen. Emotionen leiten unser Verhalten oft unter Ausschluss von bewussten Verarbeitungsprozessen um, um eine schnelle, aber flexible Verhaltensantwort auf Anpassungsprobleme zu ermöglichen. McDougall (1919/2001) ordnet daher die Emotionen den instinktiven Verhaltensreaktionen zu, deren zentraler Motor die emotionalen Aspekte sind. Die Emotion liefert der Instinktreaktion den biologisch angemessenen Impuls, z.B. bei Angst - Fluchtverhalten oder bei Ärger - Angriffsverhalten. Die durch die physiologischen Reaktionen bedingten körperlichen Veränderungen sollen dabei den Verhaltensimpuls unterstützen und in seiner Ausführung optimieren, indem sie u.a. Durchblutung der Muskulatur und Sauerstoffversorgung sicherstellen. Diesen beiden Komponenten des Reaktionstrias von Lazarus (1991) kommt damit eine klar definierbare evolutionäre Funktion des Verhaltens zu. Die Frage welche evolutionäre Funktion das subjektive Erleben, also das Empfinden der Emotion hat, bleibt allerdings rätselhaft. Warum muss man eine Emotion fühlen, wenn die emotionale Verhaltenstendenz allein z.T. auch völlig automatisch schon unser Verhalten in die richtige Richtung lenkt? Das Gefühl der Angst z.B. ist unangenehm und lenkt uns von der Situationswahrnehmung ab, indem sie unsere Sinnesempfindungen blockiert. Das Fluchtverhalten würde doch auch ohne subjektives Erleben eine Vermeidung der Bedrohung bewirken. Welchen Beitrag zur evolutionären Fitness hat also diese Form der Erfahrung? Auch darauf hat McDougall (1919/2001) eine Antwort: Er behauptet, die primäre Funktion des subjektiven Erlebens bestünde darin, das rational, bewusste Selbst eines Individuums darüber zu informieren, welche instinktiven, emotionalen Verhaltenstendenzen im Unbewussten momentan aktiv sind. Es handelt sich hier also um eine interne Signalfunktion, die das Individuum über die Vorgänge in seinem Unbewussten informiert. Hat man einen guten Zugang zu diesem emotionalen Empfinden, kann man dadurch Informationen aus dem Unbewussten abgreifen und diese ggf. für eine Verhaltensmodifikation auf bewusster Ebene nutzen. Im Kern stellt das subjektive Erleben der Emotion -auch als Gefühl bezeichnet- die Grundlage für intuitives Wahrnehmen und intuitive Verhaltensentscheidungen dar. Plutchik (1984) hat diese theoretischen Überlegungen weiter ausgearbeitet und acht Primäremotionen (wie z.B. Angst, Freude, Trauer, Ärger, Überraschung, Ekel, usw.) definiert, die den acht grundlegenden Bedürfnissen eines biologischen Organismus entsprechen (Vermeidung von Bedrohung, Fortpflanzung, Ausscheiden giftiger Substanzen, etc.). Das Vorhandensein der Primäremotionen stellt sicher, dass wir in der Lage sind allen Bedürfnissen gerecht zu werden. Die drei Facetten des Reaktionstrias greifen dabei ineinander, um diese biologischen Anforderungen zu erfüllen. Die evolutionäre Funktion der Emotionen konnte am Beispiel der Eifersucht sehr gut dokumentiert werden (Buss et al., 1992). Eifersucht dient evolutionär dazu, bei Gefahr des Verlustes des Partners an eine Konkurrentin / einen Konkurrenten, Reaktionen einzuleiten, die diese Gefährdung beseitigen. Interessanterweise zeigen sich bei den Situationen, die Eifersucht auslösen, Geschlechtsunterschiede, die wohl nur evolutionsbiologisch erklärt werden können. Bei einer Befragung von Versuchspersonen, was sie eher eifersüchtig machen würde: A) Ihr Partner hat Geschlechtsverkehr mit einer anderen Person Ihres Geschlecht oder B) Ihr Partner hat ein tiefe emotionale Beziehung zu einer anderen Person Ihres Geschlechts, wählten weibliche Befragte mit großer Mehrheit die Option B, während männliche Probanden sich eher für die Option A entschieden. Wie kann man sich das Zustandekommen dieser Geschlechtsunterschiede im Präferenzverhalten erklären? Evolutionär betrachtet, sind Frauen v.a. in Zeiten der Schwangerschaft und Kleinkindbetreuung auf die Versorgung durch die Ressourcen ihres Mannes angewiesen. Wendet er seine Ressourcen aufgrund einer emotionalen Bindung eher einer Geschlechtskonkurrentin zu, stehen diese nicht für die eigene Familie zur Verfügung, was deren Überleben gefährdet. Ein Fremdgehen (Option A) ist dabei weniger dramatisch, weil die Konsequenzen die Konkurrentin selbst betreffen. Bei Männern hingegen ist es wichtig, dass sie ihre Ressourcen dem Fortbestand ihrer eigenen Gene in ihren Kindern widmen. Hat die Partnerin Geschlechtsverkehr mit anderen, besteht die Gefahr, dass man sich unwissentlich um die Gene anderer kümmert, da man sich nicht sicher sein kann, von wem die Kinder der Partnerin tatsächlich stammen. Damit ist Option A eifersuchtsrelevanter für männliche Befragte. Die Geschlechtsunterschiede können eigentlich nur durch die dargestellten biologischen Mechanismen erklärt werden. Sie liefern damit einen indirekten Beleg für die evolutionäre Funktion von Emotionen. Entsprechend werden Verhaltensweisen, die zu einer Sicherung der Bindung an den Partner führen je nach Szenario und Geschlecht unterschiedlich aktiviert. Auch das intuitive Gespür dafür, wann welche Beziehungsgefährdung vorliegt, dürfte geschlechtsabhängig variieren. Frauen reagieren sensibler bei der Detektion emotionaler Untreue, Männer bei sexueller. Mimik - die interpersonale Funktion von Emotionen Eine zentrale Stellung innerhalb der emotionalen Reaktionen stellt aus evolutionärer Sicht das mimische Ausdrucksverhalten dar. Nach Ekman (1993) gehört die Mimik zu der behavioralen Reaktionsform im Reaktionstrias von Lazarus (1991). Es handelt sich hier aber um eine Art indirekte Form des Verhaltens. Die Funktion der Mimik besteht darin, dass sie sozialen Interaktionspartnern deutlich macht, welche emotionale Verhaltenstendenz eine wahrgenommene Person gerade in sich trägt. Dadurch wird die tatsächliche Ausführung einer emotionalen Reaktion im Verhalten unnötig. Dies spart Energie und vermeidet Verletzungen. Wenn zum Beispiel eine Person A durch eine andere Person B in seiner Zielerreichung blockiert fühlt, weil beide die gleiche Nahrungsquelle für sich beanspruchen, dann tritt bei A Ärger auf. Die Verhaltensantwort bei Ärger wäre ein Angriff auf Person B, um die Quelle der Zielblockade zu beseitigen. Alternativ kann Person A aber auch den Ärger in der Mimik seinem Gegenüber signalisieren und Person B dazu bringen, aufgrund eines erwarteten Angriffs freiwillig das Feld zu räumen. So wird durch die ärgerliche Mimik von A der gleiche Erfolg erzielt, nämlich eine Beseitigung der Zielblockade durch B, aber ohne, dass eine Gefahr der Verletzung oder ein erhöhter Energieaufwand nötig war. Mimik ist damit nichts anderes als eine ins Virtuelle verschobene Verhaltensweise, die reale Verhaltensinteraktionen bei sozialen Interaktionen unnötig werden lässt. Ekman konnte zeigen, dass der mimische Ausdruck für die Basisemotionen universell ist, d.h. emotionale mimische Signale also über Kulturen hinweg verstanden werden, wie eine Art Ursprache, und dass der mimische Ausdruck durch automatische, unbewusste Mimikprogramme, die spezifisch sind für jede Emotion, generiert werden. Es gibt also eine unwillkürliche, automatische Tendenz unsere Emotionen im Gesicht auszudrücken, die wir zwar nachfolgend kaschieren, aber nicht vollständig verhindern können. In einer Erweiterung dieser Theorie konnten Brinke et al. (2014) zeigen, dass wir auch über automatische, unbewusste Mimik-Detektionsprogramme verfügen. In zwei Studien sollten Personen, die bei einer Befragung logen oder die Wahrheit sagten, von den Studienteilnehmer:innen identifiziert werden. Die bewusste Entdeckungsleistung der Probanden, wer Lügner oder Nichtlügner sei, war nicht vom Zufall verschieden. In der ersten Studie zeigte sich sogar eine Tendenz, dass man eher auf Lügner hereinfiel und Nichtlügner eher der Lüge beschuldigt wurden, wenn man sie bewusst identifizieren musste. Unser bewusstes Lügen-Erkennungssystem schnitt also sehr schlecht ab. Bei reaktionszeitbasierten Aufgaben, in denen Fotos von den zu beurteilenden Personen zusammen mit Begriffen, wie Betrug, Lüge, Unwahrheit etc. dargeboten wurden, zeigt sich hingegen, dass Bilder von den Lügnern schneller zusammen mit lügenbezogenen Begriffen verarbeitet wurden, als Bilder von Nichtlügnern. Das bedeutet, dass das Unbewusste der Probanden durchaus eine Assoziation zwischen den zu beurteilenden Personen und ihren lügenrelevanten Attributen gebildet hatten und diese auch in einer indirekten Aufgabe zum Ausdruck bringen konnten. Wir sind also unbewusst in der Lage, Lügner korrekt intuitiv zu identifizieren und verfügen daher über automatische Detektionsprogramme, die wir durch entsprechende emotionale Signale uns auch zugänglich machen können. Zusammenfassend kann man also sagen, dass emotionale Reaktionen den Grenzbereich zwischen unbewusster und bewusster Informationsverarbeitung abdecken. Emotionen stellen evolutionär begründete Verhaltenstendenzen zur Bewältigung von Anpassungsproblemen dar. Die behaviorale Reaktion erfolgt nach einer automatischen Bewertung der Umgebungsreize weitgehend unbewusst, schnell und gleichzeitig relativ flexibel. Die physiologischen Veränderungen unterstützen das Verhalten für eine optimale Ausführung. Das subjektive Erleben der Emotion stellt ein Informationssignal aus dem Unbewussten dar, welches uns über die automatischen emotionalen Bewertungen und Handlungstendenzen informiert. Mit Hilfe des emotionalen Erlebens sind wir in der Lage auf eine Informationsbasis zuzugreifen, die unserem rationalen, bewussten Informationsverarbeitungssystem allein nicht zugänglich wäre. Damit wird die Grundlage für intuitive Entscheidungen gelegt. Diesen Aspekt der Emotion wollen wir im zweiten Teil dieser Arbeit genauer betrachten. 3. Intuition und Emotion Das subjektive Erleben ist die Komponente im Reaktionstrias von Lazarus (1991), die sich als einzige vollständig im Bewusstsein manifestiert. Es ist das gefühlsmäßige Wahrnehmen von ansonsten weitgehend unbewussten affektiven Informationsverarbeitungsprozessen von der Bewertung bis zur Verhaltenssteuerung. Man könnte das subjektive Erleben mit einer Boje im Meer vergleichen, welche die unterhalb der Meeresoberfläche befindlichen unbewussten Erfahrungen einer Person mit ihren oberhalb des Wasserspiegels befindlichen bewussten Wahrnehmungen verbindet. In diesem Sinne ist es die Sprache mit dem sich das Unbewusste dem Bewussten verständlich macht und über die auch das Bewusstsein das Unbewusste beeinflussen kann. Emotionen als Vermittler zwischen dem bewussten Selbst und seinem Unbewussten Um die Rolle des subjektiven emotionalen Erlebens als Vermittler zwischen unserem bewussten Selbst und seinen unbewussten Erfahrungen und Erinnerungen verstehen zu können, müssen wir uns als erstes die Eigenschaften unserer unbewussten und bewussten Informationsverarbeitung genauer ansehen. Zwei Informationsverarbeitungssysteme Kahneman (2012) unterscheidet in diesem Zusammenhang zwei hierarchisch angeordnete Systeme, die sich evolutionär nacheinander entwickelt und ausgestaltet haben und die Informationen auf qualitativ unterschiedliche Art repräsentieren und verarbeiten (siehe Abb. 3). Abbildung 3: System 1 und 2 nach Kahneman Das System 1 ist das evolutionär ältere System. Informationen werden in diesem System assoziativ und holistisch repräsentiert. Neue Informationen werden in alte Strukturen integriert und untereinander vernetzt. Es handelt sich hier um eine parallele Verarbeitung von Informationen und auch widersprüchliche Aspekte können nebeneinander bestehen. Die Verarbeitung von Information in diesem System erfolgt ohne Anstrengung und unkontrolliert, sie kann daher auch nicht flexibel gesteuert werden, sondern enkodiert, verknüpft und analysiert Repräsentationen unserer Erfahrungen in automatischer Form. Es handelt sich dabei um einen gigantischen Informationsspeicher, der alle Informationen insbesondere auch die, die von uns nicht bewusst wahrgenommen wird, aufnimmt und für uns dauerhaft verfügbar sein lässt. Die Verarbeitungsgeschwindigkeit ist enorm und beträgt nach Schätzungen bis zu 11Mio Bits/s. Werden wir mit einer neuartigen Situation, einer neuen Aufgabe oder einer unbekannten Person konfrontiert, werden alle Aspekte holistisch verarbeitet und mit alten, ähnlichen Erfahrungen verglichen und Schlussfolgerungen gezogen, welche eine schnelle und umfassende Einschätzung erlauben. Auch subtilste Informationen, die unterhalb der bewussten Wahrnehmungsschwelle verbleiben werden im System 1 genutzt und verarbeitet. Je mehr Vorerfahrungen in einem Bereich existieren und daher je größer die Expertise in einem Kontext ist, umso effizienter ist das Analyseergebnis dieses Systems. Manche Autoren (Pothos & Busemeyer, 2022) vergleichen das System 1 mit einem Quantencomputer, der durch einen parallelen Verarbeitungsmodus in kurzer Zeit eine beinahe unbegrenzte Menge an Information simultan verarbeiten kann. Über den Abgleich mit bereits gespeicherten Erfahrungen werden aktuelle Erfahrungsinhalte eingeordnet und deren weitere Entwicklung in die Zukunft extrapoliert, um Vorhersagen zu ermöglichen. Das System 1 bildet damit einen Potentialraum der Wahrscheinlichkeiten für unterschiedliche zukünftige Entwicklungen von Situationen oder des Verhaltens von Personen zu berechnen erlaubt. Das System 2 ist ein evolutionär später entstandenes Informationsverarbeitungssystem. Es basiert auf bewussten, rationalen Prozessen, die ressourcenabhängig sind und daher über eine nur begrenzte Verarbeitungskapazität verfügen. Die Informationsverarbeitung in diesem System unterliegt der bewussten Kontrolle und verläuft sequenziell, d.h. es kann nur ein Prozess nach dem anderen durchgeführt werden. Schätzungen gehen davon aus, dass in System 1 zwischen 6 bis 8 Inhalte, wie z.B. Wörter oder Zahlen, kurzfristig behalten und prozessiert werden können und die Verarbeitungsgeschwindigkeit bei ungefähr 60 Bits/s liegt. Aufgrund des Verarbeitungsengpasses muss man in diesem System auf Teilmengen der prinzipiell verfügbaren Information fokussieren, kann diese aber besonders detailliert verarbeiten. Neuartige Situationen, Aufgaben oder unbekannte Personen können in System 2 nur ausschnitthaft repräsentiert und beurteilt werden, allerdings mit hoher Detailtreue. Wenn wir auf der Grundlage von diesem System Entscheidungen oder Vorhersagen treffen wollen, handeln wir zwar rational, sind aber gleichzeitig hoch selektiv. Bei überschaubaren oder bekannten Kontexten ist dies die optimale Bearbeitungsstrategie, die allerdings versagen muss, wenn ein höheres Maß an Komplexität, Neuartigkeit und Dynamik in einer Situation dominieren. Für den letzteren Fall wäre das System 2 der ideale Ratgeber. Dieses kann aber aufgrund seiner unbewussten Qualität nicht direkt mit dem sprachlich-rationalen System 2 interagieren. Es verfügt aber über einen indirekten Draht zu unseren bewussten Entscheidungszentren: die emotionalen Signale, die über das subjektive Erleben vermittelt werden. Intuition Abbildung 4: Intuition als emotionales Signal aus dem Unbewussten Von Intuition spricht man, wenn man die Antwort auf eine Fragestellung oder ein Problem kennt, aber man weiß nicht warum (Topolinski, 2011, Zhang et al., 2016). Die aktuelle Intuitionsforschung geht davon aus, dass bei intuitiven Entscheidungen die Informationen und Analyseergebnisse des unbewussten Potentialraums im Systems 1 durch emotionale Signale zugänglich gemacht werden (siehe Abb. 4). Nehmen wir z.B. die Entscheidung für oder gegen den Kauf eines bestimmten Aktienpakets. Der Potentialraum weiß womöglich (bei Vorhandensein einer entsprechenden Expertise), ob ein solcher Kauf empfehlenswert ist oder nicht. Dies kommuniziert das System 1 über ein emotionales Erleben, ein Gefühl, das eine Person mit der potenziellen Investition verbindet. Ist das Gefühl positiv, bedeutet das eine Kaufempfehlung, ist es negativ, indiziert es eine Kaufvermeidung. Emotionen vermitteln also die relevanten Informationen zwischen System 1 und System 2 und üben damit eine interne Signalfunktion aus. Damit dieser intuitive Vorgang reibungslos verläuft und zum gewünschten Zielzustand führt muss man allerdings verschiedene Faktoren beachten, da bei einer fehlerhaften emotionalen Kommunikation einiges schief gehen kann. Der entscheidende Faktor: Emotionale Transgression Die emotionale Transgressionstheorie von Jakob et al. (2021) thematisiert die Prozesse der emotionalen Kommunikation zum Zwecke der intuitiven Entscheidungsfindung innerhalb eines Individuums. In dieser Theorie geht man davon aus, dass die Signalübertragung zwischen System 1 und 2 durch die Emotionen in zwei Richtungen erfolgt. Zum einen muss das Individuum eine Anfrage an den Potentialraum stellen, welche die für eine Entscheidung notwendigen Informationsstrukturen in System 1 abzurufen versucht. Die Anfrage muss als emotionale Nachricht kodiert sein, da nur dieses Element der Nachricht, nicht der semantische Inhalt, das System 1 erreicht, da dieses nur emotionale Inhalte versteht. Im Beispiel mit dem Aktienpaket kann die Anfrage entweder hoffnungsvoll-optimistisch oder ängstlich-resignativ emotional verpackt sein. Die hoffnungsvolle Anfrage würde lauten: Ich freue mich auf den Kauf eines Aktienpakets, das mein Vermögen weiter vermehren wird! Diese Anfrage enthält zwei Teile. Einen semantischen Teil, der die Wahl eines Aktienpakets betrifft, und einen emotionalen Teil, der eine Hoffnung ausdrückt nämlich die Erwartung einer Kapitalvermehrung. Nach der emotionalen Transgressionstheorie wird der emotionale Teil allein nun an den Potentialraum in System 1 transferiert und enthält die Botschaft an System 1 alle die Möglichkeiten rück zu melden, die der Vermögensvermehrung (von der man durch die hoffnungsvolle Anfrage überzeugt ist) dienlich sind. Das System 1 erfüllt also nur emotional kodierte Erwartungen. Entsprechend werden wiederum von System 1 als emotionale Signale an das System 2 alle Handlungsoptionen mit positivem Gefühl belegt, die dieses Ziel erfüllen, also positive Emotionen z. B. beim Kauf eines tatsächlich gewinnbringenden Pakets und negative Emotionen beim möglichen Kauf eines verlustreichen Aktienpakets. Eine ängstlich-resignative Anfrage würde in diesem Kontext so lauten: Lass mich bloß nicht das falsche Aktienpaket wählen! Der emotionale Teil der Anfrage enthält die Angst vor einem Misserfolg und damit die Erwartung eines Scheiterns. In diesem Fall würde das System 1 nur die emotional kodierte Erwartung verstehen, dass man ein falsches Aktienpaket wählt (Angst umfasst ja die Erwartung von Misserfolg). Das System 1 erfüllt nur diese emotional kodierte Erwartung. Entsprechend versteht System 1 dies als den gewünschten Zielzustand. Folglich signalisiert es alle Aktienkaufoptionen mit positivem Gefühl, die zu Verlust führen würden, und mit negativem Gefühl, die einen Gewinn erbringen würden. Die emotionale Interaktion im Sinne der intuitiven Entscheidungsfindung enthält also eine vorwärts Richtung (Anfrage) und eine rückwärts Richtung (Signal) zwischen System 2 und dem unbewussten Potentialraum in System 1. Intuition bedeutet also zum einen, einen guten Zugang zu seinen emotionalen Signalen aus dem Unbewussten zu haben, und zum anderen aber auch, die richtige emotionale Kodierung (implizite Erwartung) bei der Zielanfrage zu verwenden. Dieser zweite Aspekt wird in der aktuellen Intuitionsforschung vernachlässigt. Nur dann liefert unser Bauchgefühl die Hinweise, die eine für uns positive Entscheidungsfindung bewirken. Wir werden die emotionale Transgressionstheorie im Folgenden anhand unterschiedlicher Studien erläutern. Wenden wir uns zuerst Studien zu, die primär die rückwärts Richtung der emotionalen Signalübertragung thematisierten und lassen wir vorerst den Aspekt der Anfrage außer Acht. Betsch et al. (2001) zeigten Versuchspersonen in einem Experiment zur Intuition einen kurzen Videofilm, welcher eine Wiedersehensszene am Ankunftsterminal eines Flughafens wiedergab. Die Probanden hatten die Aufgabe, die Szene genau zu beobachten, weil danach Fragen dazu gestellt würden. Am unteren Rand der Filmdarbietung liefen während der Videopräsentation Aktienkurse erfundener Firmen von links nach rechts über den Bildschirm (ähnlich wie auf manchen Nachrichtenfernsehsendern). Es waren insgesamt fünf Firmen, deren Kurse rauf oder runter gingen über die Zeit. Die Firmen unterschieden sich im kumulativen Kursgewinn am Ende des Clips, den man sich aus den Kursanstiegen oder -abfällen berechnen hätte können. Die Probanden hatten allerdings für die bewusst-rationale Berechnung des kumulativen Kursgewinns von fünf Firmen abgesehen von der Komplexität einer solchen Aufgabe keine kognitive Kapazität verfügbar, da diese durch die Beobachtung des Geschehens im Film gebunden war. Die Aktienverläufe wurden aufgrund der Aufgabenstellung wahrscheinlich nur peripher und damit eher unbewusst vom System 1 verarbeitet, da System 2 eben mit der Beobachtung der Flughafenszene beschäftigt war. Es gab eine sehr gewinnbringende und eine sehr verlustreiche Firma und alles dazwischen. Überraschenderweise für die Versuchspersonen wurden sie danach zu den Aktienkursen der Firmen gefragt. Stellte man die Frage „Welche Firma hatte den besten Aktienkursgewinn?“, so konnte im Mittel die Stichprobe nicht überzufällig gute von schlechten Firmen unterscheiden. Stellt man allerdings die Frage anders, nämlich „Welche Firma magst Du am liebsten?“, so konnte die Mehrheit deutlich die Firma mit dem höchsten Aktienkurs benennen. Die Ergebnisse legen nahe, dass im System 1 alle relevanten Informationen bzgl. der Aktienkursverläufe unbewusst abgespeichert waren und diese über die emotionale Kodierung der Firmen (Mögen oder Nicht-Mögen) zugänglich war. Wenn man die Versuchspersonen nach diesem Gefühl entscheiden ließ, dann konnten Sie die entsprechende Information, die über das emotionale Signal aus System 1 vermittelt wurde, auch nutzen. Eine weitere Studie zur Nutzung emotionaler Signale bei der Entscheidungsfindung stammt von Bechara et al. (2005). Die Autoren führten mit den Versuchspersonen die Iowa Gambling Task durch. Es handelt sich hier um ein Verfahren, bei dem die Probanden frei Karten von einem von vier Stapeln wählen können. Was die Teilnehmer zu Beginn der Studie nicht wussten, war, dass zwei der Stapel „gute“ und die anderen beiden „schlechte“ Kartenstapel waren. Bei den guten waren 9 von 10 Karten mit einem Gewinn von 50$ dotiert und jede 10. Karte mit einem Verlust von 250$. Bei den schlechten waren 9 von 10 mit einem 100$ Gewinn und jede 10. mit einem 1250$ Verlust gekennzeichnet. Die Reihenfolge von Verlusten und Gewinnen war bei allen Stapeln komplett durchgemischt und damit unvorhersagbar. Die Versuchspersonen wählten 100 Mal jeweils eine Karte frei von den vier Stapeln. Dabei wurde auch die emotionale physiologische Reaktion immer vor dem Aufdecken der einzelnen Karte gemessen. Die optimale Strategie in diesem Spiel besteht darin, die guten Stapel zu identifizieren und hauptsächlich von diesen zu ziehen, da man damit den größten Nettogewinn machen würde. Bei einer Befragung zeigte sich, dass die Teilnehmer erst ab dem 80. Kartenzug bewusst sagen konnten, welcher Stapel gut und welcher schlecht sei. Ab dem 50. Durchgang hatten sie, nach ihren Angaben, eine Ahnung darüber. D.h. das System 2 brauchte mindestens 50 Durchgänge, um gute Entscheidungen treffen zu können. Bei der Auswertung der physiologischen Reaktion allerdings zeigte sich, dass die Teilnehmer, bei schlechten Stapeln einen höheren negativen Ausschlag hatten als bei guten und dieser Unterschied in der physiologischen Reaktion bereits ab dem 25. bis 30. Durchgang signifikant war. Das bedeutet, System 1 wusste aufgrund einer effizienteren Informationsverarbeitung bereits viel früher als das Bewusstsein welche Entscheidung gut für den Spieler war und konnte das über körperliche emotionale Signale rückmelden. Diese und viele andere Studien zeigen, dass wir über ein unbewusstes Informationsverarbeitungssystem verfügen, welches relevante Informationen für uns bereithält und die es uns über emotionale Signale mitteilt. Eine Offenheit für solche emotionalen Hinweisreize und den Mut sich auf diese zu verlassen, in Kombination mit einer guten Informationsgrundlage im Potentialraum des System 1 (Expertise) bilden damit eine wichtige Grundlage für angemessene intuitive Entscheidungen. Wenden wir uns nun dem zweiten Aspekt der emotionalen Transgression der „Anfrage“ an den Potentialraum zu. Wie oben erwähnt, muss die Anfrage emotional richtig kodiert sein, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Hoffnungsvoll-optimistische Anfragen bewirken eine Erfüllung der erwünschten Ziele entlang der semantischen Formulierung der Nachricht, während ängstlich-pessimistische Anfragen, das Gegenteil der intendierten Zielformulierung bewirken. Im Grunde genommen sind die Anfragen nichts anderes als selbsterfüllende Prophezeiungen, wobei die emotional kodierten impliziten Erwartungen den eigentlich realitätsbildenden Impuls an System 1 darstellen. Wir möchten dies an einem Beispiel aus der Forschung genauer erläutern. Phillips et al. (2001) entdeckten eine Form der selbsterfüllenden Prophezeiung, die sie als den „Baskerville Effekt“ bezeichneten. Dieser besagt im Prinzip, dass die Angst vor dem Tod, diesen auch herbeiführt. Untersucht wurde der Effekt in Kalifornien an weißen und asiatisch stämmigen Probanden. In China, Korea und Japan steht die Zahl 4 für Tod und Unglück. Die Aussprache des Wortes 4 hat auch in den entsprechenden Sprachen große Ähnlichkeit mit der Aussprache des Wortes „Tod“. Die Autoren analysierten die Anzahl der Sterbefälle an den verschiedenen Tagen der Monate. Es zeigte sich eine signifikante Häufung der Todesfälle an den 4. Tagen der Monate nur für asiatisch-stämmige Probanden. Die Autoren erklären diesen Effekt durch Stress, der in Erwartung eines Unglücks an diesen Tagen bei den asiatisch geprägten Personen in erhöhtem Maße auftritt und folglich die Sterbewahrscheinlichkeit erhöht. Die Erklärung gemäß der emotionalen Transgression ist tiefergehender. Sie erklärt das Zustandekommen des Effekts dadurch, dass asiatisch-stämmige Individuen an 4. Tagen eines Monats ängstlich versuchen Unglück zu vermeiden und entsprechende Anfragen an den Potentialraum stellen wie z.B. „Lass mir heute nichts passieren“ oder „Lass mich nicht sterben“. Der Potentialraum versteht nur die in der Angst kodiert Erwartung, dass der Tod nahe sei und kodiert entsprechende Situationen, die dies wahrscheinlich werden lassen mit positiven Emotionssignalen. Diese üben dann eine hohe Anziehungskraft aus mit den entsprechenden dramatischen Konsequenzen. Eine ungünstige Zielanfrage bewirkt damit den Zustand erst, den man eigentlich vermeiden wollte. Solche und ähnliche Studien untermauern die Bedeutung der emotionalen Anfrage an den Potentialraum. Wir sollten uns bemühen, hoffnungsvoll-optimistische Erwartungen an zukünftige Realitäten zu richten, damit diese erwartungskonformen möglichen Realitäten auch bei unseren intuitiven Entscheidungen eine höhere emotionale Attraktivität aufweisen und damit aus den vielen potenziellen Möglichkeiten durch unbewusste Präferenz mit größerer Wahrscheinlichkeit gewählt werden. Unser Wollen und unsere intuitiven Entscheidungen, die primär in unserem bewusst, rationalen System 2 ihren Ausgang nehmen, sind durch emotionale Wechselwirkung untrennbar mit dem Potentialraum (System 1) verbunden. Dieser folgt der Sprache der Emotionen, die sich im subjektiven Erlebensaspekt manifestiert und bei Anfragen die Erwartungen entsprechend einfärbt und bei Rückmeldungen die emotionalen Signale kodiert. Emotionale Intelligenz wäre nach diesem Modell die Fähigkeit, unsere subjektiven emotionalen Erwartungen positiv zu verändern und zu erkennen, wann ein positives Bauchgefühl (Signal aus System 1) auch wirklich etwas Positives für uns bedeutet. 4. Der Potentialraum - Jenseits von Raum und Zeit Der unbewusste Potentialraum in System 1 mit seiner riesigen Informationsmenge und ihrer assoziativen Vernetztheit bildet die wesentliche Grundlage für Intuition, die durch emotionale Transgression auf diese Elemente zugreifen und für ihre Entscheidungen nutzen kann. Die klassische Intuitionsforschung (Topolinski, 2011, Zhang et al., 2016) nimmt an, dass frühere v.a. unbewusste Erfahrungen und Informationsverarbeitungsprozesse (Expertise) zum Aufbau des Potentialraums führen. Die Vorhersage und Empfehlung von möglichen, zukünftigen Realitäten erfolgt nach dieser Sichtweise über die schlussfolgernde Extrapolation ausgehend von vorhandenen Wissenselementen. System 1 wird in klassischen Intuitionstheorien wie ein Computerprogramm zur Wettervorhersage verstanden, welches aus den vergangenen und gegenwärtigen physikalischen Bedingungen und gewissen Algorithmen, die sich in der Vergangenheit bewährt haben, eine Vorhersage macht. In den nächsten Abschnitten werden wir eine Theorie und einige empirische Befunde vorstellen, die zeigen, dass der Potentialraum viel mehr enthält als nur unsere eigenen vergangenen Erfahrungen und Wissensinhalte. Der Potentialraum in der Unus Mundus Theorie Der Physiknobelpreisträger Wolfgang Pauli hat zusammen mit Carl Gustav Jung, dem Begründer der Analytischen Psychologie, ein Modell entworfen, mit dem Ziel eine umfassende Beschreibung der Realität zu bieten. Nach dem Pauli-Jung-Modell (PJM) geht die objektive, materielle Welt und die subjektive, geistig-bewusste Welt aus einer gemeinsamen Grundlage der Unus Mundus hervor. Die Dualität von Geist und Materie oder Subjektivität und Objektivität ist nicht a priori gegeben, sondern entsteht immer wieder durch Messung, d.h. der Bewusstwerdung von Realität, aus der Unus Mundus heraus. Die Unus Mundus erweitert das System 1 von Kahneman (2012) und bildet einen unbewussten Potentialraum in dem alle unsere Erfahrungen, vergangene, gegenwärtige und zukünftige gleichzeitig präsent sind. Dies impliziert, dass alle klassischen Realitäten als physikalische Möglichkeiten oder Potentialitäten in der Unus Mundus physikalisch präexistent und geistig unbewusst sind und dass von den Möglichkeiten manche bei aktiver Bewusstmachung tatsächlich (klassisch) real werden. In der Unus Mundus gibt es keine zeitliche Dimension, sondern alle Potentialitäten, die in ihrer unbewussten Kodierung gleichzeitig vorhanden sind. Anders ausgedrückt, wir erleben unsere zukünftigen, vergangenen und aktuellen Realitäten als Möglichkeiten gleichzeitig in unserem unbewussten Potentialraum (System 1). Oder noch deutlicher ausgedrückt: Unser Unbewusstes kennt unsere Zukunft in ihrer potenziellen Form. Damit erweitert diese Theorie unser bisheriges Verständnis von System 1. Dieses enthält nicht nur vergangene Erfahrungen und sagt mit deren Hilfe die Realität vorher, wie in der aktuellen Intuitionsforschung vermutet, sondern es enthält Erfahrungen, die in der Zukunft liegen und auf die wir schon in der Gegenwart durch unsere Emotionen zugreifen können. Diese Realität, weil sie eine Vorform der Subjektivität und der Objektivität darstellt, bildet eine Daseinsform, die zwischen den beiden Realitätsarten liegt. Sie ist nicht komplett subjektiv, also nicht nur imaginär, aber auch nicht komplett objektiv, also nicht vollständig real. Man ordnet ihr daher das Attribut „sobjektive“ Realität zu (Maier et al., in press). Diese zukünftigen sobjektiven Realitäten können durch emotionale Transgression zugänglich und für intuitive Entscheidungen genutzt werden. Intuition kann damit auch emotional kodiertes Wissen aus der Zukunft nutzen und entsprechend handeln. Außerdem kann die emotionale Transgression durch entsprechende Anfragen an den Potentialraum, klassische, bewusste Realitäten beeinflussen und herbeiführen, die eigentlich objektiv betrachtet völlig zufällig auftreten sollten, wie z.B. einen Würfelwurf oder einen Lottogewinn. Das Wissen über die Zukunft und die antizipatorische Nutzung dieses Wissens und die Beeinflussbarkeit von zufälligen Ereignissen sind dramatische Konsequenzen dieses erweiterten Systems 1, die unsere Alltagsicht der Realität in Frage stellen. Wir werden im Folgenden empirische Studien beschreiben, die die intuitive Vorhersage der Zukunft und die Beeinflussung von zufälligen Realitäten nachweisen konnten. Den Emotionen im Sinne der emotionalen Transgression kommt dabei die entscheidende Rolle zu. Vorhersage der Zukunft - Feeling the Future In den letzten Jahrzehnten wurde eine Reihe von Studien durchgeführt, in denen emotionale physiologische Reaktion vor, während und nach der Darbietung von emotionalen Stimuli erhoben wurden. In einer zusammenfassenden Meta-Analyse von Mossbridge et al. (2012) wurde ein signifikanter Effekt der physiologischen Antizipation von zukünftigen, unvorhersagbaren (weil zufällig ausgewählten) emotionalen Reize nachgewiesen. In einer klassischen Versuchsordnung aus dieser Serie von Studien werden pro Durchgang zufällig ein emotionales oder ein neutrales Bild ausgewählt und auf dem Computerbildschirm dargeboten und zeitgleich die physiologische Reaktion der Versuchsteilnehmer erfasst. Wie erwartet zeigten sich höhere physiologische Reaktion während und nach der Darbietung emotionaler Bilder im Vergleich zu neutralen Bildern. Interessanterweise reagierten die Probenden aber auch schon bis zu vier Sekunden vor(!) der Bildpräsentation mit einer erhöhten physiologischen Reaktion. Eine valenzkonforme physiologische Reaktion erfolgte also schon vor der zufälligen Wahl eines emotionalen Bildes im Vergleich zur Wahl neutraler Bilder. Dies bedeutet, dass unser Unbewusstes (System 1) eine noch nicht festgelegte Bildauswahl bereits mehrere Sekunden vor der Auswahl emotional antizipieren und entsprechend physiologisch reagieren konnte. Dies kann durch klassische Realitätsmodelle nicht erklärt werden, da zufällig ausgewählte Bilder durch keine Form der schlussfolgernden Extrapolation aus vergangenen Erfahrungen abgeleitet werden können. Man muss also ein Realitätsmodell wie das PJM annehmen, indem zukünftige Realitäten dem Unbewussten auch schon vor ihrer Realitätswerdung bekannt und über emotionale Signale zugänglich sind. In einer weiteren Reihe von Versuchen konnten unterschiedliche Forschungsgruppen (Bem, 2011; Maier et al., 2014) zeigen, dass, wenn man den Versuchsteilnehmern die Möglichkeit gab, sich für eine Bilddarbietung zu entscheiden, wobei die jeweilige Verhaltensreaktion der Probanden erst nachträglich zufällig mit einem positiven oder negativen Bild assoziiert wurde, diese überzufällig in der Lage waren, negative Bilder zu vermeiden und positive Bilder aufzusuchen. Dazu musste aber das Unbewusste bereits während der Entscheidung wissen, mit welcher Entscheidungsoption welche Konsequenz verbunden war. Dies war aber während des Entscheidungsvorgangs noch gar nicht festgelegt, sondern wurde erst nach Reaktionswahl durch den Probanden zufällig einer positiven oder negativen Konsequenz zugeordnet. Die Tatsache, dass trotzdem vermehrt negative Bilder vermieden und positive Bilder gewählt wurden, legt den Schluss nahe, dass sie bereits bei der Entscheidungswahl über die zukünftigen Realisationen Bescheid wussten. Bei festgelegtem Zeitpfeil ist das klassisch betrachtet unmöglich, kann aber erklärt werden, wenn man wie im PJM annimmt, dass die zukünftigen Konsequenzen dem Individuum auch schon vorab durch Zugang zum Potentialraum, der auch die Zukunft kennt, bekannt sind. Diese und viele ähnliche Befunde deuten darauf hin, dass unser unbewusster Potentialraum nicht nur intuitive Entscheidungen auf der Grundlage von vergangenen Erfahrungen zu unseren Gunsten treffen kann, sondern auch Erfahrungen enthält, die in unserer Zukunft liegen, die wir aber unbewusst bereits erleben. Emotionale Signale von Realitäten aus der Zukunft können damit genauso wie vergangene Erfahrungen genutzt werden, um zukünftige positive Zustände zu erreichen und negative zu vermeiden. Manche Individuen berichten über Vorahnungen, die sich dann entsprechend zugetragen haben, und einige waren auch schon in der Lage, durch diese Vorahnungen Unglücksfälle oder andere negative Begebenheiten zu vermeiden. Es gibt Studien, die nachgewiesen haben, dass Flugzeuge, an dem Tag, an dem sie abstürzten, oder Züge, zu dem Zeitpunkt wo sie verunglücken, weniger Passagiere aufwiesen als zu vorherigen Kontrollzeiten. Dass dies keine Zufälle sind, sondern durch ein intuitives Wissen über zukünftige Ereignisse und ihre emotionale Wahrnehmung erreicht wurde, erscheint nach dem PJM wahrscheinlich. Es sei noch ein wichtiger Aspekt erwähnt. Die hier beschriebenen Mechanismen kommen durch die Vermittlung einer sobjektiven Realität im Potentialraum zustande. Unsere Forschung konnte zeigen, dass diese Effekte verschwinden, sobald man sie zu objektiveren versucht, da sie die sobjektive Grundlage ihrer Entstehung zerstört (Dechamps et al., 2021). Damit intuitives emotionales Antizipieren klassisch unvorhersagbarer Ereignisse robust auftreten kann, muss man daher jede Form der objektiven Bestätigung dieser Fähigkeit vermeiden (siehe auch Maier et al., in press). Solange wir diese Erfahrungen und ihre Konsequenzen in unserem subjektiven Erleben belassen und nicht objektiv dokumentieren, sind sie auch robust realisierbar. Die Beeinflussung des Zufalls Viele Ereignisse in unserem Leben treten zufällig auf und sie entziehen sich damit unserer Kontrolle. Denken Sie an einen Lottogewinn, einen Würfelwurf beim Brettspiel oder eine zufällige Begegnung, die ihr Leben verändert hat. Manche dieser Situationen haben im positiven wie im negativen Sinne einen schicksalhaften Charakter und wir können nach der klassischen Realitätssicht deren Eintreten weder herbeiführen noch verhindern. Das PJM geht davon aus, dass auch zufällige Ereignisse durch emotionale Grundhaltungen beeinflusst werden können. Alle Ereignisse, die eine mögliche Realisation darstellen, sind in unserem Potentialraum als subjektive Realitäten bereits vorhanden. Eine solche Potentialität kann z.B. das Erleben eines Lottogewinns oder das Scheitern bei diesem Gewinnspiel beinhalten. Beide Realitäten existieren als parallele Ereignisse im Potentialraum nebeneinander und beide erleben wir in unserem Unbewussten. Durch emotionale Erwartungen (hoffnungsvoll-optimistisch oder angstvoll-pessimistisch) können wir Anfragen an den Potentialraum stellen, die ähnlich den oben beschriebenen selbsterfüllenden Prophezeiungen eine emotionskongruente Realisierung bewirken. Positiv-optimistische Überzeugungen zum Verlauf bestimmter zufälliger Ereignisse führen dazu, dass die positive Erwartung eintrifft, negativ-pessimistische Haltungen, also Ängste vor etwas, führen dazu, dass diese Bedrohungserwartungen Realität werden. Die Beeinflussung des Zufalls durch Absichten und Erwartungen wurde in zahlreichen Studien untersucht (für einen Überblick siehe, Bosch et al., 2006). In einigen von diesen Studien wurden alternative Ereignisse durch einen Quantenzufall generiert, der nach der Quantenmechanik einen echten, ontische Zufallsprozess darstellt. Es zeigte sich meta-analytisch ein Effekt der Haltung bzw. Intention der Probanden. Im statistischen Mittel konnte der Zufall in Richtung der Absicht der Versuchsteilnehmer verändert werden. In einer dieser Studien (Dechamps et al., 2021) wählte ohne Zutun der Probanden ein quantenbasierter Zufallsgenerator in jedem Durchgang entweder ein positives oder ein negatives Bild. Die Probanden hatten die Absicht positive Bilder zu sehen und diese Intention wurde in der Experimentalbedingung durch subliminales Priming dieser hoffnungsvollen Haltung verstärkt. Es wurde also in einer Bedingung eine unbewusste positive Erwartungshaltung implementiert. In einer Kontrollbedingung wurde eine neutrale Haltung aktiviert. Die Teilnehmer hatten die Aufgabe in der jeweiligen Erwartungshaltung passiv die Bilddarbietungen zu betrachten. Es zeigte sich in der ersten Studie (Dechamps et al., 2021, Studie 1) ein deutlicher Effekt der positiven Haltung in der Experimentalbedingung. Die Versuchspersonen sahen mehr positive Bilder als per Zufall erwartet, während in der Kontrollbedingung die Bilder völlig zufällig auftraten. Individuen scheinen also bei Vorhandensein einer positiven emotionalen Erwartung in der Lage zu sein, positive zukünftige Ereignisse mit größerer Wahrscheinlichkeit zu generieren als per Zufall erlaubt war. Zufällige Ereignisse sind damit nicht allein schicksalhafte Begebenheiten, denen wir unkontrollierbar ausgeliefert sind, sondern wir können mit Hilfe der richtigen emotionalen Grundhaltung für uns positive Realitäten konstruieren. Individuen sind also in der Lage klassische Realitäten aktiv mitzugestalten. Auf dieselbe Weise können sich aber auch negative Eistellungen immer wieder bestätigen. In einer weiteren Studie erhielten Personen mit klinisch relevanten Ängsten vom Quantenzufallsgenerator Aussagen präsentiert, die überzufällig häufig diese Ängste thematisierten (Jakob et al., 2020). Positive und negative emotionale Haltungen kreieren also gleichermaßen Realitäten, die diesen Erwartungen entsprechen und führen damit zu einer Bestätigung der Einstellung der Betroffenen. Dadurch verfestigen sich die emotionalen Grundmuster und werden zu adaptiven oder maladaptiven individuellen Lebensschicksalen. Um die ängstlich-pessimistische Realitätskonstruktion zu durchbrechen, muss man den betroffenen Individuen ihre dysfunktionale emotionale Überzeugung bewusst machen und durch eine positiv-optimistische Haltung ersetzen. Wie im Falle der Vorhersage zukünftiger Ereignisse konnte die Forschung zur Realitätskonstruktion durch Emotionen außerdem feststellen, dass die Effekte verschwinden, sobald man sie objektiviert (Dechamps et al., 2021, Studie 2 und 3; Maier et al., in press). Dies stellt eine weitere Option bei der Behandlung maladaptiver Überzeugungen dar. Sobald man den Probanden nachweist, dass sie selbst die negativen Realitäten erzeugen, reduziert sich ihr überzufällig häufiges Auftreten. Unser Geist ist gemäß dem PJM mittels der Emotionen in der Lage Realität mit zu konstruieren. Sofern die so erzeugten Realitäten dem Individuum förderlich sind, sollten man sie davon abhalten ihre diesbezüglichen Fähigkeiten sich selbst und anderen zu beweisen. Sie sollten an ihre Fähigkeiten glauben, sie aber nicht in den Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit stellen und damit auf die Ebene der Bestätigung heben. Bei dysfunktionalen Realitätskonstruktion sollte die Bestätigung der Selbstwirksamkeit in diesem Kontext betont und damit deren Effektivität gemindert werden. Gleichzeitig sollte eine emotionale Neuausrichtung eingeübt, diese aber mit Leichtigkeit vollzogen und ohne Bestätigungsdruck angewandt werden. 5. Fazit Emotionen lassen sich an der Schnittstelle zwischen bewusster und unbewusster Informationsverarbeitung lokalisieren. Sie stellen damit ein Bindeglied zwischen einer völlig automatischen und einer bewusst-rationalen Verarbeitung von Informationen und Verhaltenssteuerung dar. Emotionen liefern durch die behaviorale Komponente Verhaltensimpulse, die eine phylogenetische adäquate Antwort auf Anpassungsprobleme darstellen, unser Verhalten aber nicht vollständig determinieren, sondern eine bestimmte Richtung bahnen. Die physiologische Komponente unterstützt den Verhaltensimpuls durch angemessene körperliche Veränderungen. Der sobjektiven Komponente, d.h. dem Erlebensaspekt der Emotion, kommt die Rolle einer Signalübertragung zwischen den unbewussten und den bewussten Bereichen unserer Psyche zu. Emotionale Signale erlauben uns einen Zugang zu unserem unbewussten Potentialraum, einem Informationsspeicher, der über eine gewaltige Menge an entscheidungsrelevanten Informationen verfügt. Diese Informationen basieren auf vergangenen und zukünftigen Erfahrungen und stehen uns alle prinzipiell in der Gegenwart zu Verfügung. Wir können sie mit Hilfe des sobjektiven Erlebens für intuitive Entscheidungen, in komplexen, dynamischen und rational nicht vollständig analysierbaren Situationen und bei der Vorhersage zufälliger Ereignisse nutzen. Emotionen erlauben uns damit, auch zukünftige Ereignisse (berechenbare und zufällige) zu antizipieren und entsprechend zu handeln. Emotionale Überzeugungen und Erwartungshaltungen üben bei der Realitätskonstruktion einen wesentlichen Einfluss aus und sie können auch zufällige, klassisch nicht beeinflussbare Ereignisse in ihrer Auftretenswahrscheinlichkeit modifizieren. Um die Emotionen für den Informationsabruf und die Konstruktion von Realitäten adäquat nutzen zu können, muss man drei Faktoren beachten: 1) Seien Sie offen für Ihre emotionalen Signale, indem sie ihre rationale Verarbeitung zeitweise zurückstellen und auf ihr Bauchgefühl hören, 2) entwickeln sie außerdem eine positiv-optimistische Grundhaltung in Lebensbereichen, in denen sie positive Realitäten herbeiführen wollen und 3) vermeiden Sie eine Bestätigung der Wirksamkeit ihrer positiven Haltung bei der Realitätskonstruktion, da sie ansonsten ihre diesbezügliche Selbstwirksamkeit untergraben. Sollten Sie diese drei Faktoren beachten steht einer glücklichen, erfüllten Lebensführung nichts mehr im Wege. 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- Wie sich das Gehirn auf eine gewünschte Zukunft bahnen lässt
Durch die Arbeit mit inneren Bildern können wir unsere körperliche Gesundheit im Sinne der Selbstheilung verbessern, aber auch unsere Lebensumstände entscheidend verändern. Die geistige Ausrichtung spielt dabei die zentrale Rolle. Inhaltsverzeichnis 1. Vorwort 2. Bahnungseffekte im Allgemeinen 3. Bahnung in der Kommunikation 4. Bahnung für die Gesundheit - der Körper folgt dem Geist 5. Die Bahnung des Gehirns auf eine erwünschte Zukunft Literatur- & Quellenverzeichnis Wie sich das Gehirn auf eine Zukunft bahnen lässt Verändert sich der Geist, verändert sich die Welt 1. Vorwort Durch die Arbeit mit inneren Bildern können wir unsere körperliche Gesundheit im Sinne der Selbstheilung verbessern, aber auch unsere Lebensumstände entscheidend verändern. Die geistige Ausrichtung spielt dabei die zentrale Rolle. Im Folgenden wird Ihnen ein Prozess vorgestellt, bei dem unterschiedliche Aspekte der Aufmerksamkeit trainiert und hintereinander angewendet werden, um diese Ziele effektiv erreichen zu können. Welche Rolle spielt die neurologische Bahnung des Gehirns in unserem Leben? Welchen Effekt erzeugt sie in Bezug auf die Wahrnehmung unserer Mitmenschen und der uns umgebenden Realität? Welchen Einfluss hat sie auf die zwischenmenschliche Kommunikation? Wie lassen sich Bahnungseffekte bewusst erzeugen und welche Rolle spielt der Fokus der Aufmerksamkeit dabei? Wie können wir durch das Generieren innerer Bilder sogar unsere Körperphysiologie verändern und Organfunktionen beeinflussen, die sich üblicherweise unserer bewussten Kontrolle entziehen? Was ist das Geheimnis erfolgreicher Visualisierungstechniken, die helfen, Lebensziele einfacher zu erreichen? Diese Themen behandelt das folgende Skript. 2. Bahnungseffekte im Allgemeinen Unter Bahnung versteht man die bewusste oder unterbewusste Lenkung neurologischer Verarbeitungsprozesse in eine bestimmte Richtung. Durch Aktivierung neuronaler Netzwerke kommt es in der Folge zu entsprechenden kognitiven Prozessen oder reaktiven Verhaltensweisen, mitunter sogar zu körperphysiologischen Veränderungen. Der Begriff der Bahnung wird häufig mit „Priming“ gleichgesetzt, wird jedoch in diesem Skript mehrdeutig verwendet und geht dabei über den Effekt des Primings hinaus. Priming ist dabei zweifelsohne eine Form der Bahnung, dessen Funktionsweise zu Beginn dargestellt wird. 2.1 Priming Priming beschreibt einen Effekt, bei dem kognitive Prozesse wie die Beurteilung oder die subjektive Wahrnehmung einer gegenwärtigen Erfahrung durch eine vorangegangene Erfahrung beeinflusst wird. Am leichtesten lässt sich dieser Effekt anhand eines Beispiels erörtern. Um Priming-Effekte zu erzeugen beziehungsweise zu messen, macht man folgendes Experiment: Man gibt Probanden eine Liste von Wörtern und bittet sie, sich diese einzuprägen. Diese Wort-Liste enthält unter anderem die Wörter „Kuchen“, „Ziege“ und „Hemd“. Wenn man danach in einem zweiten, zeitlich ver-setzten und scheinbar unabhängigen Experiment die Teilnehmer bittet, völlig frei zu den Worten „Süßspeise“, „Tier“ und „Kleidungsstück“ zu assoziieren, werden die obigen Worte signifikant häufiger verwendet als bei Teilnehmern, die nicht davor durch die Wort-Liste gepriemt wurden. Dieser Effekt findet auch dann statt, wenn die Probanden sich bewusst gar nicht mehr an die Worte der Wort-Liste erinnern können. Das Priming lässt sich als eine Art „anglühen“ eines betreffenden neuronalen Netzwerkes verstehen. Neuronen, die auf diese Weise (durch die Wortliste) voraktiviert wurden, sprich noch „glühen“, lassen sich schneller und leichter aktivieren als andere Neuronengruppen. Durch solch eine Bahnung werden gewisse Denkoperationen unterbewusst beeinflusst und auf mehr oder weniger vorhersehbare Weise wahrscheinlicher. Untersuchungen zur obigen Methode der „zwei unabhängigen Experimente“ zeigen, dass auch die Wahrnehmung und Beurteilung anderer Menschen davon beeinflusst werden kann, welche Erfahrung wir unmittelbar vor der jeweiligen Beurteilung machen. Lesen wir etwa die Biografie von Nelson Mandela und seinem erfolgreichen politischen Kampf gegen die Apartheid, beurteilen wir die Rolle von Politikern im Allgemeinen als bedeutsamer und stehen ihr positiver gegenüber, wie nach der Lektüre eines Buches über politische Korruption. Jede Erfahrung, die wir als Menschen machen, bildet sich in Form eines neuronalen Netzwerkes im Gehirn ab. Wird dieses aktiviert, werden andere Netzwerke, die im Sinne des assoziativen Gedächtnisses mit dieser Erfahrung in Verbindung stehen, mitaktiviert. Priming ist ein Prozess, der völlig unwillkürlich funktioniert und man kann sich ihm nicht entziehen. Man kann sich lediglich seiner Auswirkung bewusstwerden, aber unterdrücken lässt er sich nicht. Das Priming führt unwillkürlich zu einer Aktivierung des assoziativen Gedächtnisses. Sobald man irgendeine Information erhält, egal ob akustisch, visuell oder durch einen anderen Sinneskanal, setzt sich das assoziative Gedächtnis in Bewegung und aktiviert sämtliche Inhalte, die im Zusammenhang mit dieser Information in der Vergangenheit in Erfahrung gebracht wurden. Die Aktivierung der assoziierten Inhalte läuft dabei unterhalb der Wahrnehmung ab. Folgendes Beispiel veranschaulicht diesen Effekt gut. Lesen Sie die beiden folgenden Kurzgeschichten und achten Sie auf die inneren Bilder, die dabei in Ihrem Geiste entstehen: Geschichte 1: Anna P. lebt in einer großen Stadt. Sie begibt sich zur Entspannung heute ganz gezielt in den größten und als grüne Oase bekannten Erholungspark. Dort angekommen sucht sie eine ganz bestimmte Bank auf. Lesen Sie nun die 2. Geschichte: Geschichte 2: Anna P. lebt in einer großen Stadt. Sie begibt sich aus beruflichen Gründen heute ganz gezielt in das Finanzzentrum der Stadt. Dort angekommen sucht sie eine ganz bestimmte Bank auf. Die meisten Leser erleben beim Lesen der ersten Geschichte das Auftauchen einer Parkbank, wenn sie das Wort „Bank“ lesen, während dasselbe Wort in der zweiten Geschichte meistens das innere Bild eines Finanzinstituts entstehen lässt. Dasselbe Wort löst also unterschiedliche Assoziationen aus, je nachdem auf welche Weise das Gehirn zuvor geprimt wurde. Hört man die Worte „grüne Oase“, „Entspannung“ und „Erholungspark“, wird das assoziative Gedächtnis augenblicklich auf die Reise geschickt und aktiviert sämtliche Erfahrungen, die im Zusammenhang mit diesen Begriffen bereits gesammelt wurden. Unwillkürlich und unterhalb der Wahrnehmung assoziiert das Gehirn beim Lesen des Wortes „Erholungspark“ womöglich ein paar Bäume, vielleicht einen kleinen Teich mit Schwänen, eine von geschwungenen Wegen durchzogene Wiese und eine dazu passende Sitzbank. Da all diese Dinge, wie eben auch die Sitzbank neurologisch mit „angeglüht“ werden und die betreffenden Neuronen daher bereits erregt sind, erscheint im Geiste augenblicklich eine Sitzbank, sobald man das Wort „Bank“ liest. Diese unterbewusst ablaufenden Denkoperationen sind sehr bedeutungsvoll für das menschliche Denken, da sie eine sehr schnelle Verarbeitung von Inhalten und ein schnelles Erfassen von Sachverhalten ermöglichen. Andererseits können Bahnungseffekte aber auch zu Verzerrungen der Wahrnehmung führen und Fehlurteile begünstigen. Ein Bespiel hierfür ist der sogenannte „Halo-Effekt“, dem ebenfalls eine Bahnung zu Grunde liegt. 2.2 Der Halo-Effekt „Halo“ bedeutet auf Griechisch „Lichthof“ und wird zu Deutsch oft mit „Heiligenschein“ übersetzt. Der Halo-Effekt beschreibt den Umstand, dass ein ganz bestimmtes Merkmal einer Person, eines Gegenstandes oder einer Situation so heraussticht, dass es andere Merkmale überstrahlt und dadurch das eigene Urteilsvermögen trübt. Sehr gut untersucht wurde dieser Bahnungseffekt im Rahmen der subjektiv empfundenen Attraktivität von Menschen, wo gutaussehenden Individuen generell eine höhere Kompetenz zugeschrieben wird, als weniger attraktiven Personen. Im Gegenzug dazu kann etwa eine höchst unangenehme Stimme eines Vortragenden, den wunderbaren Inhalt des Vortrags überstrahlen und das eigene Urteil in eine negative Richtung prägen. Zum Teil lässt sich dieser Effekt mit dem Prozess der kognitiven Leichtigkeit erklären, wo das Erleben von positiven Gefühlen dazu führt, dass man präsentierten Inhalten mehr vertraut und weniger kritisch ist, wohingegen negative Emotionen als kognitive Beanspruchung erlebt werden und das Gegenteil bewirken. Darüber hinaus liegt dem „Halo-Effekt“ aber ein weiterer Effekt zu Grunde, den man den „Primacy-Effekt“ oder „Primär-Effekt“ nennt. Dieser besagt, dass die Reihenfolge, in der Inhalte eines Sachverhaltes präsentiert werden, einen Unterschied in der Bewertung derselben macht. Dies lässt sich anhand eines Beispiels illustrieren. Im folgenden Versuch bittet man Menschen auf einer Skala von 0 bis 10 zu beurteilen, ob sie die folgenden Personen als eher sympathisch oder weniger sympathisch bezeichnen würden: Philipp: intelligent, fleißig, impulsiv, kritisch, eigensinnig, neidisch Michael: neidisch, eigensinnig, kritisch, impulsiv, fleißig, intelligent Die beiden Personen werden den Probanden dieses Versuches in der Regel mit einem gewissen zeitlichen Abstand präsentiert, um die Chance zu verringern, dass die Befragten die Offensichtlichkeit des Versuches erkennen, dass nämlich beiden Personen die exakt selben Charaktermerkmale zugeschrieben werden, allerdings in einer unterschiedlichen Reihenfolge. Die allermeisten der Befragten beurteilen Philipp dabei als signifikant sympathischer als Michael, weil die zuerst genannten Eigenschaften durch den Haloeffekt die danach angeführten Merkmale überstrahlen. Auch hier wird das Gehirn bereits in eine bestimmte Richtung gebahnt und eine Assoziationskette in Gang gesetzt, die das eigene Urteil vorab färbt. Die Funktionsweise des assoziativen Gedächtnisses erlaubt uns also einerseits Sachverhalte sehr schnell zu erfassen und befähigt uns zu raschen Urteilen, andererseits sind diese unbewussten Denkoperationen aber auch die Wurzel vieler Vorurteile. 2.3 Vorurteile – die negativen Auswirkungen von Bahnungseffekten Der Priming-Effekt funktioniert nur dann, wenn bereits neuronale Netzwerke vorliegen, die geprimt werden können. Der Grund dafür ist die Funktionsweise des assoziativen Gedächtnisses. Wenn man sich an die Zeit des 11. Septembers 2001 zurückerinnert, dann waren die Monate und Jahre nach dem Terrorakt von medialen Berichten geprägt, in denen fast täglich Bilder von Terroristen gezeigt wurden. Auf den Bildschirmen der Fernsehgeräte sah man fast ausschließlich Männer aus dem arabischen Raum, deren Stereotyp vor allem durch deren Bärte, schwarze Haare und dunkle Augen auffiel. Vielen Menschen quer durch Europa ist es in der Folge beim Anblick eines ähnlich aussehenden Mannes in der U-Bahn so ergangen, dass sie augenblicklich an einen Terroristen dachten und diesem Menschen wohl eher skeptisch, wenn nicht gar ängstlich oder feindselig gegenüberstanden. Und wie viele Menschen haben ihre innere Reaktion wohl erkannt oder sich zum Teil sogar dafür kritisiert? Die Gehirne jener Menschen, die die Nachrichten regelmäßig verfolgten, wurden so oft auf diese Verbindung zwischen Terroristen und arabisch aussehenden Menschen konditioniert und geprimt, dass diese Assoziationen augenblicklich zu Tage traten. Das Auftreten vorverurteilender Gedanken lässt sich zwar nicht unterdrücken, aber zumindest durch Selbstbeobachtung erkennen und dadurch entschärfen. Durch Selbstreflexion können diese automatisch auftretenden Denkoperationen kritisch hinterfragt und reaktionäre Verhaltensweisen unterdrückt und moduliert werden. Aber dass sie stattfinden, lässt sich nicht verhindern. Bekannterweise lassen sich Vorurteile wiederum dahingehend abbauen, indem neuartige und gegenteilige Erfahrungen mit einem Stereotyp gemacht werden. Diese Erfahrungen verändern abermals die eigene Wahrnehmung, weil jede Erfahrung neue neuro-logische Bahnen legt – in die eine, wie in die andere Richtung. Wäre es folglich denkbar, dass sich Priming-Effekte bewusst erzeugen und nutzen lassen, um die eigene Wahrnehmung und somit auch Urteile gegenüber anderen Menschen oder bestimmten Situationen in eine positive Richtung zu lenken? Kann man das eigene Gehirn auf eine gewünschte Weise bahnen, in dem man bestimmte Geisteshaltungen trainiert und somit Bahnungseffekte konstruktiv einsetzt? Die folgenden drei Kapitel beschreiben praxisnahe Einsatzgebiete und umfassen die Themen „Kommunikation“, „Beeinflussbarkeit der eigenen Körperphysiologie“ und „das Erreichen von Lebenszielen“. 3. Bahnung in der Kommunikation Kommunikation ist in privaten wie in beruflichen Kontexten eines der zentralsten Themen, die unser menschliches Dasein bestimmen. Die Art der Kommunikation entscheidet häufig über das Gelingen oder Misslingen von menschlichen Beziehungen. Darüber hinaus gehören zwischenmenschliche Konflikte nachweislich zu den größten Stressfaktoren im Leben der meisten Menschen. Um Konflikte in der Kommunikation zu reduzieren bzw. die Kommunikation generell effektiver, im Sinne eines gewünschten Outcomes zu gestalten, sollen hier zwei praktische Methoden vorgestellt werden, die das Gehirn sowohl des Senders als auch des Empfängers in eine gewünschte Richtung bahnen können. 3.1 Wie sich das eigene Gehirn auf eine mitfühlende Kommunikation bahnen lässt Aus der buddhistischen Tradition ist seit Jahrtausenden eine mentale Praxis bekannt, die man als Mitgefühls-Training bezeichnet – die Metta-Meditation, oder die Meditation der liebenden Güte. Neurowissenschaftliche Erkenntnisse rund um die Forschungsarbeiten von Tanja Singer haben gezeigt, dass ein Training von Mitgefühl bestimmte Gehirnareale aktiviert, das sowohl die innere Haltung gegenüber Mitmenschen verändert, als auch zu prosozialem Verhalten führt. Wichtig ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass Mitgefühl nicht mit Empathie gleichgesetzt werden darf, denn es zeigte sich, dass zwischen beiden Geisteshaltungen entscheidende neurobiologische Unterschiede bestehen. Während Mitgefühl, als der innere Wunsch, dass es anderen wohl ergehen möge, einen positiven Affekt erzeugt und die Kommunikation mit unseren Mitmenschen erleichtern kann, führt das reine Erleben von Empathie (das In-Resonanz-Gehen mit dem Leid anderer) ohne gleichzeitig empfundenes Mitgefühl zu negativem Affekt und erzeugt Stress. Der neurophysiologische Mechanismus, der hinter dem Unterschied zwischen Empathie und Mitgefühl steckt, hat mit der Aktivierung der Schmerzzentren und anderen Gehirnregionen zu tun und lässt sich kurz zusammenfassend so darstellen: Wenn Menschen emotionalen Schmerz empfinden, dann kommt es zu einer Aktivierung in Bereichen des anterioren Gyrus cinguli (ACC) und der anterioren Insula, welche als emotionale Schmerzzentren gesehen werden. Sozialer Ausschluss etwa aktiviert diese beiden Gehirnareale umso stärker, je intensiver die Probanden diesen negativen Stress erleben. Die gleichen Gehirnareale werden interessanter Weise ebenfalls aktiviert, wenn man andere Menschen sieht, die von physischem oder emotionalem Schmerz betroffen sind. Wenn man also im Rahmen empathischer Wahrnehmung andere Menschen leiden sieht, dann leidet auch das eigene Gehirn und „empfindet“ Schmerzen, da es zur Aktivierung dieses Schmerz-Empathie-Netzwerkes kommt. Dies geht mit dem Erleben negativer Emotionen einher und stellt somit eine aversive Erfahrung dar. Wenn einfühlende Resonanz mit dem Leid anderer Menschen wiederholt stark negative Emotionen auslöst, kann dies auf Dauer erheblichen Stress verursachen und sogar zur Entwicklung von Burnout beitragen. Menschen in helfenden, medizinisch-pflegenden Berufen, aber auch im Coaching sind hier im Besonderen gefährdet. Die positive Nachricht der Mitgefühls-Forschung ist jedoch, dass wenn empathisches Erleben mit Mitgefühl kombiniert wird, werden neben den emotionalen Schmerzzentren zusätzliche Gehirnareale aktiviert, die mit positiven Emotionen und prosozialem Verhalten assoziiert sind. Dieses „Mitgefühls-Netzwerk“ umspannt unter anderem den medialen orbitofrontalen Kortex, Teile des Striatums und den anterioren Gyrus cinguli. Gemeinsam formen diese Regionen ein Netzwerk, das mit positiven Emotionen, Zugehörigkeit und Liebe sowie Belohnung in Verbindung gebracht wird. Mitgefühl erzeugt im Gegensatz zur reinen Empathie also einen positiven Affekt und führt zu neuronaler Aktivität, die Stress im Umgang mit Mitmenschen reduziert. Durch ein regelmäßiges Training von Mitgefühl wird das eigene Gehirn auf eine positive und wertschätzende Wahrnehmung der Mitmenschen gebahnt, was konfliktfreiere Kommunikation deutlich erleichtert. Wie sieht solch ein Mitgefühlstraining in der Praxis aus? Durch ein Training des Mitgefühls macht man sich zunächst die Tatsache bewusst, dass jeder Mensch Momente des Leidens erlebt und übt sich in der Haltung, dem Gegenüber wohlwollende Gedanken und Gefühle zu senden. Man vergegenwärtigt sich den Umstand, den der Dalai Lama als eine, alle Menschen verbindende Tatsache beschreibt: Nämlich, dass jeder Mensch den Wunsch in sich trägt, glücklich zu sein und Leid von sich fernzuhalten. Sich diesen Gedanken immer wieder zu vergegenwärtigen, bahnt die Wahrnehmung unserer Mitmenschen bereits in eine mitfühlende Richtung und erzeugt einen spürbar verbindenden Effekt, der das Verständnis für die Erlebniswelt des Gegenübers erhöht. Auf diese Weise kann man gerade im Umgang mit Menschen, die man als sehr herausfordernd erlebt, das eigene Gehirn auf konstruktive Weise bahnen. Zu diesem Zwecke kann man folgende Mitgefühlsübung regelmäßig praktizieren: 3.2 Metta-Meditation Machen Sie sich zunächst bewusst, dass alle Wesen dieser Welt Momente des Leidens erleben. Schenken Sie nun Ihre Aufmerksamkeit zuerst sich selbst und richten Sie folgende Worte im Sinne des Selbstmitgefühls an sich: Möge ich glücklich und zufrieden sein. Möge ich sicher und geborgen sein. Möge ich gesund sein. Möge ich mit Leichtigkeit leben. Spüren Sie, wie sich Ihr Herz dabei öffnet und sich mehr und mehr Wohlwollen in Ihrem Inneren ausbreitet. Denken Sie nun an einen besonderen Menschen, der Ihnen am Herzen liegt, und senden Sie ihm dieselben Wünsche: Mögest du glücklich und zufrieden sein. Mögest du sicher und geborgen sein. Mögest du gesund sein. Mögest du mit Leichtigkeit leben. Sie können nun einen Schritt weitergehen und diese Wünsche einer Person senden, der Sie neutral gegenüberstehen. Wenn Ihnen dies gelingt, dann können Sie versuchen, diese Wünsche einem Menschen zuzusenden, mit dem Sie gerade ein Problem oder einen Konflikt haben. Sie können diese Wünsche noch weiter ausdehnen und schließlich auf die gesamte Menschheit ausweiten: Mögen alle Menschen glücklich und zufrieden sein. Mögen alle Menschen sicher und geborgen sein. Mögen alle Menschen gesund sein. Mögen alle Menschen mit Leichtigkeit leben. Wenn wir diese Geisteshaltung kultivieren und beispielsweise zu Beginn des Tages für etwa fünf bis zehn Minuten praktizieren, bahnen wir das Gehirn auf eine mitfühlende Haltung gegenüber jenen Menschen, die uns am bevorstehenden Tag begegnen werden. Wir trainieren das Gehirn, um destruktive Verhaltensweisen von Mitmenschen, die uns tendenziell irritieren und regelmäßig zu Konflikten führen, als Folge innerer Leidenszustände zu erkennen und erleben durch regelmäßiges Üben eine mitfühlende Haltung als innere Reaktion. Dabei ist es entscheidend, diese Sätze nicht nur innerlich auszusprechen, sondern sie wirklich zu fühlen. Dafür ist es wichtig, Formulierungen zu finden, mit denen man emotional resoniert. Nicht für jeden mag der eine oder andere Wortlaut stimmig sein und sowohl beim eigenen Training des Mitgefühls, als auch bei der Vermittlung dieser Methode gegenüber einem Klienten ist es wichtig, individuell passende Formulierungen zu finden, um das gewünschte Gefühl zu erzeugen. Auf diese Weise können wir die eigene Wahrnehmung auf konstruktive Weise bahnen, um die Kommunikation mit unseren Mitmenschen zu erleichtern. Es gibt aber auch Methoden in der Kommunikation, die helfen, das Denken des Gegenübers zu bahnen und die es erleichtern, gewünschte Resultate in der Kommunikation zu erzeugen. Solch eine Methode ist beispielsweise die, aus der Hypnose-Arbeit bekannte Etablierung des „Yes-Set“. 3.3 Das „Yes-Set“ – Wie sich das Gehirn des Gegenübers bahnen lässt Die Etablierung des Yes-Set kann man als eine Form der Bahnung verstehen, welche ermöglicht, unterbewusste Denkoperationen des Gegenübers zu erzeugen, die dabei helfen, Widerstände zu reduzieren und eigene Botschaften erfolgreicher anzubringen. Weiter oben im Skript wurde bereits auf den Effekt der kognitiven Leichtigkeit eingegangen, der besagt, dass Informationen vom Gehirn umso leichter aufgenommen und akzeptiert werden, je flüssiger sie verarbeitet werden und je angenehmer die dabei empfundenen Emotionen sind. Aus der Arbeit mit dem Unterbewusstsein hat sich gezeigt, dass es sehr effektvoll ist, im Rahmen der Kommunikation drei Dinge zu sagen, die das Gegenüber auf jeden Fall bejahen kann, bevor man eine gewünschte Botschaft anbringt. Das Prinzip ist folgendes: Wenn man drei Dinge hintereinander hört, die man innerlich als wahr bestätigen kann, dann ist man dazu geneigt, die nächstfolgende Information ebenfalls zu glauben. Drei wahre Aussagen erzeugen ein Gefühl von Kohärenz und Vertrauen, was zu innerer Zustimmung und einem positiven Gefühl führt. Durch das Erleben kognitiver Leichtigkeit, „schaltet das Gehirn auf Empfangsmodus“. Ein Beispiel dafür könnte so aussehen: Ein aufgebrachter Kunde richtet sich mit einer Beschwerde an Sie, weil das Geschäft nicht so gelaufen ist, wie er sich das gewünscht hat. Anstatt dem Kunden reflexartig mit Gegenargumenten zu begegnen, bedeutet die Etablierung des Yes-Set, dass man zunächst drei Dinge anspricht, die die Erlebniswelt des Kunden widerspiegeln. Dies könnte etwa so lauten: (1) „Sie sind offenbar enttäuscht, wie das Geschäft verlaufen ist, (2) das verstehe ich, denn ich denke, Sie haben sich erhofft, dass ... (dieses oder jenes) eintritt (3) und wünschen sich, dass es jetzt zu einem guten Ende kommt.“ Nach diesen drei Spiegelungen kommt nun die Botschaft: „Wir werden eine Lösung finden. Ich habe mir folgendes überlegt...“ Durch ein Bestätigen der Erlebniswelt des Gegenübers, lässt sich dessen Gehirn auf Empfangsmodus bahnen und er öffnet sich für Ihre Botschaft. Behauptet man andererseits im ungünstigsten Falle Dinge, die das Erleben des Gegenübers nicht spiegeln und von diesem anders empfunden werden, sinkt die Bereitschaft, nachfolgende Informationen zu akzeptieren, was häufig zu vermeidbaren Konflikten in der Kommunikation führt. Betrachtet man solche Effekte in der Sprachwahl genauer, lässt sich erkennen, dass letztlich alles was im Rahmen von Kommunikation gesagt wird, die Denkoperationen der Beteiligten IMMER in eine bestimmte Richtung bahnt. Wenn man dies verinnerlicht und professionell auf seine Wortwahl achtet, kann man erstaunliche Möglichkeiten von Bahnungseffekten in der Kommunikation erleben. 4. Bahnung für die Gesundheit - der Körper folgt dem Geist Ganz allgemein lässt sich Bahnung als ein Prozess verstehen, bei dem bestimmte Assoziationsketten im Gehirn in Gang gebracht werden, die in konsekutive Denkoperationen münden. Die Auswirkungen dieser kognitiven Prozesse bleiben allerdings nicht auf die Gedankenwelt beschränkt, sondern können direkte Reaktionen des Körpers und somit Veränderungen der Körperphysiologie zur Folge haben. Das Forschungsgebiet der Psychoneuroimmunologie hat mittlerweile belegt, dass sich durch das bewusste Erzeugen mentaler Bilder autonome Körperfunktionen beeinflussen lassen, die sich normalerweise der willentlichen Beeinflussung entziehen. 4.1 Innere Bilder aktivieren innere Organe Die allermeisten Organfunktionen werden vom autonomen Nervensystem (ANS) gesteuert und dieses entzieht sich prinzipiell der willkürlichen Kontrolle. Während das willkürliche Nervensystem die Muskulatur des Rumpfes und der Extremitäten steuert und dabei der willentlichen Kontrolle unterliegt, reguliert das ANS scheinbar unbeeinflussbar und unwillkürlich die Funktionen der inneren Organe. Das ANS ist mit der Aufgabe betraut, den Körper immer an die jeweilige Situation anzupassen, in der er sich gerade befindet. Der Körper muss bekanntlich sehr unterschiedliche Dinge leisten, je nachdem ob man gerade eine Runde joggen geht, oder bei einem ausgedehnten Abendessen sitzt. Um sowohl den Blutdruck, die Herz- und Atemfrequenz, die Aktivität der Verdauungsorgane und der Schweißdrüsen, aber auch die Funktionen des Immunsystems ständig an die gegebenen Situationen anzupassen, besteht das ANS aus den zwei bekannten funktionellen Gegenspielern – dem Sympathikus und dem Parasympathikus. Auch wenn deren Nervenfasern nicht direkt der willentlichen Ansteuerung unterworfen sind, so reagieren sie doch sehr sensibel auf innere, also mentale Bilder und lassen sich dadurch auch bewusst ansteuern. Sie haben bereits selbst die Erfahrung gemacht, dass Sie Ihre Bauchspeicheldrüse oder die Schweiß- und Speicheldrüsen nicht auf Befehl aktivieren können. Über das Erzeugen mentaler Bilder ist dies jedoch möglich. Um es selbst zu erleben, machen Sie hierfür folgende Übung, um sich von der Wirksamkeit innerer Bilder und deren Wirkung auf autonome Zellfunktionen selbst zu überzeugen: 4.2 Die Zitronenübung Schließen Sie für einen Moment Ihre Augen und stellen Sie sich vor, dass Sie eine große, saftig-gelbe Zitrone in einer Ihrer Hände halten. Spüren Sie in die Vorstellung hinein, wie schwer diese Zitrone wiegt, wenn Sie Ihre Hand ganz locker nach oben und nach unten schwenken. Spüren Sie nach, wie sich diese glatte Oberfläche anfühlen würde und welche Temperatur sie hat. Führen Sie jetzt die Zitrone zu Ihrer Nase und riechen Sie daran. Jetzt stellen Sie sich vor, Sie würden in Ihre Küche gehen und diese Zitrone auf ein Schneidbrett legen. Schneiden Sie jetzt mit einem scharfen Küchenmesser die Zitrone in zwei Hälften. Vielleicht können Sie wahrnehmen, wie etwas von dem säurigen Zitronensaft aus den Schnittflächen herausspritzt und auf das Schneidbrett läuft. Jetzt führen Sie beide Hälften mit den feuchten Schnittflächen noch einmal an Ihre Nase und riechen Sie diesen noch viel intensiveren Geruch der Zitronensäure. Jetzt schließen Sie in der Vorstellung Ihre Augen, öffnen Sie den Mund und pressen den gesamten Inhalt beider Hälften in Ihren Mund. Spüren Sie diesen sauren Geschmack und wie sich Ihre Gesichtsmuskulatur vor lauter Säure zu einer Grimmasse verzieht. Konnten Sie spüren, wie es im Bereich der Speicheldrüsen begonnen hat zu kribbeln, beziehungsweise Speichel begonnen hat zu fließen? Wenn solch ein mentales „Bild“ mit allen Sinnen im Geiste erzeugt wird, erleben die meisten Menschen eine deutliche Körperreaktion in Form von Speichelproduktion. Dieses Beispiel ist sehr plakativ und innerlich relativ leicht umsetzbar. Doch auf die gleiche Weise, nämlich durch das Generieren innerer Bilder, lassen sich deutlich mehr Organfunktionen beeinflussen, als allgemein bekannt. Auch wenn die exakten Mechanismen nicht geklärt sind, wie genau der Körper innere Bilder in Zellfunktionen übersetzt, so möchte ich im Folgenden ein Erklärungsmodell ins Feld führen, das als nachvollziehbare Arbeitshypothese dienen soll. Das Gehirn empfängt über die Sinnesorgane stets sämtliche Informationen darüber, was gerade in der dreidimensionalen Realität erlebt wird und zeichnet über die neuronale Verarbeitung ein neurologisches Abbild der gemachten äußeren Erfahrung. Zusätzlich werden die inneren kognitiven und emotionalen Reaktionen darauf verarbeitet. All diese Informationen werden einerseits auf neuronalem Weg über elektrische Impulse und andererseits auf humoralem Weg über das Hormonsystem an die Körperzellen verschiedenster Organsysteme weitergeleitet. Diese Körperzellen reagieren mit entsprechenden Zellfunktionen, um sich an das Erlebte zu adaptieren. Vereinfacht lässt sich sagen, dass der Körper in jeder Sekunde des Lebens abgleicht, ob er an die gerade erlebte Situation angepasst ist oder nicht. Und wenn seine physiologische Funktionsweise nicht den aktuellen Anforderungen entspricht, beginnt er sich anzupassen. Würde er dies nicht tun, würde der Organismus nicht sehr lange überleben. Ein paar Beispiele verdeutlichen dies am besten. Stellen Sie sich vor, Sie begeben sich auf eine Bergtour ins Hochgebirge. Registriert Ihr Körper dabei, dass der Sauerstoffpartialdruck im Blut abfällt, dann beginnen die Nieren vermehrt Erythropoetin zu produzieren, also jenen Botenstoff, der das Knochenmark zur vermehrten Bildung von roten Blutkörperchen anregt, um mehr Sauerstoff transportieren zu können und den aktuellen Sauerstoffbedarf zu decken. Wieder anders verhält sich der Körper, wenn Sie beispielsweise eine Speise zubereiten und gerade Zwiebel in Ihrer Bratpfanne anrösten. Dieser Vorgang wird von Ihren Sinnesorganen an das Gehirn weitergeleitet und Sie riechen den Duft der Zwiebeln und hören das Brutzeln in der Pfanne, während Ihre Gedanken schon um das bevorstehende Mahl kreisen. Zu diesem Zeitpunkt beginnt oft der Magen zu knurren, da er vermehrt Magensäure produziert und die Peristaltik anwirft. Gleichzeitig beginnen Verdauungssäfte in der Bauchspeicheldrüse zu fließen, sodass die Verdauung des Speisebreies augenblicklich beginnen kann, sobald Sie den ersten Bissen machen. Ohne diese Anpassungsreaktion würde der Speisebrei unverdaut in den Dickdarm weiterbefördert werden und dort zu Blähungen und Durchfall führen. Der Körper reagiert also stets auf die Anforderungen des gegenwärtigen Moments und passt seine Zellfunktionen daran an. Der Mensch hat nun die erstaunliche Fähigkeit durch seine Vorstellungskraft, innere Bilder so real werden zu lassen, dass der Körper nicht zwischen Realität und Vorstellung unterscheiden kann. Wenn man die Augen schließt, den Blick nach innen wendet und sich ein Erlebnis mit allen Sinnen vorstellt, dann wird eine innere Erfahrung erzeugt, die messbare Veränderungen der Körperphysiologie, im Sinne einer Anpassungsreaktion zur Folge hat. Aus meiner Erfahrung mit medizinischer Hypnose kann ich berichten, dass sich viele autonome Körperfunktionen auf diese Weise beeinflussen lassen. Wissenschaftlich sehr gut erforscht ist die Beeinflussbarkeit des Verdauungssystems durch die Bauchgerichtete Hypnosetherapie. Gerade bei Menschen mit Reizdarmsyndrom, die an Symptomen wie unregelmäßigem Stuhlgang, Bauchschmerzen, Blähungen und teilweise akut einsetzenden Durchfallattacken leiden, wurden nachweislich deutliche Verbesserungen der Darmfunktionen nachgewiesen. Die in Studien untersuchten Patienten erhielten eine dreimonatige Bauchhypnose-Therapie mit acht bis zwölf, wöchentlich stattfindenden Sitzungen. Während der Sitzungen lernen die Patienten, in einen entspannten Trance-Zustand zu gehen und innere Bilder in sich entstehen zu lassen, die sich direkt auf die Darmtätigkeit auswirken. Neurowissenschaftliche Untersuchungen mittels fMRI konnten dabei zeigen, dass die beim Reizdarmsyndrom bestehende Hypersensibilität der Nervenfasern im Bereich der Darmschleimhaut und die damit einhergehende erhöhte Aktivität der Schmerzzentren durch die Hypnose deutlich reduziert wurden. Aber auch die Stuhlkonsistenz- und Stuhlfrequenz normalisiert sich in den meisten Fällen. Um spezifische Körperfunktionen beeinflussen zu können, spielt einerseits die passende Wahl der inneren Bilder eine entscheidende Rolle, andererseits auch die, auf die Veränderung der betreffenden Funktionen ausgerichteten Suggestionen. So wie das Bild einer Zitrone die Speicheldrüsen aktiviert, dienen wieder andere Bilder dazu, etwa den Blutdruck zu modulieren. Auch die Häufigkeit von Migräneanfallen lässt sich durch die regelmäßige Anwendung von Selbsthypnose durch Autosuggestion verringern. Eine besonders effektive und schnell wirksame Methode den Parasympathikus zu aktivieren und einen generellen Entspannungszustand zu erreichen, ist eine spezielle Atemtechnik, bei der man gleichmäßig und ruhig fünf Sekunden lang ein und fünf Sekunden lang ausatmet. Wenn man gleichzeitig zu diesem verlangsamten Atemzyklus ein emotional positiv besetztes Bild im Geiste erzeugt, lassen sich nachweislich Stress reduzierende Effekte im Körper erzeugen und der Blutdruck senken. Diese Übung lässt sich leicht erlernen und ist im Alltag überall und jederzeit umsetzbar. Sie ist im Coaching wunderbar geeignet, um Klienten eine wirkungsvolle Stressreduktionstechnik anzubieten und sowohl den Blutdruck, als auch die Herzfrequenz zu reduzieren. Machen Sie hierfür folgende Übung: 4.3 Atemübung zur Stressreduktion Setzen Sie sich aufrecht hin und schließen Sie Ihre Augen oder lassen Sie Ihren Blick ins Leere gleiten. Richten Sie nun Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre Atmung und lassen Sie diese etwas ruhiger und tiefer werden. Atmen Sie etwa fünf Sekunden lang ein und fünf Sekunden lang aus. Sie können auch ein bisschen länger ausatmen, als Sie einatmen. Achten Sie darauf, dass die Atmung ohne Anstrengung fließt und Sie über die gesamte Länge der Ein und Ausatmung den gleichen Atemfluss aufrechterhalten. Nehmen Sie ganz bewusst wahr, wie Ein und Ausatmung am Wendepunkt ineinander übergehen, und achten Sie darauf, keine Atempause zu machen, sodass ein kontinuierlicher Kreislauf entsteht. Machen Sie das einige Atemzüge oder ein paar Minuten lang, bis Sie spüren, dass Ihr Geist ruhiger wird. Wenn das der Fall ist, denken Sie an etwas, das Ihnen ein schönes und warmes Herzensgefühl vermittelt. Dies kann ein geliebter Mensch sein, zu dem Sie eine besondere Herzensbindung haben, aber auch ein schöner Ort oder ein Haustier, das Ihnen lieb geworden ist. Was immer es ist, es soll eine deutlich spürbare und schöne Emotion in Ihnen auslösen. Wenn sich dieses Gefühl einstellt, dann atmen Sie es in Ihrer Vorstellung durch Ihre Herzgegend oder Ihren Bauchraum ein und aus. Lassen Sie dieses Gefühl wie ein Licht oder eine schöne Farbe sich mehr und mehr in Ihrem Körper ausbreiten. Wenn wir im Alltag unseren Routinetätigkeiten nachgehen, läuft die Atmung meist unregelmäßig und nach einem ungeordneten Muster. Der Herzrhythmus geht dabei seine eigenen Wege und auch der Blutdruck sowie andere oszillierende Systeme wie die Hormonzyklen arbeiten in ihrem eigenen Takt. Diesen Zustand bezeichnet man als Inkohärenz, da die unterschiedlichen Körperrhythmen nicht untereinander koordiniert arbeiten. Durch die oben beschriebene Atemübung wechselt der Körper in den regenerierenden Zustand der Kohärenz, in welchem sich verschiedene biologische Rhythmen aufeinander einschwingen. Während dieser Atemübung lehnt sich der Herzschlag an den Atemrhythmus an und die beiden beginnen, in einem geordne-ten Verhältnis zueinander zu arbeiten. In der Medizin nennt man diese Koppelung von Herzschlag und Atemrhythmus die „respiratorische Sinusarrhythmie“. Sie tritt sonst nur in den Tiefschlafphasen auf, also jenen Momenten, in denen der Körper maximal regeneriert. Geschieht diese Phasenkoppelung in einem Atemzyklus von zehn Sekunden, indem wir fünf Sekunden lang ein- und fünf Sekunden lang ausatmen, beginnt auch der Blutdruck, sich in einem geordneten Verhältnis zum Atem- und Herzrhythmus anzupassen. Schwingen sich all diese Systeme im Körper aufeinander ein, bezeichnet man dies als Kohärenz. Die folgende Abbildung zeigt diesen eindrucksvollen Effekt. Man sieht, wie Herzschlag, Blutdruck und Atmung zunächst in unterschiedlichen Rhythmen und Frequenzen arbeiten. Die vertikal gestrichelte Linie zeigt den Beginn der Atmung im Fünf-Sekunden-Rhythmus an, welche augenblicklich die drei Systeme synchronisiert. (Quelle: Buch „Denke, was dein Herz fühlt“ – Wolf-Dieter Nagl. Grafik zur Verfügung gestellt vom HeartMath Institut) Wenn der Körper in diesen kohärenten Zustand übergeht, kommt es zu einer ausgeprägten Regeneration des Körper-Geist-Systems, die sich in dem optimalen Gasaustausch in den Lungen und der Senkung des Blutdrucks, aber auch der Beruhigung der Gedanken widerspiegelt. Mit der ruhigen Atmung in dieser speziellen Frequenz werden die Körperrhythmen harmonisiert und der Parasympathikus bei jedem Ausatmen aktiviert. 4.4 Der Geist als Fitnesstrainer Es können aber nicht nur autonome Organfunktionen über innere Bilder beeinflusst werden. Es hat sich gezeigt, dass sich sogar Bewegungsabläufe wie Klavierspielen ausschließlich im Geiste erlernen lassen und das Gehirn nur durch mental eingeübte Fingerübungen entsprechende Netzwerke und Synapsen im Gehirn ausbildet. Berühmt geworden ist in diesem Zusammenhang etwa die Studie von Pascual-Leone, bei der Probanden zwei Stunden täglich über fünf Tage lang eine bestimmte Tonfolge am Klavier spielen mussten. Diese Übung umfasste alle fünf Finger und wurde nur mit einer Hand durchgeführt. Die eine Gruppe wurde angeleitet, die Fingerübung tatsächlich, also physisch am Klavier zu spielen, während die andere Gruppe sie lediglich im Geiste durchexerzierte, ohne dabei einen einzigen Finger zu bewegen. Dabei wurde mittels transkranieller Magnet-Stimulations- und Kartierungstechnik die Aktivität jener motorischen Cortexareale untersucht, welche die Beuge- und Streckmuskeln der betreffenden Finger aktivieren. Den Probanden wurde eine Kontrollgruppe gegenübergestellt, die keinerlei Fingerübungen durchführten und deren motorische Cortexareale ebenfalls vor und nach den fünf Tagen vermessen wurden. Die Studie ergab, dass es in beiden Gruppen, also in der mentalen wie auch in der physischen, zur gleichen Größenzunahme jener kortikalen Regionen kam, welche die betreffenden Muskelgruppen repräsentierten. Erstaunlicher Weise führte in der Mentalgruppe allein die Vorstellung der Fingerübung, also das Durchspielen der Tonfolge im Geiste, zu einer deutlichen Verbesserung der Spieltechnik, wenn auch etwas geringer als in der Gruppe jener, die physisch geübt hatten. Erlaubte man der mentalen Trainingsgruppe am Ende der Studie noch zwei Stunden lang auch noch physisch ihre Fingerübungen zu machen, zeigten sie schließlich sogar die gleiche Fingerfertigkeit und Fehlerquote beim Spielen der Tonfolge wie die physische Gruppe. Es gelang ihnen also sehr erfolgreich, ihr Gehirn entsprechend auf die bevorstehende Aufgabe zu bahnen. Diese Ergebnisse sind nicht nur von akademischem Interesse, denn sie können auch bewusst für körperliche Heilungsprozesse eingesetzt werden. In einer 2014 veröffentlichten Studie wurde 18 gesunden Männern zwischen 20 und 30 Jahren für drei Wochen lang ein zirkulärer Unterarmgips angelegt, um die Versorgung einer Unterarmfraktur zu simulieren, die normalerweise mit Muskelschwund und entsprechenden Bewegungseinschränkungen des Handgelenks einhergeht. Es wurden zwei gleichgroße Gruppen zu jeweils neun Probanden gebildet – eine mentale Trainingsgruppe und eine Kontrollgruppe. Die Mentalgruppe erhielt ein 60-minütiges Training, wo sie lernten, sich sämtliche Bewegungen und die damit einhergehenden Empfindungen der nicht eingegipsten Hand einzuprägen und diese dann mental mit der eingegipsten Hand im Geiste durchzuführen. Danach wurden sie aufgefordert, diese Bewegungen täglich für 15 Minuten lang mental zu trainieren, ohne die Muskeln tatsächlich zu bewegen. Die Kontrollgruppe erhielt keine Anweisung. Getestet wurde der Bewegungsumfang des Handgelenks mittels Goniometer vor und nach den drei Wochen Gipsversorgung. Das Ergebnis war, dass nach Gipsabnahme am Ende der Studie die Mentalgruppe eine signifikant geringere Bewegungseinschränkung zeigte als die Kontrollgruppe. Es wird vermutet, dass durch das mentale Training die neuronale Repräsentation der motorischen Abläufe nicht verloren ging. Laut den Studienleitern dürften hier auch die Basalganglien, die unter mentalem Training weiter angesteuert werden eine zentrale Rolle spielen. Noch erstaunlicher war das Ergebnis einer Studie mit 30 Personen, bei der Probanden über zwölf Wochen lang, täglich für Minuten den abduzierenden (spreizenden) Muskel ihres kleinen Fingers trainieren mussten. Auch hier wurde sowohl eine physische als auch eine mentale Trainingsgruppe gebildet und mit einer Kontrollgruppe, die keinerlei Training absolvierte, verglichen. Gemessen wurde die Muskelkraft zu Beginn und am Ende der Studie. Hierbei kam es in der körperlichen Trainingsgruppe zu einem Kräftezuwachs von 53,2% des betreffenden Muskels, was ein durchaus erwartbarer Effekt war. Überraschend war das Ergebnis der Imaginationsgruppe, die ebenfalls einen deutlichen Kraftzuwachs zu verzeichnen hatten, und zwar von 35% - nur durch Vorstellungskraft. Mittels Magnetresonanztomographie wurde die Muskelmasse des Kleinfingerabduktors überprüft, die bei der physischen Gruppe um 8% zunahm, während sie in der Mental- und Kontrollgruppe unverändert blieb. Das geistige Muskeltraining führte somit zwar nicht zu einer Größenzunahme des Muskels, aber immerhin zu einer deutlichen Zunahme der Muskelkraft. EEG-Messungen, deren Elektroden direkt oberhalb des kontralateralen, supplementär motorischen Cortex angebracht wurden, zeigten, dass es sowohl in der physischen wie auch in der mentalen Gruppe zu einer deutlichen Steigerung der Potentialaktivitäten kam. Dieser Befund legt nahe, dass der Kräftezuwachs in der Mentalgruppe durch neuronale Adaptationsprozesse generiert wurde. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Arbeit mit inneren Bildern und der bewusste Einsatz der Vorstellungskraft messbare Spuren in der Körperphysiologie hinterlässt und positive Effekte auf die Gesundheit erzeugen kann. Sehen wir uns nun, wie die geistige Ausrichtung auch hilft, gewünschte Lebensziele leichter zu erreichen. 5. Die Bahnung des Gehirns auf eine erwünschte Zukunft Wohin auch immer der Mensch seine Aufmerksamkeit richtet, sie bestimmt sein Leben – und zwar in die positive wie in die negative Richtung. Die Aufmerksamkeit folgt einem einfachen Prinzip: Sie vermehrt und verstärkt, worauf man sie richtet. Aus diesem Grund ist es hilfreich, den Fokus regelmäßig auf die Innenwelt zu lenken und zu überprüfen, womit man sich jeden Tag mental beschäftigt. Häufig werden im Geiste Worst-Case-Szenarien generiert und viele Menschen beschäftigen sich hauptsächlich mit den Dingen, die sie nicht wollen und abzuwehren versuchen. Erfolgsversprechender ist es allerdings, die wünschenswerten Erfahrungen und Handlungsweisen im Geiste durchzuspielen und die damit assoziierten Netzwerke im Gehirn vermehrt zu aktivieren. Solch eine Geisteshaltung muss allerdings aktiv trainiert werden und vollzieht sich nicht automatisch, da das Gehirn aus evolutionären Gründen eine Negativitätstendenz aufweist. Das bedeutet, dass das Gehirn die natürliche Neigung hat, negative oder bedrohliche Szenarien vermehrt in den Fokus zu nehmen, um durch entsprechendes Gewahrsein möglichen Gefahren zu entgehen. Zu Beginn des Skriptums wurde bereits auf den Priming-Effekt eingegangen, der veranschaulicht, wie Gedankenprozesse sowohl die subjektive Wahrnehmung, als auch die Bewertung der Realität beeinflussen. Durch mentales Training lässt sich dieser Effekt bewusst einsetzen, um das Gehirn auf eine gewünschte Zukunft „vorzubahnen“. Im Geiste eintrainierte Denkoperationen können somit die eigene Wahrnehmung verändern. Ein Beispiel hierfür ist das oben beschriebene Kultivieren einer mitfühlenden Haltung gegenüber seinen Mitmenschen, was zu einer veränderten Wahrnehmung und Bewertung derselben führt. Durch Imagination mit allen Sinnen lassen sich im Geiste aber auch lebhafte „Erfahrungen“ generieren, die zu neuronalen Verknüpfungen führen und neurologische Bahnen legen, die sich im Alltag als konkrete Handlungen abrufen lassen. Sehen wir uns nun an, wie sich das Gehirn konkret auf gewünschte Ereignisse und Lebensumstände bahnen lässt, um das Leben und die Zukunft von innen heraus zu gestalten. 5.1 Den inneren Kompass ausrichten Ob es einem bewusst ist oder nicht: Das Unterbewusstsein hat beim morgendlichen Erwachen bereits ein vages Bild und eine betreffende Einstellung zu dem, vor uns liegenden Tag und diese wirkt sich auf den Verlauf des Tagesgeschehens aus. Wenige Menschen wählen diese Einstellung bewusst. Sie ist somit dem Zufall unterworfen, je nachdem, mit welchem emotionalen Bein man aufsteht. In der Folge wirkt auch der Verlauf des Tages häufig wie eine unwillkürliche Abfolge zufälliger Ereignisse, denen man als Reakteur hinterherläuft, anstatt ihnen als Akteur gestaltend vorauszugehen. Es ist ähnlich wie mit dem Lautstärkeregler einer Stereoanlage. Dieser ist immer auf irgendeine Position eingestellt, ob die Anlage nun läuft oder nicht. So haben auch wir stets eine innere Einstellung zum bevorstehenden Tag, ob bewusst oder unbewusst. Wenn wir diese Einstellung aktiv wählen, in dem wir sie vor Tagesbeginn im Geiste kultivieren, dann können wir sowohl auf das innere Erleben als auch auf den Verlauf des Tages Einfluss nehmen. Die Imaginationskraft des Gehirns ermöglicht es, im Geiste Erfahrungen zu machen und Verhaltensweisen einzuüben, die sich später im Alltagsgeschehen abrufen lassen. Letztlich ist dies nichts anderes als gelebte Neurophysiologie. Denn wir können nur ein Verhalten an den Tag legen, für das es im Gehirn ein entsprechendes Netzwerk gibt. Diese neuronalen Netzwerke bilden sich bekanntlich durch Erfahrungen. Diese lassen sich auch im Geiste machen, denn für das Gehirn macht es nur einen graduellen Unterschied, ob wir Erfahrungen tatsächlich machen oder sie uns nur im Geiste vorstellen. So kann man durch mentales Training sowohl das emotionale Befinden als auch die Qualität der Gedanken sowie entsprechendes Handeln auf den bevorstehenden Tag einstellen und beispielsweise geplante private oder berufliche Gespräche vorab mental durchgehen. Wenn man morgens eine bewusste Entscheidung trifft, untertags genauso zu agieren, wie man es sich vorgenommen hat, dann wird einen das Unterbewusstsein untertags immer wieder an dieses Vorhaben erinnern. Eine sehr effektive Praxis, das eigene Gehirn auf den bevorstehenden Tag zu bahnen, ist die folgende Übung. Man sollte sich dafür etwa fünf bis zehn Minuten am Morgen oder Abend des bevorstehenden Tages Zeit nehmen: 5.2 Einstellung auf den Tag Schließen Sie für einen Moment Ihre Augen und konzentrieren Sie sich auf Ihre Atmung. Lassen Sie auf diese Weise den Geist zur Ruhe kommen. Lassen Sie vor Ihrer inneren Leinwand nun Ihren bevorstehenden Tag auftauchen. Scannen Sie ihn in seiner zeitlichen Abfolge zunächst im Schnelldurchlauf von morgens bis abends durch. Sie wissen, welche Fixpunkte auf Sie warten. Schauen Sie, ob speziell herausfordernde Situationen auftauchen. Überprüfen Sie, welche emotionalen Knöpfe diese Situationen in der Regel bei Ihnen drücken und wie Sie üblicherweise agieren und reagieren. Jetzt stellen Sie sich vor, wie Sie diese Situation gerne erleben möchten und mit welcher inneren Haltung Sie ihr begegnen wollen. Welche Gedanken möchten Sie dort haben? Welche Gefühle wollen Sie in sich tragen? Wie verhalten Sie sich dann? Spüren Sie hinein, wie es sich anfühlt, wenn Sie diese Situation genauso erleben, wie Sie sie gerne erleben möchten. Wenn Ihnen dies gelingt, dann überprüfen Sie noch einmal, was genau dazu geführt hat, diese Situation jetzt auf diese neue Art zu erleben. Beobachten Sie Ihren eigenen Anteil daran. Gehen Sie jetzt diese Situation so oft durch, bis Sie spüren, dass Sie es wirklich erleben und Sie diese Erfahrung verinnerlicht haben. Nun können Sie denselben Vorgang mit anderen Situationen des Tages wiederholen. Kehren Sie danach wieder langsam in diesen Raum zurück und starten Sie Ihren Tag. Treffen Sie abschließend noch für sich die Entscheidung, diesen inneren Plan heute genauso umzusetzen, wie Sie ihn innerlich erlebt haben. Ein zentraler Punkt bei dieser Praxis ist es, die vorgestellten Situationen mit möglichst vielen Sinnen zu durchleben und die damit einhergehende Emotion tatsächlich zu fühlen. Das bloße visuelle Imaginieren reicht nicht aus, um einen nachhaltigen Effekt zu erzeugen. Erst, wenn sich eine betreffende Emotion einstellt, die uns im Sinne eines Biofeedbacks signalisiert, dass dieses mentale Erleben auch im Körper als Erfahrung angekommen ist, kann man davon ausgehen, dass diese Visualisierung als innere Erfahrung abgespeichert wurde. 5.3 Mind over matter? - Wie mächtig ist der Geist? Spannend ist in diesem Zusammenhang, inwieweit mentale Ausrichtung und geistige Fokussierung auch einen Effekt bei der Umsetzung von Lebenszielen erzeugen kann, die nicht ausschließlich vom eigenen Handeln abhängen, also das sogenannte „Manifestieren“ materieller Ziele miteinschließen. Die folgende Betrachtung lässt sich naturgemäß nicht in neurowissenschaftliche Erklärungsmodelle gießen, sondern hat mehr theoretischen und erfahrungsbasierten Charakter, ohne dadurch seine praktische Relevanz im Coaching zu verlieren. Denn die regelmäßigen Erfolgsgeschichten von Menschen, die mit Visionboards arbeiten sind nicht von der Hand zu weisen, weshalb diese auch zu einem weit verbreiteten Coaching-Tool geworden sind. Daher möchte ich diese Technik, die in den Rahmen der mentalen Ausrichtung und Bahnung des eigenen Gehirns sehr gut passt, hier näher beleuchten und eine vertiefende Betrachtung anbieten. Aus meiner Sicht ist es auch hier so, dass reine Visualisierungen nicht denselben Effekt erzeugen, wie wenn die angestrebten Ziele innerlich mit mehreren Sinneskanälen „erlebt“ werden. In den vielen Jahren der Beschäftigung mit diesem Thema und der praktischen Anwendung mentaler Fokussierung haben sich für mich zwei zentrale Elemente der Aufmerksamkeit herauskristallisiert, die wesentlich sein dürften, damit geistige Ausrichtung von Erfolg gekrönt ist. Das Geheimnis besteht darin, ein ideales Gleichgewicht zwischen Fokussierung und Defokussierung der Aufmerksamkeit zu etablieren, sowie eine ausgewogene Balance zwischen dem Setzen eines Impulses und dem Loslassen desselben. Dies betrifft sowohl die Wirkung imaginativer Techniken auf physiologische Prozesse, sprich Organfunktionen, als auch das Erreichen von Lebenszielen. Wenn wir die Elemente der Fokussierung (Ausrichten auf ein Ziel) und der Defokussierung der Aufmerksamkeit (Loslassen des Ziels) in ein Gleichgewicht bringen, lassen sich viele Vorhaben leichter realisieren und dann sind oft erstaunliche Veränderungen möglich. Aus dieser Erkenntnis ist ein Modell für erfolgreiche Visualisierungen entstanden, dessen praktische Anwendung ich hier vorstellen möchte. 5.4 Der Zirkel von Fokussierung und Defokussierung – ein „Schöpfungsakt des Bewusstseins“ Im Zentrum dieses Modells steht wie gesagt das Gleichgewicht von Fokussierung und Defokussierung der Aufmerksamkeit. Aus neurophysiologischer Sicht kann die Aufmerksamkeit einen fixierenden, also konvergenten, auf eine Sache ausgerichteten Fokus-Charakter annehmen oder einen offenen, divergenten, der zwischen vielen Wahrnehmungsobjekten wechselt. Nach den Forschungen von Richard Davidson, einem renommierten Neurowissenschaftler auf dem Gebiet der Meditationsforschung, dürften Teile des parietalen Cortex als eine Art Ruder fungieren, welche die Aufmerksamkeit auf ein jeweiliges Objekt lenken, während der präfrontale Cortex (PFC), und hier vor allem der anteriore cinguläre Cortex (ACC) die Aufmerksamkeit auf diesem Objekt stabilisiert. Ein enger, konvergenter Fokus führt zum Bewusstseinszustand der stabilen Konzentriertheit, während ein divergenter, also offener Fokus im Sinne einer Defokussierung ein Loslassen bedeutet. Wenn wir im Rahmen der Visualisierung diese beiden Elemente der Aufmerksamkeit in abwechselnder Reihenfolge zur Anwendung bringen, dann steht uns ein wirkungsvoller Mechanismus zur Verfügung, um Lebensziele anzusteuern und Lebensumstände auf eine gewünschte Art und Weise zu verändern. Sehen wir uns nun an, wie diese mentale Praxis konkret aussieht. In einem ersten Schritt der Defokussierung richtet man die Aufmerksamkeit nach innen und geht in einen offenen, nicht zielgerichteten Aufmerksamkeitsfokus. In der Meditationsforschung spricht man hierbei von einem offenen Gewahrsein, bei welchem man sämtliche Inhalte, die gerade ins Bewusstsein steigen mit wahrnehmender und annehmender Haltung beobachtet. Dadurch kommen die Gedanken zur Ruhe und Impulse, die aus dem Inneren aufsteigen, werden bewusster. Da die Aufmerksamkeit nicht mehr auf die äußere Welt gerichtet ist, wird das innere Erleben verstärkt. Nun kann man eine offene Frage an das Unterbewusstsein richten, die in etwa so lautet: „Was wünsche ich mir (bezüglich meines Lebenszieles) wirklich?“. Durch den offenen Fokus tauchen oft auch überraschende Antworten aus dem Unterbewusstsein auf, die uns die wahren Wünsche und Vorstellungen des betreffenden Ziels offenbaren. Wenn diese Wünsche klar, sprich bewusst geworden sind, folgt nun der zweite Schritt – die Fokussierung. Im zweiten Schritt geht es darum, die Aufmerksamkeit auf das erwünschte Ziel auszurichten, zu bündeln und sich mit allen Sinnen vorzustellen, wie es sich anfühlt, dieses bereits zu erleben. Auch hier ist die Einbeziehung von so vielen Sinneskanälen wie möglich von Bedeutung, um eine plastische innere Erfahrung zu erzeugen. Dieser Visualisierungsschritt bedarf einer klaren und konzentrierten Ausrichtung und einer stabilen Konzentration, die sich beispielsweise durch Achtsamkeitsmeditation trainieren lässt. Dieser Schritt der konkreten Visualisierung sollte so lange dauern, bis sich ein Gefühl von Freude oder Dankbarkeit einstellt. Das Aufkommen solch eines Gefühls signalisiert wie oben beschrieben als Feedback des Körpers, dass diese Erfahrung verinnerlicht wurde. Nehmen wir als Beispiel für die praktische Umsetzung eines solchen Visualisierungsschrittes den Wunsch nach Veränderung Ihrer Wohnsituation und das Manifestieren Ihrer Traumwohnung. Gehen Sie etwa so vor: 5.5 Fokussierung auf das erwünschte Ziel Stellen Sie sich Ihren gewünschten Wohnraum mit allen möglichen Details vor. Nutzen Sie hierfür alle Sinneskanäle, um in das spürbare Erleben zu kommen, wie es sich anfühlt, dort bereits zu wohnen. Wie groß sind die Räume, die Sie umgeben? Welche Atmosphäre und Temperatur können Sie dort spüren? Welche Geräusche können Sie wahrnehmen und wie fühlt sich der Boden unter Ihren Füßen an? Wie groß sind die Rahmen Ihrer Fenster und wie hell das Licht, das durch sie hereinstrahlt? Was gedenken Sie in den unterschiedlichen Räumen zu tun? Nehmen Sie sich einen Moment, um auch diese Handlungen im Geiste ganz genau durchzuspielen. Bauen Sie eine Art Beziehung zu diesen Räumen auf und verleihen Sie ihnen spürbares Leben, indem Sie sie auf Ihre gewünschte Art und Weise einrichten. Gehen Sie in die Vorstellung hinein, wie es dort riecht und welches Wohlgefühl Sie dort erleben. Danach folgt der letzte Schritt. Dieser besteht wiederum in einer Defokussierung der Aufmerksamkeit, bei der es darum geht, in einem Gefühl des Vertrauens, die imaginierte Vision vollständig loszulassen und nicht mehr daran zu denken. Dabei hilft die Vorstellung, wie bei einem E-Mail auf „absenden“ zu drücken und sie somit vollständig loszulassen. Diesen letzten Schritt betrachte ich aus zweierlei Hinsicht als sehr bedeutsam. Zum einen wird dadurch das Unterbewusstsein auf die Reise geschickt, eine Lösung für das Erreichen des Zieles auszuarbeiten, was häufig zu unerwarteten und oft viel kreativeren Ansätzen führt, als dies der bewusst denkende Verstand sich auszumalen vermag. Dies zeigt sich häufig im Auftreten von sogenannten Geistesblitzen, die umso leichter entstehen, je mehr Offenheit, sprich entspannte Defokussierung im Geiste vorherrscht. Zum anderen öffnet sich durch den „Akt“ des Loslassens die Wahrnehmung für Möglichkeiten, an die erst gar nicht gedacht wurde. Genau an diesem Punkt wird die Limitation von üblichen Visualisierungstechniken offenkundig. Wir Menschen können uns bekanntlich nur Dinge vorstellen, die wir bereits kennen, beziehungsweise lassen sich lediglich Kombinationen von Komponenten einst gemachter Erfahrungen im Geiste zusammensetzen. So können wir uns ein goldenes Pferd mit Flügeln vorstellen, da wir die einzelnen Elemente dieser Vorstellung bereits kennen. Erfahrungen, die allerdings noch nie erlebt wurden, können somit nicht visualisiert werden. Um sich also für Erfahrungen zu öffnen, die gänzlich neuen Charakter besitzen, ist es sinnvoll, den Geist nicht zu stark zu fokussieren und in einem offenen Gewahrsein zu verbleiben. Denn im Zustand der Überfokussierung neigen wir dazu, neuartige Optionen links und rechts des Wegesrandes zu übersehen, da die ausgeprägte Ausrichtung auf ein erdachtes Ziel den Wahrnehmungshorizont verkleinert und beschränkt. Zusammenfassend sind es diese beiden Elemente der Aufmerksamkeit und mentaler Ausrichtung auf erwünschte Lebensumstände, die mir in den Jahren der Anwendung mentaler Fokussierung als zentral erscheinen. Persönlich als auch im Coaching-Setting mit Klienten hat sich diese Form der Visualisierung als sehr hilfreich und wirkungsvoll gezeigt. Nicht nur betreffend die Lebensthemen in der Coaching-Arbeit mit Klienten, sondern auch in der Arbeit mit Patienten im Gesundheitsbereich hat sich eine Balance zwischen Fokussierung und Defokussierung als entscheidend erwiesen. Auch in der Hypnosearbeit, die die Veränderung sowohl psychischer als auch körperlicher Symptome zum Ziel hat, scheint eine klare Ausrichtung des Geistes genauso entscheidend zu sein, wie ein loslassendes Vertrauen in das Erreichen des erwünschten Zieles. Wenn beispielsweise Patienten mit zu starker Fokussierung beziehungsweise Willenskraft an ihr Ziel herangehen, ein psychisches oder körperliches Leiden zu lindern, wird das Veränderungspotenzial des Unterbewusstseins meist begrenzt und die Folge ist eine zu verkrampfte innere Haltung. Andererseits führen ein mangelndes Zielbewusstsein und eine zu schwache Fokussierung dazu, dass Ziele nicht mit dem nötigen Nachdruck verfolgt werden. Das erfolgreiche Umsetzen eines Ziels braucht daher ein gutes Gleichgewicht aus dem Setzen und Loslassen eines Impulses. Dies betrifft sowohl die mentale Ausrichtung im Inneren, als auch das Handeln im Außen. Als Coach und Berater betrachte ich es als wesentliche Aufgabe, die Klienten einerseits im Prozess der Bewusstmachung erwünschter Ziele zu unterstützen, andererseits auf das Vermei-den einer Überfokussierung der Klienten zu achten und hierfür Techniken zu vermitteln, den Geist sowohl zu fokussieren, als auch wieder zu entspannen. Dann sind oftmals Veränderungen möglich, die sowohl Coaches als auch Klienten überraschen. Literatur- und Quellenverzeichnis C., Lamm. Meta-analytic evidence for common and distinct neural networks associated with directly experienced pain and empathy for pain. NeuroImage. 2011, Bd. 54(3), S. 2492–2502. O., Klimecki. Empathic distress fatigue rather than compassion fatigue? 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- Emotionen verstehen
Wie Emotionen entstehen, wie wir sie wahrnehmen und wie wir sie interpretieren. Inhaltsverzeichnis 1. Emotionen sind mehr als ein tierisches Erbe der Evolution 2. Emotionen begleiten uns den ganzen Tag 3. Computer kennen keine Verzweiflung 4. Entscheidungen ohne Emotionen sind nicht möglich 5. Die Refraktärzeit und die Schematheorie der Emotionen 6. Wir verfügen über eine emotionale Alarmdatenbank 7. Emotionen unterliegen keinem festen neuronalem Regelkreis 8. Unsere Emotionen lassen sich manipulieren 9. Im Job ist Emotionsmanagement gefragt 10. Die Natur hat keinen Plan unser Wohlbefinden zu fördern 11. Emotionen sind konservierte Erfahrungen 12. Unsere Emotionen sind oft schlauer als unser Verstand 13. Ratio oder Emotio – Wer trifft die besseren Entscheidungen? Emotionen verstehen Wie Emotionen entstehen, wie wir sie wahrnehmen und wie wir sie interpretieren 1. Emotionen sind mehr als ein tierisches Erbe der Evolution Ein Leben ohne Gefühle ist kaum vorstellbar. Aber was sind Gefühle? Wie entstehen Gefühle? Und vor allem: Wozu sind Gefühle gut? Der Hirnforscher und Nobelpreisträger Eric Kandel sagte einmal: „Der spannendste Forschungszweig unserer Tage ist die Biologie der Emotionen“. Und nach Antonio Damasio, ein Neurowissenschaftler, der vor allem durch seine Arbeiten zur Bewusstseinsforschung bekannt wurde, sind Emotionen sogar die geheimen Regisseure unseres Alltags. Was von diesen Aussagen zu halten ist und welchen Einfluss Emotionen auf unser Leben haben soll heute unser Thema sein. Fest steht: Emotionen sind keinesfalls lediglich ein tierisches Erbe der Evolution, das uns den Weg zu Weisheit und Vernunft verbaut. Vielmehr sind Emotionen sehr nützlich, denn sie fördern richtiges Entscheiden und Verhalten – können es aber auch, wenn man sie fehl interpretiert, verhindern. 2. Emotionen begleiten uns den ganzen Tag Haben Sie schon einmal mitgezählt, wie viele Gefühle Sie im Laufe eines Tages durchlaufen? Sie werden wach und freuen sich darüber, dass die Sonne scheint. Beim Frühstück genießen Sie den Kaffee, den Ihr Partner frisch zubereitet hat. Auf der Fahrt ins Büro ärgern Sie sich über den Stau und Sie geraten in Stress, weil Sie zu spät zu einem Termin kommen werden. Im Büro angekommen erfahren Sie, dass eine wichtige Aufgabe nicht zu Ihrer Zufriedenheit erledigt wurde und reagieren wütend. Dann fällt Ihnen plötzlich ein, dass Sie den Geburtstag eines Kollegen vergessen haben, was Ihnen sehr peinlich ist. Beim Mittagessen erzählt Ihnen Ihr Chef einen neuen Witz und Sie lachen herzhaft darüber. Zurück im Büro erfahren Sie, dass ein wichtiger Geschäftstermin abgesagt wurde, worüber Sie sehr enttäuscht sind. Kurz danach ruft Sie ein guter Freund an, um sich mit Ihnen auf ein Bier nach Feierabend zu treffen, was Sie wieder heiter stimmt. Und so durchleben wir alle Tag für Tag unzählige Emotionen. Emotionen, die Spuren in unserem Gehirn hinterlassen und uns dadurch prägen und unser Verhalten beeinflussen. 3. Computer kennen keine Verzweiflung Aber was geschieht in unserem Gehirn, wenn wir leiden, etwa bei Zuständen von Angst, Trauer, Hass oder Enttäuschung? Und warum können selbst positive Gefühle, wie Liebe, Freude, Lust oder Neugierde etwas Beunruhigendes haben, wenn sie uns beherrschen? Lassen Sie uns daher gemeinsam das Geheimnis der Emotionen entschlüsseln und lassen sie uns gemeinsam erfahren, wie wir unsere emotionalen Reaktionen sinnvoll steuern und kontrollieren können. Und lassen Sie uns gemeinsam herausfinden, wie wir dadurch wichtige Vorraussetzungen für ein soziales Miteinander schaffen können. Unser Gehirn ist die wohl komplexeste Struktur im Universum und es vollbringt unglaubliche Leistungen. Es sehnt sich nach Sternen oder einem saftigen Sauerbraten. Es flachst und flirtet, liebt und leidet. Es knackt Gleichungen und Geldschränke. Es ersinnt Symphonien und Schlachtpläne. Diese und viele Leistungen mehr erbringt unser Gehirn aus unserer Sicht selbstverständlich, würde aber jeden Hochleistungscomputer zur Verzweiflung bringen, wenn dieser nur eine Ahnung davon hätte, was Verzweiflung ist. Beim Schach gewinnt inzwischen auch schon mal ein „elektronisches Gehirn“. Aber kann es den Triumph auskosten? Oder: Kann es auf Rache sinnen, wenn es beim nächsten Mal wieder verliert? Nein. Mehr als 100 Mrd. Gehirnzellen, jede mit bis zu 15.000 anderen verbunden, sind allem überlegen was bislang die Technik hervorgebracht hat. Was der Technik fehlt und uns Menschen so einzigartig macht sind die Emotionen – und die empfindet jeder anders und macht jeden einzelnen zu einem unverwechselbaren Individuum. 4. Entscheidungen ohne Emotionen sind nicht möglich Scheinbar chaotische elektrische Ströme rasen durch ein riesiges Netzwerk von Neuronen. Nehmen auf, was uns unsere 5 Sinne von draußen liefern, leiten weiter, verbinden Zellen, verändern Synapsengewichte und Reizschwellen. Alles, was wir denken, fühlen, lieben oder hassen geht von unserem Gehirn aus. Aber genau diese in der Natur einmalige Fähigkeit – Emotionen zu empfinden – spielt uns in vielen Bereichen unseres Lebens einen Streich oder stellt uns vor scheinbar unlösbare Aufgaben. Stellen Sie sich einmal folgende Situation vor: Sie befinden sich auf einem Luxusdampfer und genießen eine wunderschöne Kreuzfahrt. Doch dann kollidiert das Schiff und sinkt. Sie und 15 andere Passagiere schaffen es in eines der Rettungsbote und glauben, dass sie noch einmal mit dem Leben davon gekommen seien. Doch dann kommt ein heftiger Sturm auf und ihr Rettungsboot droht zu kentern. Ihnen wird klar, dass dieses Rettungsboot nur dann eine Chance hat, wenn 5 Insassen das Boot verlassen. Die Frage ist nur: Welche 5 Insassen wollen Sie opfern, um Ihr eigenes Leben zu retten? Wären es nicht 15 Menschen, sondern 15 Gegenstände von denen Sie 5 über Bord werfen müssten, wäre die Entscheidung sehr einfach: Sie würden Gegenstände auswählen, die entweder kaputt oder nicht mehr neu sind. Aber es sind keine Gegenstände, sondern Menschen. Können Sie in diesem Fall genauso rational handeln und werfen 5 Menschen über Bord die krank oder alt sind? Nehmen wir ein anderes Beispiel: Sie sind Chefarzt einer Klinik und haben Nachtdienst. Plötzlich erhalten Sie einen Anruf und erfahren, dass es auf der Bundesstrasse einen Massenunfall mit 10 lebensgefährlich Verletzten gegeben hat, die mit Rettungswagen auf dem Weg in Ihre Klinik sind. Sie haben aber nur 6 freie Betten, 2 OPs und 2 Assistenzärzte zur Verfügung. Welche Patienten operieren Sie zu erst? Männer oder Frauen? Kinder oder Erwachsene? Alte oder Junge? Und wie würden Sie entscheiden, wenn Sie bei der Einlieferung plötzlich feststellen, dass sich unter den Schwerverletzten Ihr Lebenspartner und Ihre 5-jährigeTochter befinden? Wie auch immer Sie sich in diesen beiden Beispielsituationen entscheiden, eine Entscheidung ohne Emotionen ist nicht möglich. Und das trifft nicht nur auf solche Extremsituationen zu, sondern auf alle Situationen unseres Lebens zu, also auch im Beruf. 5. Die Refraktärzeit und die Schematheorie der Emotionen Auch hierzu ein Beispiel: Sie fahren gut gelaunt in Ihr Büro und freuen sich auf einen Geschäftstermin mit einem Kunden. Im Büro angekommen, erwartet Sie schon Ihr direkter Vorgesetzter um Ihnen mitzuteilen, dass Sie heute alle Termine absagen müssen, um mit ihm gemeinsam an einer wichtigen Krisensitzung teilzunehmen. Ihre spontane Reaktion: „Konnten Sie mir das nicht schon gestern mitteilen? Ich habe heute einen wichtigen Kundentermin!“ Diese Reaktion zeigt, dass Sie nicht bewusst nachgedacht haben, denn Sie haben ja nicht beschlossen verärgert zu reagieren – es ist einfach passiert, weil Ihr automatischer Bewertungsmechanismus die Aussage Ihres Vorgesetzen als rücksichtslose Störung Ihrer eigenen Ziele interpretierte. Ihr Vorgesetzter, dem Ihre Stimme und Ihr Gesichtsausdruck Ihren Ärger vermitteln reagiert nun seinerseits: „Sie haben kein Recht so zu reagieren, schließlich bin ich Ihr Chef!“ Ihr Chef reagiert also ebenfalls mit Verärgerung, so wie Zorn eben häufig Zorn hervorbringt. „Außerdem hätte ich es Ihnen gestern noch gar nicht mitteilen können, weil ich selbst erst vor wenigen Minuten von der Krisensitzung erfahren habe.“ Sie wissen jetzt zwar, dass Ihr Chef nicht rücksichtslos gehandelt hat und, dass es eigentlich keinen Grund gibt, wegen dieser unbeabsichtigten Enttäuschung sauer zu sein, aber werden Sie es schaffen Ihre Wahrnehmung zu korrigieren? Ob Sie es schaffen oder nicht hängt vor allem von der so genannten Refraktärzeit ab. Refraktärzeit ist aus dem lateinischen Begriff refractarius abgeleitet, was soviel bedeutet wie widerspenstig oder halsstarrig. In der Neurowissenschaft beschreibt die Refraktärzeit den Zeitraum, in dem eine Gehirnzelle nach Auslösung eines Aktionspotentials nicht in der Lage ist auf einen erneuten Reiz zu reagieren. Innerhalb dieser Zeit versucht sich Ihr Ärger selbst zu rechtfertigen, oder Sie unterliegen der Versuchung das letzte Wort zu haben. Erst wenn Ihre Neuronen wieder in der Lage sind neue Reize, also neue Informationen, zu verarbeiten, wird es Ihnen möglich sein Ihre Wahrnehmung zu korrigieren. Sie können nun Ihre erste Interpretation, nach der Ihr Chef rücksichtslos und gedankenlos gehandelt hat, verwerfen, und Ihr Ärger wird verfliegen. Es gibt aber auch Gründe, weswegen sich Ihre Refraktärzeit länger hinzieht und Sie dazu veranlassen, dass sich Ihr Ärger trotz korrigierter Information nicht verflüchtigt. Ein Grund könnte darin bestehen, dass schon länger Unmut gegen Ihren Vorgesetzten in Ihnen brodelt, oder Sie stehen unter einem hohen Erfolgsdruck und lassen nun Ihre Frustration an Ihrem Vorgesetzen aus. Ein anderer Grund könnte sein, dass Sie eine andere, sehr emotionsgeladene Situation Ihres Lebens in die gegenwärtige Situation einfließen lassen. Sie importieren quasi ein emotionales Schema oder Drehbuch. Die Theorie emotionaler Schemata, auch Schematheorie der Emotionen genannt, erklärt, wie sich Gefühlsreaktionen im Laufe der Persönlichkeitsentwicklung durch Selektion Abstraktion Generalisierung Integration und Bedeutungsverleihung in gewissen Schemata widerspiegeln. Es entwickeln sich also individuell unterschiedliche Verhaltensmuster im Hinblick auf bestimmte Emotionen, wie z.B. Neid Angst Mitgefühl Wut oder Hass 6. Wir verfügen über eine emotionale Alarmdatenbank Was bedeutet dies aus neurowissenschaftlicher Sicht? Einer der bekanntesten Hirnforscher im Bereich der Emotionen ist Joseph LeDoux. Joseph LeDoux (* 1949) ist ein US-amerikanischer Psychologe und Neurowissenschaftler. Sein Hauptforschungsgebiet ist die Emotionspsychologie insbesondere die nicht-pathologische Angst. Er ist Professor am Center for Neural Science an der New York University. Seine Arbeit über Emotionen begann bereits Mitte der siebziger Jahre. Nach LeDoux lösen emotionale Reize zwei Prozesse im Zentralnervensystem aus, die beide ihren Ursprung im Thalamus haben und danach jeweils entlang einer eigenständigen Route verlaufen. Emotionaler Prozess Für das emotionale Prozessieren ist hauptsächlich die Amygdala zuständig. Das emotionale Prozessieren ist der schnelle Abgleich des Reizes mit groben Reizmustern zur Kategorisierung als gefährlich/ungefährlich. Diesen Weg nennt LeDoux "Quick and Dirty". Er dient zur Vorbereitungschneller Reaktionen (z.B. Flucht) und ist fehleranfällig. Die Kategorisierung findet nicht auf Grundlage angeborener sondern erlernter Reizmuster statt. Die Amygdala übernimmt also Reizmuster erfahrungsbedingt. Sie ist somit unser emotionales Gedächtnis. Kognitiver Prozess Den zweiten Prozess nennt LeDoux kognitives Prozessieren. Er dient zur Kontrolle der beim emotionalen Prozessieren gewonnenen Information und ist zeitaufwendiger. Dieser Prozess beginnt am Thalamus und verläuft über den Präfrontalen Cortex, sowie auf einer Nebenroute über den Hippocampus. Was bedeutet dies nun für die Praxis: Wenn wir z.B. lernen uns vor etwas zu fürchten, also ein emotionaler Auslöser etabliert wird, werden zwischen bestimmten Zellgruppen unseres Gehirns neue Verknüpfungen gebildet. Einen solchen Lernvorgang bezeichnet man als Konditionierung. Das Resultat des Lernvorgangs ist dann ein konditioniertes Netz. LeDoux bezeichnet ein konditioniertes Netz als Zellensemble (cell assembly). Diese Zellverbände, die also das Gedächtnis der erlernten Auslöser bilden, sind somit Aufzeichnungen dessen, was wir gelernt haben. Sie sind quasi eine emotionale Alarmdatenbank. Wie uns wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, können wir lernen die Verknüpfungen zwischen diesen Zellverbänden und unserem Verhalten zu entkoppeln. Der Auslöser aktiviert zwar weiterhin das etablierte Zellensemble, doch die Verknüpfung zwischen diesem und unserem emotionalen Verhalten lässt sich aufbrechen – zumindest für einen gewissen Zeitraum. Wir mögen uns fürchten, aber wir laufen nicht davon. Wir können auch lernen, die Verknüpfung zwischen dem Auslöser und den dazugehörigen Zellensembles zu unterbrechen, was zur Folge hat, das ein Gefühl erst gar nicht aufkommt. Dennoch bleiben die Zellverbände, also die Zellensembles, erhalten. Die „Datenbank“ wird daher nicht gelöscht und somit auch nicht das Potenzial, erneut mit Auslöser und Reaktion verknüpft zu werden. Dies kann z.B. unter Stress geschehen. Der Auslöser wird reaktiviert, knüpft wieder Kontakte zum Zellensemble und die emotionale Reaktion bricht wieder aus. Dies alles ist möglich. Aber unser Nervensystem macht es uns nicht leicht, das, was uns emotional reagieren lässt, zu verändern. Mit anderen Worten: Es ist sehr schwer und bedarf einer großen Anstrengung die Verknüpfungen zwischen einem für eine bestimmte Emotion spezifischen Zellensemble und einer emotionalen Reaktion, bzw. die Verknüpfungen zwischen Auslöser und Zellensemble aufzubrechen. Erschwerend kommt hinzu, dass unsere emotionale „Alarmdatenbank“ ein System ist, in das unablässig neue Varianten eingebaut werden. Es ist also ein offenes System. Aber es ist kein System, aus dem sich einmal aufgenommene Daten leicht entfernen lassen. Unser Emotionssystem ist aufgrund seiner biologischen Konstruktionsweise dafür angelegt, Auslöser zu konservieren und nicht sie zu entfernen. 7. Emotionen unterliegen keinem festen neuronalem Regelkreis Verlassen wir nun einmal die Zellebene und schauen wir uns einmal an, was auf höherer Ebene, den Arealen geschieht, wenn uns z.B. die Wut packt. Im wesentlichen sind hierfür drei Instanzen verantwortlich: Abschnitte unseres Stamm- und Zwischenhirns regulieren unsere Motivationslage und Instinkte. Diese Abschnitte stellen sozusagen unser triebhaftes Fundament dar, auf der unsere Gefühle aufbauen. Außerdem ist hier der generelle Erregungszustand unseres Organismus verankert. Der jeweilige Erregungszustand bestimmt maßgeblich, wie leicht oder schwer wir uns ärgern lassen. Im limbischen System entstehen Emotionen, wie Wut oder Ärger. Sie entstehen hier zunächst als spontane, noch unbewusste Reaktionen auf bestimmte Reize. Eine besondere Rolle im limbischen System nimmt die Amygdala ein. In Tierversuchen wurde festgestellt, dass wenn man die Amygdala mit Stromimpulsen künstlich reizt, die Tiere mit aggressivem Verhalten reagieren. Das limbische System umfasst auch den Hypothalamus – eine Hirnstruktur, die zwar nur ca. 1% unserer gesamten Hirnmasse ausmacht, die aber großen Einfluss auf unsere Emotionen hat und die in enger Verbindung zur Hypophyse, der Hirnanhangdrüse, steht. Der Hypothalamus in Verbindung mit der Hypophyse, unserer wichtigsten Hormondrüse, kontrolliert das Wechselspiel unserer körpereigenen Signalstoffe. Hierdurch schaltet unser Organismus mitunter blitzartig auf Angriff: Stresshormone, wie z.B. Adrenalin bewirken dabei, dass unser Blutdruck und unser Puls rasant ansteigen wichtige Organe besser durchblutet und mit Nährstoffen versorgt werden und unsere Haarbälge sich aufrichten Aber auch andere Hormone und Neurotransmitter kommen bei Wut oder Ärger ins Spiel. Noradrenalin wirkt hierbei ähnlich wie Adrenalin und beeinflusst – wie auch Dopamin – vor allem den Grad von Wachheit und Erregung. Auf diese Weise stellt sich unser Körper in wenigen Sekunden auf eine z.B. Wut auslösende Situation ein. Außerdem sorgt das limbische System dafür, dass unser Ausdruck auch dem emotionalen Erleben entspricht, was sich in Form von Stimmklang, Mimik und Gestik widerspiegelt. Die Großhirnrinde (Cortex) nimmt die oberste Stufe bei der Verarbeitung von Emotionen ein. Sie lässt uns Sinnesreize bewusst wahrnehmen und sie ist für kognitive Prozesse, wie Denken und Sprechen zuständig. Eine besondere Rolle für unser emotionales Erleben spielt hierbei der Frontalcortex, also der vordere, hinter der Stirn gelegene Teil der Großhirnrinde. Diesem Frontalcortex haben wir es zu verdanken, dass wir in der Lage sind einen Wut- oder Ärgerimpuls gegebenenfalls auch mal zu unterdrücken. Über unser Großhirn sind wir also in der Lage unsere emotionalen Reaktionen zu steuern. Beispiel: Wenn uns z.B. jemand beleidigt, und unsere Amygdala aufgrund ihres spezifischen Zellensembles darauf hin mit ärgern antwortet, können wir diese Antwort zunächst nicht ändern. Doch mit Hilfe unseres Großhirns sind wir meist sehr wohl in der Lage eine „Kosten-Nutzen-Rechnung“ aufzustellen und dadurch zu bestimmen, ob und wie wir auf eine Beleidigung reagieren. Wut und Ärger laufen aber nicht nach einem festen, starren neuronalen Regelkreis ab. Diese Emotionen sind vielmehr ein Zusammenspiel unterschiedlichster Faktoren, wie z.B.: dem allgemeinen Erregungsniveau im Nervensystem dem bewussten Erleben von Gefühlen dem Vergleich mit früheren Situationen, die im Gedächtnis gespeichert sind. Wiederholen sich starke emotionale Eindrücke häufig, so können sich auch neuronale Verbindungen ändern. Bildgebende Verfahren, wie die Kernspintomographie oder die Positronen-Emissions-Tomographie, offenbaren solche Veränderungen zum Beispiel bei Opfern von traumatischen Ereignissen. 8. Unsere Emotionen lassen sich manipulieren Kommen wir noch einmal auf unser Großhirn zurück, mit dessen Hilfe wir meist in der Lage sind unsere Emotionen zu steuern und zu kontrollieren. Eine Fähigkeit, die uns Menschen besonders auszeichnet ist, dass wir Situationen in unterschiedlichem Licht betrachten und durch eine Änderung im Denken unsere Gefühle beeinflussen können. Ein schlecht gelaunter Mitarbeiter im Büro kann einen schon mal zur Weißglut bringen. Doch versetzt man sich in seine Situation und berücksichtigt den immer größer werdenden Aufgabenstapel auf seinem Schreibtisch, so sind wir durchaus in der Lage für seine Laune Verständnis zu entwickeln. Wenn wir also in der Lage sind unsere Gefühle durch die Art, wie wir über eine Situation denken, manipulieren können, so müsste sich dies auch durch Spuren im Gehirn nachweisen lassen. Und in der Tat hat man dies in einem Experiment an der Columbia University in New York mit Hilfe einer funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) nachweisen können. Bei einer fMRT werden die Aktivitäten in den verschiedenen Gehirnregionen sichtbar, indem man den Sauerstoffgehalt des Blutes misst. Um die Manipulationsfähigkeit unserer Emotionen nachzuweisen wurden den Probanten während des Gehirnscans abstoßende Bilder gezeigt. So z.B. von Flugzeugabstürzen, todkranken Kindern oder zähnefletschenden Rottweilern. Die Ergebnisse der Messungen ergaben eine hohe Aktivität im limbischen System und nur geringe Aktivitäten im präfrontalen Cortex. Im nächsten Schritt sollten sich die Probanten beim Anschauen der Bilder folgendes vorstellen: Bei dem Flugzeugabsturz sei niemand ums Leben gekommen. Das todkranke Kind würde wieder gesund werden und der zähnefletschende Rottweiler sei weit entfernt hinter einem Zaun. Jetzt ergaben die Messungen folgendes: Die Neuronen im präfrontalen Cortex feuerten immer stärker, während die Aktivitäten im limbischen System, allem voran in der Amygdala, immer mehr abnahmen. Kognitive Strategien sind also möglicherweise der Königsweg zur Kontrolle von Emotionen. Oder frei nach Shakespeares: „An sich ist nichts gut oder schlimm; das Denken macht es erst dazu.“ 9. Im Job ist Emotionsmanagement gefragt Kognitive Strategien zur Kontrolle unserer Emotionen sind gerade in unserer heutigen Zeit gefragter denn je und maßgeblich für das Gelingen eines sozialen Miteinanders verantwortlich. Denn was uns im privaten Bereich oft wie selbstverständlich gelingt, kann im Beruf zur Qual werden. Auf einer Party versprühen wir gute Laune. Bei einer Sportveranstaltung zeigen wir Begeisterung. Bei einem Krankenbesuch empfinden wir Mitgefühl. Und bei einer Beerdigung trauern wir. Und im Beruf? Im Beruf werden ähnliche Erwartungen an uns gestellt. Man erwartet, dass wir Kollegen und Vorgesetzten gegenüber freundlich sind. Kunden mit einem Lächeln begrüßen. Mit einer positiven Einstellung an unserem Arbeitsplatz erscheinen. Das und vieles mehr fällt uns aber nicht immer leicht und erfordert ein permanentes und aktives Emotionsmanagement. So gestaltet sich z.B. nicht jeder Kundenkontakt gleich. Besucht uns ein alter Stammkunde, erscheint sofort ein Lächeln auf unserem Gesicht – und zwar automatisch und ohne bewusste Kontrolle. Schwieriger wird es, wenn sich das erwünschte Gefühl nicht automatisch einstellt. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn wir kurz vor dem Besuch unseres Stammkunden erfahren haben, dass die erhoffte Gehaltserhöhung oder der Urlaubsantrag nicht genehmigt wurde. Jetzt fängt die eigentliche Emotionsarbeit an. Wir müssen unseren eigenen Ärger zurückstellen, um zumindest äußerlich den Erwartungen unseres Kunden zu entsprechen. Wie man dies meistern kann, damit hat sich James Gross von der Stanford University in Kalifornien ausgiebig beschäftigt. James Gross ist der wohl einflussreichste Forscher im Bereich Emotionsregulation. Eine Strategie, um Emotionsarbeit zu meistern ist das so genannte „surface acting“ und beschreibt ein nach außen gezeigtes Gefühl, das man innerlich nicht empfindet. Diese Strategie ist allerdings als zweifelhaft zu betrachten. Unabhängig davon, dass durch surface acting eine Emotion vom Gegenüber als aufgesetzt und geheuchelt empfunden werden kann, macht diese Strategie auf Dauer auch noch krank. Damit aber Mitarbeiter authentisch wirken, sollte ein Arbeitgeber daran interessiert sein, dass seine Mitarbeiter auch tatsächlich die Gefühle empfinden, die sie nach außen zeigen sollen. Strategien, die dies ermöglichen bezeichnet man als „deep acting“, also in die Tiefe gehend. Statt mühsam das eigene Gefühl zu ignorieren und zu überdecken, wie beim surface acting, soll mit Hilfe von deep acting gleich von vornherein die gewünschte Emotion bei den Mitarbeitern ausgelöst werden. Aber wie erreicht man das? Am einfachsten ist dies, indem man auf die Situation selbst Einfluss nimmt: Richtet man den Arbeitsplatz der Mitarbeiter hell und freundlich ein, werden diese gerne arbeiten und eine positive Einstellung mitbringen. Stellt man den Außendienstmitarbeitern einen schönen Firmenwagen oder moderne Kommunikationsgeräte zur Verfügung, werden diese motivierter sein. Allerdings gibt es durchaus auch Situationen, die man nicht oder kaum beeinflussen kann. In diesen Fällen müssen andere Lösungen her. Lösungen, wie sie auch z.B. von professionellen Schauspielern angewandt werden: Betrachtet man eine Situation mit Humor oder bagatellisiert sie, erhält man innerlich genügend Abstand, um ruhig und entspannt zu bleiben. Betrachtet man seine Geschäftspartner nicht als Kunden oder Kollegen, sondern als seine Kinder, erreicht man ebenfalls eine angenehme emotionale Wirkung. Gibt es dann einmal Ärger mit einem Kunden, wird man gelassener reagieren, denn schließlich sind Kinder für ihr quengeliges Verhalten weniger verantwortlich. Versetzt man sich darüber hinaus noch in die Lage des anderen, fällt es zunehmend leichter, in emotional geladenen Situationen Verständnis zu zeigen und einen kühlen Kopf zu bewahren. 10. Die Natur hat keinen Plan unser Wohlbefinden zu fördern Ob Zoff am Arbeitsplatz, die Krise in der Ehe oder der Ärger mit den Kindern, diese und andere Probleme lassen sich nicht einfach „wegdenken“. Eben weil unser Verstand nicht getrennt von dem arbeit, was uns bewegt. Doch was hindert uns daran unseren Verstand einzusetzen, um für uns die guten Gefühle zu nutzen? Gerade die ganzheitliche Sicht vom Menschen, wie sie die Gehirnforschung immer mehr erschließt, legt uns das nahe. Und damit uns das gelingt, müssen wir uns im ersten Schritt selbst beobachten und erkennen, was uns gut tut und was nicht. Der Schlüssel hierzu sind die kleinen, alltäglichen Situationen unseres Lebens: Der Spaziergang im Wald. Ein spannender Fernsehfilm. Der Besuch bei Freunden. Alles für sich genommen nichts Aufregendes. Aber in der Summe und auf Dauer hellt sich unsere Stimmung auf und unser Wohlbefinden steigert sich. Die Probleme bleiben zwar oder es kommen sogar neue hinzu. Aber mit ein bisschen Training finden wir einen Weg, anders mit ihnen umzugehen, uns nicht von allem und jedem runterziehen zu lassen oder gleich auszurasten, wo andere mit einem Schulterzucken auskommen. Antonio Damasio sagte einmal folgendes: „Die Natur hat keinen Plan zur Förderung des menschlichen Wohls, doch der Mensch als Geschöpf der Natur ist in der Lage, einen solchen Plan zu ersinnen. 11. Emotionen sind konservierte Erfahrungen Eine weitere wichtige Rolle spielen Gefühle im Zusammenhang mit dem treffen von richtigen und falschen Entscheidungen. Wie rational und/oder emotional sind Entscheidungen, die wir treffen? Bereits in den 1990er Jahren hat Antonio Damasio eindrucksvoll demonstriert, dass menschliches Entscheiden längerfristiges Planen und konsequentes Verfolgen von Plänen mit unserem emotionalen Bewertungssystem steht und fällt. So hat er beispielsweise festgestellt, dass manche neurologischen Patienten trotz intakter Gedächtnisse und guter Intelligenz systematisch falsche Entscheidungen treffen und vernünftige Einsichten nicht in entsprechendes Verhalten umsetzen können. Der Grund hierfür ist die emotionale Bewertung im präfrontalen Cortex. Fällt diese emotionale Bewertung z.B. aufgrund einer Störung aus, treffen die Betroffenen unvernünftige Entscheidungen. Ihnen fehlt das notwendige emotionale Gedächtnis für frühere vergleichbare Situationen, die einen wichtigen Teil unseres emotionalen Erfahrungsschatzes ausmachen. Emotionen sind also neben den bereits besprochenen Kriterien vor allem konservierte Erfahrungen. Nach Damasio´s Theorie („Die Theorie der somatischen Marker“) werden alle Erfahrungen eines Menschen emotional markiert. Trifft dann ein Mensch eine Entscheidung, erlaubt dies eine rasche, unbewusste Bewertung der gegebenen Situation. Menschen mit einer Schädigung im präfrontalen Cortex hingegen können nicht mehr auf frühere Markierungen zurückgreifen und müssen folglich jede Situation neu bewerten. Emotionen sind also unabdingbar für zwischenmenschliche Interaktionen und Handlungen. Ohne Emotionen ginge uns die Grundlage für einen gelingenden Alltag völlig verloren. Mit anderen Worten: Was wir sind und was wir tun, bestimmen wesentlich unsere Emotionen. Das dies so ist, lässt sich auch sehr schön mit folgender spielerischer Übung nachweisen: Bilden Sie zwei Kartenstapel. In den ersten Stapel legen Sie Karten mit hohen Gewinnen und hohen Verlusten. In den zweiten Stapel legen Sie Karten mit geringen Gewinnen und geringen Verlusten. Geben Sie nun Ihrem Mitspieler ein fiktives Startguthaben von 200 € und lassen Sie ihn Karten ziehen. Bereits nach wenigen Durchgängen wird er den Stapel mit den niedrigen Gewinnen und Verlusten bevorzugen. Würde man dieses Spiel mit den zuvor genannten Patienten spielen, könnten diese nach vielen Durchläufen zwar ebenfalls angeben, welcher Kartenstapel risikoreicher ist. Sie würden aber dennoch nicht aufhören, weiterhin Karten von diesem Stapel zu ziehen. Auch Damasio machte dieses Kartenspiel mit Probanten. Er machte aber einen Unterschied: Er schloss die Spieler an einen Lügendetektor an. Die Überraschung folgte, als Damasio die Ergebnisse des Lügendetektors auswertete. Bereits nach wenigen Karten hatte der Lügendetektor Alarm geschlagen, aber erst viel später hatten die Spieler die Regel erkannt, dass der linke Stapel riskanter ist als der rechte. Das Gespür hatte die Gefahr, die von dem linken Stapel ausging, also lange vor dem bewussten Verstand gewittert. 12. Unsere Emotionen sind oft schlauer als unser Verstand Neben den Gefühlen, die uns die Evolution mit auf den Weg gegeben hat, verfügen wir aber noch über das, was wir im Allgemeinen „Bauchgefühl“ oder „Intuition“ nennen. Unsere Intuition ist teils angeboren. Zum Großteil aber schöpft sie aus Erfahrungen, die wir im Laufe unseres Lebens gesammelt haben. Lange Zeit wurde Intuition als nicht entscheidungsrelevant angesehen. Und war es nicht Mr. Spock aus der Serie Raumschiff Enterprise, den man sich heimlich zum Vorbild machte? Spock kennt weder Emotion noch Intuition und ungestört von Gefühlsvernebelungen war in der Lage besonders analytisch und rational zielgerichtet und präzise, richtige Entscheidungen zu treffen. Natürlich können uns Emotionen und Intuitionen in die Irre führen. Aber oft, und das bestätigen immer mehr neue Befunde, verleiten sie uns nicht zu Denkfehlern. Im Gegenteil: Oft sind die Gefühle schlauer als unser Verstand. In den verschiedensten Bereichen des Alltags beobachten Neurowissenschaftler, dass mehr Analyse nicht unbedingt zu einer besseren Entscheidung führen. Wie kann das aber sein? Ist unser Verstand etwa dümmer, als wir dachten? Nicht unbedingt, aber die Kapazität der bewussten Ratio ist begrenzt. Unser Bewusstsein verarbeitet nach aktuellen Schätzungen ca. 50 Bits, also 50 Basisinformationseinheiten pro Sekunde. Unser Unterbewusstsein hingegen wird sogar mit Millionen von Bits pro Sekunde fertig. In jeder Sekunde unseres Lebens verarbeiten unsere Sinne mehrere Millionen Bits, doch nur ein Bruchteil davon dringt in unser Bewusstsein. Der Gehirnforscher Gerhard Roth, Professor für Verhaltensphysiologie an der Universität in Bremen und einer der bekanntesten Neurowissenschaftler unserer Zeit, schätzt, dass uns weniger als 0,1% dessen, was unser Gehirn tut, aktuell bewusst wird. Somit werden 99,9% unbewusst erledigt. Das bewusste kann somit eine Vielzahl von Informationen gleichzeitig verarbeiten. Das ist zwar ein großer Vorteil, hat aber auch Nachteile: Die bewusste Ratio ähnelt einem Scheinwerferlicht, das einen Punkt im Raum, wie z.B. einen Kamin, klar beleuchten kann. Der Rest des Raumes bleibt im Dunkeln. Unser bewusstes Denken ist somit sehr präzise und fokussiert, fixiert sich aber auf Details und verliert schnell das große Ganze aus dem Auge. Unser Unterbewusstsein gleicht dagegen eher einem schwachen Flutlicht, mit dem man nicht jede kleine Feinheit erkennen kann. Alles wird ein bisschen beleuchtet. Bei komplexen Situationen erweist sich diese Schwäche aber als sehr erfolgreich. Dadurch, dass unser Unterbewusstsein einen Blick für das große Ganze hat, trifft es bei komplexen Fragen die bessere Entscheidung. Unser Bewusstsein hingegen würde bei komplexen Fragen sehr schnell an die natürlichen Kapazitätsgrenzen gelangen und sich in der Not an einige wenige Details klammern, was i.d.R. zu einer falschen Entscheidung führt. 13. Ratio oder Emotion – Wer trifft die besseren Entscheidungen? Die veraltete Auffassung, dass rational denkende und nicht von Ihren Emotionen geleitete Menschen die besseren Entscheider sind, ist nicht nur falsch – solche Menschen sind im Alltag auch oft aufgeschmissen. Stattdessen ist genau das Gegenteil der Fall, wie auch die bekannte Fallgeschichte von Damasio unterstreicht: Es ist die Geschichte von Elliot. Elliot war ein erfolgreicher Jurist, ein Vorbild für seine Kollegen und ein liebevoller Familienvater. Das war so, bis ein Tumor sein vorderes Stirnhirn zerstörte. Der Tumor konnte zwar erfolgreich entfernt werden, doch Elliot war nicht mehr Elliot. Verblüffenderweise war sein IQ völlig intakt geblieben. Dafür war aber seine Gefühlswelt zutiefst zerstört. Elliot empfand so gut wie nichts mehr. Und mit diesem Verlust der Gefühle ging auch Elliots Sinn für das Wesentliche im Leben verloren. Während der Arbeit konnte er stundenlang grübeln, wie er die Papiere auf seinem Schreibtisch ordnen sollte. Ständig verzettelte er sich. Elliot wurde gekündigt und schließlich ging auch seine Ehe in die Brüche. Lange hat man das Gefühl gegen den Verstand ausgespielt. „Der intuitive Geist ist ein heiliges Geschenk und der rationale Geist ist ein treuer Diener“, sagte einmal Einstein und kritisierte: „Wir haben eine Gesellschaft geschaffen, die den Diener ehrt und das Geschenk vergessen hat.“ Inzwischen sind wir aber auf einem Weg das Geschenk, von dem Einstein sprach, wieder mehr zu würdigen. Nun jedoch den Verstand zu verteufeln und die Gefühle zu verehren, wäre allerdings in den umgekehrten Fehler zu verfallen. Verstand und Gefühle haben beide Ihre Stärken und Schwächen. Aber wann sollte man sich auf seine Intuition und wann auf seine Ratio verlassen? Regel Nr. 1 Wer bereits viel Erfahrung auf einem Gebiet hat, kann sich meist auf sein Bauchgefühl verlassen. Ist man dagegen ein blutiger Laie tut man gut daran, sich mehr Zeit zu lassen und sich ausführlich und analytisch mit der Situation zu befassen. Profi-Golfer schlagen den Ball dann am besten, wenn man ihnen erst gar keine Zeit lässt, um über den Ball nachzudenken. Bei Anfängern verhält es sich genau umgekehrt. Regeln Nr. 2 Je unübersichtlicher und komplexer die Situation, desto öfter versagt die Analyse und die Intuition ist vorteilhafter. Einen Versuch hierzu lieferte der deutsche Psychologe Gerd Gigerenzer: Er fragte Passanten in München und in Chicago anhand einer Liste mit den Namen von Aktiengesellschaften, welche davon die Passanten kannten. Dann investierte er 50.000 € in jene Firmen, die fast allen Passanten bekannt waren. Ein halbes Jahr später hatte sein Portfolio nahezu alle Analysen der Investmentgesellschaften geschlagen. Nur seinen Gefühlen zu folgen und Analyse und Ratio in den Wind zu schlagen kann jedoch ebenso ins Verderben führen. Vor einigen Jahren berechnete Gigerenzer anhand von Daten des US-Verkehrsministeriums die Zahl der Verkehrstoten nach dem 11. September 2001, als die Menschen aus Angst vorm Fliegen aufs Auto umstiegen. Die Zahl der Todesopfer in den drei Monaten nach dem 11.09. lag um 350 über dem langjährigen Durchschnitt und überstieg somit die Zahl derjenigen, die in den abgestürzten Flugzeugen ums Leben kamen. Emotio und Ratio haben also sowohl Vor- als auch Nachteile. Wir sollten uns also möglichst viel Wissen und viel Erfahrung aneignen, damit wir unseren Emotionen und unseren Intuitionen vertrauen können. Wenn man in den Autobiographien und Lehrbüchern von großen Wissenschaftlern liest, werden ihre bahnbrechenden Einfälle oft als Ergebnis rationalen Denkens dargestellt. In Wirklichkeit aber waren diese bahnbrechenden Einfälle aber meist intuitiv und sind oft erst nach längeren Unterbrechungen und langen quälenden Denkprozessen entstanden. Und das Fazit aus alle dem: „Wer denken will, muss fühlen!“
- Ziele erreichen
Was Siegertypen von Verlierertypen unterscheidet. Inhaltsverzeichnis 1. Ziele verändern sich im Laufe des Lebens 2. Ziele sind subjektiv 3. Erfolg ist beeinflussbar und planbar 4. Wir haben meist eine falsche Vorstellung davon, wie wir unsere Ziele erreichen 5. Die Methoden der modernen Hirnforschung 6. Wie Entscheidungen und Handlungen entstehen 7. Der Prozess der emotionalen Konditionierung 8. „The Big Five“ – Die 5 Grundfaktoren der Persönlichkeit 9. Ziele und die Abhängigkeit von der Intelligenz 10. Die wichtigsten Funktionen unseres Gehirns 11. Wer bin ich? 12. Unser Bewusstsein 13. Unser Unbewusstsein 14. Unser Vorbewusstsein 15. Unser Bewusstsein hat einen hohen Preis 16. Was unser Bewusstsein beeinflusst und gestaltet 17. Chancen und Grenzen der Zielerreichung 18. Tanaland und die vernetzten Systemkomponenten 19. Motive und Ziele müssen in Übereinstimmung stehen 20. Die psychologischen Grenzen der Motivation 21. Motivation aus Sicht der Neurowissenschaften 22. Was uns sonst noch zu Siegern oder Verlierern macht Ziele erreichen Was Siegertypen von Verlierertypen unterscheidet 1. Ziele verändern sich im Laufe des Lebens Als Kind hatten wir vielleicht das Ziel der Coolste zu sein und aufzufallen. In der Schule ging es vielleicht darum gute Noten zu schreiben. In der Ausbildung oder im Studium war es unser Ziel den Abschluss erfolgreich zu schaffen. Und als wir erwachsen waren, bestanden unsere Ziele darin Karriere zu machen oder unsere Kinder gut zu erziehen. Und was werden unsere Ziele im Alter sein? Wahrscheinlich gehören hierzu vor allem Gesundheit und der Erhalt des Lebensstandards. Ziele ändern sich also während des Lebens. Und nicht nur das. Ziele sind auch sehr subjektiv. 2. Ziele sind subjektiv Während der eine vielleicht hauptsächlich materielle Ziele anstrebt und sich ein hohes Einkommen oder ein schickes Eigenheim wünscht, ist es für andere Menschen viel wichtiger den Partner fürs Leben zu finden, eine Familie zu gründen oder ein ausgleichendes und befriedigendes Hobby auszuüben. Eins haben jedoch alle Ziele gemeinsam: Je konkreter sie formuliert werden und je besser man den Grad der Erreichung messen kann, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir ein Ziel erreichen. 3. Erfolg ist beeinflussbar und planbar Bereits in den 1960er Jahren fand der Psychologe Edwin A. Locke von der University of Maryland durch zahlreiche Befragungen unter Arbeitnehmern heraus, das Ziele, die konkret und spezifisch formuliert werden, besonders leistungsfördernd wirken und die Zufriedenheit erhöhen. Die klare Vorgabe: „Erhöhen Sie den Umsatz um 10% bis zum Ende des Jahres“, bewirkt wesentlich mehr als eine unkonkrete Aussage, wie: „Geben Sie Ihr Bestes“. Das gilt auch für andere Lebensbereiche: „Jeden Tag 10 Km joggen“ ist viel versprechender als „mehr Sport treiben“. Gründe, warum konkret formulierte Ziele besser erreichbar sind als allgemein formulierte werden darin gesehen, dass durch die konkrete Formulierung die Aufmerksamkeit stärker auf das Ziel gerichtet wird. konkrete Formulierungen sich besser überprüfen lassen und kurzfristige Gegenmaßnahmen ermöglichen. Die angenommene Folge ist, dass durch die starke Aufmerksamkeit und die bessere Überprüfbarkeit sowohl die Motivation als auch das Durchhaltevermögen gefördert wird. Erfolg wäre somit – in gewissen Grenzen – beeinflussbar und somit planbar!? Wenn das so ist, was sind dann die beeinflussbaren Größen und in welchem Umfang kann ich auf sie einwirken? Sind es in erster Linie Engagement und Durchhaltevermögen, die einen Sieger von einem Verlierer unterscheiden? Welchen Einfluss hat die Intelligenz auf das erreichen oder nicht erreichen gesteckter Ziele? Inwieweit spielen nicht kognitive Fähigkeiten wie Einfühlungsvermögen und Selbstvertrauen eine Rolle? Oder ist Erfolg doch nur eine Frage von Egoismus und Ellbogenprinzipien? 4. Wir haben meist eine falsche Vorstellung davon, wie wir unsere Ziele erreichen Die Antworten, die uns die neusten Erkenntnisse der Neurowissenschaften hierzu liefern sind sehr komplex und haben mit früheren Antworten nur noch wenig gemeinsam. Das gilt übrigens auch für Ziele, bei denen wir (anscheinend) nur uns selbst gegenüber verantwortlich sind. Wenn es also z.B darum geht abzunehmen oder das Rauchen aufzugeben. Zwar ist die Meinung weit verbreitet, dass das alles ginge, wenn man nur richtig wolle. Würde diese Aussage aber wirklich zutreffen, so wäre doch angesichts vieler Statistiken der Umkehrschluss dieser: Anscheinend wollen die meisten Menschen nicht so richtig. Wenn das alles so ist, dann muss doch irgendetwas an unseren Vorstellungen darüber, wie Menschen ihre Entscheidungen treffen und ihr Handeln steuern, um dadurch Ziele zu erreichen, offensichtlich falsch sein. Da aber die neueren Erkenntnisse der Hirnforschung i.d.R. nicht allgemein bekannt sind, macht man in der Erziehung, im Berufsleben und auch in der Gesellschaft mit traditionellen Rezepten weiter, auch wenn sie wenig erfolgreich sind. Die Ursache für die nicht erfolgreichen traditionellen Rezepte sind meist einseitige Betrachtungs- und Vorgehensweisen: In den Vorstellungen vieler Menschen herrscht die Meinung vor, dass Ziele eine Sache von rationalem Denken, also Sache des Verstandes sei. Andere wiederum verfolgen die Strategie, dass es die Emotionen seien, die uns bei dem erreichen oder nicht erreichen unserer Ziele fördern oder hindern. Auch wird häufig die Meinung vertreten, dass nur das, was uns bewusst ist zur Zielerreichung beiträgt und das, was uns nicht bewusst ist eine unkalkulierbare Einflussgröße für unsere Ziele darstellt. Und wieder andere denken, dass die Zielereichung abhängig davon ist, wie stark jemand egoistisch bzw. sozial geprägt ist. Und auf diese Weise haben sich im Laufe der Zeit die unterschiedlichsten Theorien und Strategien entwickelt, mit denen man glaubte dem Geheimnis der Zielerreichung auf die Spur zu kommen. Was aber ist letztendlich wirklich für die Erreichung von Zielen verantwortlich? Ratio oder Emotio? Bewusstsein oder Unbewusstsein? Egoistische oder soziale Prägung? 5. Die Methoden der modernen Hirnforschung Die moderne Hirnforschung hat in inzwischen Methoden entwickelt, die in der Lage sind Antworten auf diese und viele andere Fragen zu liefern. Zu diesen Methoden gehören u.a.: Die Elektroenzephalographie (EEG) (eine Methode der medizinischen Diagnostik zur Messung der summierten elektrischen Aktivität des Gehirns durch Aufzeichnung der Spannungsschwankungen an der Kopfoberfläche). Die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) (ein bildgebendes Verfahren mit hoher räumlicher Auflösung zur Darstellung von aktivierten Strukturen im Inneren des Körpers, insbesondere des Gehirns). Die Erhebung von vegetativ-physiologischen Reaktionen (Hautwiderstandsmessungen, Herzschlagrate, Atemfrequenz, Pupillengröße, usw.) Die Untersuchungen über genetische Prädispositionen – sog. Gen-Polymorpismen (Häufig von der Norm abweichende Verhaltensweisen, wie z.B. erhöhte Ängstlichkeit, Depression, Neigung zu Gewalt, usw.) Die neurobiologische Zellforschung (Erkenntnisse, wie Prozesse der Entscheidung und des Verhaltens auf der Ebene von Nervenzellen und Zellverbänden ablaufen). Mit Hilfe dieser und weiterer Methoden ist es möglich ein tieferes Verständnis für unsere Entscheidungen, unsere Handlungen und somit den Grad unserer Zielerreichung zu erlangen. 6. Wie Entscheidungen und Handlungen entstehen Eine sehr wichtige Erkenntnis hierbei ist, dass sich die Vorgänge in unserem Gehirn zwischen den vorhin aufgezeigten Faktoren und in Wechselwirkung zu diesen Faktoren abspielen. Unsere Entscheidungen und Handlungen sind also ein individueller Mix aus Ratio und Emotio, Bewusstsein und Unbewusstsein sowie egoistischer und sozialer Prägung. Und unsere Entscheidungen und Handlungen unterliegen vielen Einflußfaktoren, die sich in unserem Gehirn teils in verschiedenen Arealen und teils in denselben Arealen abspielen. Unter Berücksichtigung all dieser Dinge ist die eigene Persönlichkeitsentwicklung sehr stark abhängig von einem Prozess, den man als emotionale Konditionierung bezeichnet. 7. Der Prozess der emotionalen Konditionierung Dieser Prozess setzt bereits vor der Geburt ein, erfährt seine stärksten Phasen in den ersten Lebensmonaten und –Jahren, entwickelt sich dann in der Kindheit bis in die späte Jungend weiter und stellt die Grundlage unserer späteren Persönlichkeit dar. Die emotionale Konditionierung ist von vier wesentlichen Bestimmungsgrößen geprägt: Der individuellen genetischen Ausrüstung Den Eigenheiten der individuellen Hirnentwicklung (vornehmlich vorgeburtliche und frühe nachgeburtliche Entwicklung) Den persönlichen Erfahrungen (ebenfalls vornehmlich vorgeburtliche und frühe nachgeburtliche Erfahrungen, insbesondere Bindungserfahrungen) Den psychosozialen Einflüssen (vornehmlich im Kindes- und Jugendalter) Aus diesen 4 wesentlichen Bestimmungsgrößen und ihrer ganz spezifischen Dynamik und Plastizität entsteht das Fundament auf dem wir später unsere Entscheidungen, unsere Handlungen und auch unsere Ziele ausrichten. Das, was wir als Persönlichkeit definieren ist also ein zeitlich überdauerndes Muster, das sich durch die zuvor genannten vier Bestimmungsgrößen gebildet und geprägt hat. Besonders interessant an dem Prozess der emotionalen Konditionierung ist, dass er selbststabilisierend verläuft und somit zunehmend resistent gegen spätere Einflüsse wird. Das bedeutet jedoch nicht, dass man die Persönlichkeit eines Erwachsenen nicht mehr verändern kann, aber es bedeutet, dass der Aufwand, der hierzu notwendig ist, immer größer ist. Wie stark oder weniger stark uns diese Bestimmungsgrößen geprägt haben, zeigt sich dann aus einer Kombination von Merkmalen, wie z.B. Temperament, Gefühlsleben, Intellekt und die Art zu handeln, zu kommunizieren und sich zu bewegen. Was uns von anderen unterscheidet ist also im Wesentlichen die Art der Kombination und der Grad der Ausprägung dieser Merkmale. Hieraus nun die Persönlichkeit eines Menschen zu charakterisieren, beschäftigt die Menschheit schon seit langer Zeit und führte im Laufe der Jahre zu unterschiedlichsten Ansätzen. Heute geht die überwiegende Mehrheit der Wissenschaftler davon aus, dass sich eine Persönlichkeit am ehesten durch 5 Grundfaktoren, zu denen es sowohl positive als auch negative Ausprägungen gibt, charakterisieren lässt. 8. „The Big Five“ – Die 5 Grundfaktoren der Persönlichkeit Diese 5 Grundfaktoren sind: Extraversion Positive Ausprägungen: gesprächig, bestimmt, aktiv, energisch, offen, dominant, enthusiastisch, sozial, abenteuerlustig. Negative Ausprägungen: still, reserviert, scheu, zurückgezogen. Verträglichkeit Positive Ausprägungen: mitfühlend, nett, bewundernd, herzlich, großzügig, vertrauensvoll, hilfsbereit, freundlich, kooperativ, feinfühlig. Negative Ausprägungen: kalt, unfreundlich, streitsüchtig, grausam, undankbar, geizig. Gewissenhaftigkeit Positive Ausprägungen: organisiert, sorgfältig, planend, effektiv, verantwortlich, zuverlässig, genau, praktisch, überlegt, gewissenhaft. Negative Ausprägungen: sorglos, unordentlich, leichtsinnig, unverantwortlich, unzuverlässig, unverbindlich. Neurotizismus Positive Ausprägungen: stabil, ruhig, zufrieden. Negative Ausprägungen: launisch, reizbar, instabil, mutlos, furchtsam. Offenheit Positive Ausprägungen: einfallsreich, phantasievoll, wissbegierig, intellektuell, erfinderisch, geistreich. Negative Ausprägungen: gewöhnlich, einseitig, ohne Tiefgang. Worin sich alle Wissenschaftler einig sind, ist, dass sich diese Persönlichkeitsmerkmale sehr früh stabilisieren. Sie sind also somit entweder hochgradig genetisch bedingt. Oder sie sind eine unauflösliche Mischung aus genetischen, vorgeburtlichen, frühkindlichen und entwicklungsbedingten Merkmalen. 9. Ziele und die Abhängigkeit von der Intelligenz Ein Merkmal, das in der Psychologie zu Unrecht nicht zu den Persönlichkeitsmerkmalen zählt, aber unter neurobiologischen Gesichtspunkten sehr wohl dazu zählen muss, ist das Merkmal der Intelligenz. Unterschieden wird hierbei in die allgemeine (fluide) Intelligenz und in die bereichsspezifische (kristalline) Intelligenz. Die allgemeine Intelligenz definiert z.B. die Schnelligkeit und Effektivität der Informationsverarbeitung im Gehirn. Die bereichsspezifische Intelligenz hingegen definiert z.B. das Wissen aus unterschiedlichen Bereichen und seine Verfügbarkeit. Anders ausgedrückt: Jemand verfügt über eine hohe allgemeine Intelligenz, wenn er schnell denken und Probleme schnell identifizieren kann. Um aber mit einem identifizierten Problem fertig zu werden, sollte er auch über ein umfangreiches Expertenwissen, also über ein hohes Maß an bereichsspezifischer Intelligenz verfügen. Interessant daran ist jedoch, dass ein umfangreiches Expertenwissen durchaus die Fähigkeit zu schnellem denken ausgleichen kann. Andererseits aber ein hohe allgemeine Intelligenz durchaus dazu beitragen kann, die Aneignung von Expertenwissen zu vereinfachen. Zusammenfassend kann man jedoch sagen: Ein intelligenter Mensch ist jemand, der schnell sieht, was Sache ist, und dem ebenso schnell einfällt, was jetzt zu tun ist um ein Ziel erfolgreich zu erreichen. 10. Die wichtigsten Funktionen unseres Gehirns Wie aber laufen nun all diese Dinge, von denen wir bisher gehört haben, in unserem Gehirn ab und welche Funktionen werden dabei in unserem Gehirn aktiv? Bevor wir genauer auf diese Frage eingehen, wollen wir uns zunächst einen Überblick über die wichtigsten Funktionen unseres Gehirns verschaffen, denn egal, was Menschen auch immer tun oder nicht tun, alles ist in einen komplexen Kreislauf dieser Funktionen eingebunden. Im wesentlichen können wir die Funktionen unseres Gehirns in 6 Hauptfunktionen einteilen: Steuerung der Körperfunktionen Die erste und gleichzeitig wichtigste Funktion unseres Gehirns ist es unseren Körper und somit auch sich selbst am Leben zu erhalten. Dies bedeutet den Körper zu bewegen, mit Nahrung zu versorgen und vor Gefahren zu schützen. Diese Funktion wird überwiegend vom Hypothalamus, Teilbereichen der Amygdala und durch die vegetativen Zentren des Hirnstamms sichergestellt. Motorik (Bewegungssteuerung) Unsere Bewegungssteuerung, die sehr eng mit der ersten Funktion (Lebenserhaltung) zusammenhängt, wird hauptsächlich über die motorischen Felder unseres Gehirns geregelt. Sensorik (Wahrnehmung) Unsere Wahrnehmung wird überwiegend durch die sensorischen Felder unseres Gehirns geregelt. Verhaltenssteuerung und emotionale Bewertung Diese Funktion übernimmt das limbische System. Hier wird überprüft was positiv bzw. negativ an bestimmten Verhaltensweisen und Sinneswahrnehmungen war und somit zukünftig wiederholt bzw. vermieden werden soll. Kognitive Bewertung Bei der kognitiven Bewertung geht es um die durch Denken, Vorstellen und Erinnern ausgelöste Interpretation eines Ereignisses oder einer Situation hinsichtlich der eigenen Ziele und des Wohlbefindens.Diese Funktion läuft überwiegend in der Großhirnrinde in Zusammenarbeit mit dem Thalamus und dem Hippocampus ab. Handlungsplanung und –vorbereitung Bei dieser Funktion unseres Gehirns handelt es sich um das sog. exekutive System.Diese Funktion wird überwiegend über Teile des hinteren parietalen und präfrontalen Cortex, die Basalganglien und das Kleinhirn gesteuert. Diese 6 Funktionen unseres Gehirns sind auf das Engste miteinander verbunden: So werden z.B. Prozesse der Wahrnehmung parallel vom kognitiven und vom limbischen System verarbeitet. Dabei werden Inhalte des kognitiven und emotionalen Gedächtnisses aufs intensivste genutzt. Die Resultate dieser Verarbeitung werden dann zum einen im Gedächtnis neu abgelegt und zum anderen in das exekutive und motorische System geleitet, woraus dann unsere Verhaltensweisen entstehen. Unser Verhalten wiederum führt zu neuen Wahrnehmungen, die dann wiederum sowohl kognitiv und emotional neu bewertet werden. Das führt dann zu neuen Gedächtnisinhalten und somit zu neuem Verhalten. Sie sehen also: Unsere Persönlichkeit, also unser Verhalten, die Fähigkeit Verhalten zu ändern, Ziele zu formulieren, Ziele zu erreichen u.v.m. ist abhängig von einem gigantischen Wechselspiel zwischen Hirnarealen, Hirnfunktionen und Zellverbänden. Und bei all diesen Überlegungen steht im Zusammenhang mit der eigenen Persönlichkeit immer eine grundsätzliche Frage im Raum: Wer bin ich? 11. Wer bin ich? Und diese Frage ist in der Tat nicht einfach zu beantworten. Insbesondere deswegen, weil uns unser „Ich“ nur teilweise, d.h. in seinen bewussten Anteilen direkt zugänglich ist. Von dem weit aus größeren Teil unseres „Ichs“, dem unbewussten, spüren wir erst einmal gar nichts. Das, was wir bewusst wahrnehmen, kann man in 3 grundlegende Erlebnisbereiche einteilen: Körper Umwelt Gefühl und Geist Mit unserem Körper empfinden wir z.B. Lust oder Schmerz. Wir erfassen die Umwelt, also die Dinge um uns herum, mit unseren Sinnesorganen und wirken durch unser Verhalten auf sie ein. Mit unseren geistigen Zuständen und Gefühlen erleben wir Wünsche, Gedanken, Vorstellungen und Erinnerungen. Somit stellen sich folgende Fragen: Welchen Einfluss hat unser Bewusstsein und unser Unbewusstsein? Und: Welche Auswirkungen hat dies auf unsere Ziele? Um diese Fragen zu beantworten, wollen wir uns unser Bewusstsein und unser Unbewusstsein einmal etwas näher anschauen. 12. Unser Bewusstsein Auf die Frage, was Bewusstsein ist, hat die Wissenschaft bis heute keine eindeutige Erklärung gefunden. Fest steht aber, dass das Bewusstsein seinen Sitz in der Großhirnrinde (die äußere, ca. drei Millimeter dicke Schicht unseres Gehirns) hat und ein Sammelsurium unterschiedlichster Zustände ist, die nur das eine gemeinsam haben: Die Zustände werden bewusst erlebt und können sprachlich berichtet werden! Wenn wir neue komplexe Aufgabenstellungen, oder neue komplexe Probleme, oder auch neue, bisher noch nicht angestrebte Ziele erreichen wollen, dann brauchen wir Bewusstsein. Ganz allgemein ausgedrückt: Bewusstsein brauchen wir immer dann, wenn wir uns mit etwas Neuem oder Ungewohntem auseinandersetzen, bei dem es um die komplexe Verarbeitung von Details geht. Wir konzentrieren uns dann auf die anstehende Aufgabe oder das anstehende Ziel, und je mehr wir uns konzentrieren, desto höher wird die Intensität der bewussten Wahrnehmung. 13. Unser Unterbewusstsein Das Unbewusstsein umfasst aus Sicht der Neurowissenschaften und auch aus Sicht der experimentellen Psychologie insgesamt 6 Schwerpunkte: Alle Vorgänge der Wahrnehmung, der kognitiven Verarbeitung und der Gefühle aus unserer Zeit der Vorgeburt, des Säuglings und Kleinkindes All diese Dinge bleiben unserem Bewusstsein für alle Zeiten verschlossen, da zu den genannten Zeiten unser bewusstseinsfähiger assoziativer Cortex noch nicht ausgereift war. Dieser ist erst im 3. bis 4. Lebensjahr ausgeprägt. Alle vorbewussten Inhalte von Wahrnehmungsvorgängen Bevor uns etwas bewusst wird, wird die sensorische Information von den Sinnesorganen bis hin zum sog. assoziativen Cortex ca. 3/10 bis 5/10 Sekunden lang unbewusst vorbereitet und darüber entschieden, ob die Information überhaupt ins Bewusstsein gelangen soll. Alle unterschwelligen Wahrnehmungen Hierbei handelt es sich um Wahrnehmungen, die zwar viele Wahrnehmungszentren in unserem Gehirn erregen, aber die Schwelle zum Bewusstsein nicht überschreiten. Dabei handelt es sich entweder um Informationen, die uns unwichtig erscheinen, weswegen sich unser Gehirn erst gar nicht mit Ihnen befasst, oder es handelt sich um Informationen, die zwar wichtig sind, unser Gehirn diese aber unbewusst abarbeiten kann, weil es hierfür Routineprogramme besitzt. Alle Wahrnehmungsinhalte außerhalb unserer Aufmerksamkeit Obwohl Dinge direkt vor unserer Nase liegen, nehmen wir diese nicht bewusst war, weil wir diesen Dingen keine Aufmerksamkeit schenken. Alle Inhalte des Fertigkeitsgedächtnisses (prozeduralen Gedächtnisses) Hier ist alles gespeichert, was wir beherrschen, ohne dass wir beschreiben könnten, wie wir es machen, zumindest brauchen wir für die Umsetzung keine bewussten Details. Zu den Inhalten des Fertigkeitsgedächtnisses zählen z.B. Fahrradfahren, schwimmen oder Autofahren. Alle Inhalte des Erfahrungsgedächtnisses Die Summe der Inhalte unseres Erfahrungsgedächtnisses bildet die Grundstruktur unseres Charakters und unserer Persönlichkeit. Die Inhalte unseres Erfahrungsgedächtnisses sind in Bereichen unseres Gehirns gespeichert, die unserem Bewusstsein nicht zugänglich sind. Und selbst die Mechanismen, die dafür verantwortlich sind, was in unserem Erfahrungsgedächtnis gespeichert wird, laufen völlig unbewusst und können von uns nicht willentlich gesteuert werden. Stellt man sich nun die Frage, was wir auf Basis dieser neurowissenschaftlichen und experimentell psychologischen Erkenntnissen zum einen im Bewusstsein und zum anderen im Unbewusstsein alles können, so kann uns die Wissenschaft diese Frage inzwischen sehr gut beantworten: Bewusstsein brauchen wir immer dann, wenn wir uns mit etwas Neuem oder Ungewohntem auseinandersetzen, bei dem es um die komplexe Verarbeitung von Details geht. Unbewusst können wir Dinge und Vorgänge wahrnehmen, die nicht kompliziert sind. Wir können aber auch komplizierte Dinge ohne Bewusstsein tun, wenn Sie gut trainiert und eingeübt sind. Wir können auch Dinge unbewusst lernen, wenn wir sie regelmäßig erfahren. Wir haben Gefühle, Wünsche und Motive, die aus unserem Unbewusstsein kommen und uns antreiben Ziele zu erreichen, wissen aber meist gar nicht warum. Und: Alles was wir vorgeburtlich und in unserer frühen Kindheit erfahren haben – so wichtig es auch gewesen sein mag – bleibt unserem Bewusstsein verschlossen. Bleibt festzustellen, dass unser Unbewusstsein einen viel größeren Raum einnimmt als unser Bewusstsein. Die logische Konsequenz daraus ist, dass bei all unseren Entscheidungen unseren Handlungen und somit auch bei der Erreichung unserer Ziele unser Unbewusstsein eine viel größere Rolle einnimmt als unser Bewusstsein. 14. Unser Vorbewusstsein Eine sehr wichtige, aber bislang oft vernachlässigte Größe, ist unser sog. Vorbewusstsein. Es stellt quasi einen Übergang vom unbewussten zum bewussten dar. Ob und wie leicht etwas vom Vorbewusstsein ins Bewusstsein gelangen kann, hängt sehr stark von den bislang noch wenig erforschten „Zensoren“ ab. Dabei handelt es sich um Kräfte, die den Aufruf von Bewusstseinsinhalten kontrollieren. Diese sog. Zensoren können einerseits den Aufruf von Bewusstseinsinhalten fördern, aber auch verhindern. Wenn letzteres geschieht, geschieht nichts anderes als das, was bereits schon Sigmund Freud als „Verdrängung“ bezeichnet hat – Ein „Instrument“, das bei vielen Menschen sehr beliebt ist, um das Leben angeblich erträglicher zu machen, was aber in den meisten Fällen misslingt. Aber auch der andere Weg, nämlich dass diese Zensoren den Aufruf von Bewusstseinsinhalten fördern kann unangenehm sein. Dann z.B., wenn uns Sorgen schlaflose Nächte bereiten. Wir dürfen gespannt darauf sein, was uns die Wissenschaft in Zukunft zu diesen „Zensoren“ noch offenbaren wird, denn eins steht bereits schon heute fest: Sie nehmen bei unserer Persönlichkeitsentwicklung einen wichtigen Platz ein. 15. Unser Bewusstsein hat einen hohen Preis Der Sitz unseres Bewusstseins ist, wie wir bereits erfahren haben, in unserer Großhirnrinde. Und unser Bewusstsein entsteht in unserer Großhirnrinde, wenn bestimmte unbewusst arbeitende Bewertungsmechanismen (z.B. der Hippocampus und Teile des Thalamus und des limbischen Systems) einen bestimmten Wahrnehmungsinhalt oder auch unbewusste Motive und Wünsche als „wichtig“ und/oder „neu“ beurteilen. Steigern können wir diesen Effekt u.a. dadurch, dass wir unsere Aufmerksamkeit erhöhen. Dies hat nämlich zur Folge, dass in unserem Großhirn eine Art kognitive Lupe eingeschaltet wird, und wir sehen plötzlich Dinge, bzw. nehmen plötzlich Dinge war, die uns bis dahin entgangen waren (was für eine Zielerreichung von erheblicher Bedeutung sein kann). Unsere Großhirnrinde besteht aus rund 15 Milliarden Neuronen, die untereinander schätzungsweise über eine halbe Trillion Synapsen verbunden sind. Die Großhirnrinde stellt somit ein gigantisches interaktives Netzwerk mit einem riesigen assoziativen Speicher dar. Diese unglaubliche Leistungsfähigkeit unserer Großhirnrinde hat aber einen hohen Preis und muss, wenn man Leistungsfähigkeit nutzen möchte, teuer bezahlt werden. Damit ist gemeint, dass unser Gehirn einen sehr hohen Energieverbrauch hat, nämlich ca. 20% unserer Gesamtenergie, die wir in Form von z.B. Nahrung oder Sauerstoff zu uns nehmen – und das bereits im Ruhezustand. Wenn man dann noch bedenkt, dass unser Gehirn nur rund 1,5 Kg wiegt, dann ist ein Verbrauch von 20% unserer Gesamtenergie mehr als das 10-fache als im gewichtsmäßig eigentlich zusteht. Bei anstrengender geistiger Arbeit, wie sie z.B. auch für das Erreichen von Zielen erforderlich ist, steigert sich der Energieverbrauch weiter. Wen wundert es angesichts dieser Tatsache, dass unser Gehirn stets danach strebt Dinge zu erledigen, die wenig oder gar keine Energie verbrauchen, also auch kein Bewusstsein erforderlich machen und somit unbewusst ablaufen können. Damit aber viele Dinge unbewusst und somit energiesparend ablaufen können, sind Routineprogramme erforderlich. Solche Routineprogramme haben den Vorteil, dass sie sehr schnell ablaufen und wenig fehleranfällig sind. Ihr Nachteil besteht aber in der Flexibilität, denn sie sind immer nur für bestimmte Aufgaben entwickelt worden und können nicht unmittelbar auf andere Situationen übertragen werden. Bewusste Vorgänge, und somit sehr energieaufwendige Vorgänge, sind gegenüber den Routineprogrammen zwar langsamer und fehleranfälliger, aber sie können wesentlich flexibler mit neuen Informationen oder neuen Ereignissen umgehen. Überträgt man dieses Zusammenspiel von bewussten und unbewussten Vorgängen einmal auf ein Unternehmen, so werden die unbewussten Vorgänge, also die Routineprogramme von sehr spezialisierten Arbeitskräften ausgeführt, die dann zwar meist schnell und wenig fehleranfällig arbeiten (energiesparend im Kostensinne), aber i.d.R. nicht die Mitarbeiter repräsentieren, die neue Lösungen und innovative Ideen für die unternehmerischen Zielsetzungen produzieren. Hierzu bedarf es einer Zusammenarbeit von kreativen Köpfen, die flexibel denken und auf neue Informationen und Ereignisse konstruktiv reagieren können, was wie bei unserem Bewusstsein i.d.R. (im übertragenen Sinne) nicht energiesparend ist. Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse wollen wir uns nun einmal anschauen, was unser Bewusstsein beeinflusst und gestaltet. 16. Was unser Bewusstsein beeinflusst und gestaltet Wie bereits erläutert beschränkt sich unser Bewusstsein auf unseren assoziativen Cortex, der wiederum besondere Aktivitätsbedingungen erfordert. Bewusstsein ist somit ein sehr begrenzter Vorgang, auch wenn er unsere ganze Erlebniswelt erfasst. Was wir dabei aber nicht vergessen dürfen ist, dass unser Bewusstsein nur entsteht, wenn viele unbewusste Vorgänge in anderen Teilen unseres Gehirns stattfinden. Eine ganz besondere Vorsaussetzung für die Bildung unseres Bewusstseins sind die Neurotransmitter-Systeme (NTM-Systeme), welche die Aktivitäten der Großhirnrinde und auch die Aktivitäten anderer Hirnbereiche beeinflussen und gestalten, also modulieren. Da diese Systeme auch eine entscheidende Rolle bei der Erreichung unserer Ziele spielen, wollen wir diesen Systemen jetzt unsere Aufmerksamkeit schenken (kognitive Lupe einschalten). Zu diesen NTM-Systemen gehören folgende: Noradrenalinsystem Serotoninsystem Dopaminsystem Acetylcholinsystem Noradrenalin bewirkt u.a. die Registrierung von Veränderungen in der Umwelt und im Körper, die irgendwie wichtig sein könnten und dadurch ggf. Verhaltensanpassungen auslöst. Ein Mangel an Noradrenalin bewirkt u.a. undifferenzierte Reaktionen, mangelnde Verhaltensanpassung und manchmal auch Depressionen, Stress, Angst und Aggression. Serotonin ist der Gegenspieler des Noradrenalins. Dieser Neurotransmitter reguliert u.a. unsere Nahrungsaufnahme, unseren Schlaf und unsere Temperatur. Psychisch löst Serotonin eine Dämpfung von Erregungen aus, vermittelt uns ein Gefühl der Beruhigung und des Wohlbefindens, wodurch sich Furcht- und Angstzustände reduzieren. Ein Mangel an Serotonin ruft Schlaflosigkeit, Angst und Furcht hervor. Bei Männern führt ein Serotoninmangel häufig auch zu Aggressionen. Frauen hingegen neigen bei Serotoninmangel oft zu Selbstverletzungen. Dopamin bildet die Grundlage unseres Antriebs- und Motivationssystems. Es erzeugt u.a. Belohungserwartungen, Kreativität und Neugierde. Ein Mangel an Dopamin führt u.a. zu einer Verlangsamung der Bewegungen bis hin zur völligen Bewegungsunfähigkeit. Außerdem führt ein Dopaminmangel u.a. zu Ideen- und Phantasielosigkeit und zu Antriebsarmut. Acetylcholin bewirkt in unserem Gehirn eine Erhöhung der Aufmerksamkeit und eine Steigerung der Lernfähigkeit. Außerdem trägt Acetylcholin positiv zur Gedächtnisbildung bei. Ein Mangel an Acetylcholin ruft u.a. Aufmerksamkeits-, Lern- und Gedächtnisstörungen hervor. Eine der wichtigsten Vorrausetzungen für die Erreichung unserer Ziele sind also intakte Neurotransmitter-Systeme. Und eine der wichtigsten Voraussetzungen für intakte Neurotransmitter-Systeme sind wiederum gesunde Ernährung, viel Bewegung und ausreichende Entspannung, damit genügend Energie und Rohstoffe für die Produktion dieser Botenstoffe (Neurotransmitter) zur Verfügung stehen. Auf diesen Themenkomplex (Ernährung, Bewegung und Entspannung) soll aber trotz seiner Wichtigkeit, an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Diese Thematik wird zu einem späteren Zeitpunkt in einer eigenständigen Dokumentation behandelt. Stattdessen wollen wir uns nun einmal anschauen, wo die Chancen und Grenzen der Zielerreichung liegen. 17. Chancen und Grenzen der Zielerreichung Das, was wir uns bisher angeschaut haben, ist das Fundament für unsere persönlichen Ziele – also unsere Persönlichkeitsentwicklung und die Zusammenhänge bzw. Wechselwirkungen zwischen Bewusstsein, Vorbewusstsein und Unbewusstsein. Auf dieser Basis und in Kenntnis der Wichtigkeit dieser Dinge wollen wir uns nun den Chancen und Grenzen unserer Möglichkeiten bei der Realisierung unserer persönlichen Ziele anschauen. Je stärker unser Bewusstsein ausgeprägt ist, also je stärker wir in der Lage sind komplexe Zusammenhänge, deren Wechselwirkungen und deren Abhängigkeiten voneinander, zu erkennen, desto bessere Entscheidungen werden wir treffen, und umso sicherer werden wir unsere Ziele erreichen. Das ist zumindest eine weit verbreitete Meinung und vor allem unter Chefs und Entscheidungsträgern sehr beliebt. Auch innerhalb unseres Bildungssystems finden wir diesen Ansatz wieder. Vor allem dort, wo es darum geht junge Nachwuchsmanager im Rahmen ihres Studiums auf ein solches Denken zu trainieren. Sollten Sie auf einen Menschen treffen, der ebenfalls von dieser Denkweise überzeugt ist, stellen Sie ihn doch mal vor folgende Aufgabe: Welche Lösungsstrategie würden Sie Vogeleltern empfehlen, die eine Reihe von Jungen (Nestlingen) aufziehen müssen und viele Male täglich vor der Frage stehen, in welcher Reihenfolge sie die hungrigen und bettelnden Jungen füttern sollen, damit möglichst viele Junge das Fortpflanzungsalter erreichen, um somit die Arterhaltung zu sichern. Dieser Mensch würde zunächst einmal sein Bewusstsein mit der Fähigkeit für komplexe Zusammenhänge zu rate ziehen und folgende theoretischen Lösungsstrategien entwickeln: Man fängt beim kleinsten Jungen an und hört beim größten auf. Man fängt beim größten Jungen an und hört beim kleinsten auf. Man fängt beim Jüngsten an und hört beim Ältesten auf. Man fängt beim Ältesten an und hört beim Jüngsten auf. Man fängt bei dem an, der am meisten bettelt und vermutlich am hungrigsten ist. Man füttert im Uhrzeigersinn. Man füttert gegen den Uhrzeigersinn. Man füttert in zufälliger Reihenfolge.Mithilfe der Mathematik und diversen Verhaltensmodellen und einem leistungsfähigen Computer könnte unser Mensch mit dem Hang zum komplexen Denken nun sehr wohl berechnen, welche der theoretischen Strategien bei unterschiedlichen Annahmen der Futterverfügbarkeit die jeweils beste ist und dann im Praxisversuch überprüfen, ob sich die Vogeleltern modellkonform verhalten. Was sich hier zunächst sehr lustig anhört, hat aber einen ernsten Hintergrund und wurde in der Realität in einer sehr aufschlussreichen Untersuchung überprüft. Die Untersuchung ergab, dass Vogeleltern bei unterschiedlichster Futterverfügbarkeit weitestgehend die richtige Strategie nutzten. Unklar blieb jedoch, welche mathematischen Regeln und welche Verhaltensmodelle die beobachteten Vogeleltern ins Kalkül zogen. Ähnliche empirische Untersuchungen bestätigen, dass sich in vielen untersuchten Fällen Tiere tatsächlich im Sinne des Modells optimal verhalten und sogar in voraussagbarer Weise ihr Verhalten ändern, wenn sich einige Variablen in der Gleichung ändern (z.B. Entfernung zum Futterort oder feindliche Eindringlinge) Es scheint also, als ob die Tiere komplizierte Berechungen anstellten. Natürlich weiß man, dass dies nicht der Fall ist. Vielleicht verfügen Tiere über ein Bewusstsein, aber ganz bestimmt benutzen sie keine aufwendigen mathematischen Regeln oder gar Computer. Dass sie dennoch richtige Entscheidungen treffen, begründen Verhaltensökologen mit einer angeborenen Strategie, die sich im Laufe der Evolution als optimal heraus entwickelt hat. Tiere können dadurch also Probleme lösen, die selbst einen eingefleischten Entscheidungstheoretiker ins schwitzen bringen könnten. Auch wir Menschen verfügen über angeborene Lösungsstrategien, die sich im Laufe der Evolution entwickelt haben. Diese können aber heute, in einer von schnellen Veränderungsprozessen geprägten Welt, nur noch selten genutzt werden. Stattdessen haben wir Menschen, im Gegensatz zu den Tieren, mathematische Methoden und leistungsfähige Computer, die uns in die Lage versetzen komplexe Probleme oder Aufgabenstellungen zu simulieren und können dadurch nach optimalen Lösungen für unsere Zielerreichung suchen. Problematisch wird es nur, wenn dann trotz genauster mathematischer Berechnungen etwas schief geht und das angestrebte Ziel nicht erreicht wird. Was soll man dann nur machen? Einer, der sich dieser Thematik besonders gewidmet hat ist der deutsche Psychologe Dietrich Dörner von der Universität Bamberg. In Zusammenarbeit mit seinen Mitarbeitern hat er u.a. das Fantasieland „Tanaland“ erfunden und mit Hilfe eines Simulationsmodells die Chancen und Grenzen von Entscheidungsprozessen sehr schön nachweisen können. 18. Tanaland und die vernetzten Systemkomponenten Tanaland ist ein fiktives Gebiet irgendwo in Ostafrika. Mitten durch Tanaland fließt der Owanga-Fluss, der sich zum Mugwa-See verbreitert. Am Mugwa-See liegt Lamu, umgeben von Obstplantagen, Gärten und einer Waldregion. In und um Lamu wohnen die Tupi, ein Stamm, der von Ackerbau und Gartenwirtschaft lebt. Im Norden als auch im Süden gibt es Steppengebiete. Im Norden, in der Gegend um den kleinen Ort Kiwa, leben die Moros. Die Moros sind Hirtennomaden, die von Rinder-, Schafzucht und von der Jagd leben. Das Simulationsmodell enthält Daten über die Landesnatur, die Tiere und die Menschen und ihre Beziehungen untereinander. Das Leben in Tanaland ist kärglich, die Kindersterblichkeit hoch und die Stechmückenplage und die Gefährdung der Rinder sind groß. In dem Simulationsmodell von Dörner hatten nun 12 Versuchspersonen über einen Zeitraum von 10 Jahren die Möglichkeit, diese Ausgangssituation zu verbessern. Diese 12 Versuchspersonen durften nun in den 10 Jahren insgesamt sechsmal nahezu uneingeschränkt eingreifen. Den jeweiligen Zeitpunkt durften die Versuchspersonen selbst festlegen. Die Versuchspersonen konnten in die Infrastruktur eingreifen, das Gesundheitssystem ändern, in die Natur und in die Geburtenkontrolle eingreifen u.v.m. Sie durften sogar bei negativ verlaufenden Entwicklungen, diese beim nächsten Eingriff wieder rückgängig machen. Vielleicht denken Sie jetzt, dass dies ein tolles Simulationsmodell ist und bei dem, was alles an Eingriffen erlaubt ist, kann ja nichts mehr schief gehen. Nun, dann schauen wir mal weiter: Die Ergebnisse der virtuellen Regierungstätigkeit unserer 12 Versuchspersonen waren sehr erstaunlich, denn sie endeten fast immer in irgendeiner humanitären, ökonomischen oder ökologischen Katastrophe. Ein Vorteil des Simulationsmodells war, dass man das Fehlverhalten der Versuchspersonen sehr genau analysieren konnte. Da dieses Fehlverhalten von sehr genereller Natur war, kann man es im Hinblick darauf, wie Menschen mit komplexen Systemen umgehen, durchaus als exemplarisch betrachten. Die gröbsten Fehler waren folgende: Loslegen mit Reform-Maßnahmen ohne ausreichende vorherige Situationsanalyse. Nichtberücksichtigung der gegenseitigen positiven oder negativen Beeinflussung der meisten Faktoren und Maßnahmen. Konzentration auf das unmittelbare Geschehen und Nichtberücksichtigen von Fern- und Nebenwirkungen der ergriffenen Maßnahmen. Der starre Glauben, die richtige Methode zu besitzen. Flucht in neue Projekte, wenn etwas schief zu gehen droht. Ergreifen immer radikalerer Maßnahmen, wenn Dinge aus dem Ruder laufen. Dörner belegt anhand dieser Simulationsstudie aber auch anhand realer Geschehnisse, wie z.B. Tschernobyl oder die Verbreitung von Aids, dass Menschen nur über sehr geringe Fähigkeiten verfügen, komplexe Systemzusammenhänge zu verstehen und zu steuern. Dabei bilden die Missachtung der Vernetzung von Systemkomponenten und die Missachtung von vorliegenden positiven Rückkopplungen die größte Gefahr. Diese Missachtung führt nämlich oft dazu, dass die Dinge sich in dramatischer Weise aufschaukeln, und zwar meist mit tückischer Zeitverzögerung. Man hat das Gefühl, dass das System auf einen Eingriff nicht reagiert und man deshalb den Eingriff verstärkt, um ihn dann, nachdem doch eine Wirkung eingetreten ist, abrupt zurückzunehmen. Das System wird dadurch extrem instabil und kann kollabieren (so wie in Tschernobyl). Diese gravierenden Fehler führen aber nicht nur im virtuellen Tanaland oder dem realen Tschernobyl zu Katastrophen, sondern auch in unserem ganz normalen Alltag: Haben Sie schon einmal unter einer Dusche gestanden, bei der das Wasser erst mit einer gewissen Verzögerung heißer oder kälter wird? Aufgrund der Missachtung der Möglichkeit, dass Maßnahmen erst mit einer zeitlichen Verzögerung auf die Systemkomponenten wirken, hat sich schon mancher mehr als nur die Finger verbrannt! Eine weitere Wirkung der eben genannten Fehler ist, dass beim Ansteigen einer einzelnen Systemkomponente eine andere, die man gar nicht verändern wollte bzw. gar nicht beachtet hatte, ebenfalls mit ansteigt oder abfällt und dadurch das System gefährdet wird. Wir sehen also, dass unser Gehirn sehr schnell überfordert ist, wenn eine Situation auch nur mäßig komplex ist. Dies hängt damit zusammen, das wir in unserem Arbeitsgedächtnis nur maximal 7+-2 Informationseinheiten gleichzeitig speichern können und somit unsere Verarbeitungskapazität und unsere damit verbundene Konzentrationsfähigkeit sehr eingeschränkt ist (s. Basisseminar Kapitel 9.2) Wie aber sollte man dann mit komplexen Situationen oder Zielsetzungen umgehen? Am ehesten lässt sich dies lösen, wenn man folgendes berücksichtigt: Verschaffen Sie sich einen Eindruck von den Hauptfaktoren bzw. – komponenten des Systems. Finden Sie heraus, welche positiven oder negativen Kopplungen die Hauptfaktoren besitzen. Setzen Sie sich klar formulierte und langfristige Ziele, statt in einen blinden Aktionismus zu verfallen. Treffen Sie Ihre Maßnahmen mit Geduld, denn ein komplexes System ist nie vollkommen durchschaubar und beherrschbar. Treffen Sie Ihre Maßnahmen wohldosiert, um die gefährlichen positiven und negativen Kopplungen und die ebenso gefährlichen Verzögerungszeiten erkennen zu können. Versuchen Sie einen optimalen Kompromiss zwischen dem Warten auf den Erfolg und dem Treffen neuer Maßnahmen zu finden. Panische oder durch Erfolgsdruck hervorgerufenen Ad-hoc-Maßnahmen führen in den meisten Fällen in die Katastrophe. Auch können wir nicht mehr als zwei Vorgänge gleichzeitig intensiv verfolgen, was an sich schon schwer ist. Bei drei Vorgängen parallel nimmt unsere Aufmerksamkeit drastisch ab. Am leistungsfähigsten ist unser Gehirn und speziell unser Aufmerksamkeitsbewusstsein dann, wenn es sich voll und ganz auf eine Sache konzentrieren kann. Um aber dennoch auch komplexe Aufgaben zu lösen, verfügt unser Gehirn neben unserem Aufmerksamkeitsbewusstsein über eine ganz andere Möglichkeit, nämlich das Vorbewusstsein, dass wir bereits besprochen haben. Unser Vorbewusstsein ist der Ort der intuitiven Problemlösung und seine Fähigkeit komplexe Informationen zu verarbeiten, ist wesentlich größer als die unseres bewussten Arbeitsgedächtnisses. Wie unser intuitives Netzwerk in unserem Gehirn genau funktioniert, ist noch nicht endgültig erforscht, wenngleich man schon sehr viel darüber weiß. Fest steht jedoch, dass unsere Intuition eine wesentliche Rolle beim treffen von Entscheidungen und somit auch beim erreichen von Zielen spielt. Da wir das Thema Intuition bereits in der Vergangenheit mehrmals erörtert haben (s. Quartalsmeetings 02/2009 Kapitel 12 und 13. / Neurolino Kapitel 8.1 und 8.2), wollen wir es bei den hier gemachten Feststellungen belassen. 19. Motive und Ziele müssen in Übereinstimmung stehen Abschließend zum Thema Entscheidungsfindung und Lösungsansätze für komplexe Systeme können wir folgendes festhalten: Es gibt viele bewusste und unbewusste Instanzen in unserem Gehirn, die bei handlungsvorbereitenden Entscheidungen mitwirken. Dabei treten die Instanzen mit Ihren jeweiligen Argumenten in einen Wettbewerb mit teilweise ungewissem Ausgang. Es hat also keine Instanz alleine das Kommando. Bemerkenswert ist allerdings, dass unser Bewusstsein – wenn erst einmal eine Entscheidung gefallen ist – sich diese Entscheidung selbst zuschreibt, so als gäbe es nur diese eine Instanz. Man könnte also fast meinen, dass unser Bewusstsein ein Marketinggag der Evolution ist, damit wir glauben, dass wir Entscheidungen bewusst treffen. Dennoch muss eine Grundbedingung beachtet werden, nämlich die, dass alles, was wir auf Basis der Entscheidungen in unserem Gehirn tun, in Einklang mit unserem emotionalen Erfahrungsgedächtnis stehen muss. Wir müssen nämlich mit dem, was wir tun, leben können! Und weil das so ist, hat unser emotionales Erfahrungsgedächtnis immer das erste und letzte Wort. Mit anderen Worten: Was wir tun, muss im Spiegel unserer bewussten und unbewussten Lebenserfahrung plausibel und gerechtfertigt erscheinen. Können wir dies auf Dauer nicht, so werden wir psychisch krank. Es ist also unbedingt erforderlich, dass wir unsere unbewussten Motive und unsere bewussten Ziele in Übereinstimmung bringen. Und genau diese Übereinstimmung von unbewussten Motiven und bewussten Zielen führt uns zum nächsten Aspekt, der für die Erreichung von Zielen sehr wichtig ist: Die Motivation. 20. Die psychologischen Grenzen der Motivation Weit verbreitete Glaubenssätze sind z.B. Um Ziele zu erreichen benötigt man Motivation. Ohne Motivation läuft nichts. Wen wundert es da, dass eine der am häufigsten gestellten Fragen in Bereichen von Persönlichkeitsentwicklung und Führung die ist: Wie motiviere ich mich und meine Mitarbeiter? Betrachtet man das Wort Motivation einmal von seiner lateinischen Herkunft, so bedeutet Motivation soviel wie Antrieb, bzw. antreiben. Aber stimmt es wirklich, dass wir für alles was wir tun eine Motivation, also einen Antrieb benötigen? Nein, nicht immer. In zwei Ausnahmen geht es auch ohne Motivation, also ohne Antrieb: Stark automatisierte Bewegungen Tief eingegrabene Gewohnheiten In diesen Fällen ist der Antrieb, also die Motivation, sozusagen bereits eingebaut. Anders ist das bei Dingen, die nicht automatisch oder gewohnheitsmäßig ablaufen, also bei Dingen, bei denen wir bestimmte Schwellen oder bestimmte Widerstände überwinden müssen. Je größer die Schwellen oder je höher die Widerstände sind, die es zu überwinden gilt, desto größer muss der Antrieb zu einer bestimmten Handlung sein. Was aber treibt uns an? Was motiviert uns? Die Motivationspsychologie beantwortet uns diese Frage wie folgt: Der Mensch strebt danach, solche Ereignisse herbeizuführen, die positive Gefühlszustände anregen (Appetenz), und solche Ereignisse zu vermeiden, die zu negativen Gefühlszuständen führen (Aversion). Auch wenn das grundsätzlich erst einmal plausibel klingt, so muss aber gerade dann, wenn es z.B. um die Motivation von Mitarbeitern geht, eine tiefer gehende Frage erlaubt sein: Wie bringe ich einen Gefühlszustand, also einen inneren Zustand, der ja nicht sichtbar ist, mit dem beobachteten Verhalten, also einem äußerlich sichtbaren Zustand in Verbindung? Was damit gemeint ist, soll uns folgendes Beispiel zeigen: Stellen Sie sich einmal vor, Sie beobachten jemanden, der sehr gierig auf ein frisch gezapftes Bier blickt. Hieraus können wir folgern, dass dieser Mensch wohl sehr durstig ist. Diesen inneren Zustand, nämlich durstig, können wir aber gar nicht beobachten. Das einzige, was wir beobachten können ist das Verhalten. Um es auf den Punkt zu bringen: Wir folgern aus dem beobachteten Verhalten einen innern Zustand und nehmen dann diesen inneren Zustand, um das beobachtete Verhalten zu erklären. Und so können dieselben Verhaltensbeobachtungen völlig unterschiedlich interpretiert werden. Der eine verbindet das Verhalten mit dem inneren Zustand des Durstgefühls. Ein anderer könnte dasselbe Verhalten aber auch mit dem inneren Zustand eines Suchtgefühls verbinden. Und auf diese Weise erklärt sich jeder die Welt, so wie sie braucht oder sehen will. Und mit der Motivation ist es ganz genauso. Erinnern Sie sich noch an die Fragen, die wir uns eben gestellt haben? Was treibt uns an? Was motiviert uns? Das, was uns motiviert sind innere, nicht sichtbare Zustände, die dann ein bestimmtes Verhalten auslösen. Das gefährliche am Umgang mit Motivation ist also, dass wir auch hier dazu neigen, aus einem äußeren Verhalten Rückschlüsse auf einen inneren Zustand zu ziehen, um dann diesen inneren Zustand als Begründung für das äußere Verhalten zu nehmen. Die Frage aller Fragen im Hinblick auf Motivation lautet also: Wie können wir diesen gefährlichen Kreislauf vermeiden? Die einzige Möglichkeit hierzu besteht darin, die nicht direkt sichtbaren inneren Zustände mit verlässlich beobachtbaren und messbaren Zuständen im Gehirn und/oder im Körper in Verbindung zu bringen. Und dies ist Dank neurowissenschaftlicher Erkenntnisse inzwischen sowohl bei Appetenz (Streben nach Positivem) als auch bei Aversion (Vermeiden von Negativem) möglich. 21. Motivation aus Sicht der Neurowissenschaften Wie wir inzwischen wissen sind sowohl positive als auch negative Gefühle gesetzmäßig mit der Ausschüttung bestimmter Substanzen in unserem Gehirn verbunden. Bei Gefühlen wie z.B. Zufriedenheit, Freude oder Glück werden u.a. Substanzen wie Serotonin oder Dopamin ausgeschüttet. Serotonin wirkt z.B. beruhigend und angstmindernd. Dopamin wirkt z.B. beflügelnd und anregend. Bei Gefühlen, wie z.B. Angst oder Verzweiflung werden u.a. Substanzen wie Cortisol oder Noradrenalin ausgeschüttet. Cortisol bewirkt z.B. Stressgefühle und Noradrenalin bewirkt z.B. Bedrohungsgefühle. Über die Ausschüttung dieser und anderer Substanzen in limbischen Zentren des Gehirns sowie über den Aktivitätszustand des limbischen Systems, ist man inzwischen in der Lage ziemlich genaue Rückschlüsse auf den Affekt- und Emotionszustand von Personen zu ziehen. Hinzu kommen körperliche Signale, die über das vegetative Nervensystem ausgelöst werden. Hierzu zählen u.a. Herzschlag und Atemfrequenz, Zittern der Hände oder ein trockener Mund. Aus all dieses messbaren Komponenten kann man nun sehr genau das Grundprinzip der Motivationsentstehung erklären: Motivation entsteht dann, wenn bestimmte Ereignisse in der Umwelt oder im eigenen Körper durch Zentren des limbischen Systems (hauptsächlich der Amygdala und des mesolimbischen Systems) registriert werden, die dann wiederum auf Zentren unseres Gehirns einwirken, die unser Verhalten steuern. Eine besonders interessante Erkenntnis hierbei ist, dass uns nicht das eigentliche Erleben von positiven Gefühlen oder das eigentliche Erleben negative Gefühle vermieden zu haben motiviert, sondern vielmehr das Streben nach diesen Zuständen. Es ist also die Vorstellung davon, wie wir uns auf dem Weg zur Erreichung eines Zieles fühlen, was uns motiviert. Nicht aber das Ziel selbst! Entdeckt hat man diese Tatsache erst vor wenigen Jahren, als man die Wirkung von Dopamin untersuchte. Von diesem Botenstoff (Neurotransmitter) nahm man nämlich lange Zeit an, er sei ein reiner „Glücksstoff“. Wissenschaftliche Untersuchungen haben aber gezeigt, dass Dopamin dann ausgeschüttet wird, wenn wir eine Belohnung erwarten. Keine oder eine nur geringe Dopaminausschüttung findet hingegen statt, wenn das angestrebte Ziel erreicht ist. Wenn man sich all dies vor Augen führt, wird auch klar, warum viele Motivationssysteme in den Unternehmen nicht funktionieren. Die Anreize dieser Systeme sind i.d.R. immer auf das Ziel ausgerichtet, nicht aber auf den Weg, der zum Ziel führt. Würde man die Motivationssysteme in den Unternehmen auf diese Erkenntnisse anpassen, so ginge es vielen Mitarbeitern und Führungskräften besser. Ich sage hierbei bewusst, dass es vielen besser ginge, aber nicht allen. Der Grund dafür ist, dass auch für einige das beste und hirngerechteste Motivationssystem nicht zum Erfolg beiträgt. Die Ursache hierfür liegt in der Eingangs zum Thema Motivation erwähnten Übereinstimmung zwischen unbewussten Motiven und bewussten Zielen. 22. Was uns sonst noch zu Siegern oder Verlierern macht Motive sind so unterschiedlich, wie Personen in ihrer Persönlichkeit unterschiedlich sind. Dies ist auch nicht weiter verwunderlich, denn schließlich sind unsere Motive ein essentieller Bestandteil unserer Persönlichkeit. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache ist es nachvollziehbar, dass die Motivationsforschung einen Unterschied zwischen Motiven und Zielen macht: Motive sind demnach unbewusste Handlungsantriebe. Ziele sind demnach bewusste Handlungsantriebe. Folgt man dieser Unterscheidung, so sind Motive durch unsere genetischen, vor- und nachgeburtlichen sowie durch unsere frühkindlich erworbenen Handlungsantriebe entstanden (also unbewusst). Ziele hingegen entstehen in der späteren Kindheit, der Jugend und im Erwachsenenalter (also bewusst). Warum aber ist es so wichtig, dass unsere Motive und unsere Ziele übereinstimmen? Angenommen, Sie sind ein recht intelligenter und begabter Mensch. Genetisch bedingt sind Sie aber eher ein ruhiger und in sich gekehrter Mensch. Nehmen wir weiterhin an, Sie hatten als Säugling und in Ihrer frühen Kindheit ein schwieriges Bindungsverhältnis zu Ihrer Mutter. Aus diesen Gründen sind Sie daher eher verschlossen und kontaktscheu, und Sie haben trotz Ihrer hohen Intelligenz und Ihren Begabungen nur ein geringes Zutrauen in sich selbst und in Ihre Fähigkeiten. Dies ist Ihre Kernpersönlichkeit, die auf der limbischen Ebene in Ihrem Gehirn verankert ist. Als Schulkind und Jugendlicher werden Lehrer und andere Personen auf Ihre Intelligenz und Ihre Begabungen aufmerksam und fördern Sie nach Kräften. Sie nehmen diese Förderung an, obwohl es eigentlich nicht Ihrer Kernpersönlichkeit entspricht. Sie machen erfolgreich Ihr Abitur, absolvieren ein ebenso erfolgreiches Studium und erlangen auch einen attraktiven Beruf. Trotz dieser Erfolge leiden Sie aber erheblich unter der Nähe von Menschen. Sie haben Angst vor Vorträgen und öffentlichen Auftritten und gehen jeden weiteren Karriereschritt nur unwillig an. Das Ergebnis ist: Sie sind irgendwie unzufrieden mit Ihrem Leben. Es könnte aber auch das Gegenteil passieren: Nehmen wir hierzu an Sie sind von Ihrem Temperament her neugierig und risikofreudig und haben eine positive Bindungserfahrung und frühkindliche Sozialisation erfahren. Danach geraten Sie aber in die üblichen Ausbildungs- und Berufszwänge, die von Ihnen verlangen, zurückhaltend, vorsichtig und risikomeidend zu sein. Die Folge ist, dass Ihnen Ihr Beruf zur Qual wird, weil alles zu langsam geht, Sie Ihre Kreativität nicht ausleben können und überhaupt alles viel zu unflexibel ist. Auch hier ist das Ergebnis: Sie sind irgendwie unzufrieden mit Ihrem Leben. Irgendwie unzufrieden bedeutet aber, dass Sie es nicht konkretisieren können. Das wiederum führt dazu, dass Sie sich schlecht fühlen oder sogar krank werden. Sie gehen von Arzt zu Arzt, die aber alle nichts Ernsthaftes finden können, was die Sache noch schlimmer macht. Sie werden depressiv und denken vielleicht sogar an Selbstmord. In der Welt der Erfolgs- und Karrieremenschen sind Sie ein klassischer Verlierertyp! Was aber ist bei Siegertypen anders? Der Hauptunterschied zwischen Siegern und Verlieren ist, dass die Motive (unbewusste Handlungsantriebe) und die Ziele (bewusste Handlungsantriebe) bei Siegern übereinstimmen und bei Verlieren nicht. Menschen, bei denen Motive und Ziele übereinstimmen, zeichnen sich durch ein hohes Maß an Ausdauer, Beharrlichkeit und Konsequenz aus. Menschen bei denen Motive und Ziele nicht übereinstimmen, zeichnen sich dadurch aus, dass sie z.B. Hindernisse nicht als Herausforderung, sondern als Bedrohung ansehen. Lassen Sie uns abschließend folgendes Resümee ziehen: Bei der Motivation kommt es immer darauf an, dass unsere unbewussten Motive und unsere bewussten Ziele übereinstimmen. Nur dann sind wir zufrieden, leistungsfähig und erreichen unsere Ziele. Und nur dann machen wir eine der wichtigsten und schönsten Erfahrungen unseres Lebens: Das verfolgen selbstbestimmter Ziele und das Meistern der daraus resultierenden Herausforderungen trägt eine Belohnung in sich selbst und macht Belohnungen von außen nebensächlich. Wie auch immer Sie Ihre Ziele in Zukunft definieren und planen, planen Sie nicht zu lange. Wie formulierte es Prof. Dr. Bodo Runzheimer (Professor für Betriebswirtschaftslehre): "Macht nur einen Plan!!! Wir ändern morgen, wir ändern heut, wir ändern wütend und erfreut. Wir ändern, ohne zu verzagen, an allen sieben Wochentagen. Wir ändern teils aus purer Lust, mit Vorsatz teils, teils unbewusst. Wir ändern gut und auch bedingt, weil ändern immer Arbeit bringt. Wir ändern resigniert und still, wie jeder es so haben will. Die Alten ändern und die Jungen, wir ändern selbst die Änderungen. Wir ändern, was man ändern kann, und stehen dabei unsern Mann. Und ist der Plan auch schon gelungen, bestimmt verträgt er Änderungen. Wir ändern deshalb früh und spät alles was zu ändern geht. Wir ändern heut und jederzeit, zum Denken bleibt uns wenig Zeit. - Änderungen vorbehalten!"
- Die Kunst der Verhaltensänderung
Warum es so schwer ist, sich und andere zu verändern. Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 2. Die vier Ebenen der Persönlichkeit 3. Erkenntnisse und Konsequenzen für unsere Persönlichkeitsbildung 4. Wenn sich Verstand und Vernunft in unterschiedliche Richtungen entwickeln 5. Wie unsere Verhaltensweise unser Leben prägen kann 6. Warum es uns so schwer fällt andere zu verstehen 7. Warum es uns so schwer fällt uns selbst zu verstehen 8. Wie wir uns und andere täuschen 9. Wie wir andere verändern können 10. Wie wir uns selbst verändern können 11. Zusammenfassung Die Kunst der Verhaltensänderung Warum es so schwer ist, sich und andere zu verändern. 1. Einleitung Immer wieder stellen wir uns die Frage: "Warum fällt es uns so schwer erlerntes Wissen und erlernte Fähigkeiten in eine dauerhafte Anwendung zu bringen?" Oder: "Warum fällt es uns so schwer unser Verhalten und/oder unsere Gewohnheiten zu ändern?" Ob dies überhaupt möglich ist und was uns hierzu die modernen Erkenntnisse der Gehirnforschung sagen, das soll heute unser Thema sein. Fest steht jedenfalls, dass wenn wir uns mit der Frage der Verhaltensänderung beschäftigen, wir zunächst einmal drei mögliche Formen unterscheiden müssen: Verhaltensänderung aus eigenem Antrieb Verhaltensänderung durch andere Personen Verhaltensänderung durch äußere Ereignisse Haben Sie schon einmal ein Klassentreffen besucht, bei dem Sie ihre früheren Mitschüler seit 10 Jahren oder länger nicht gesehen haben? Wenn ja, dann haben auch Sie, mal abgesehen von ein paar zusätzlichen Falten und Pfunden, bestimmt eine oder mehrere der folgenden Feststellungen gemacht: Da gab es ehemalige Mitschüler, bei denen Sie bereits nach wenigen Sätzen merkten, dass die Eigenschaften, die diese bereits als Kind hatten, noch immer geradezu in vollem Umfang ausgeprägt waren. Ihre Persönlichkeit hatte sich kaum verändert. „Der ist noch genauso schüchtern wie früher!“, oder „Der ist noch genauso ein Hitzkopf wie früher!“. Bei anderen Teilnehmern hingegen stellten Sie fest, dass sie kaum wieder zu erkennen waren. „Der hat sich ja total verändert, den hätte ich nicht wieder erkannt!“. Was also macht die Persönlichkeit eines Menschen aus und welche Einflussfaktoren sind es, die bei dem einen keine oder nur eine geringe Persönlichkeitsveränderung bewirken, und aus anderen völlig andere Menschen werden lassen? Dass es Ereignisse gibt, die einen Menschen kurzfristig und schlagartig verändern können ist unumstritten. Ein schwerer Schicksalsschlag, ein schlimmer Unfall, der Tod eines geliebten Menschen aber auch plötzlicher Reichtum oder unerwarteter Erfolg können Menschen in ihrer Persönlichkeit quasi über Nacht verändern. Allerdings sind auch solche Verhaltensänderungen oft nicht von Dauer und pendeln sich im Laufe von Monaten oder Jahren wieder in den vorherigen Zustand ein. Diese Formen der Verhaltensänderung wollen wir an dieser Stelle auch nicht weiter beleuchten. Vielmehr soll es uns darum gehen, wie sich unter "normalen" Umständen Veränderungsprozesse bei Menschen vollziehen, also im Sinne der Eingangs gestellten Frage: "Warum fällt es uns so schwer erlerntes Wissen und erlernte Fähigkeiten in eine dauerhafte Anwendung zu bringen?" Die Antwort auf diese Frage finden wir, wenn wir uns einmal folgende Punkte näher anschauen: Wo sitzt in unserem Gehirn unsere Persönlichkeit, wie entwickelt sie sich dort und wie lässt sie sich gestalten? Was geschieht in unserem Gehirn, wenn sich bei Verhaltensänderungen unser Verstand und unsere Vernunft nicht in Einklang befinden? Gibt es neurobiologische Defizite, die unser Verhalten beeinflussen und kann ich selbst etwas dagegen tun? Wo sind die Möglichkeiten und auch die Grenzen, wenn ich mich oder andere verändern möchte? Gibt es Funktionen in unserem Gehirn, die uns bei dem Versuch der Verhaltensänderung täuschen? Beginnen wir also mit der Frage nach unserer Persönlichkeit – also mit der Frage: Wo sitzt in unserem Gehirn unsere Persönlichkeit, wie entwickelt sie sich dort und wie lässt sie sich gestalten? 2. Die vier Ebenen der Persönlichkeit Wie wir denken, fühlen und handeln ist zunächst einmal das Ergebnis vieler gleichzeitig oder aufeinander folgender Aktivitäten in den unterschiedlichsten Gehirnarealen, die zusammen ein sehr komplexes Netzwerk ergeben (funktionelle Multi-Zentralität). Dabei kann es durchaus vorkommen, dass sich funktionelle Abläufe in bestimmten Arealen mit den Abläufen anderer Areale überlappen. Dies führt dazu, dass bei komplexen Funktionen, wie z.B. der Grad unserer Aufmerksamkeit oder das Entstehen von Gefühlen, sich bestimmte Areale gegenseitig unterstützen oder sogar ersetzen. Mit anderen Worten: Unser Gehirn kann bestimmte Aufgaben auf unterschiedliche Weisen ausführen! Und diese Tatsache wiederum ist die Grundlage für die Veränderbarkeit unseres Gehirns (funktionelle Plastizität). Auch die Bildung und die Veränderbarkeit unserer Persönlichkeit unterliegt diesen Zusammenhängen, weswegen auch unsere Persönlichkeit ein Ergebnis ist, an dem unser gesamtes Gehirn beteiligt ist. Wo aber sind nun in unserem Gehirn die einzelnen Komponenten unserer Persönlichkeit angesiedelt? Im Wesentlichen kann man hier vier funktionelle Ebenen unterscheiden. Diese vier Ebenen wollen wir nun einmal näher betrachten. Die Ebene der vegetativen-affektiven Steuerung Sie ist die unterste Ebene und sichert unser Überleben. Sie kontrolliert den Stoffwechsel, regelt Kreislauf und Körpertemperatur, steuert unser Verdauungs- und Hormonsystem, kontrolliert unseren Wach-/Schlafrhythmus und die damit verbundenen Bewusstseinszustände. Außerdem werden hier unsere affektiven Verhaltensweisen wie Angriffs- und Verteidigungsverhalten als auch unsere affektiven Empfindungen wie Wut oder Hass gesteuert. Diese vegetativ-affektive Ebene entsteht von allen vier Ebenen am frühsten, denn sie entwickelt sich bereits vorgeburtlich ab der 7. Schwangerschaftswoche und spiegelt sich im wesentlichen in der limbischen Grundachse wieder, also vornehmlich dem Hypothalamus, der Hypophyse (Hirnanhangdrüse), der zentralen Amygdala, in Teilen des basalen Vorderhirns und den vegetativen Zentren des Hirnstamms. Die auf dieser Ebene stattfindenden Antriebe und Affektzustände sind unser stammesgeschichtliches Erbe und sind weitgehend genetisch vorgegeben und machen in ihrer individuellen Ausprägung unser Temperament und unsere grundlegende Triebstruktur aus. Die Ebene der emotionalen Konditionierung Die Ebene der emotionalen Konditionierung ist über der vegetativen-affektiven Ebene angesiedelt. Sie spiegelt sich vor allem durch die Amygdala und durch das mesolimbische System wieder. Eine der wichtigsten Aufgaben der Amygdala ist es Signale aus der Umwelt (unsere 5 Sinne) und unserem Körper erfahrungsbedingt zu bewerten und dadurch z.B. Gefühle wie Angst, Wut oder Überraschung entstehen zu lassen. Dies geschieht, indem sie eingehende Signale nach den Kriterien "gut" oder "schlecht" und "positiv" oder "negativ" bewertet und dann mit den entsprechenden Gefühlen fest verbindet. Neben der Amygdala ist das mesolimbische System ein wesentlicher Bestandteil auf der Ebene der emotionalen Konditionierung. Das mesolimbische System erzeugt einerseits Lustgefühle und teilt uns darüber mit, ob uns etwas Freude oder Spaß bereitet. In dieser Eigenschaft stellt das mesolimbische System das Belohnungssystem unseres Gehirns dar. Andererseits ist das mesolimbische System ein wichtiger Teil unseres Motivationssystems, also unserer Belohnungseinschätzung und unserer Belohnungserwartung. Dieser Teil unserer Persönlichkeit entsteht durch genetische Vorgaben, durch vorgeburtliche Prägung und durch frühkindliche psychosoziale Erfahrungen und bleibt ein Leben lang egoistisch-egozentrisch. Er ist das Kleinkind in uns und stellt immer folgende Fragen: Was bringt mir das? Was nützt mir das? Beide Ebenen zusammen, also die Ebene der vegetativen-affektiven Steuerung und die Ebene der emotionalen Konditionierung, sind die unbewussten Teile unserer Persönlichkeit. Die hier gespeicherten Werte und Erfahrungen können also nicht bewusst (sprachlich) wiedergegeben werden. Die Ebene der limbischen Großhirnrinde Über der vegetativ-affektiven Ebene und der Ebene der emotionalen Konditionierung liegt die Ebene der limbischen Großhirnrinde, speziell die Areale der stammesgeschichtlich älteren limbischen Anteile der Großhirnrinde. Auf dieser Ebene geht es schwerpunktmäßig um Sozialverhalten, Aufmerksamkeitssteuerung, Risikoeinschätzung und um das bewusste Gefühlsleben. Hier erlernen wir Fähigkeiten, die uns die Anpassung an natürliche und gesellschaftliche Einflüsse ermöglichen. Wir lernen mit Kompromissen umzugehen, Durststrecken durchzustehen, Belohnungen einzuschätzen u.v.m. Diese Ebene entsteht zum Teil erst sehr spät und zieht sich von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter hin. Im Hinblick auf die Möglichkeiten der Verhaltensänderung ist diese Ebene sehr wichtig, denn sie ist der entscheidende Einflußort bei der Erziehung und sie ist die Grundlage für Empathie, also Einfühlungsvermögen. Die Ebene der kognitiv-kommunikativen Funktionen Über den bisher angesprochenen limbischen Ebenen steht als viertes die Ebene der kognitiv-kommunikativen Funktionen. Diese Ebene umfasst den präfrontalen Cortex als Sitz des Arbeitsgedächtnisses, des Verstandes und der Intelligenz. Und sie umfasst unsere Sprachzentren, also das Wernicke-Areal im linken oberen Temporallappen, wo einfache Wortbedeutungen, einfache Sätze und einfache Satzstrukturen gebildet werden und das Broca-Areal, wo alle Wort- und Satzbedeutungen, die sich aus Grammatik und Satzstellung (Syntax) ergeben, gebildet werden. Die Ebene der kognitiv-kommunikativen Funktionen hat am wenigsten mit unserer Persönlichkeitsbildung und unserer Handlungssteuerung zu tun. Dies erkennen wir auch daran, dass Reden oft nur wenig mit Fühlen und Handeln zu tun hat. Sie entsteht in den späten Phasen der vorgeburtlichen Entwicklung und reicht bis ins Erwachsenenalter hinein. Lassen Sie uns daher im Folgenden darüber sprechen, welche Erkenntnisse wir daraus ziehen können und welche Konsequenzen dies für unsere Persönlichkeitsbildung hat. 3. Erkenntnisse und Konsequenzen für unsere Persönlichkeitsbildung Wie wir erfahren haben, entstehen die 4 Ebenen unserer Persönlichkeitsentwicklung zu unterschiedlichen Zeitpunkten und auch ihre Dauer unterscheidet sich. Sie entstehen teils parallel, teils nacheinander. Als erstes entsteht die untere Ebene, die Ebene der vegetativ-affektiven Steuerung. Sie ist überwiegend genetisch bedingt und ist durch Erfahrung und willentliche Kontrolle nicht oder nur gering beeinflussbar. Ein von seinem Temperament her jähzorniges Kind wird in seinem späteren Leben kaum ein stiller und schweigsamer Mensch werden. Bestenfalls wird dieses Kind mühevoll lernen, sein Temperament zu zügeln. Umgekehrt wird aus einem antriebsarmen Kind kein Powertyp, sondern wird bestenfalls durch äußeren Zwang dazu kommen, mehr Impulsivität zu äußern. Gleiches gilt auch für rational planende bzw. eher emotionale handelnde Kinder oder für eher offene und verschlossene Kinder. Eine Verhaltensänderung auf dieser Ebene ist durch eigenen Antrieb, durch den Einfluss anderer Personen oder Ereignisse nicht oder nur in geringem Umfang möglich. Die zweite limbische Ebene, also die die Ebene der emotionalen Konditionierung entsteht ebenfalls vorgeburtlich, also schon sehr früh. Sie ist aber im Gegensatz zur ersten vegetativ-affektiven Ebene durch Erfahrungen beeinflussbar. Die emotionale Konditionierung kann auf zweierlei Art erfolgen: Entweder durch schockartiges Lernen - es passiert etwas extrem schlimmes (z.B. Unfall) oder extrem positives (z.B. Lottogewinn). Oder aber durch langsame und stetige Wiederholungen - üben, üben und nochmals üben. Für unserer Frage nach den Möglichkeiten der Verhaltensänderung ist hierbei folgendes sehr wichtig: Die bei der emotionalen Konditionierung beteiligten Areale (maßgeblich die Amygdala und das mesolimbische System) vergessen nichts! Es ist daher zwecklos emotional konditioniertes Verhalten durch z.B. Belehrung oder Einsicht verändern zu wollen. Egal, ob die emotionale Konditionierung durch schockartiges oder durch langsames und stetiges Lernen erfolgte, Verhaltensänderung kann nur durch erneute emotionale Konditionierung erfolgen! Allerdings nimmt die Veränderbarkeit mit zunehmendem Alter ab: Kleinkinder sind sehr schnell und auch leicht emotional kondítionierbar, Jugendliche schon weniger und Erwachsene noch weniger, bzw. nur mit einem entsprechend hohen Aufwand, der, wenn er hirngerecht betrieben wird, dank der Plastizität unseres Gehirns aber durchaus erfolgreich sein kann, wie wir später noch erfahren werden. Auf der dritten Ebene, also der Ebene der limbischen Großhirnrinde, erfolgt unsere Sozialisierung. Sie entsteht erst nach der Geburt und entwickelt sich gemeinsam mit unserem Bewusstsein. Dies macht auch Sinn, denn Sozialisierung erfordert eine differenzierte Wahrnehmung und Verarbeitung komplexer Signale, wozu Amygdala und mesolimbisches System nicht in der Lage sind. Für die Entwicklung dieser dritten Ebene sind maßgeblich folgende Erfahrungen wichtig: Mutter-Kind-Bindung Beziehung zum Vater und den Geschwistern Beziehungen zu Spielkameraden Das soziale Lernen, also z.B. das Prinzip von Geben und Nehmen, Einfühlungsvermögen u.v.m., setzt sich dann (abgesehen von hormonellen Turbolenzen während der Pubertät) stufenlos bis zum Erwachsenenalter fort. Der Entwicklung dieser Ebene (limbischen Großhirnrinde) ist höchste Aufmerksamkeit zu schenken, da sie sich hemmend und mildernd auf die unteren Ebenen auswirkt und somit in großem Umfang dazu beiträgt, inwieweit der pure Egoismus der ersten und zweiten Ebene überwunden werden kann. Sie bildet somit die Basis für Moral, Ethik und Werte. Die Einflussnahme von oben nach unten, also von der dritten auf die zweite und erste Ebene, ist jedoch wesentlich schwächer als die Einflussnahme von unten nach oben. Ein aufgeschlossenes Temperament (Ebene 1) und eine positive emotionale Konditionierung (Ebene 2) machen es den gesellschaftlichen und erzieherischen Einflüssen (Ebene 3) leicht, und das Kind wird sich gesellschaftlich umgänglich und anpassungsfähig entwickeln. Umgekehrt wird es kaum möglich sein ein verschlossenes und misstrauisches Kind (Ebene 1), das zudem traumatisierende Erfahrungen gemacht hat (Ebene 2) zu einer offenen und anpassungsfähigen Persönlichkeit (Ebene 3) zu entwickeln - da hilft auch die beste soziale Umgebung nur wenig. Auf ein besonderes Phänomen stoßen wir, wenn Verstand (Intelligenz) und Vernunft (soziale Emotionen) sich in unterschiedliche Richtungen entwickeln. Und was dann geschieht, das wollen wir uns nun anschauen. 4. Wenn sich Verstand und Vernunft in unterschiedliche Richtungen entwickeln Wie wir bereits kennen gelernt haben gibt es bei der Sozialisierung hemmende und mildernde Einflüsse der dritten Ebene (limbische Großhirnrinde) auf die unteren Ebenen (emotionale Konditionierung und vegetativ-affektive Steuerung). Darüber hinaus ist die dritte Ebene dynamischer als die anderen und damit in höherem Maße veränderbar. Wir können also durchaus unser soziales Verhalten an neue Umgebungen und/oder Rahmenbedingungen anpassen, während unser Temperament und unsere emotionale Konditionierung weitestgehend unverändert bleiben. Noch komplexer wird das ganze, wenn wir die vierte Ebene, die kognitiv-kommunikative Ebene in das Wechselspiel unser Gehirnareale einfließen lassen. Diese entwickelt sich parallel zur dritten Ebene, der Ebene der limbischen Großhirnrinde, aber sie entwickelt sich schneller. Kinder können bereits im Alter ihrer Einschulung sehr intelligent sein und dennoch über massive soziale Schwächen verfügen und bringen dadurch ihr Umfeld nicht selten zur Weisglut. Auch später, während der Pubertät, hinken die emotionalen und sozialen Fähigkeiten den intellektuellen Fähigkeiten hinterher. So ist das Gehirn zwar im Alter von ca. 15 Jahren am intelligentesten, vernünftig wird es aber erst im Alter von etwa 25 Jahren - oder später - oder noch später - bei manchen nie :) Das, was wir uns gerade vor Augen geführt haben, ist eines der kuriosesten Phänomene der menschlichen Persönlichkeitsentwicklung. Es ist das mögliche Auseinanderfallen (dissoziieren) von Verstand und Vernunft. Die Ursache hierfür besteht darin, dass die Areale des Gehirns, die für Verstand und Intelligenz zuständig sind (präfrontaler Cortex) nur verhältnismäßig wenig in Kontakt mit den Arealen stehen, die unsere soziale Vernunft steuern (limbische Areale). Hierin liegt die Begründung, dass es durchaus sein kann, dass jemand sehr intelligent aber nicht vernünftig i.S. sozialer Emotionalität ist. Lebende Beispiele hierfür finden Sie in fast allen Unternehmen und in fast allen Hierarchieebenen. So z.B. Menschen, die sich mit einer unglaublichen Intelligenz egoistische Vorteile verschaffen, ohne auch nur die geringste Rücksicht darauf zu nehmen, welche gravierend negativen Folgen dies für andere hat. Und nicht nur, dass sie unglaublich intelligent vorgehen - selbst wenn sie auffliegen sind sie oft noch in der Lage, kommunikativ so geschickt vorzugehen, dass sie andere von ihrer Unschuld überzeugen. Wie aber ist das möglich, wo doch genau diese Fähigkeiten, die eigentlichen Schwachstellen solcher Menschen sind, also z.B. die Fähigkeit zur Empathie? Zu diesem Phänomen gibt es zahlreiche wissenschaftliche Erklärungsansätze. Was aber fast alle Ansätze gemeinsam haben ist die Annahme, dass solche Menschen sehr früh ihre emotionalen und empathischen Defizite erkennen oder zumindest erahnen und dann auf rein rational-kognitiver Basis Ersatzstrategien entwickeln. Sie erkennen oder erahnen zwar ihr stark reduziertes Emotionspotential, aber sie wissen wie man über Gefühle redet, weswegen ihre Defizite meist nicht auffallen. Interessant ist aber auch, dass wir diese Trennung zwischen Verstand und Vernunft nicht nur bei korrupten oder gar kriminellen Menschen vorfinden. Wir finden diese Trennung auch häufig bei uns selbst, wenn auch in stark abgeschwächter Form. So können wir z.B. Verständnis oder Anteilnahme ausdrücken, ohne dass wir das wirklich empfinden. Auch können wir einem Menschen Lob und Anerkennung aussprechen, ohne dass wir das wirklich meinen. Oder wir können uns gegenüber anderen so darstellen, wie wir von ihnen gesehen werden wollen, ohne dass wir tatsächlich so sind. Macht man sich das alles bewusst, so stellt sich die Frage: Warum lässt die Natur solche Phänomene zu? Die Antwort hierauf ist recht einfach: Wären wir nicht in der Lage unseren Verstand und unsere Vernunft zu trennen, also nicht in der Lage unsere Gefühle hinter unseren Worten zu verstecken, so gäbe es kein gesellschaftliches Zusammenleben. Ein weiterer Aspekt, der für die Trennung von Verstand und Vernunft spricht ist, dass wir dadurch in der Lage sind über Handlungen und Pläne nachzudenken, ohne sie auch tatsächlich umsetzen zu müssen. Wir können uns vorstellen, was wir täten, wenn wir bestimmte Möglichkeiten hätten - müssen dies aber nicht zwangsläufig tun. Und genau diese Fähigkeit ist die Grundlage kreativer Handlungsplanung, die uns Menschen neben der Fähigkeit zu sprechen, von allen anderen Tieren unterscheidet. Wenn wir uns nun die vier Ebenen unserer Persönlichkeit noch einmal vor Augen führen, so wird uns schnell klar, dass es die vierte Ebene ist, also die kognitiv-kommunikative Ebene, die am dynamischsten und am einfachsten zu verändern ist. Wir können uns schnell neue Wissensinhalte vermitteln. Wir können kurzfristig neue Gewohnheiten annehmen. Wir können auch schnell neue Verhaltensweisen anwenden. Das und vieles mehr können wir auf der vierten, der kognitiv-kommunikativen Ebene, sehr schnell verwirklichen. Die Fragen, die sich daraus ableiten sind aber folgende: Warum wenden wir neue Wissensinhalte nicht dauerhaft an? Warum legen wir neue Gewohnheiten wieder ab? Und warum fallen wir in alte Verhaltensmuster zurück? Die Ursache hierfür haben wir kennen gelernt. Die Einflussnahme der Ebenen unserer Persönlichkeit wirkt stärker von unten nach oben. Die Einflussnahme von oben nach unten ist hingegen stark begrenzt oder zumindest sehr aufwendig. Gegen unsere genetische Veranlagung, unsere vorgeburtliche und früh nachgeburtliche Prägung und unsere emotionale Konditionierung ist mit rein kognitiv-kommunikativen Lösungen nur schwer anzukämpfen. Haben Sie schon einmal einen dieser riesigen Elefanten im Zoo beobachtet? Und haben auch Sie sich schon einmal darüber gewundert, warum der Elefant an einer nur relativ dünnen Kette angebunden ist? Für einen solch großen Elefanten dürfte es doch kein Problem sein diese Ketten loszureißen. Das Problem ist, dass er es als junger Elefant oft probiert hat. Damals war er aber noch zu klein und zu schwach. Und weil diese Erfahrung emotional konditioniert ist, hat er es später als erwachsener Elefant nicht mehr versucht. Bei uns Menschen ist das nicht viel anders. Auch wir haben in unserer frühsten Kindheit viele Erfahrungen und Verhaltensweisen emotional konditioniert. Wie also müssen Instrumente und Werkzeuge gestaltet sein, mit denen uns eine dauerhafte Verhaltensänderung bei uns selbst und auch bei anderen gelingt? Gibt es überhaupt solche Instrumente und Werkzeuge? Und wenn ja, wie setzen wir diese erfolgreich ein? Das heraus zu finden wird unsere nächste Aufgabe sein. 5. Wie unsere Verhaltensweise unser Leben prägen kann Es gibt bisher nur wenige Studien, die sich mit Fragen nach der Veränderbarkeit der Persönlichkeit beschäftigt haben. Dies ist u.a. darin begründet, dass es sehr schwer und aufwendig ist solche Studien durchzuführen. Will man wirklich messbare Ergebnisse erzielen so setzt dies u.a. voraus, dass man sehr viele Menschen als Probanden gewinnt. Außerdem muss man sehr früh mit der Untersuchung beginnen und über viele Jahre hinweg die Veränderungen beobachten. Besonders aufschlussreich sind Studien, die sich nicht nur auf die Stabilität oder Veränderbarkeit von normalen Menschen konzentrieren, sondern vor allem Studien, die sich verstärkt mit der Entstehung von gewalttätigem und antisozialem Verhalten auseinandersetzen. Hier hervorzuheben ist insbesondere die "Dunedin Longitudinal Study". In dieser Langzeitstudie wurden 1037 Kinder (52% Jungen und 48% Mädchen) des Jahrgang 1972/73 aus den verschiedensten sozialen Verhältnissen zwischen dem 3. und 21. Lebensjahr begleitet. Neben vielen Detailergebnissen zeigte diese Studie auf, dass ein gewisses gewalttätiges Verhalten und Kleinkriminalität besonders stark im Alter zwischen 15 und 18 Jahren auftrat, insbesondere bei Jungen. Danach klingen diese Verhaltensmuster wieder deutlich ab. Lediglich eine kleine Gruppe von ca. 5%, überwiegend männliche Jugendliche, entpuppten sich als chronisch kriminelle, die allen üblichen Erziehungs- und Besserungsmaßnahmen trotzten. Auffällig daran ist, dass diese Gruppe bereits in ihrer frühsten Kindheit, also bereits im Kindergarten, als Prügler oder Störenfriede auffielen. Was aber waren die Ursachen dafür, dass sich diese Menschen so entwickelten? Die Dunedin-Study zeigte auf, dass es nur wenige Faktoren waren, die für die kriminelle Entwicklung dieser Menschen verantwortlich waren. Hierzu gehören Kriminalität der Eltern, Armut, überstrenge oder inkonsequente Erziehung, ein schwieriges Temperament und frühzeitig schlechter Umgang mit anderen Kriminellen. Auch andere Studien, die in der so genannten "Delmenhorster Gewaltstudie" zusammengefasst wurden, bestätigen dies. Besonders interessant an dieser Zusammenfassung ist, dass chronisch Kriminelle oft leicht erregbar sind, eine niedrige Frustrationsschwelle aufweisen und sehr schnell trotzig reagieren. Diese Merkmale gehen einher mit einem niedrigen Serotoninspiegel. Jetzt ist zwar nicht jeder, der einen niedrigen Serotoninspiegel hat auch zwangsläufig ein chronisch Krimineller, aber ein niedriger Serotoninspiegel ist auch bei normalen Menschen ein wichtiger Indikator für ihr Verhalten: Serotonin ist ein Neurotransmitter (Botenstoff) in unserem Gehirn, der eine wichtige Rolle bei der Übertragung von Signalen spielt. Ein Mangel an Serotonin ruft das Gefühl des Bedrohtseins hervor, führt zu einer niedrigen Frustrationstoleranz, bewirkt ein ständiges Gefühl der Beunruhigung und führt zu einer leichten Erregbarkeit. Hinzu kommen typische kogniv-emotionale Defizite wie die Unfähigkeit, das Verhalten anderer richtig zu deuten. So werden häufig Gesichtsausdrücke und Gesten anderer als bedrohend fehlinterpretiert, was dann dazu führt, dass man (meist verbal) zuschlägt, weil man sich ja wehren muss. Einerseits kommen neurobiologische Defizite (wie z.B. Serotoninmangel) in unserer heutigen Leistungsgesellschaft besonders häufig vor. Andererseits lassen sie sich im Vergleich zu vielen anderen Faktoren oft am leichtesten korrigieren. Die Ursachen für neurobiologische Defizite sind oft Stress und Leistungsdruck, falsche Ernährung, mangelnde Bewegung oder fehlende Entspannung. Bevor wir uns also Gedanken darüber machen, wie wir uns selbst oder andere trotz genetischer Veranlagungen oder ungünstigen frühkindlichen Rahmenbedingungen verändern können, sollten wir erst einmal prüfen, ob es nicht einfach nur unsere Lebensweise ist, die uns daran hindert. Wer sagte einmal ......"Wir leben in den Mauern, die wir selbst gebaut haben" Tipp: Wenn Sie das nächste Mal Ihren Hausarzt für eine Blutabnahme aufsuchen, lassen Sie doch einfach mal die Werte für das Stresshormon Cortisol, den Serotoninspiegel und den Gesamteiweißspiegel mit untersuchen. Auf die Bereiche Fitness und Wellness wollen wir unter dem Aspekt der Verhaltensänderung hier nicht näher eingehen, da dies ein so umfassendes Thema ist, dass wir uns in Kürze damit in einem eigenständigen Beitrag auseinandersetzen werden. Wichtig ist aber festzuhalten, dass bevor wir uns tiefer gehende Gedanken darüber machen, warum es uns so schwer fällt, unser und das Verhalten anderer zu ändern, wir als erstes sicher stellen sollten, dass unser Gehirn mit ausreichend Sauerstoff versorgt ist (Bewegung), dass unser Körper ausreichend mit Vitaminen, Mineralien und Nährstoffen versorgt ist, damit in ausreichendem Maße Neurotransmitter wie z.B. Serotonin, produziert werden können (Ernährung) und, dass wir Stresshormone wie z.B. Cortisol unter Kontrolle halten (Entspannung). Wenn wir das erreicht haben, ist eine der wichtigsten Vorraussetzungen geschaffen, damit weitere Maßnahmen zur Verhaltensänderung wirksam sind. Neurobiologische Defizite sind aber nicht die alleinigen Verursacher von Fehlverhalten oder fehlender Bereitschaft sein Verhalten zu ändern. Ein anderer Grund, warum Verhaltensänderungsprozesse scheitern ist, dass wir nur über begrenzte Möglichkeiten verfügen zu kommunizieren. Damit meine ich die Grenzen und Möglichkeiten andere und auch sich selbst zu verstehen. Dieser Problematik wollen wir uns daher als nächstes zuwenden. Beginnen wir mit der Schwierigkeit andere zu verstehen. 6. Warum es uns so schwer fällt andere zu verstehen Wenn Menschen miteinander kommunizieren, so ist dies zunächst einmal nichts anderes, als das von einer Person (dem Sender) eine Botschaft (Signale) an eine andere Person (dem Empfänger) übermittelt wird. Die Signale, die der Sender übermittelt sind jedoch codiert, d.h. sie sind verpackt in Sprache, Gesten, Mimik, Körperhaltung u.v.m. Diese Signale werden nun vom Empfänger aufgenommen und decodiert, also wieder entpackt. Ist das, was der Empfänger entpackt identisch mit dem, was der Sender zuvor als verpackte Botschaft gesendet hat, so war die Kommunikation erfolgreich. Dies ist aber eher die Ausnahme. Aber warum? Sieht man einmal von banalen "Decodierungsproblemen" wie z.B. zu leise gesprochen, oder einer Überlagerung durch andere Störungen (Lkw fährt gerade vorbei), oder aber auch einer möglichen Doppeldeutigkeit (Ich gehe baden) einmal ab, so liegt das Hauptproblem der Kommunikation in der Zuordnung von Bedeutungen. Wenn jemand etwas zu uns sagt, dringen diese Schalldruckwellen als Luftschwingungen in unser Ohr, wo sie dann in unserem Innenohr in elektrische Signale umgewandelt und dann in unser Gehirn weitergeleitet werden. Dort werden diese Signale dann zunächst in den unterschiedlichsten Arealen unseres Gehirns analysiert und verarbeitet und schließlich interpretiert - also einer Bedeutung zugeordnet. Dies alles geschieht in einem Zeitraum von 0,3 Sekunden (bei einfachen Sätzen) bis zu 1,0 Sekunden (bei komplexen Sätzen), wobei bis zu einer Milliarde Neuronen beteiligt sein können. Von diesem höchst komplexen und höchst komplizierten Vorgang nehmen wir aber i.d.R. nichts wahr, d.h. diese Vorgänge laufen unbewusst ab. Was wir bewusst wahrnehmen ist das "Endprodukt": z.B. "Der Ordner mit den Auswertungen liegt auf Ihrem Schreibtisch!". Da die Worte dieses Satzes sehr eindeutig und mit den in unserem Gedächtnis hinterlegten Bedeutungen identisch sind, ist diese Kommunikation unproblematisch. Problematisch wird es aber, wenn die Bedeutungen beim Sender und Empfänger unterschiedlich sind. Dies ist praktisch immer dann der Fall, wenn Ausdrücke mit unseren Emotionen und/oder Affekten zusammenhängen: „Ich freue mich, dass Sie so erfolgreich sind!“ - Aber welche Bedeutung haben die Begriffe Freude und Erfolg beim Empfänger? „Ich halte Sie für einen sehr einfühlsamen Kollegen!“ - Aber welche Bedeutung hat der Begriff Einfühlsamkeit? Ob wir wollen oder nicht, wir müssen uns eingestehen, dass bei der Kommunikation zwischen Menschen keine Bedeutungen übertragen werden können! Mit anderen Worten: Kommunikation zwischen zwei oder mehr Menschen ist niemals ein direkter Austausch von Informationen, sondern lediglich die Anregung zu wechselseitiger bewusster oder unbewusster Konstruktion von Bedeutungen! Beispiel: In einem Meeting mit dem Produktionsleiter, dem Vertriebsleiter, der Leiterin des Rechnungswesens und der Personalleiterin wollen Sie besprechen, mit welchen Maßnahmen im kommenden Quartal die Zielvorgaben des Unternehmens am besten erreicht werden können. Am Ende eines solchen Meetings denken alle, dass alles klar ist und jeder wüsste, was er zu tun hat. Subjektiv haben alle Beteiligten das Gefühl, sie hätten die Botschaften der anderen verstanden und wüssten, was zu tun ist. Objektiv ist aber nichts anderes passiert, als dass jeder mit einer individuellen Interpretation von Bedeutungen an die Arbeit geht. Die Folge ist dann häufig, dass jeder mit bestem Wissen und Gewissen und voller Tatendrang die (subjektiv) verstandenen Dinge umsetzt, sich aber darüber wundert, dass aus seiner Sicht alle anderen (subjektiv) etwas völlig anderes machen. Das objektive Ergebnis ist dann meist, dass alles völlig unkoordiniert, planlos und chaotisch abläuft und wir uns die Frage stellen: Warum verhalten sich die anderen anders als man es erwartet bzw. besprochen hat? Frei nach dem Motto: Jeder macht, was er will. Keiner macht, was er soll. Aber alle machen mit! Fazit: Erwartetes Verhalten ist die Ausnahme, Missverständnisse sind der Normalfall! Damit ist aber der Einflussfaktor Kommunikation keineswegs als Problemfaktor bei der Verhaltensänderung ausreichend identifiziert. Neben der Problematik andere zu verstehen, gibt es noch eine weitere Schwierigkeit, nämlich sich selbst zu verstehen. Vielleicht denken Sie jetzt, dass dies totaler Blödsinn ist. Es mag ja sein, dass es schwierig ist andere zu verstehen, aber doch nicht, wenn es dabei um einen selbst geht?! Mal sehen, ob Sie auch noch nach dem nächsten Kapitel dieser Meinung sind. 7. Warum es uns so schwer fällt uns selbst zu verstehen Haben Sie sich schon einmal Fragen, wie diese gestellt: Warum habe ich so und nicht anders gehandelt? Warum habe ich vor einem bestimmten Ereignis Angst? Warum fühle ich mich von einer bestimmten Situation bedroht? Warum reagiere ich auf bestimmte Vorkommnisse zornig? Diese und ähnliche Versuche unsere wahren eigenen Motive zu ergründen, führen meist zu keinem wirklich objektiven Ergebnis. Aber warum ist das so? Nun, was wir fühlen ist das Ergebnis dessen, was uns unsere Großhirnrinde, also unser Bewusstsein, signalisiert. Das, was uns aber unsere Großhirnrinde signalisiert, ist wiederum das Ergebnis von Erregungen, die in tiefer gelegenen Arealen, wie z.B. in der Amygdala und dem mesolimbischen System, entstehen. Und das, was dort entsteht ist wiederum maßgeblich von unseren bereits erwähnten genetischen Veranlagungen und unserer vor- und frühnachgeburtlichen Prägung, also unserem Unbewusstsein abhängig. Was also in unserer Großhirnrinde als bewusste Gefühle oder Motive entsteht, sind Interpretationen der Erregungen aus den unbewusst arbeitenden limbischen Zentren. Was wir bewusst wahrnehmen ist also immer eine Interpretation und nicht das Original! Unsere Großhirnrinde hat also u.a. die Funktion eines Übersetzers. Und unser gesamtes Denken, Fühlen und Handeln ist abhängig davon, wie genau unsere Großhirnrinde die Signale der limbischen Zentren übersetzt. Was hier geschieht, lässt sich am besten an folgendem Beispiel nachvollziehen: Stellen Sie sich einmal vor, sie führen eine schwierige Vertragsverhandlung, bei der es u.a. anderem auch um den Preis geht. Diese Verhandlung führen Sie mit einem Gesprächspartner, dessen Sprache Sie nicht verstehen und der auch Ihre Sprache nicht versteht. Aus diesem Grund ziehen Sie einen Dolmetscher hinzu. Der Erfolg oder Misserfolg Ihrer Vertragsverhandlung ist maßgeblich davon abhängig, ob der Dolmetscher Ihre Aussagen und die Ihres Gesprächspartners eindeutig übersetzt und ob er den Sachverhalt richtig begreift. Dies können wir aber nicht beurteilen und so machen wir uns immer einen Reim darauf, was uns der Dolmetscher sagt. Im ungünstigen Fall endet unsere Vertragsverhandlung mit dem Ergebnis, dass wir den verhandelten Preis zahlen, aber nie erfahren werden, ob dieser nun besonders günstig oder überteuert war. Natürlich hinkt dieses Beispiel ein wenig, denn schließlich können wir als guter Beobachter Rückschlüsse aus den Gesten und der Mimik unserer Verhandlungspartners ziehen. Außerdem kennen wir den Markt und wissen, welche Preise üblich sind. Aber können wir das auch, wenn es um unsere Selbsteinschätzung geht? Ein kluger Mann sagte einmal: "Die Intelligenz der Menschen wird nur durch ihre Fähigkeit zur Selbsttäuschung übertroffen!". Was aber passiert, wenn wir uns überschätzen und unsere durch z.B. Ehrgeiz und Machthunger gesteckten Ziele nicht erreichen? Und wie wirkt sich das auf unser Verhalten aus? Was dabei abläuft, wollen wir uns als nächstes anschauen. 8. Wie wir uns und andere täuschen Unabhängig davon, welche der gleich aufgezeigten Verhaltensmuster wir verwenden, es geht in solchen Situationen immer um folgendes: Es geht darum eine tiefe Verwundung, die z.B. durch Niederlagen, Fehlentscheidungen oder auch durch Beschämungen verursacht wurde, so zu kompensieren, dass wir damit leben können. Um dies zu erreichen gibt es nun unterschiedlichste Handlungsmuster: Eine Möglichkeit besteht in der Selbstberuhigung. Sie findet auf der kognitiven und bewusst-emotionalen Ebene statt: "Der Job war sowieso nicht der richtige für mich. Gut, dass es endlich ein Ende hat!" "Ich wollte ja nur meine Pflicht tun!" "Schade, dass es nicht geklappt hat, aber keiner kann sagen, ich hätte nicht meinen guten Willen gezeigt!" "Was soll`s. Es gibt auch noch Wichtigeres im Leben!" Diese Strategie ist aber nur selten erfolgreich, da sie nur auf der kognitiven und bewusst-emotionalen Ebene abläuft. Die Verwundung der limbischen Ebene bleibt. Wie behaupten viele Wissenschaftler zu Recht: Die Amygdala vergisst nie! Erfolgsversprechender ist dann schon die Strategie der Schuldzuweisung: "Es gab einfach zu viele Dinge, die ich nicht beeinflussen konnte!" "Mit diesen inkompetenten Teamkollegen konnte ich mein Ziel auch nicht erreichen!" "Wer hätte denn ahnen können, dass meine Gegenspieler zu unmoralischen oder gar illegalen Mitteln greifen!" "Eigentlich war ein Scheitern vorprogrammiert. Mit den geringen Mitteln, die die Geschäftsleitung bereitstellte, konnte es ja auch nicht klappen!" Mit dieser Strategie erreicht man zumindest, dass es unseren limbischen Ebenen möglich ist die Verwundung zu ertragen. Und wenn das auch nichts hilft, dann gibt es immer noch die Strategie des verkannten Genies. "Was kann ich dafür, wenn man meine Talente nicht erkennt!" "Meine Strategie war genial, aber die anderen waren zu dumm sie zu verstehen!" Das Ziel, das hinter solchen Verhaltensmustern steckt ist immer dasselbe: Ereignisse, die unser neuronales Gleichgewicht stören werden solange interpretiert, relativiert und filtriert, bis sie uns ein bewusst, aber subjektiv befriedigendes Bild liefern, mit dem wir leben können. Wir sehen also, von welchen teilweise banalen und trivialen Dingen es abhängt, sich und andere zu verstehen und es eröffnet uns ein Gespür dafür, wie problematisch und aufwendig es dem zu Folge ist, Verhaltensänderungen zu bewirken. Vielleicht stellen Sie sich sogar die Frage, ob unter Berücksichtigung dieser Kenntnisse überhaupt eine Verhaltensänderung bei sich selbst und anderen möglich ist! Dieser Frage wollen wir in den beiden nächsten Kapiteln auf den Grund gehen. Und zwar zunächst im Sinne von: Können wir andere verändern? Und danach: Können wir uns selbst verändern? 9. Wie wir andere verändern können Klar geworden dürfte inzwischen sein, dass viele Menschen bei äußeren Einflüssen (Niederlagen, Fehlentscheidungen, usw.) oft in bemerkenswerter Weise in der Lage sind, diese auszugleichen. Einer der bekanntesten Professoren der Persönlichkeitspsychologie ist Prof. Dr. Jens Asendorpf. Er promovierte an der Yale-University und ist heute Professor an der Humboldt-Universität in Berlin. Er sagte einmal: "Menschen suchen sich i.d.R. diejenigen Lebensumstände, die zu Ihrer Persönlichkeit passen, anstatt sich in ihrer Persönlichkeit und Lebensauffassung den wechselnden Lebensumständen anzupassen." Dass dies zutrifft zeigt sich u.a. darin, dass die meisten Menschen weitermachen wie bisher, selbst wenn Veränderungen mit Vorteilen verbunden sind. Obwohl dies auf den ersten Blick irrational erscheint, tun dies die meisten Menschen und zwar aus einem einzigen Grund: Ein Weitermachen wie bisher gibt ihnen das Gefühl von Sicherheit und Routine. Neues hingegen ist i.d.R. immer mit der Gefahr des Scheiterns verbunden - und das gilt es zu vermeiden. Menschen zu verändern ist also sehr schwer, und zwar umso schwerer, je älter sie sind und je tiefer die Veränderungen greifen. Sich von einem alten Computer zu trennen und sich einem neuen schnelleren Computer zu öffnen, erfordert meist keine großen Veränderungsstrategien. Sich aber von einer gewohnten Software zu trennen und sich einem neuen Programm mit neuen Features und Funktionen zu öffnen, kann hingegen schon zu gravierenden Eingriffen führen. Auch wenn es darum geht von einem Büro in ein anderes umzuziehen, fällt diese Veränderung den meisten leicht. Ist diese Veränderung aber mit einem neuen Arbeitsgebiet und neuen Aufgaben verbunden, sieht es schon wieder ganz anders aus. Was können wir also tun, um subjektiv unangenehme Veränderungsprozesse, die objektiv vielleicht sogar mit Vorteilen verbunden sind, dennoch zu meistern? Die in der Praxis am häufigsten verwendeten Strategien sind folgende: Der Befehl von oben Der Appell an die Einsicht Weniger häufig findet man eine dritte Strategie: 3. Die Orientierung an der Persönlichkeit Schauen wir uns diese drei Strategien und ihre Wirkungsweise einmal genauer an: Die erste Strategie, also die Strategie der Befehlsgewalt, ist die verbreiteste, unter vielen Vorgesetzten die beliebteste (weil bequemste), aber sie ist auch die wirkungsloseste von allen. Die Wirkungslosigkeit dieser Strategie kann nur noch getoppt werden, indem die Gründe, warum etwas geändert werden soll, inhaltlich nicht begründet werden. Nicht nur das die Strategie der Befehlsgewalt die wirkungsloseste ist, sie wirkt oft auch noch wie ein Schuss nach hinten, da die Anweisungen und einzuführenden Maßnahmen oft als Strafandrohung empfunden werden, was dann bei den Mitarbeitern zu Vermeidungsverhalten (Kopf einziehen) und Stress führt. Diese Rahmenbedingungen sind der Tod für jede Form der Kreativität. Die aber ist gerade in schwierigen Umstellungsphasen eines Unternehmens sehr wichtig. Erinnern Sie sich noch, welche Fragen sich die zweite Ebene unserer Persönlichkeit (Die Ebene der emotionalen Konditionierung) stellt? Sie ist das "Kleinkind" in uns und fragt sich: "Was habe ich davon? „Was nützt mir das?“ „Was bringt mir das?". Befehle von oben geben aber auf diese Fragen keine befriedigenden Antworten.Die zweite Strategie, der Appell an die Einsicht, verläuft ebenfalls meist ohne die gewünschte Wirkung. Es werden zwar nachvollziehbare Gründe für die notwendigen Veränderungen dargestellt, auch ist den Mitarbeitern die Notwendigkeit der Maßnahmen bewusst. Dennoch, auch diese Strategie bleibt ohne nachhaltige Wirkung und bewirkt, wenn überhaupt, nur ein oberflächliches Verständnis. Die Gründe hierfür liegen darin, dass durch die Strategie der Einsichtsvermittlung nur die dritte Ebene unserer Persönlichkeit (Die Ebene der limbischen Großhirnrinde) erreicht wird, aber auch hier werden die egoistischen Motive der zweiten Ebene (Die Ebene der emotionalen Konditionierung) nicht erreicht. Die Mitarbeiter sehen zwar ein, dass die Veränderungen notwendig sind. Auch steht es außer Frage, dass es ohne die geforderten Maßnahmen nicht gut gehen wird. Aber auch hier wird das "Kleinkind" in uns Fragen stellen wie: "Warum ausgerechnet ich und nicht andere?“ „Hätte man das nicht auch anders lösen können?" Das Verständnis ist zwar vorhanden, aber die Verwundung bleibt (Die Amygdala vergisst nichts und verzeiht nichts!). Die Folge der Strategie der Einsichtsvermittlung wird sein, dass Mitarbeiter in ihrem Fleiß nachlassen, schweigsamer und teilnahmsloser werden und vielleicht sogar krank werden. Oder sie werden kritischer und entwickeln sich zu Nörglern und Querulanten. Die dritte Strategie, die Strategie der Orientierung an der Persönlichkeit, ist die effektivste bei der Erreichung von Verhaltensänderungen. Aber sie ist auch die komplexeste und aufwendigste. Bei dieser Strategie geht es darum die gewünschte Verhaltensänderung unter Wahrung der Selbstachtung und unter Berücksichtigung der Fähigkeiten der Mitarbeiter zu erzielen. Und das erreicht man eben nicht durch Befehle und/oder Appelle, sondern nur, wenn man die individuellen Persönlichkeitsmerkmale der Mitarbeiter erkennt und nutzbar macht. Diese Strategie ist u.a. deswegen so aufwendig und schwierig, weil man die individuellen Persönlichkeitsmerkmale der Mitarbeiter nicht kennt und selbst, wenn man versucht sie in Erfahrung zu bringen, so ist es nur sehr schwer möglich, diese verbal zum Ausdruck zu bringen. Der Idealzustand wäre, dass der Vorgesetzte bzw. Entscheider das Verhalten der Mitarbeiter genau beobachtet und ihre Reaktionen in bestimmten Situationen genau kennt. den jeweiligen Persönlichkeitstyp seiner Mitarbeiter genau kennt (Handelt es sich um den zuverlässigen und zuversichtlichen Typ, den ängstlichen und auf vermeiden ausgerichteten Typ oder den Macher- und unkontrollierbaren Typ). die Vorzüge und Neigungen der Mitarbeiter kennt das Stressmanagement der Mitarbeiter kennt (wie verhält sich ein Mitarbeiter unter Zeit- bzw. Erfolgsdruck) die unbewussten Motive und die bewussten Ziele der Mitarbeiter kennt. welche Formen der Belohnung die Mitarbeiter ansprechen. All dies ist ziemlich mühevoll und erfordert ein großes Einfühlungsvermögen. Aber es ist der einzige wirkungsvolle Weg um die gewünschte Verhaltensänderung zu bewirken, denn die Berücksichtigung der genannten Punkte dient dem Zweck, den Mitarbeiter dazu zu bringen, dass er in den Veränderungen Chancen für sich sieht, dass er sich verwirklichen kann und man ihm die Belohnung zukommen lassen kann, die er für eine kreative und konstruktive Mitarbeit benötigt. Hinzu kommt, dass diese Strategie sehr zeitaufwendig ist und man damit nicht erst dann anfangen kann, wenn die Verhaltensänderung unmittelbar erforderlich ist. Dann ist es i.d.R. zu spät die Mitarbeiter zu studieren und die Folgen wie Frust, Demotivation und Kündigung sind vorprogrammiert. Ein weiterer sehr wichtiger Aspekt ist das vorbildliche Verhalten eines Vorgesetzten. Und dabei geht es vor allem um Tugenden wie z.B. Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Pflichtbewusstsein, Höflichkeit und Gewissenhaftigkeit. Der Grund hierfür ist, dass sich bei jedem persönlichen Gespräch der Gesprächspartner meist unbewusst folgende Fragen stellt: Warum soll ich ihm vertrauen? Was sagt mir, das er hinter dem steht, was er von mir erwartet? Woher soll ich wissen, dass er es ehrlich mit mir meint? Fazit: Menschen zu verändern ist nur in sehr engen Grenzen möglich. Will man aber das, was machbar ist nutzen, so geht dies nur, wenn man die Persönlichkeit der Menschen respektiert und das wiederum gelingt nur, wenn man sich selbst immer wieder bewusst macht, worum es eigentlich geht: Ich will, dass du deine Möglichkeiten kreativ nutzt und erweiterst! Ich bin bereit mir Zeit zu nehmen, dich kennen zu lernen! Ich bin bereit dir die Zusammenhänge ausführlich zu erklären! Ich werde alles tun, damit du deinen individuellen Vorteil erkennst! Ich will dir gerne zuhören! Es wird sich für uns beide lohnen! Ich bin glaubwürdig und werde dir ein Vorbild sein! Wenn es uns gelingt diese Sätze nicht nur zu lesen, sondern zu leben, so sind die Chancen zur Veränderung, im Rahmen der genannten Grenzen, sehr groß. Wie aber schaut es aus, wenn es darum geht sich selbst zu ändern? Genau dieser Thematik werden wir uns nun widmen. 10. Wie wir uns selbst verändern können Auch bei der Selbstveränderung sind uns enge Grenzen gesteckt. Und bevor wir uns die Möglichkeiten der Selbstveränderung näher anschauen, müssen wir uns folgendes bewusst machen: Wenn wir über Selbstveränderung sprechen, so kann sich dies nur auf Veränderungen der persönlichen Lebensweise beziehen, nicht aber auf umfangreiche Änderungen der Charaktereigenschaften. Was bei dem Versuch der Selbstveränderung besonders bemerkenswert ist, ist die Vorstellung, dass es doch eigentlich sehr leicht sein müsste sich selbst zu verändern - man muss es doch eigentlich nur wollen! Wenn uns andere verändern wollen, dann können wir uns dem verweigern. Wenn wir uns aber selbst ändern wollen und es auch wirklich wollen - wie können wir uns denn dann selbst verweigern? Das, was hier erst einmal logisch klingt, ist aber genau das Problem: Wie oft haben wir uns schon Dinge vorgenommen, die wir wirklich wollten? Wir wollten abnehmen, das Rauchen aufgeben, mehr Sport treiben, uns mehr Zeit für uns und unsere Familie nehmen, weniger ärgern und aufregen, häufiger mal ausspannen, nicht mehr so viel streiten, u.v.m. Diese oder andere Veränderungen wollten wir wirklich aus innerster und tiefster Überzeugung umsetzen. Und was war das Ergebnis? Unsere Vorsätze waren wie ein Startschuss, dem aber meist kein Rennen folgte! Aber wie kann das sein? Nun, der Grund hierfür liegt darin, dass sich unserem bewussten Willen unser unbewusstes Selbst auf der ersten und zweiten limbischen Ebene entgegensetzt. Möchte ich mich also selbst verändern, dann muss ich auch hier nach Möglichkeiten suchen, wodurch sich diese limbischen Ebenen meiner Persönlichkeit fügen. Und damit stehen wir vor der gleichen Herausforderung, wie wenn wir jemand anderen ändern wollen. Dies gelingt nicht, wie wir gehört haben, über Befehle (Ich muss mich jetzt ändern!) oder Einsicht (Rauchen ist ungesund!), da ich hierdurch lediglich die bewussten und rationalen Ebenen anspreche. Es funktioniert nur über Vorbildfunktion, Einfühlungsvermögen, Glaubwürdigkeit und eine individuelle Belohnungsstrategie. Nur darüber erreiche ich die limbischen Ebenen. Wie aber soll ich denn mir selbst gegenüber Vorbild sein, einfühlsam sein und mich glaubwürdig verhalten? Wenn ich über diese Eigenschaften verfüge, dann doch nur deshalb, weil meine unbewussten limbischen Ebenen mich dazu gemacht haben - aber nicht umgekehrt! Ganz genau - und deswegen funktionieren auch so viele gute Vorsätze nicht. Es ist uns kaum möglich durch unsere kognitiv-kommunikative Ebene unsere unbewusst limbischen Ebenen zu beeinflussen. Wenn das so ist, was bleibt dann noch an Möglichkeiten, um sich selbst zu ändern? Das einzige, was bleibt um unsere limbischen Ebenen begrenzt "weich zu klopfen", ist die Selbstmotivation. Selbstmotivation ist nötig, wenn Zweifel aufkommen, wenn ich anfange die Sinnfrage zu stellen, oder wenn ich glaube, dass ich etwas nicht schaffen werde. Genau in solchen Momenten beweist es sich, dass sich unsere Persönlichkeit tatsächlich aus den beschriebenen vier Ebenen zusammensetzt. Unsere Bewusstseinsebenen (dritte und vierte Ebene) sagen uns: "Stell dich nicht so an, halte durch! Du schaffst das schon! Streng dich an!". Und unsere unbewussten Ebenen (erste und zweite Ebene) signalisieren uns Versagensängste, Mutlosigkeit oder Überforderung und üben sich in Vermeidungsstrategien. Der erste und wichtigste Schritt zur Selbstveränderung ist in solchen Situationen die Frage nach den Alternativen: Was tue ich, wenn ich die Umsatzvorgaben nicht erfülle? Was tue ich, wenn ich den Job an den Nagel hänge? Was tue ich, wenn ich das Projekt abbreche? Gibt es hierzu Alternativen, so kann man in Erwägung ziehen, diese anzugehen. Das aber wiederum hängt wieder von dem Temperament und der Persönlichkeitsstruktur ab. Außerdem ist es meist so, dass wenn man erst einmal entmutigt ist, dann ist man es auch in Bezug auf die Alternativen. Man wird im wahrsten Sinne des Wortes zerrissen:Auf der einen Seite zieht die Notwendigkeit zur Veränderung und auf der anderen Seite zieht die Angst vor Veränderung! Kommt dann noch hinzu, dass man die äußeren Umstände nicht verändern kann, so hat man nur eine Chance: Ich muss mich verändern! Man ist dann sich selbst gegenüber in der gleichen Situation, wie ein Vorgesetzter gegenüber einem Mitarbeiter, den er ändern will. Was dort funktioniert, funktioniert auch bei einem selbst und was dort nicht funktioniert, funktioniert auch bei der eigenen Verhaltensänderung nicht. Wenn also auf die eigene Veränderungsmöglichkeit bezogen nur die Selbstmotivation übrig bleibt, wie muss diese dann gestaltet sein? Im wesentlichen gibt es 4 Möglichkeiten der Selbstmotivation: Vorbilder oder Idole suchen Suchen Sie sich einen Menschen, der einmal in einer ähnlichen Situation war und es dennoch geschafft hat. Einen Kollegen, einen Vorgesetzten oder eine Person des öffentlichen Lebens. Eifern Sie dieser Person nach. Fragen Sie sich: "Was kann der, was ich nicht auch schaffen könnte? - Nichts! Ziele setzen Setzen Sie sich klare und eindeutige Ziele. Was will ich wann, wie und mit welchen Maßnahmen erreichen? Am besten funktioniert dies, wenn Sie Ihr Ziel in einem Bild zum Ausdruck bringen können. Diese Vorgehensweise funktioniert aber nicht per einmaligem Willensakt, sondern muss durch tägliche, wiederholende Übungen eingeübt und dann mittel- bis langfristig automatisiert werden. Man spricht hier von anhaltender Selbstkonditionierung. Kleine Schritte Stecken Sie sich Teilziele. Durch diese Strategie der kleinen Schritte, verschaffen Sie sich selbst häufiger Erfolgserlebnisse, die Sie bestärken und Ihnen Mut machen. Selbstbelohnung Belohnen Sie sich selbst, wenn Sie Ihre Vorgaben erreicht haben mit einer Kleinigkeit.Bei den eingrenzten Möglichkeiten der Selbstveränderung geht es letztendlich immer darum, emotionale Schwierigkeiten durch Automatisierung und Routinisierung zu beheben. Um das zu erreichen benötigen wir Anfangs Vorbilder oder Idole, die wir bewundern oder anerkennen. Und wir benötigen konkrete Ziele, die wir dann in kleinen Schritten und kombiniert mit einer individuellen Belohnungsstrategie umsetzen. Wir sehen also: Man kann sich durchaus selbst verändern, wenn man es richtig angeht. Leider funktioniert das alles aber nur, wenn die eigene Persönlichkeitsstruktur dies zulässt. Ist dies nicht der Fall benötigen wir Hilfe von außen. Dies kann ein guter Coach, ein geeigneter Therapeut oder in sehr schwierigen Fällen auch ein qualifizierter Arzt sein, wobei die Betonung auf gut, geeignet und qualifiziert liegt. Fazit: Wir sehen, dass sowohl die eigene Verhaltensänderung als auch die Verhaltensänderung bei anderen ein sehr schwieriges Gebiet ist. Dennoch gibt es Mittel und Wege dies, wenn auch in begrenztem Umfang, zu bewirken. Und oft, wenn leider auch nur selten, sind diese Mittel und Wege einfacher anzuwenden als wir denken. Lassen Sie uns daher die wichtigsten Stationen dieses Themas noch einmal zusammenfassen. 11. Zusammenfassung Bei der Verhaltensänderung müssen wir zunächst einmal drei mögliche Formen unterscheiden: Verhaltensänderung aus eigenem Antrieb. Verhaltensänderung durch andere Personen Verhaltensänderung durch äußere Ereignisse Unser Denken, Fühlen und Handeln ist genauso wie die Bildung unserer Persönlichkeit das Ergebnis vieler gleichzeitig oder aufeinander folgender Aktivitäten in den unterschiedlichsten Gehirnarealen. Im Zusammenhang mit dem Thema der Verhaltensänderung spielt die Entwicklung unserer Persönlichkeit eine entscheidende Rolle. Diese Entwicklung vollzieht sich im wesentlichen auf 4 Ebenen unseres Gehirns: Die Ebene der vegetativen-affektiven Steuerung Sie ist die unterste Ebene und entsteht bereits in der 7. Schwangerschaftswoche. Die hier stattfindenden Antriebe und Affektzustände sind unser stammesgeschichtliches Erbe und sind weitgehend genetisch bedingt. Die Ebene der emotionalen Konditionierung Diese Ebene entsteht durch genetische Vorgaben, durch vorgeburtliche Prägung und frühkindliche psychosoziale Erfahrungen. Sie ist das „Kleinkind“ in uns und bleibt ein Leben lang egoistisch-egozentrisch. Die Ebene der limbischen Großhirnrinde Auf dieser Ebene geht es schwerpunktmäßig um Sozialverhalten, Aufmerksamkeitssteuerung, Risikoeinschätzung und das bewusste Gefühlsleben. Die Entwicklung dieser Ebene vollzieht sich von der frühen Kindheit bis ins Erwachsenenalter. Auf dieser Ebene lernen wir Fähigkeiten, die uns die Anpassung an natürliche und gesellschaftliche Einflüsse ermöglichen. Die Ebene der kognitiv-kommunikativen Funktionen Sie umfasst den präfrontalen Cortex als Sitz des Arbeitsgedächtnisses, des Verstandes und der Intelligenz. Und sie umfasst unsere Sprachzentren. Diese Ebene hat am wenigsten mit unserer Persönlichkeitsentwicklung zu tun. Sie entsteht in den späten Phasen der vorgeburtlichen Entwicklung und reicht bis ins Erwachsenenalter hinein. Die Wirkung der unteren Ebenen auf die oberen Ebenen ist wesentlich größer als umgekehrt. Ein aufgeschlossenes Temperament (Ebene 1) und eine positive emotionale Konditionierung (Ebene 2) machen es den gesellschaftlichen und erzieherischen Einflüssen (Ebene 3) leicht, und das Kind wird sich gesellschaftlich umgänglich und anpassungsfähig entwickeln. Umgekehrt wird es kaum möglich sein, ein verschlossenes und misstrauisches Kind (Ebene 1), das zudem traumatisierende Erfahrungen gemacht hat (Ebene 2) zu einer offenen und anpassungsfähigen Persönlichkeit (Ebene 3) zu entwickeln - da hilft auch die beste soziale Umgebung nur wenig. Ein besonderes Phänomen bei der Persönlichkeitsentwicklung ist, dass Verstand und Vernunft sich unterschiedlich entwickeln. Die Ursache hierfür besteht darin, dass die Areale des Gehirns, die für Verstand und Intelligenz zuständig sind (präfrontaler Cortex) nur verhältnismäßig wenig in Kontakt mit den Arealen stehen, die unsere soziale Vernunft steuern (limbische Areale). Hierin liegt die Begründung, dass es durchaus sein kann, dass jemand sehr intelligent aber nicht vernünftig i.S. sozialer Emotionalität ist. Bei der Frage nach den Möglichkeiten der Verhaltensänderung sind neben den grundlegenden Faktoren wie genetische Veranlagung, frühe Mutter-Kind-Beziehung und soziale Rahmenbedingungen auch neurobiologische Defizite nicht zu unterschätzen. Die Ursachen hierfür sind oft Stress, Leistungsdruck, falsche Ernährung, mangelnde Bewegung oder fehlende Entspannung. Ein Mangel des wichtigen Neurotransmitters Serotonin bewirkt z.B. ein Gefühl der Beunruhigung oder ruft das Gefühl des Bedrohtseins hervor. Weitere Einflussfaktoren bei der Verhaltensänderung finden wir in der Kommunikation. Wenn Menschen miteinander kommunizieren ist es nicht möglich Bedeutungen zu übertragen. Die Aussage „Der Ordner liegt auf dem Schreibtisch“ ist eindeutig und unmissverständlich. Die Aussage „Ich freue mich, dass Sie so erfolgreich sind“ ist hingegen mehrdeutig, da die Begriffe „Freude“ und „Erfolg“ an individuelle Emotionen gekoppelt sind. Kommunikation zwischen zwei oder mehr Menschen ist niemals ein direkter Austausch von Informationen, sondern lediglich die Anregung zu wechselseitiger bewusster oder unbewusster Konstruktion von Bedeutungen! Auch wenn es darum geht sich selbst zu verstehen, treten diese Probleme auf. Was wir fühlen ist das Ergebnis dessen, was uns unsere Großhirnrinde, also unser Bewusstsein, signalisiert. Das, was uns aber unsere Großhirnrinde signalisiert, ist wiederum das Ergebnis von Erregungen, die in tiefer gelegenen Arealen, wie z.B. in der Amygdala und dem mesolimbischen System, entstehen. Und das, was dort entsteht ist wiederum maßgeblich von unseren bereits erwähnten genetischen Veranlagungen und unserer vor- und frühnachgeburtlichen Prägung, also unserem Unbewusstsein abhängig. Was also in unserer Großhirnrinde als bewusste Gefühle oder Motive entsteht, sind Interpretationen der Erregungen aus den unbewusst arbeitenden limbischen Zentren. Einer der gefährlichsten Einflußfaktoren bei der Verhaltensänderung ist das täuschen von sich selbst und anderen. Diese geschieht häufig, wenn sich jemand überschätzt hat oder seine Ziele nicht erreicht. Wenn dies geschieht geht es immer darum, eine tiefe Verwundung zu kompensieren, was sich dann in verschiedenen Handlungsmustern ausdrückt. Mögliche Handlungsmuster sind dann: „Die Strategie der Selbstberuhigung“ „Die Strategie der Schuldzuweisung“ oder „Die Strategie des verkannten Genies“. Es ist also nicht so einfach sich oder andere zu ändern. Wenn es darum geht andere zu ändern werden in der Praxis meist folgende Strategien angewendet:’ Der Befehl von oben Der Appell an die Einsicht Beide Strategien funktionieren i.d.R. nicht oder nicht dauerhaft, da man hiermit nicht die Ebene der emotionalen Konditionierung, also das „Kleinkind“ in uns erreicht. Die einzige Strategie die Aussicht auf Erfolg hat, ist die Orientierung an der Persönlichkeit Bei dieser Strategie geht es darum die gewünschte Verhaltensänderung unter Wahrung der Selbstachtung und unter Berücksichtigung der Fähigkeiten eines Menschen zu erzielen. Diese Strategie ist allerdings sehr aufwendig, da sie voraussetzt, dass man die individuellen Persönlichkeitsmerkmale eines Menschen gut kennt. Der erste und einfachste Schritt hin zur Orientierung an der Persönlichkeit ist aber recht einfach: Man sollte mit den Menschen häufiger über persönliche Gespräche und weniger über Emails oder Chats kommunizieren, da bei diesen modernen Medien keine wirklichkeitsgetreuen Emotionen übertragen werden. Ein weiterer sehr wichtiger Aspekt ist die Vorbildfunktion desjenigen, der einen anderen verändern möchte. Und dabei geht es vor allem um Tugenden wie Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Pflichtbewusstsein, Höflichkeit und Gewissenhaftigkeit. Auch wenn es darum geht sich selbst zu ändern sind die Grenzen eng gesteckt. Erschwerend kommt hinzu, dass man sich selbst gegenüber ja kein Vorbild sein kann, denn wenn man bereits über alle tollen Vorbildeigenschaften verfügt, dann ja nur deshalb, weil uns unsere limbischen Ebenen dazu gemacht haben, aber nicht umgekehrt. Das einzige was hier hilft um die limbischen Ebenen „weich zu klopfen“ ist die Selbstmotivation. Diese Selbstmotivation ist immer dann nötig, wenn Zweifel aufkommen, man sich die Sinnfrage stellt, oder wenn man glaubt es nicht zu schaffen. Dabei gibt es im wesentlichen 4 Möglichkeiten: Vorbilder und Idole suchen Ziele klar formulieren Teilziele stecken (kleine Schritte) Selbstbelohnung
- Burnout und Depression
Wie der Traumjob zum Alptraum werden kann. Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 2. Die Fakten sprechen für sich 3. Was ist Burnout und was ist Depression? 4. Wer ist betroffen? 5. Organisch oder psychisch? 6. Die Komplexität des Gehirns 7. Bildgebende Verfahren 8. Biochemische Prozesse 9. Funktionelle Prozesse 10. Ein Blick in die Zukunft 11. Warnsignale 12. Bin ich betroffen? 13. Wo lauert die Gefahr? 14. Die 3 Säulen der individuellen Prävention 15. Regeneration 16. Delegation 17. Grenzen erkennen 18. Chancen für die Zukunft Burnout und Depression Wie der Traumjob zum Alptraum werden kann 1. Einleitung Es war an einem Herbsttag im Jahre 2003 als ein Taxi durch Berlin fuhr. Im Wagen saß kein geringerer als Deutschlands bekanntester Depressionsforscher und Leiter des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München. Prof. Dr. Dr. Florian Holsboer. Er war auf dem Weg zu einer Wissenschaftsstiftung, die ihm für seine Arbeit in der Depressionsforschung einen Preis verliehen hatte. Plötzlich klingelte sein Handy und eine Stimme meldete sich: „Hier ist Uli Hoeneß. Die Bildzeitung hat herausgefunden, dass Sebastian Deisler bei Ihnen in der Klink liegt. Wir haben für morgen eine Pressekonferenz einberufen, und ich möchte Sie bitten, dabei zu sein.“ Was war geschehen? Eine Woche zuvor hatte der Vereinsarzt des FC Bayern, Dr. Müller-Wohlfahrt, bei Dr. Holsboer angerufen und ihn gebeten einmal dringend in das Haus von Sebastian Deisler zu fahren, er habe den Verdacht, dass es ihm psychisch sehr schlecht ginge. Also machte Holzboer sich auf den Weg nach Grünwald, wo er den Hoffnungsträger des FC Bayern und Nationalspieler schwer depressiv in seinem Haus vorfand. Dr. Holsboer führte mit ihm ein längeres Gespräch und erklärte ihm, dass es ihm nur dann besser gehen könne, wenn er sich stationär behandeln lasse. Sebastian Deisler willigte ein, bestand aber darauf, dass seine Erkrankung öffentlich bekannt gegeben wird. Nach einer insgesamt achtwöchigen Behandlung in der Klinik des Max-Planck-Instituts konnte Deisler wieder nachhause gehen und seine Trainingsarbeit aufnehmen. Einen Rückfall in die Depression hatte er nicht, obwohl dies einige Medien so darstellten. Leider zog sich Deisler bei seinen Spielen einige schwere Verletzungen zu, die ihn letztendlich veranlassten den Fußballsport aufzugeben. Was aber blieb, ist ein Mensch, der durch seine Offenheit im Umgang mit der Krankheit, für viele ein Held geworden ist. Seit dieser Zeit hat sich in Deutschland die Akzeptanz der Depression deutlich erhöht. Burnout und Depression sind inzwischen weit verbreitete Volkskrankheiten. Schätzungen gehen Jahr für Jahr von einer immer größer werdenden Anzahl von Erkrankten und Gefährdeten aus. Seit der Jahrtausendwende spitzen sich die Zustände in der Arbeitswelt weiter zu: Die Auswirkungen der Globalisierung, Technologische Entwicklungen, ständige Veränderungsprozesse und eine wachsende Informationsflut sind nur einige Faktoren, die unser berufliches und privates Leben beeinflussen und die von unserem Gehirn bewältigt werden müssen – was uns aber immer seltener gelingt. 2. Die Fakten sprechen für sich Der ehemalige Vorstandvorsitzende der Mercedes Benz AG, Werner Niefer, sagte Anfang der 1990er Jahre: „Am Schaffen ist noch keiner gestorben. Dass sie einen aus der Fabrik tragen, weil er zuviel gearbeitet hat, das habe ich noch nicht erlebt.“ Wie unsinnig diese Aussage war, beweisen heute Fakten und Zahlen: Die Anzahl der Berufsunfähigkeitsfälle wegen psychischer Beschwerden ist von 1997 bis 2004 um fast 70% gestiegen. 2007 machte der erste Fall von Berufsunfähigkeit wegen Burnout Schlagzeilen: Eine Versicherungsgesellschaft hatte nach dreieinhalb Prozessjahren gegen den Kläger verloren und musste rückwirkend 148.000 € Berufsunfähigkeitsrente zahlen. Im September des gleichen Jahres berichtete die Süddeutsche Zeitung unter dem Titel „Die Arbeit hat ihn umgebracht“ über eine Zunahme der Suizide bei Arbeitnehmern französischer Firmen. Am 17.09.2009 schrieb die Welt: „Selbstmordwelle bricht über France-Télécom herein“, und berichtete über 23 Suizidfälle in nur 18 Monaten wegen vermutlich schlechter Arbeitsbedingungen. Das statistische Bundesamt hat ermittelt, dass es im Jahr 2007 in Deutschland 9402 Selbstmorde gab. Die Zahl der Selbstmordversuche wird um ein vielfaches höher geschätzt. Dr. Ulrich Hegerl von der Universität Leipzig sagte in einer Fernsehsendung von 3sat: „Mindestens 90 Prozent der Menschen, die sich das Leben nehmen, haben eine psychische Erkrankung". Depression, als eine von vielen psychischen Krankheiten, ist hierbei besonders häufig vertreten. Diese Berichte zeigen uns, dass man Krankheiten wie Burnout und Depression keineswegs unterschätzen darf und dass es jeden treffen kann. Die Weltgesundheitsorganisation WHO und die Weltbank sehen unter den Krankheiten, die die Menschheit am stärksten belasten, die Depression im Jahr 2030 an zweiter Stelle – direkt hinter Aids! Anfang 2008 erschien eine Studie des Bundesarbeitsministeriums mit dem Titel „Unternehmenskultur, Arbeitsqualität und Mitarbeiterengagement in den Unternehmen in Deutschland“. Diese bis dahin größte Studie an mehr als 37.000 Arbeitnehmern brachte erschreckende Ergebnisse zu Tage. Demnach sind lediglich 31% der Beschäftigten aktiv und engagiert bei der Arbeit. 37% sind zwar zufrieden, aber wenig engagiert. 32% sind sogar unzufrieden und desinteressiert. Die Anzahl der „völlig zufriedenen“ sank von 2001 bis 2006 von 16% auf nur noch 6%. In dieser Studie konnte auch erstmals ein statistischer Zusammenhang zwischen Mitarbeiterengagement und Unternehmenserfolg nachgewiesen werden: 30% des finanziellen Unternehmenserfolges hängen davon ab, ob die Mitarbeiter mit ihrer Arbeit zufrieden sind oder nicht. Die wichtigsten Merkmale hierbei waren der Stolz auf das Unternehmen und die Identifikation mit dem Unternehmen. Fazit: Unternehmer und Personalleiter dürfen Mitarbeiter nicht als austauschbare Produktionsfaktoren betrachten – Mitarbeiter sind der Unternehmenserfolg. Wenn man ihre Talente fördert, sich um ihre Motivation kümmert, ihre Arbeitsbedingungen kritisch hinterfragt und im Dialog versucht, diese zu optimieren, profitieren alle davon. Aus all den zuvor genannten Gründen und Fakten wollen wir uns heute einmal mit dem Thema Burnout und Depression genauer beschäftigen und Antworten auf folgende Fragen suchen: Was ist Burnout und was ist Depression? Was sind die Ursachen? Welche Erkenntnisse hat die Gehirnforschung? Wie erkenne ich, ob ich gefährdet bin Wie kann ich mich schützen? Fangen wir mit der ersten Frage an: Was ist Burnout und was ist Depression? 3. Was ist Burnout und was ist Depression? Heutzutage fordert das Berufsleben oftmals Phasen starker Belastung. In diesen Phasen muss man dann vielleicht für Monate so richtig ranklotzen und fühlt sich am Ende wie eine ausgequetschte Zitrone. Aber ist das schon Burnout oder Depression? Oder ist es nur eine vorübergehende Unlust am Beruf? In der Umgangssprache werden die Begriffe Burnout und Depression oftmals missverstanden oder falsch verwendet. In der Fernsehsendung „Wer wird Millionär“ sagte einmal Günther Jauch zu einem Kandidaten, der die richtige Antwort nicht wusste und das Gesicht verzog: „Sie müssen deswegen aber nicht gleich depressiv werden.“ Was er eigentlich meinte war aber, dass der Kandidat den Mut nicht verlieren muss, da er ja noch einen Joker besaß. Was aber ist nun Burnout und was ist Depression? Vereinfacht gesagt ist Burnout das Warnsignal, das eine Depression, oder auch eine andere Krankheit, anzeigt. Die Unterscheidung zwischen Burnout und Depression ist daher auch nicht ganz so einfach, da viele Symptome, wie Antriebslosigkeit, Gereiztheit, Leistungseinschränkung oder der Verlust von Selbstvertrauen, in beiden Fällen vorkommen. Per Definition ist Depression eine psychische Krankheit, die u.a. durch Antriebslosigkeit, Niedergeschlagenheit, Kontaktarmut, Interesselosigkeit, gegebenenfalls Angstneurosen und Reizbarkeit sowie durch verschiedene körperliche Störungen gekennzeichnet ist. Unterschieden werden kann die Depression in leicht, mittel und schwer. Die Abgrenzung zu einer vorübergehenden Unlust am Beruf ist ebenfalls nicht einfach. Wenn Sie sich aber einmal folgende Fragen stellen, werden Sie sehr schnell ein Gefühl für die Einstufung Ihrer persönlichen Situation bekommen: Brauchen Sie mehr Zeit als früher, um sich von einem anstrengenden Projekt zu erholen? Sind Sie, anders als früher, extrem gereizt? Ist Ihnen das, was beruflich und privat passiert, immer öfter egal? Meiden Sie den Kontakt zu Freunden und Angehörigen? Je stärker Sie diese Fragen mit „Ja“ beantworten, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie erkrankt sind und ärztliche Hilfe benötigen. Einen ausführlichen Selbsttest werden wir aber noch später kennen lernen. 4. Wer ist betroffen? Depression ist kein neumodisches Krankheitsbild und sie ist auch nicht spezifisch für bestimmte Berufs- oder Personengruppen. Blättert man einmal in einschlägigen Büchern oder Internetseiten, dann findet man viele Namen berühmter Menschen, die an Depressionen gelitten haben sollen: Ludwig van Beethoven Napoléon Bonaparte Marlon Brando Frédéric Chopin Eric Clapton Charles Darwin Prinzessin Diana Peter Gabriel Audrey Hepburn Elton John John Lennon Abraham Lincoln Martin Luther Michelangelo Claude Monet Sir Isaac Newton Richard Nixon Johanna von Orléans Rainer Maria Rilke Theodore Roosevelt Keanu Reeves Peter Tschaikowsky George Washington All diese Beispiele zeigen, dass Depression eine Erkrankung ist, die die Entfaltung großer Talente nicht zwangsläufig verhindert – sei es im Sport, in der Politik, in der Kunst oder in der Wirtschaft. Dennoch muss man sich im Klaren darüber sein, dass Depression eine sehr gefährliche und sogar potentiell tödliche Krankheit ist, wie wir am Beispiel des Fußballers Robert Enke sehen konnten. 5. Organisch oder psychisch? Kennen Sie das auch? Der Arzt hat Sie aufgrund Ihrer Beschwerden untersucht, kann aber nichts finden. Und dann kommt einer der wohl am häufigsten ausgesprochen Sätze unter Ärzten: Organisch ist alles in Ordnung! Was Ihr Arzt damit meint ist, dass die Ursache Ihrer Beschwerden psychisch ist. An dieser Stelle sollten Sie Ihrem Arzt einmal die Frage stellen, ob aus seiner Sicht das Gehirn kein Organ sei. Dieses Beispiel zeigt aber auch, dass in vielen Ärzten noch immer Überbleibsel der dualistischen Körper-/Geist-Diskussion stecken. Auch wird bis heute in vielen Lehrbüchern die Depression noch immer in zwei Hauptdiagnosen unterschieden: Die neurotische Depression Die endogene Depression Bei der neurotischen Depression hatte ein belastendes Ereignis zu einer Veränderung von Befinden und Verhalten geführt. Dieses belastende Ereignis hatte z.B. in der Kindheit oder auch erst kürzlich stattgefunden. Merkmale dieser Form sind Traurigkeit, Antriebslosigkeit, negative Einstellungen und Selbstvorwürfe. Typisch für diese Patienten ist auch ein übermäßiges Streben nach Zuwendung. Menschen, die an dieser Form der Depression erkranken, sollten nach veralteten Methoden mit einer Psychotherapie oder einer Psychoanalyse behandelt werden. Bei der endogenen Depression, also bei der „von innen kommenden“ Depression ging man lange Zeit davon aus, dass sie durch Störungen im Stoffwechselprozess des Gehirns entstehe, also auf biologische Prozesse zurückzuführen ist und somit auch mit biologischen Methoden zu behandeln sei, also mit Medikamenten vom Typ der sogenannten Antidepressiva. Nachdem in großen Studien nachgewiesen wurde, dass die Zweiteilung in neurotische und endogene Depression weder für die Therapie noch für die Prognose hilfreich ist, wird heute diese Aufteilung von den meisten Ärzten nicht mehr vorgenommen. Die Mechanismen, die zu einer Depression führen, sind derart kompliziert, dass wir erst seit kurzem hoffen dürfen, mit modernen Methoden der Biologie und anderer Naturwissenschaften ihre Entstehung zu entdecken. Dennoch sind die Forschungsergebnisse, die man in den letzten Jahren vor allem in der Genetik erzielte sehr vielversprechend. Es wird aber noch viel Zeit vergehen, bis die neuen Erkenntnisse den Weg in die klinischen Praxen und offiziellen Diagnostik-Handbücher finden werden. Dies ist auch kaum verwunderlich. Sind es doch rund 100 Milliarden Gehirnzellen, die in Ihrer Funktion sowohl im Zellinneren als auch in ihrer Wechselbeziehung zu anderen Zellen stehen. Dieses gigantische Netzwerk zu verstehen ist daher von seinem Schwierigkeitsgrad her durchaus vergleichbar mit den zu lösenden Aufgaben über die Funktionsweise des Weltalls. Bevor wir uns die aktuellen Erkenntnisse der Gehirnforschung über die Depression anschauen, wollen wir uns erst einmal bewusst machen, mit welch komplexem Organ wir es bei unserem Gehirn zu tun haben. 6. Die Komplexität unseres Gehirns Unser Gehirn wiegt zwar nur rund 1,5 Kg und macht somit an unserem Gesamtgewicht nur ca. 2% aus, dennoch müssen je nach Körpergröße zwischen 0,8 und 1,2 Liter Blut pro Minute durch die feinen Gefäße unseres Gehirns fließen, damit genügend Sauerstoff zur Verfügung steht. Dabei verbraucht unser Gehirn fast die Hälfte der in das Blut freigesetzten Glukose, also Blutzucker. Da das Gehirn selbst keine Energievorräte anlegen kann, ist es gegenüber einem Mangel an Sauerstoff oder Blutzucker besonders empfindlich. Schon geringe biochemische Veränderungen können daher bereits psychische Erkrankungen auslösen. Auch wenn man inzwischen bestimmte Gehirnareale identifiziert hat, die für eine Depression besonders wichtig sind, darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass es immer die einzelnen Areale übergreifenden Netzwerke sind, in denen sich die Aktivität vieler Millionen Neuronen ausbreitet. Ist die Aktivität, also die Signalwirkung der Zellnetzwerke fehlgesteuert, kommt es zu Störungen und infolgedessen zu psychischen Krankheitssymptomen. Wie komplex die Netzwerke und Schaltkreise in unserem Gehirn sind, machen folgende Zahlen deutlich: Wie bereits erwähnt besteht unser Gehirn aus rund 100 Mrd. Gehirnzellen, sogenannten Neuronen. Von jedem einzelnen Neuron gehen Antennen, sogenannte Dendriten aus, über die die Signale anderer Neuronen empfangen werden. Über diese Dendriten steht jedes einzelne Neuron mit tausenden anderer Neuronen in Verbindung. Neben den Antennen, also den Dendriten, verfügt jedes Neuron auch über ein sogenanntes Axon, worüber die empfangenen Signale an andere Neuronen weitergeleitet werden. Die Signalübertragung selbst findet an den synaptischen Endigungen der Neuronen statt, die in einem sehr geringen Abstand von nur 20 Nanometern, also einem zwanzigmillionstel Millimeter, zueinander stehen. Diese Aufgabe übernehmen chemische Botenstoffe, die sogenannten Neurotransmitter. Wird also an einer synaptischen Endigung z.B. der Neurotransmitter Serotonin in den synaptischen Spalt freigesetzt, dann durchqueren diese den 20 Nanometer breiten synaptischen Spalt und docken an den Rezeptoren der synaptischen Endigung des nächsten Neurons an. Werden diese Rezeptoren nun z.B. durch Serotonin aktiviert, setzen sie in dem Neuron eine ganze Kaskade von biochemischen Prozessen in Gang. Es werden im Zellkern Gene aktiviert und neue Eiweißmoleküle und andere Substanzen synthetisiert. Diese Substanzen wandern dann entlang des Axons in die dazugehörige Synapse, um den gleichen Vorgang eine Zelle weiter zu wiederholen. Wenn wir uns nun einmal vorstellen, dass jede, der 100 Milliarden Gehirnzellen etwa mit 10.000 anderen Zellen über die Synapsen in Verbindung stehen, haben wir es mit rund 1000 Billionen Synapsen zu tun, die Signale weiterleiten können. In einem Kubikmillimeter unseres Gehirns befinden sich schätzungsweise 100 Millionen Synapsen! Wären diese 100 Millionen Synapsen eines einzigen Kubikmillimeters unseres Gehirns Stechnadelköpfe mit einem Durchmesser von 3 mm und würde man diese aneinanderreihen, so ergäbe dies eine Strecke von 600 Km, also etwa die Entfernung von Köln nach Berlin. Hinzu kommt, dass nicht nur die Neuronen alleine für die Signalübertragung im Gehirn zuständig sind. Auch die sogenannten Gliazellen, die sich in Form einer Myelinschicht am Axon eines Neurons befinden und bei ca. 70-80% aller Gehirnzellen vorkommen, haben einen erheblichen Einfluss. Nicht nur das diese Gliazellen das Axon schützen, die Geschwindigkeit der Signalübertragung erhöhen und für die Ernährung der Gehirnzellen zuständig sind. Diese Gliazellen sind auch von zentraler Bedeutung für die Blut-Hirn-Schranke und aktuellen Forschungsberichten zufolge auch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von zentraler Bedeutung bei der Entstehung von Depressionen. 7. Bildgebende Verfahren Von großer Bedeutung für die Hirnforschung sind die bildgebenden Verfahren, allen voran die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT). Dieses Verfahren ermöglichst es uns Einblicke in das menschliche Gehirn zu gewinnen, indem der Glukoseverbrauch, als der Zuckerverbrauch, gemessen wird. Und da eine große Menge Blut in kurzer Zeit durch das Gehirn fließt, nämlich bis zu 1,2 Liter pro Minute, erstaunt es nicht, dass sich selbst kleinste Veränderungen im Glukoseverbrauch nachweisen lassen. Inzwischen gibt es fast schon unzählige Versuche, in denen durch dieses Verfahren positive als auch negative Emotionen in bestimmten Hirnarealen nachgewiesen werden konnten. Das die Begeisterung an solchen Versuchen sehr groß ist, ist verständlich. Widerlegen sie doch in eindrucksvoller Weise, wie wenig sinnvoll die dualistische Körper-/Geistdiskussion ist. Von Patienten, die an Depressionen erkrankt sind, weiß man, dass sie die Welt wie hinter einem dunklen Schleier erleben. Sie interpretieren Ereignisse negativ, können sich nicht mehr freuen und auch das Erinnerungsvermögen ist oftmals eingeschränkt. Von daher ist es auch nicht erstaunlich zu beobachten, wie sich die Aktivierbarkeit von bestimmten Hirnarealen bei Menschen mit und ohne Depression unterscheidet. Besonders die Amygdala, ein Areal das maßgeblich an der Verarbeitung von Emotionen beteiligt ist, wird durch emotionsgeladene Bilder besonders leicht aktiviert. Wie aber entstehen nun Depressionen und was bewirken sie letzt endlich? Dieser Frage wollen wir uns zunächst einmal auf biochemischer Ebene, also der Ebene der einzelnen Gehirnzellen, und danach auf funktioneller Ebene, also der Ebene der Gehirnareale, widmen. 8. Biochemische Prozesse Vorab sei gesagt, dass die Wissenschaft bis zum heutigen Tage noch keine endgültigen Antworten auf die Frage nach der Entstehung von Depressionen geben kann. Dennoch gibt es inzwischen Erkenntnisse, die uns dem Ziel große Schritte näher bringen. Hierzu haben maßgeblich zwei Wissenschaftler beigetragen: Die Pharmakologen Julius Axelrod und Arvid Carlsson, die für ihre Arbeit mit dem Nobelpreis geehrt wurden. Ausgangspunkt der Forschung war ein Medikament mit dem Namen Imipramin. Dieses Medikament wurde ursprünglich von dem Schweizer Konzern Geigy, heute Novartis, zur Behandlung von Schizophrenie entwickelt. Bei der klinischen Erprobung stellte man jedoch fest, dass es hierfür völlig untauglich war, jedoch gegen depressive Stimmungen sehr gut half. Es war die Geburtsstunde des ersten Antidepressivums. Die Frage, welche Aktivitäten im Gehirn von Imipramin ausgingen war weltweit Gegenstand vieler Forschungen. Und das nicht nur, um die Wirkungsweise zu verstehen, sondern auch um etwas über die Entstehung von Depressionen zu erfahren. Zunächst fand man heraus, dass Imipramin die Konzentration des Neurotransmitters Noradrenalin beeinflusste, ein Neurotransmitter, der u.a. bei unserer Motivation, dem Grad der Aufmerksamkeit und unserer geistigen Leistungsfähigkeit eine große Rolle spielt. Was man bereits wusste war, dass ein Neurotransmitter, der freigesetzt wurde, im Prinzip drei Schicksale erleiden kann: Er überquert den synaptischen Spalt, um an den Rezeptoren der verbundenen Zelle das Signal weiterzuleiten. Er wird im synaptischen Spalt durch verschiedene Enzyme abgebaut. Er kehrt in das synaptische Endknöpfchen zurück, aus dem er freigesetzt wurde. Eine geradezu bahnbrechende Entdeckung machte der amerikanische Pharmakologe Julius Axelrod. Axelrod fand heraus, dass Imipramin den dritten Schicksalsweg des Neurotransmitters Noradrenalin, also die Wiederaufnahme, hemmt. Hiermit war das Prinzip der Wiederaufnahmehemmung als Basismechanismus für die Wirkung von Antidepressiva entdeckt. Einige Jahre später wurde dann nachgewiesen, dass Imipramin auch die Konzentration von Serotonin, einem Neurotransmitter, der z.B. unsere Ängste dämpft, verändert. Diesmal war es der schwedische Pharmakologe Arvid Carlsson, der nun auch die Wiederaufnahmehemmung von Serotonin durch Imipramin nachweisen konnte. Bei der Wirkung von Imipramin, dem ersten Antidepressivum, waren nun die beiden Hauptakteure entlarvt. Es waren die Neurotransmitter Noradrenalin und Serotonin. Man glaubte sich schon fast am Ziel seiner Träume, denn was lag nun näher als die Annahme, durch die Konzentrationssteigerung von Noradrenalin und Serotonin, ein krankheitsbedingtes Defizit ausgleichen zu können und somit sowohl die Ursache, als auch das Gegenmittel der Depression zu kennen. Zweifel an dieser Hypothese kamen erst in den letzten Jahren auf, als man nämlich bei Versuchspersonen die Serotoninkonzentration reduzierte, diese Versuchspersonen aber dennoch nicht depressiv wurden. Machte man das gleiche Experiment mit Depressionskranken, die mit einem Serotonin-Wiederaufnahmehemmer behandelt wurden, so führte dies hingegen zu einer erneuten Depression. Ein weiterer Grund die Neurotransmitter Noradrenalin und Serotonin nicht als die alleinigen Verantwortlichen für die Krankheit Depression zu verdächtigen, ergab sich aus dem Zeitraum, der zwischen der Einnahme des Medikaments und dem Rückgang der Depression lag. Nach der Einnahme des Medikaments vergeht keine Stunde und die Erhöhung des Noradrenalin- und Serotoninspiegels ist nachweisbar. Die Verbesserung der Depression, also die Aufhellung der Stimmung des Patienten, dauert aber mindestens zwei bis drei Wochen – oft sogar noch viel länger. Aus diesen Feststellungen heraus und aus vielen Studien und Versuchen, die inzwischen durchgeführt wurden, lässt sich heute mit Bestimmtheit nur folgendes sagen: Die Einnahme von Antidepressiva als Wiederaufnahmehemmer, führt zu einer Konzentrationssteigerung bestimmter Neurotransmitter. Diese Konzentrationssteigerung ist aber nicht die Antwort auf eine Depression, sondern lediglich eine erneute Ursache für eine Kettenreaktion, die dadurch in Gang gesetzt wird. Ist die Erhöhung der Neurotransmitter erst einmal erfolgt, verändert dies als nächstes die Rezeptorenempfindlichkeit – Dann aber geht die „Party“ im Netzwerk der Neuronen erst so richtig los, denn die Rezeptoren stehen ihrerseits ebenfalls nur als Ursache am Anfang einer Signalkette, die sich quer durch die Zelle bis zum Zellkern fortpflanzt. Im Zellkern angekommen, aktivieren oder deaktivieren die Signale Gene. Als Ergebnis dieser Stimulation werden nun aus Aminosäuren, die in der Zelle vorhanden sind, Eiweißmoleküle, sogenannte Peptide, hergestellt. Mit Hilfe dieser Eiweißmoleküle werden dann wiederum u.a. neue Neurotransmitter hergestellt. Diese werden dann durch die lange Nervenfaser, das Axon, bis zur Nervenendigung, dem synaptischen Endknöpfchen, transportiert und bei Zellaktivierung in den synaptischen Spalt freigesetzt. Jetzt beginnt das ganze Spiel von vorne, nur eine Zelle weiter. Und dabei reagiert jede Gehirnzelle anders, denn jede einzelne Gehirnzelle hat ihre individuelle Struktur an Rezeptoren, Genen, Peptiden usw. Was man heute weiß ist, dass Antidepressiva wirken. Was man noch nicht weiß ist, an welcher Stelle sie wirken, also wo in der durch Antidepressiva ausgelösten gigantischen Kettenreaktion die positive Wirkung zur Linderung der Depression erzielt wird. Dies herauszufinden wird eine der Hauptaufgaben der Depressionsforschung der Zukunft sein, denn wenn die Wirkung von Antidepressiva geklärt ist, wird man auch der Ursache von Depressionen dicht auf den Fersen sein. 9. Funktionelle Prozesse Verlassen wir einmal die Ebene der Gehirnzellen und schauen uns nun einmal an, was auf der funktionellen Ebene, also der Ebene der Hirnareale, bei Depressionen geschieht. Eine besonders interessante Entdeckung machte der amerikanische Biologe Robert Sapolsky. In einem Naturpark der Serengeti in Kenia beobachtete er eine Kolonie von Pavianen, bei denen eine streng hierarchische Ordnung herrscht. Bei den Pavianmännchen, die in der Hierarchie ganz untern stehen, bei der Nahrungsverteilung benachteiligt werden und sich auch den Weibchen nicht nähern dürfen, ohne von den dominierenden Alphatieren angegriffen zu werden, konnte er eine Verkleinerung des Hippocampus beobachten. Der Hippocampus ist eine Hirnregion, in der viele Informationen zusammenlaufen und von ihr in verschiedenen Gedächtnisspeichern abgelegt werden. Auch bei Menschen, die an Depressionen leiden, hat man mit Hilfe von bildgebenden Verfahren eine Verkleinerung des Hippocampus feststellen können und durch die Einnahme von Antidepressiva eine weitere Schrumpfung verhindern können. Der Hippocampus ist unter anderem eng mit dem präfrontalen Cortex, dem Hypothalamus und der Amygdala verschaltet. Die Amygdala lässt sich mit einer Art Alarmanlage vergleichen; denn dort wird alles, was wir mit unseren Sinnesorganen wahrnehmen, rasch bewertet, die davon ausgehende Gefahr abgeschätzt und eine Abwehrreaktion eingeleitet, noch bevor wir uns gedanklich der Gefahr bewusst werden. Es ist also leicht nachvollziehbar, dass man bei Menschen, die an Depression erkrankt sind, denen alles bedrohlich und negativ eingefärbt erscheint, eine Veränderung der Aktivität in der Amygdala vermutet. Die andere Hirnstruktur, die mit dem Hippocampus verschaltet ist, ist der Hypothalamus, eine Hirnstruktur, die nur 15 Gramm schwer und nicht größer als ein 5-Centstück ist. Diese sitzt gewissermaßen auf dem Boden unseres Gehirns und ist so etwas wie eine Relaisstation, die alle Aktionen unseres Gehirns in Aufträge übersetzt und in Form von Eiweißmolekülen an die Hypophyse, also die Hirnanhangdrüse leitet. Die Hirnanhangdrüse liegt in der Nachbarschaft des Hypothalamus, befindet sich aber bereits außerhalb unseres Gehirns und hat direkten Zugang zum Blutkreislaufsystem. Die Eiweißmoleküle, die der Hypothalamus an die Hirnanhangdrüse sendet, produzieren in dieser Drüse Hormone, die unter anderem unser Befinden bestimmen. Die Entschlüsselung dieses Organisationsplans auf molekularer, biochemischer und auch funktioneller Ebene ist für die gegenwärtige Erforschung der Depression von zentraler Bedeutung. Vor allem die Gründe, warum Antidepressiva einer Schrumpfung des Hippocampus vorbeugen, ist wichtiger Bestandteil der aktuellen Forschung. Eine gängige Hypothese ist, dass im Hippocampus aus Stammzellen neue Gehirnzellen entstehen. Hierfür ist ein Eiweißmolekül besonders wichtig. Es trägt den etwas ungewöhnlichen Namen „Brain Derived Neurotrophic Factor“, abgekürzt BDNF. Die Produktion dieses Eiweißmoleküls wird z.B. durch Stress unterdrückt, wodurch vermutlich auch die Produktion neuer Gehirnzellen im Hippocampus verhindert wird. Durch Antidepressiva wird die Konzentration von BDNF aber wieder erhöht. Man vermutet daher, dass Antidepressiva zunächst die Serotonin- und Noradrenalinrezeptoren stimulieren, wodurch in der Zelle viele Prozesse angestoßen werden und die auch zur Aktivierung der BDNF-Synthese führen. Verlässt BDNF die Zelle, kann sich dieses Eiweißmolekül an der Produktion von Nervenzellen beteiligen. Diese Hypothese ist aus zweierlei Gründen sehr realistisch: Sie erklärt, warum sich das verringerte Volumen des Hippocampus bei Depressionspatienten durch Einnahme von Antidepressiva wieder erhöht. Sie macht plausibel, weshalb zwischen der Einnahme von Antidepressiva und ihrer Wirkung mehrere Wochen vergehen können. 10. Ein Blick in die Zukunft Während sich der Zellbiologe mit der Entstehung krankheitsverursachender Mechanismen auf Zellebene beschäftigt, befasst sich der Psychologe mit den Bedingungen für Erleben und Verhalten. Wichtig ist zu erkennen, dass Zellbiologen, Biochemiker, Genetiker und Psychologen sich auf dem gleichen Terrain bewegen – Abgrenzungsversuche wären völlig kontraproduktiv. Wie bei vielen anderen Phänomenen des Lebens, kommt es auch hier auf die richtige Mischung an – hier eben die Mischung der verschiedenen Disziplinen. Blickt man auf die Geschichte der Depression zurück, so wird eines deutlich: Diese Erkrankung gibt es, seit es Menschen gibt, nur hat man sich zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Kulturen ebenso unterschiedlich mit dieser Krankheit auseinandergesetzt. Wie verschlungen die Wege der unterschiedlichen Kulturen auch gewesen sein mögen, zwei Entwicklungen lassen hoffen: Die gesellschaftliche Akzeptanz von psychischen Krankheiten wird immer größer. Die Erfolge der Forschung in den letzten Jahren haben das Wissen über die Entstehung der Depression auf ein bisher ungeahntes Niveau katapultiert. Man kann daher mit Recht große Hoffnung haben, dass schon bald die Krankheitsursachen entschlüsselt sein werden und gezielte Therapien entwickelt werden können – Die Menschheit hat darauf tausende Jahre gewartet. Was aber noch wirkungsvoller als die beste Therapie ist, ist die Prävention. Wenn wir es schaffen unser Leben so zu gestalten, dass wir unserem Gehirn keinen Grund geben, psychische Krankheiten ausbrechen zu lassen, werden wir von vielen unangenehmen Dingen verschont bleiben. 11. Warnsignale Wie wir bereits erfahren haben, ist Burnout das Warnsignal, das eine Depression, oder auch eine andere Krankheit, anzeigt. Die Warnsignale, die uns den Grad der Betroffenheit anzeigen verlaufen in 3 Phasen: Phase 1: Emotionale Erschöpfung In dieser Phase fühlen sich Betroffene im Job frustriert und ausgelaugt. Positive Energien und Schwung für einen neuen Arbeitstag nehmen immer mehr ab. Die Fähigkeit sich in der Freizeit zu regenerieren nimmt ebenfalls ab. Phase 2: Depersonalisation (Entpersönlichung) Hier kommt es zu Gereiztheit und schließlich zu Gleichgültigkeit im Beruf und Privatleben. Es erwächst eine Gefühllosigkeit gegenüber Mitarbeitern und Kunden. Resignation stellt sich ein und es kommt zu einer weitgehenden Kontaktvermeidung, um sich Emotionen so wenig wie möglich aussetzen zu müssen. Phase 3: Leistungseinschränkung Diese Phase ist durch einen starken Leistungsabfall gekennzeichnet. Betroffene haben eine negative Selbsteinschätzung und verlieren ihr Selbstvertrauen. Erfolge werden nicht mehr wahrgenommen. Es kommt zu einem massiven Verlust von Kompetenzgefühl und schließlich zur Reduzierung der Produktivität. 12. Bin ich betroffen? Um herauszufinden, ob man selbst gefährdet ist, gibt es verschiedene Fragebögen. Die zwei bekanntesten Fragebögen sind der „Maslach Burnout Inventory (MBI)“ und der „Tedium Measure (TM)“. Da diese Burnout-Messinstrumente aber sehr umfangreich und aufwendig sind, möchte ich Ihnen anhand einer an den MBI angelehnten Checkliste helfen, einen Einblick in Ihre augenblickliche Gefährdung zu bekommen. Bitte beantworten Sie die nachfolgenden Fragen spontan und ohne lange zu überlegen. Vergeben Sie 1 bis 5 Punkte je nachdem, wie stark ein Kriterium auf Sie zutrifft. Seien Sie ehrlich zu sich selbst. Ich fühle mich durch meine Arbeit ausgebrannt. Der direkte Kontakt mit Menschen in meiner Arbeit belastet mich stark. Ich fühle mich durch meine Arbeit emotional erschöpft. Ich fühle mich durch meine Arbeit frustriert. Ich glaube, dass ich nicht mehr weiterweiß. Am Ende des Arbeitstages fühle ich mich verbraucht. Ich befürchte, dass diese Arbeit mich emotional verhärtet. Es macht mir nicht wirklich viel aus, was mit manchen meiner Kollegen / Mitarbeiter / Kunden passiert. Seit dem ich diese Arbeit ausübe, bin ich gefühlloser im Umgang mit Menschen geworden. Ich reagiere gereizt auf im Grund normale Fragen und Anregungen in meiner Arbeit. Ich habe meine dienstlichen Kontakte reduziert. Es ist leicht für mich, eine entspannte Atmosphäre in meinem Job herzustellen. Ich fühle mich sehr tatkräftig. Ich gehe ziemlich erfolgreich mit meinen beruflichen Herausforderungen um. Ich habe das Gefühl, dass ich durch meine Arbeit das Leben anderer Menschen positiv beeinflusse. Ich habe in meiner Arbeit viele lohnenswerte Dinge erreicht. Auswertung Emotionale Erschöpfung Unter 10 Punkte: Sie sind nicht oder nur wenig erschöpft. Sie können sich gut erholen, haben ausreichende Möglichkeiten, sich in Beruf und Freizeit zu regenerieren, und praktizieren diese regelmäßig und in einem für Sie passenden Rhythmus. Zwischen 10 und 20 Punkte: Sie sind an der Grenze zur emotionalen Erschöpfung und sollten schnellstmöglich Ihre Regenerationsmöglichkeiten überdenken. Wie lange brauchen Sie, um sich von einem anstrengenden Arbeitstag zu entspannen? Wie lange dauert es, bis Sie im Urlaub abschalten können? Können Sie aus dem Stegreif fünf Möglichkeiten nennen, bei denen Sie sich entspannen können? Wie oft praktizieren Sie diese Möglichkeiten und in weIchem Rhythmus? Über 20 Punkte: Sie müssen dringend Ihre Regenerationsfähigkeit erhöhen. Mit welchen Methoden entspannen Sie derzeit, oder falls das kaum mehr möglich ist, womit haben Sie früher in der Berufsausbildung, Schulzeit, im Urlaub oder während einer anderen ruhigen Zeit entspannt? Wie können Sie diese Möglichkeiten wiederentdecken? Auswertung Depersonalisation Entpersönlichung des Kontaktes, d. h. Kontakte werden weniger persönlich mit den Menschen, denen Sie in Ihrer Arbeit begegnen, wie z.B. Kunden, Klienten, Mitarbeiter und Kollegen. Unter 9 Punkte: Sie sind engagiert und können Ihre Emotionen in Ihre Arbeit einfließen lassen. Wut, Enttäuschungen oder freudige Erlebnisse im Beruf halten sich die Waage, Sie nehmen davon nur gelegentlich etwas „mit nach Hause“ und können Ihre beruflichen Sorgen in der Regel gut verarbeiten. Im Kontakt zu Kollegen, Mitarbeitern, Kunden und Klienten sind S